Historische SMBl. NRW.
Historisch: Richtlinien für den Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren RdErl. d. Innenministeriums v. 23. 7. 1991 - IV D 1/C 3 - 6402/8535l
Historisch:
Richtlinien für den Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren RdErl. d. Innenministeriums v. 23. 7. 1991 - IV D 1/C 3 - 6402/8535l
Richtlinien für den Einsatz von
Geruchsspurenvergleichshunden
im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
RdErl. d. Innenministeriums v. 23. 7. 1991 - IV D 1/C 3 - 6402/8535l
1
Grundsätzliches
1.1
Der Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden im Strafverfahren dient der
Prüfung, ob sich ein den Ermittlungsbehörden bekannter Tatverdächtiger oder
Zeuge am Tatort aufgehalten hat oder mit einem Beweisstück in Berührung
gekommen ist. Die Tatrelevanz eines festgestellten Kontaktes bedarf eines
zusätzlichen Nachweises.
Der Geruchsspurenvergleich ist ein Hilfsmittel, mit dem ein Tatverdacht
erhärtet werden kann. Er ist kein Beweismittel im naturwissenschaftlichen
Sinne. Seine Aussagekraft ist bei korrekt durchgeführtem Verfahren jedoch sehr
hoch, so dass dem Geruchsspurenvergleich insbesondere im Zusammenhang mit
anderen Indizien ein hoher Beweiswert zukommen kann.
1.2
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren beruht auf der Tatsache, dass jeder Mensch
ein Geruchsbild aufweist, das durch genetische und variable umweltbedingte
Faktoren bestimmt wird. Bisher nicht widerlegt ist dabei die Annahme, dass der
genetisch bedingte Bestandteil des menschlichen Geruchs einmalig und somit bei
jedem Menschen unterschiedlich ist. Ob sich dieser individuelle Eigengeruch im
Laufe des Lebens verändert, ist noch nicht bekannt. Der Eigengeruch ist auch im
Blut und allen anderen menschlichen Sekreten und in Exkrementen nachweisbar.
1.3
Der menschliche Geruch überträgt sich mittels aller Körperausscheidungen und
Blut durch Kontamination auf Gegenstände und lässt sich auf diesen nachweisen.
Eine besondere Bedeutung hat dabei der Schweiß, der in der Regel durch
Hautkontakte übertragen wird. Im Strafverfahren wird es dadurch möglich, Geruchsspuren
an Gegenständen, die der Täter am Tatort berührt hat, mit dem Geruch von
Tatverdächtigen zu vergleichen.
1.4
Hunde sind aufgrund ihres hochentwickelten Riechsinnes in der Lage,
Duftgemische wahrzunehmen und Teilgerüche herauszufiltern. Sie können verschiedene
Mischgerüche vergleichen und bei Duftgemischen identische Teilgerüche
feststellen.
1.5
Das Wiedererkennen des Geruchs durch einen speziell ausgebildeten Hund ist eine
Sinnesleistung, die der visuellen Identifikation einer Person anhand eines Filmes
oder Lichtbilds durch einen Menschen annähernd vergleichbar ist, ohne dass
dabei wie bei einem Zeugen eine besondere Gedächtnisleistung verlangt wird.
1.6
Die Möglichkeit, Geruchsspuren wahrzunehmen und zu identifizieren, sinkt mit
zunehmendem Alter der Geruchsspur. Daneben wird die Wahrscheinlichkeit einer
Identifizierung durch vorausgegangene kriminaltechnische Untersuchungen
erheblich gemindert, insbesondere nach Einsatz von
Cyanacrylat,
Ninhydrin-Verfahren (Tauchbad),
Rußpulver,
Jodierverfahren und
Klebefolie auf glatten Flächen.
2
Anwendungsbereich
2.1
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren dient nicht dem Zweck, Ergebnisse
kriminalwissenschaftlicher oder -technischer Untersuchungen zu bestätigen,
anzuzweifeln oder zu widerlegen.
2.2
Geruchsspurenvergleichshunde können sinnvoll eingesetzt werden, wenn
- Gegenstände (Beweismittel) vorhanden sind, mit denen der Täter mit hoher
Wahrscheinlichkeit körperlich in Berührung gekommen ist oder
Körperausscheidungen/Blutspuren vorhanden sind, die mit hoher Wahrscheinlichkeit
dem Täter zuzuordnen sind,
- ein oder mehrere Tatverdächtige vorhanden sind, die die Täterschaft oder den
Kontakt mit dem Beweisstück oder dem Tatort bestreiten,
- nach den vorhandenen Spuren mit herkömmlichen kriminalistischen Untersuchungsmethoden
eine Täterschaft voraussichtlich nicht oder nicht hinreichend nachweisbar
erscheint.
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren ist auch geeignet, den Körperkontakt von
Zeugen mit Gegenständen nachzuweisen oder Körperausscheidungen/Blut Zeugen
zuzuordnen.
2.3
Der Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden ist nicht auf Delikte der
Schwerkriminalität beschränkt. Die Landespolizeischule für Diensthundführer
entscheidet über die Priorität des Einsatzes der Hunde unter Berücksichtigung
der Schwere der Straftaten. Mit den ersuchenden Behörden ist nach Möglichkeit
das Einvernehmen herzustellen.
2.4
Ein Geruchsspurenvergleich kann kriminalwissenschaftliche oder -technische
Untersuchungen beeinträchtigen oder vereiteln und umgekehrt.
Beim beabsichtigten Einsatz der Hunde bedarf es daher einer
Prioritätenentscheidung, die in Zweifelsfällen mit der Landespolizeischule für
Diensthundführer und mit der für eine kriminalwissenschaftliche oder
-technische Untersuchung zuständigen Dienststelle abzustimmen ist.
Die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft bleibt unberührt.
3
Spurensuche und -sicherung am Tatort
3.1
Bei der Spurensuche ist zu bewerten, welche Gegenstände der Täter durch
Hautkontakt berührt haben muss oder mit hoher Wahrscheinlichkeit berührt haben
könnte. Auf Sekrete und Exkremente, die dem Täter zuzurechnen sind, ist zu
achten.
3.2
Hautkontakt mit Gegenständen, die für einen Geruchsspurenvergleich
sichergestellt werden, ist zu vermeiden. Personen, die einen solchen Gegenstand
möglicherweise kontaminiert haben, sind zu erfassen und für die
Ermittlungsakten zu dokumentieren, um sie bei einem späteren
Geruchsspurenvergleich als Vergleichspersonen ausschließen zu können.
3.3
Gegenstände/Spuren sind im trockenen Zustand in neuen und durch Auskochen
gereinigten und geschlossenen Glasbehältern, ersatzweise Aluminium- oder
Einwegplastiktüten, zu sichern. Werden Einwegplastiktüten verwendet, sind die
Gegenstände/Spuren zum Zwecke der ausschließlichen Verwahrung nach Möglichkeit
zusätzlich in Gläsern zu lagern. Scheidet diese Art der Aufbewahrung aus, ist
eine sterile Kompresse für eine Zeitdauer von ca. 24 Stunden mit dem
Geruchsspurenträger zu kontaminieren. Anstelle des Gegenstandes ist die
Kompresse wie beschrieben in Verwahrung zu nehmen.
Die Duftspur in der Kompresse ist schwächer als die originale Geruchsspur.
Die sichergestellten Geruchsspurenträger verbleiben zunächst bei der
ermittlungsführenden Behörde.
4
Vorbereitung des Geruchsspurenvergleichsverfahrens
4.1
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren kann durchgeführt werden, sobald gegen
eine Person Tatverdacht besteht.
4.2
Geruchsspurenvergleichshunde werden zentral an der Landespolizeischule für
Diensthundführer vorgehalten. Sie hält auch das für die Durchführung des
Geruchsspurenvergleichs erforderliche Gerät und Material bereit. Sie
gewährleistet die sachgerechte Durchführung des Geruchsspurenvergleichs und
deren Dokumentation für das Strafverfahren.
4.3
Um eine Beeinflussung der Hunde zu vermeiden, ist eine Konfrontation zwischen
diesen und den Tatverdächtigen/Zeugen sowie den Vergleichspersonen zu
verhindern.
4.4
Die Geruchsspuren des Tatverdächtigen/Zeugen und der Vergleichspersonen werden
auf einen Geruchsspurenträger durch Kontamination übertragen. Außer dem
Tatverdächtigen/Zeugen sind dazu regelmäßig sechs weitere Vergleichspersonen
heranzuziehen. Als Spurenträger sind Vierkantröhrchen aus Edelstahl zu
verwenden, die vor der Kontamination thermisch gereinigt werden.
4.5
Die Personen kontaminieren die Metallröhrchen in der Regel über die Hand. Dabei
halten sie die Metallröhrchen für die Dauer von ca. zwei Minuten fest. Der
Kontaminationszeitpunkt kann innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich
sein.
4.6
Die Vergleichsröhrchen sind, nach Personen getrennt, in thermisch gereinigten
Gläsern zu sichern und für den Test aufzubewahren. Die Gläser sind unmittelbar
mit dem Namen der Personen zu beschriften.
4.7
Das Kontaminationsverfahren ist für die Ermittlungsakten zu dokumentieren.
4.8
Die Kontamination der Vergleichsröhrchen erfolgt in der Regel bei der anfordernden
Kreispolizeibehörde mit fachlicher Unterstützung durch einen Beamten der
Landespolizeischule für Diensthundführer.
Originalspur und Vergleichsmaterial sind diesem Beamten nach Abschluss des
Kontaminationsverfahrens zur Durchführung des Geruchsspurenvergleichsverfahrens
zu übergeben.
5
Durchführung des Geruchsspurenvergleichs
5.1
Der Geruchsspurenvergleich wird in der Regel bei der Landespolizeischule für
Diensthundführer durchgeführt.
Die kontaminierten Vierkantröhrchen werden auf vorher thermisch gereinigten
Edelstahlflächen einer Arbeitsplattform ausgerichtet. Die Reihenfolge der
Spurenträger ist auszuwürfeln (Zufallsprinzip) und zu protokollieren. Um eine
psychische Beeinflussung der Hunde durch ihre Diensthundführer zu vermeiden,
befinden sich diese mit den Hunden bei der Vorbereitung des Vergleichstests
außer Sicht- und Hörweite. Die Diensthundführer dürfen nicht wissen, an welcher
Stelle sich das von dem Tatverdächtigen/Zeugen kontaminierte Röhrchen befindet.
Der Geruchsspurenvergleichshund hat sich zunächst die auf dem Gegenstand
(Ausgangsspur) vorhandenen menschlichen Geruchsspuren durch intensives Abspüren
einzuprägen. Unmittelbar danach hat er den Abgleich an den
Vergleichsgeruchsspurenträgern durchzuführen.
Stellt der Hund an einem der ausgelegten Metallröhrchen eine Identität mit der
Ausgangsspur fest, zeigt er das durch Kratzen und Beißen an dem entsprechenden
Spurenträger an. Dieser ist daraufhin freizugeben (Belohnung, Befriedigung des
Spieltriebs).
5.2
Die Landespolizeischule für Diensthundführer hat die Durchführung des
Geruchsspurenvergleichs für die Ermittlungsakten beweiskräftig zu
dokumentieren. Die Dokumentation ist nach Möglichkeit durch Videoaufnahmen zu
ergänzen, die insbesondere das Verhalten der Geruchsspurenvergleichshunde während
des Tests belegen sollen.
5.3
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren gliedert sich in Vor- und Haupttest. Beide
Tests werden an einem Tag durchgeführt.
5.3.1
Der Vortest dient der Kontrolle gegenüber unerwünschten Zuordnungspräferenzen
und damit dem Nachweis der Unvoreingenommenheit des
Geruchsspurenvergleichshundes gegenüber dem Tatverdächtigen/Zeugen. Zu diesem
Zweck ist dem Hund als Ausgangsspur ein Gegenstand vorzuhalten, der von einer
Vergleichsperson berührt wurde. Arbeitet der Hund fehlerfrei, darf er nicht das
vom Tatverdächtigen/Zeugen, sondern muss das von der Vergleichsperson
kontaminierte Röhrchen zuordnen.
Bei der Durchführung des Vortests ist Wert darauf zu legen, dass der Hund das
von dem Tatverdächtigen/Zeugen kontaminierte Vergleichsröhrchen prüft. Ist das
nicht der Fall, muss der Vortest wiederholt werden.
5.3.2
Im Haupttest ist dem Hund der sichergestellte Gegenstand (Ausgangsspur)
vorzuhalten. Ihm ist Gelegenheit zu geben, intensiv Witterung aufzunehmen.
Anschließend hat er frei ohne Anleinen die ausgelegten Röhrchen zu prüfen. Bei
dem Vortest und dem Haupttest wird mit Ausnahme der im Vortest zugeordneten
Person dieselbe Vergleichsgruppe eingesetzt.
5.4
Für den Geruchsspurenvergleich sind drei Geruchsspurenvergleichshunde
unabhängig voneinander einzusetzen. Stimmen alle drei
Geruchsspurenvergleichshunde im Ergebnis überein, besteht sehr hohe
Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung zwischen Spurenverursacher und der dem
Vergleichsspurenträger zugeordneten Person. Wird das Beweismittel von weniger
als drei Hunden zugeordnet, relativiert sich die Verfahrenssicherheit
entsprechend. Das gilt sowohl für den Vortest als auch für den Haupttest. Die
im Haupttest eingesetzten Hunde müssen mit den im Vortest eingesetzten Hunden
identisch sein.
Im Vortest muss übereinstimmend der Tatverdächtige/Zeuge geprüft und nicht
zugeordnet, der Verursacher der Ausgangsspur jedoch identifiziert worden sein.
Im Haupttest müssen die Geruchsspurenvergleichshunde übereinstimmend den
Tatverdächtigen/Zeugen zuordnen. Nach einem Fehler im Vortest oder im Haupttest
darf höchstens ein Ersatzhund eingesetzt werden.
Ein Geruchsspurenvergleichstest ist durch den Diensthundführer abzubrechen,
wenn der Hund in einem der Zuordnungsdurchläufe trotz ausreichender Prüfung
kein Röhrchen anzeigt.
5.5
Im Falle einer beabsichtigten Zuordnung mehrerer Beweismittel auf denselben
Tatverdächtigen/Zeugen ist für jedes Beweismittel ein gesonderter Vortest
durchzuführen.
5.6
Erfolgt keine Zuordnung im Haupttest, kann daraus nicht geschlossen werden,
dass der Tatverdacht entfallen ist.
6
Staatsanwaltschaft
Der Staatsanwalt ist durch die sachbearbeitende Dienststelle von dem
beabsichtigten Vergleichstest vorher zu verständigen. Ihm ist Gelegenheit zur
Anwesenheit bei der Kontamination der Vergleichsspurenträger sowie bei der
Durchführung des Geruchsspurenvergleichs (Vor- und Haupttest) zu geben.
7
Konditionierung der Spürhunde
Da den Hunden nicht vorgegeben werden kann, welche Teilgeruchsübereinstimmungen
beim Abgleich relevant und damit anzuzeigen sind, kommt der Ausbildung der
Geruchsspurenvergleichshunde eine besondere Bedeutung zu.
Die Konditionierung der Hunde muss bewirken, dass aus dem Mischgeruch einer
menschlichen Geruchsspur ausschließlich der genetisch bedingte Individualgeruch
als bedeutsam erkannt, herausgefiltert und mit den entsprechenden Teilgerüchen
anderer menschlicher Mischgerüche abgeglichen wird.
Dabei ist der Gefahr entgegenzuwirken, dass die Hunde durch nebensächliche
Regelmäßigkeiten dazu verleitet werden, ergebnisverfälschende Präferenzen zu
entwickeln. Insbesondere dürfen sie nicht erlernen, angst- oder stresstypische
Geruchsbestandteile als wesentlich zu bewerten.
Die Hunde sind so auszubilden, dass sie im Zweifel nicht zuordnen.
Die Landespolizeischule für Diensthundführer stellt sicher, dass die Hunde
neben dem Einsatz kontinuierlich trainiert werden. Die Schulung der
Geruchsspurenvergleichshunde darf nicht aufgrund der Zahl der Einsatzersuchen
vernachlässigt werden.
Die Landespolizeischule für Diensthundführer dokumentiert tierbezogen die
Einsatz- und Trainingshäufigkeit der Hunde. Sie bereitet sich darauf vor, das
Konditionierungs- und Trainingsprogramm der Geruchsspurenvergleichshunde durch
sachverständige Zeugen den Prozessbeteiligten zu erläutern.
8
Verbot von personenbezogenen Geruchsspurensammlungen
Die Vergleichsgeruchsspurenträger sind nach erfolgtem Spurenvergleich thermisch
zu neutralisieren. Das Anlegen von personenbezogenen Geruchsspurensammlungen
ist untersagt.
9
Rechtsgrundlagen
Die Aufnahme einer Vergleichsgeruchsspur ist beim Beschuldigten unter den
Voraussetzungen des § 81 b StPO oder mit seiner Einwilligung zulässig.
Bei anderen Personen ist zur Durchführung der Maßnahme deren Einwilligung
erforderlich.
MBl. NRW. 1991 S. 1160 , geändert durch RdErl. v. 11. 1. 2002 (MBl. NRW. 2002 S. 214)