Historische SMBl. NRW.
Historisch: Polizeibeamte als Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren RdErl. d. Innenministers v. 8. 8. 1989 -IV A 2 – 3022
Historisch:
Polizeibeamte als Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren RdErl. d. Innenministers v. 8. 8. 1989 -IV A 2 – 3022
Polizeibeamte als
Zeugen
in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren
RdErl. d. Innenministers v. 8. 8. 1989 -IV A 2 – 3022
Damit der bezweckte Entlastungseffekt erreicht wird, ist die
Mitwirkung auch von Seiten der Polizei erforderlich. Die Leiter der Polizeibehörden
werden daher gebeten, u. a. bei ihren routinemäßigen Dienstgesprächen mit
Staatsanwälten und Richtern - ggf. auch der übrigen Gerichtsbarkeit - die
insoweit bestehenden Kooperationsmöglichkeiten unter besonderer
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu erörtern.
Die Polizeibehörden regeln den innerbehördlichen
Verfahrensablauf bei der Erteilung, Einschränkung oder Versagung von
Aussagegenehmigungen sowie die sich aus den Terminwahrnehmungen ergebenden
organisatorischen Fragen in eigener Zuständigkeit unter besonderer
Berücksichtigung der sich aus Abschnitt I. B) Nummer 4 der Anlage ergebenden
Erfordernisse.
Anlage
Der Justizminister
des Landes Nordrhein-Westfalen
4600-III
A.37
Düsseldorf,
den 28. Juli 1989
An die
Präsidenten der Oberlandesgerichte
Generalstaatsanwälte
Düsseldorf, Hamm und Köln
- und die ihnen nachgeordneten Gerichte und Behörden
hier: A) Einholung
und Erteilung der Aussagegenehmigung
A) Einholung und Erteilung der Aussagegenehmigung
Nach § 54 Abs. l StPO gelten in Straf- und
Ordnungswidrigkeitenverfahren (§ 46 Abs. l OWiG) für die Vernehmung von Beamten
als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit
bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage die besonderen beamtenrechtlichen
Vorschriften. Nach § 64 LBG bedarf ein Beamter zur gerichtlichen Aussage über
Angelegenheiten, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind,
der Genehmigung seines Dienstvorgesetzten, es sei denn, dass die Aussage sich
auf Tatsachen bezieht, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner
Geheimhaltung bedürfen. Die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, darf nur versagt
werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes
Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden
oder erheblich erschweren würde (§ 65 LBG).
Es liegt im Interesse von Justiz und Polizei, dass in den
Fällen, in denen Polizeibeamte über dienstliche Angelegenheiten als Zeugen
vernommen werden sollen, die Aussagegenehmigung rechtzeitig, eingeholt und über
ihre Erteilung, Einschränkung oder Versagung beschleunigt entschieden wird.
Mit dem Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist
daher für die Einholung und Erteilung der Aussagegenehmigung für Polizeibeamte,
die in dienstlicher Eigenschaft als Zeugen vernommen werden sollen -
unbeschadet der richterlichen Unabhängigkeit -, folgende Verfahrensweise
abgestimmt worden:
1.
Der Polizeibeamte wird über den jeweiligen Dienstvorgesetzten (Leiter der
Polizeibehörde oder Polizeieinrichtung) vorgeladen. In der Vorladung liegt
zugleich der Antrag auf Erteilung der Genehmigung zur Aussage.
2.
Die Aussagegenehmigung wird vom Dienstvorgesetzten des Polizeibeamten erteilt,
eingeschränkt erteilt oder versagt.
Soll ein Polizeibeamter, der Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ist, als Zeuge
über Tatsachen vernommen werden, die ihm in dieser Eigenschaft bekannt geworden
sind, so entscheidet der Dienstvorgesetzte im Einvernehmen mit dem Leiter der
Staatsanwaltschaft, dem die Fachaufsicht über den Hilfsbeamten der
Staatsanwaltschaft zusteht. Solange dem Dienstvorgesetzten in angemessener
Frist Gegenteiliges nicht bekannt wird, kann er davon ausgehen, dass der Leiter
der Staatsanwaltschaft mit der Erteilung der Aussagegenehmigung einverstanden
ist .
3.
Die Aussagegenehmigung gilt grundsätzlich als erteilt in Straf- und
Ordnungswidrigkeitenverfahren, bei deren Verfolgung der Polizeibeamte von Amts
wegen mitgewirkt hat. Dies gilt auch für die mit der Tat in Zusammenhang
stehenden Zivilrechtsstreitigkeiten.
Die grundsätzliche Genehmigung zur Aussage als Zeuge bezieht sich nicht auf
innerdienstliche Angelegenheiten. Insoweit bedarf es einer
Einzelfallentscheidung des Dienstvorgesetzten. Daher empfiehlt es sich, das
Beweisthema in diesen Fällen bereits in der Vorladung besonders zu präzisieren,
damit keine Verzögerungen eintreten.
Die
grundsätzliche Genehmigung gilt ferner nicht für die Fälle, in denen die
Aussage des Beamten dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile
bereiten kann oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder
erheblich erschweren würde.
4.
Wird die Aussagegenehmigung verweigert oder nur in beschränktem Umfange
erteilt, so setzt, der Dienstvorgesetzte des Polizeibeamten hiervon das Gericht
und die Staatsanwaltschaft unverzüglich schriftlich in Kenntnis. Die
eingeschränkte Aussagegenehmigung muss erkennen lassen, zu welchen Fragen nicht
ausgesagt werden darf. Die Gründe hierfür sind darzulegen.
Ist das Beweisthema in den Fällen der Nr. 3 in der Vorladung
präzisiert so können unbeschadet von Nr. 6 das Gericht und die
Staatsanwaltschaft bei der Vernehmung davon ausgehen, dass die Genehmigung zur
Aussage uneingeschränkt erteilt ist, wenn das Gericht und die
Staatsanwaltschaft keine Mitteilung über die Beschränkung der
Aussagegenehmigung i. S. des Absatzes l erhalten haben.
5.
Ist aus Zeitgründen ausnahmsweise die fernmündliche Ladung eines Polizeibeamten
erforderlich, so kann der Beamte unmittelbar unter Angabe des
Vernehmungsgegenstandes geladen werden. In diesem Falle wird der Polizeibeamte
erforderlichenfalls selbst die Aussagegenehmigung seines Dienstvorgesetzten
einholen und das Gericht und die Staatsanwaltschaft von dessen Entscheidung
unterrichten.
6.
Ergibt sich erst im Laufe des Verfahrens, in dem eine uneingeschränkte
Aussagegenehmigung erteilt ist bzw. als erteilt gilt, dass die Aussage des
PolizeibeamtenNachteile i. S. von § 65 LBG zur Folge haben könnte oder dass
sie sich auf innerdienstliche Angelegenheiten erstrecken soll, hat der
Polizeibeamte die Aussage zu verweigern, bis eine Entscheidung des
Dienstvorgesetzten über das weitere Aussageverhalten eingeholt worden ist.
Soweit die Aussage des Polizeibeamten Nachteile i. S. von § 65 LBG zur Folge
haben könnte, hat er sich zuvor mit dem Sitzungsstaatsanwalt ins Benehmen zu
setzen.
Durch die notwendige Inanspruchnahme von Polizeibeamten als
Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren fallen täglich zahlreiche
Dienststunden für den Polizeidienst aus. Der aus der Zeugnispflicht der Beamten
entstehende Zeitaufwand ist zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass die
Beamten erst nach längerer Wartezeit vernommen werden oder nach ihrer
Vernehmung als Zeugen noch bis zum Schluss der Verhandlung beim Gericht
verbleiben müssen. Es liegt im Interesse der Polizei, den Zeitaufwand zu
verringern. Die Justiz kann diesem Anliegen im Einzelfall dadurch verstärkt
Rechnung tragen, dass insbesondere von folgenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht
wird:
1.
Verhandlungen, in denen Polizeibeamte als Zeugen aussagen sollen, sollten nach
Möglichkeit vor anderen Verfahren angesetzt werden, damit die Beamten
frühzeitig wieder zu ihrem Dienst zurückkehren können.
2.
In Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten sollte stets geprüft werden, ob die
Vorladung eines oder mehrerer Polizeibeamter erforderlich ist oder ob eine
vereinfachte Beweisaufnahme ausreicht (§77 a OWiG).
3.
Polizeibeamte, die voraussichtlich erst gegen Ende einer umfangreichen
Beweisaufnahme vernommen werden können, sollten nicht schon zum Beginn der
Hauptverhandlung, sondern erst zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt
vorgeladen werden.
4.
In umfangreichen Strafsachen, in denen nicht vorauszusehen ist, ob die
Vernehmung eines Polizeibeamten, der am Sitze des Gerichts tätig ist,
erforderlich wird oder zu dem angegebenen Zeitpunkt erfolgen kann, sollte in
die Zeugenladung etwa folgender Zusatz aufgenommen werden:
„Sie brauchen zunächst nicht zur Verhandlung zu erscheinen,
müssen aber vom Vorladungstermin an für die Dauer der Verhandlung oder bis zu
einer besonderen Benachrichtigung über ihre Dienststelle kurzfristig erreichbar
sein, damit sie jederzeit fernmündlich als Zeuge herbeigerufen oder abbestellt
werden können."
Durch eine entsprechende Anordnung des Innenministers wird
sichergestellt dass ein Polizeibeamter, der mit diesem Zusatz als Zeuge geladen
ist, bis zur fernmündlichen Abberufung oder Abbestellung erreichbar ist und
unverzüglich anGerichtsstelle erscheint.
5.
Polizeibeamte sollten im Einverständnis mit der Staatsanwaltschaft dem
Angeklagten und seinem Verteidiger vorzeitig entlassen werden, sobald sich
erkennen lässt dass sie in der Hauptverhandlung nicht mehr benötigt werden.
6.
Die Vernehmung von Polizeibeamten sollte möglichst in die Dienstzeit des
Beamten gelegt werden. Es empfiehlt sich eine Abstimmung - etwa durch
Übersendung der Dienstpläne - mit den örtlichen Dienststellen der Polizei.
7.
Es kann sich der Hinweis an den als Zeugen geladenen Polizeibeamten empfehlen,
dem Gericht rechtzeitig Mitteilung zu machen, welcher andere Beamte ggf. an
seiner Stelle vernommen werden kann, wenn er verhindert ist (Urlaub, Lehrgang
o. ä.) oder er als Zeuge für das Tatgeschehen nicht oder nicht in vollem Umfang
in Betracht kommt.
8.
Die Staatsanwaltschaften bitte ich,
a) nicht schematisch Polizeibeamte, die Ermittlungen
durchgeführt haben, als Zeugen zu benennen, sondern in jedem Falle sorgfältig
zu prüfen, ob die Benennung geboten ist,
b) bei der Zeugenvernehmung von Polizeibeamten entsprechend
den vorstehenden Anregungen zu verfahren.
Die RV vom 18.06.1956 (4600 – III A. 37) wird durch diese RV
ersetzt.