Historische SMBl. NRW.
Historisch: Polizeiliche Kriminalprävention RdErl. d. Innenministeriums - 42 - 62.02.01 - vom 28.9.2006
Historisch:
Polizeiliche Kriminalprävention RdErl. d. Innenministeriums - 42 - 62.02.01 - vom 28.9.2006
Polizeiliche
Kriminalprävention
RdErl. d. Innenministeriums - 42 - 62.02.01 -
vom 28.9.2006
1
Aufgabe
1.1
Polizeiliche Kriminalprävention ist als Teil der Gefahrenabwehr (§ 1 Abs. 1 PolG NRW) neben Strafverfolgung und Opferschutz integraler Bestandteil des
polizeilichen Gesamtauftrags und damit polizeiliche Kernaufgabe. Die Polizei
leistet einen wichtigen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen
Kriminalprävention.
1.2
Vorrangiges Ziel polizeilicher Kriminalprävention ist das Reduzieren von Tatgelegenheiten
sowie die direkte Abwehr sozialschädlichen Verhaltens tatbereiter Personen. Von
besonderer Bedeutung sind daher neben spezialisierten Maßnahmen der
polizeilichen Kriminalprävention die zielgerichtete sichtbare Präsenz an
Kriminalitätsbrennpunkten und in Angsträumen, die konsequente Reaktion auf
Normverletzungen, eine angemessene Verfolgungsintensität auch bei
Massendelikten, konsequentes Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt, mit
anderen Aufgabenträgern abgestimmte Interventionskonzepte gerade bei
jugendlichen Intensivtätern und die schnelle Aufklärung von Straftaten.
1.3
Erziehung, Wertevermittlung und Bildung, Verhinderung von Defiziten der
Persönlichkeitsentwicklung und die Beseitigung sozialer Mängellagen sind keine
Aufgaben der Polizei. Gleichwohl ist es erwünscht, dass sie auf diesen
Handlungsfeldern anlässlich ihrer Aufgabenwahrnehmung im Rahmen ihrer
gesellschaftlichen Mitverantwortung positive Wirkung entfaltet.
1.4
Spezialisierte Maßnahmen polizeilicher Kriminalprävention erfolgen auf der
Grundlage fachlicher Standards gemäß Nr. 6 dieses Erlasses.
2
Zuständigkeiten
2.1
Für die polizeiliche Kriminalprävention sind die Polizeibehörden örtlich und
sachlich zuständig (§§ 7, 10, 11 POG NRW, 1 Abs. 1 PolG NRW). Die zu
Kriminalhauptstellen bestimmten Polizeipräsidien (KHSt) unterstützen die
Kreispolizeibehörden ihres Bezirks bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben (§ 2
Abs. 5 KHSt-VO). Die Unterstützung ist mit Schwerpunkt bei solchen
Präventionsaufgaben zu gewährleisten, für die die KHSt in Folge der Wahrnehmung
ihrer Aufgaben gemäß § 2 Abs. 1 und 2 KHSt-VO besondere Fachkompetenz haben.
2.2
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) unterstützt die
Polizeibehörden bei der polizeilichen Kriminalprävention (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 POG NRW). Es kann sich zur Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die
Kreispolizeibehörden berichten lassen.
3
Polizeiliche Kriminalprävention auf örtlicher Ebene
Polizeiliche Kriminalprävention setzt vorrangig auf örtlicher Ebene an. Sie erfordert zielgerichtetes Führungshandeln, ein entsprechendes Selbstverständnis aller Polizeibediensteten, integrative Aufgabenwahrnehmung durch Verzahnung von Prävention, Repression und Opferschutz in den polizeilichen Aufgabenfeldern, die enge Abstimmung und Koordination mit anderen Verantwortungsträgern sowie die Zusammenarbeit in kriminalpräventiven Netzwerken.
3.1
Führungshandeln
3.1.1
Die Führungskräfte wirken darauf hin, dass Maßnahmen der polizeilichen
Kriminalprävention im Rahmen der integrativen Aufgabenwahrnehmung zum
selbstverständlichen Bestandteil des Alltagshandelns aller Polizeibediensteten
werden.
3.1.2
Sie stellen sicher, dass Konzepte und Maßnahmen zur Verbesserung der
Kriminalitätslage stets Aspekte der Strafverfolgung, der Kriminalprävention und
des Opferschutzes berücksichtigen. Sie stimmen polizeiliches Handeln zur
Kriminalitätskontrolle und in der Verkehrssicherheitsarbeit im Sinne einer
ganzheitlichen Aufgabenwahrnehmung aufeinander ab.
3.1.3
Die Führungskräfte berücksichtigen in Sicherheitsprogrammen auch Aspekte der
Kriminalprävention. In der behördenübergreifenden Netzwerkarbeit wirken sie auf
die Einbindung der Leitungsebenen anderer Verantwortungsträger hin und stimmen
Leitlinien, Zielsetzungen, Schwerpunkte sowie Projekte der Kriminalprävention mit
diesen ab.
3.1.4
Sie fördern und unterstützen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu Themen
der polizeilichen Kriminalprävention.
3.2
Zusammenarbeit mit anderen Verantwortungsträgern
3.2.1
Die Kreispolizeibehörden stellen anderen Verantwortungsträgern regelmäßig zur
Problemlösung benötigte Informationen, z. B. aktuelle Kriminalitätslagebilder
und -analysen, zur Verfügung. Sie beteiligen sich an kriminologischen
Regionalanalysen.
3.2.2
Sie fördern und unterstützen den Ausbau sowie die Arbeit kriminalpräventiver
Gremien und Netzwerke und ergreifen dazu notwendige Initiativen. Sie wirken auf
geeignete Präventionsmaßnahmen anderer Präventionsträger hin und beteiligen
sich im Rahmen der eigenen Aufgaben daran.
3.3
Integrative Aufgabenwahrnehmung
3.3.1
Der Wachdienst trägt mit zielgerichteter sichtbarer Präsenz zur Reduzierung von
Tatgelegenheiten bei. Er ist in Betreuungsbereichen sowie an Brennpunkten und
in Angsträumen präsent und nimmt anlassunabhängig Kontakt zu Problemgruppen
auf. Auf Regelverletzungen reagiert er offensiv, konsequent und angemessen. Bei
seiner Aufgabenwahrnehmung gibt er Opfern und anderen Betroffenen situations-
und lageangemessen kriminalpräventive Hinweise und informiert über
Beratungsangebote.
3.3.2
Der Bezirksdienst überwacht gefahrenträchtige Objekte, Kriminalitätsbrennpunkte
und Treffpunkte von Problemgruppen. Er ist sichtbar präsent, sucht den Kontakt
und wirkt auf regelkonformes Verhalten hin. Lokale Probleme greift er initiativ
auf, trägt sie an andere polizeiliche Aufgabenträger heran und unterstützt
deren Lösung. Er bringt sich in gemeinde- bzw. stadtteilbezogene Netzwerkarbeit
ein. Durch die nachsorgende Aufsuche von Opfern sowie ihres sozialen Umfelds,
z.B. nach Einbruch- und Gewaltdelikten, trägt der Bezirksdienst zur Stärkung
des Sicherheitsgefühls bei.
3.3.3
Der kriminalpolizeiliche Ermittlungsdienst informiert Opfer und andere
Betroffene über Erscheinungsformen der Kriminalität und typische
Tatbegehungsformen. Er zeigt Schwachstellen der Eigentumssicherung und des
Verhaltens auf, weist auf Beratungsangebote der Fachdienststellen zur
Kriminalprävention oder von Opferschutz- und Hilfeeinrichtungen hin und stellt
bedarfsangemessen Informationsmaterial zur Verfügung. Bei repressiv
ausgerichteten Bekämpfungskonzepten und Maßnahmen bezieht er stets
kriminalpräventive Aspekte ein und gewährleistet den notwendigen
Informationsaustausch mit dem für Kriminalprävention zuständigen Kommissariat
sowie mit dem Wach- und Bezirksdienst.
3.3.4
Die Auswerte- und Analysestellen berücksichtigen bei ihren
Kriminalitätslagebildern und -analysen für die Kriminalprävention relevante
Informationen, beziehen Erkenntnisse aus Bürgerbefragungen sowie demografische
und sonstige Strukturdaten ein und wirken an kriminologischen Regionalanalysen
mit.
3.3.5
Stäbe initiieren, entwickeln und koordinieren auf der Grundlage der
strategischen Ausrichtung der Behörde oder der aktuellen Kriminalitätslage
behördliche Konzepte zur Kriminalitätskontrolle mit ganzheitlichem Ansatz, die
mit arbeitsteiligen Aufträgen an die betroffenen Organisationseinheiten der
Behörde
- Maßnahmen der Prävention, der Repression und des Opferschutzes umfassen
- die Schnittstellen zu den anderen polizeilichen Kernaufgaben Einsatz/Gefahrenabwehr und Verkehrsunfallbekämpfung berücksichtigen.
Sie gewährleisten die Beratung und Unterstützung der Organisationseinheiten bei der Evaluation. Auf Behördenebene koordinieren sie die Netzwerkarbeit mit externen Kooperationspartnern und beteiligen sich an strategisch ausgerichteten Präventionsgremien.
Die Führungsstellen nehmen die entsprechenden Aufgaben im Rahmen der Zuständigkeiten ihrer Organisationseinheit wahr.
3.4
Vorbeugungskommissariate
3.4.1
Die spezialisierte präventive Beratung von Bürgerinnen und Bürgern ist in den Kreispolizeibehörden
in eigenen Organisationseinheiten zentral organisiert. Gemeinsame Ansätze der
Kriminal- und der Verkehrsunfallprävention sind unabhängig von der jeweiligen
Form der Aufbauorganisation abzustimmen und ggf. gemeinsam umzusetzen.
3.4.2
Das für Kriminalprävention zuständige Kommissariat leitet auf Grundlage der
Bewertung der Sicherheitslage Handlungsbedarf für den eigenen Aufgabenbereich
ab und entwickelt eigene Konzepte. Es gewährleistet den Transfer der für die
Kriminalprävention relevanten Informationen an die behördeninternen Zielgruppen
und wirkt an der Erstellung und Umsetzung von Kriminalitätsbekämpfungskonzepten
mit.
3.4.3
In fachbezogenen kriminalpräventiven Gremien, Netzwerken, Arbeitskreisen und
Fachausschüssen initiiert es in dem ihm zugeordneten Aufgabenrahmen konkrete
Präventionsmaßnahmen, unterstützt die Konzepte anderer Präventionsträger und
wirkt gegebenenfalls in Projekten mit.
3.4.4
Dem für Kriminalprävention zuständigen Kommissariat obliegt die
kriminalpräventive Fachberatung. Fachberatung und sonstige Maßnahmen der
polizeilichen Kriminalprävention sind gebührenfrei.
4
Polizeiliche Kriminalprävention auf Landesebene
4.1
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) nimmt zentrale Aufgaben der
polizeilichen Kriminalprävention auf Landesebene wahr. Es richtet seine
Aufgabenwahrnehmung in allen Arbeitsfeldern auf die Stärkung der
Kriminalprävention aus. Kriminalpräventive Fachberatung führt es nicht durch.
4.2
Es führt die für die Kriminalprävention relevanten Informationen über
Erscheinungsformen und Entwicklungen der Kriminalität, Projekte der
Kriminalprävention, Ergebnisse wissenschaftlicher Grundlagenarbeit, Erfahrungen
der Praxis sowie sonstige präventionsrelevante Erkenntnisse zusammen. Es stellt
den Informationstransfer zu internen und externen Bedarfsträgern sicher und
zeigt ressortübergreifenden Handlungsbedarf auf.
4.3
Zu spezifischen Kriminalitätsphänomenen und -schwerpunkten erstellt das LKA NRW
unter Berücksichtigung kriminalpräventiver Handlungsansätze Sonderauswertungen
sowie operative und strategische Kriminalitätsanalysen.
4.4
Bei aktuellen Kriminalitätsphänomenen und -entwicklungen stimmt das LKA NRW auf
Landesebene Präventionsschwerpunkte, Kampagnen und Projekte mit den
Kreispolizeibehörden und anderen Verantwortungsträgern ab. Es entwickelt unter
deren Beteiligung zeitnah Rahmenkonzepte sowie ergänzende Präventionsmodule und
-medien zur Unterstützung der Maßnahmen auf örtlicher Ebene.
4.5
Das LKA NRW initiiert landesweite Präventionskampagnen, wirkt auf deren
Umsetzung hin und nimmt dabei koordinierende Aufgaben wahr.
4.6
Das LKA NRW wirkt auf Bundesebene an der Grundlagenarbeit und der
länderübergreifenden Abstimmung von Präventionsschwerpunkten, Kampagnen und
Projekten sowie deren Umsetzung mit. Es steuert die Verteilung bundesweiter
Präventionsmedien auf Landesebene.
4.7
Das LKA NRW entwickelt in Abstimmung mit den Kreispolizeibehörden die
fachlichen Standards der polizeilichen Kriminalprävention.
4.8
Im Rahmen landesweiter Netzwerke stellt das LKA NRW aktuelle
Kriminalitätsentwicklungen dar, initiiert Präventionsmaßnahmen anderer
Aufgabenträger und unterstützt diese. In der Kooperation mit gewerblichen
Institutionen und Verbänden setzt es Impulse zu sicherheitstechnischen oder
sonstigen Präventionsbeiträgen.
4.9
Das LKA NRW betreibt intensiv Presse- und Öffentlichkeitsarbeit insbesondere zu
Schwerpunktthemen der Kriminalprävention und stellt den Kreispolizeibehörden
Beiträge zur lokalen Medienarbeit zur Verfügung.
5
Aus- und Fortbildung
5.1
Die polizeiliche Ausbildung vermittelt in theoretischen und fachpraktischen
Ausbildungsabschnitten die Grundlagen für ein umfassendes Verständnis von
Kriminalprävention sowie für die integrative Aufgabenwahrnehmung von
Prävention, Repression und Opferschutz. Sie befähigt Polizeibedienstete, auf
der Basis eines entsprechenden Selbstverständnisses, Präventionsinhalte und
Opferaspekte bei der täglichen Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen.
5.2
Die polizeiliche Fortbildung erstellt funktions- und aufgabengerechte Bildungskonzepte
so-wie zielgruppenorientierte Angebote zur Qualifizierung von Kräften der
Führungs- und Ausführungsebene. Sie ist interdisziplinär ausgerichtet und
bindet die anderen Aufgabenträger der Kriminalprävention möglichst umfassend
ein. Fortbildungsangebote werden zwischen zentraler, regionaler und örtlicher
Ebene abgestimmt und berücksichtigen die fachlichen Standards polizeilicher
Kriminalprävention.
6
Standards polizeilicher Kriminalprävention
6.1
Allgemeine Grundsätze
6.1.1
Fachliche Standards bieten Zielorientierung, geben einen verbindlichen
Handlungsrahmen vor und gewährleisten die landesweit einheitliche
Aufgabenwahrnehmung.
6.1.2
Ziel polizeilicher Maßnahmen der Verhaltensprävention ist es, Bürgerinnen und
Bürger zu sicherheitsbewusstem Verhalten zu veranlassen sowie potenzielle Täter
von der Begehung von Straftaten abzuhalten und so die Zahl der Straftaten und
Opfer zu verringern.
6.1.3
Die Polizei informiert insbesondere über Erscheinungsformen der Kriminalität,
polizeiliche Bekämpfungsziele und Bearbeitungsstandards,
Gefährdungseinschätzungen, Opferrisiken sowie tatbegünstigendes Verhalten. Sie
gibt Empfehlungen zu tatreduzierenden Verhaltensweisen und verdeutlicht
potenziellen Tätern strafrechtliche Konsequenzen. Sie weist auf Beratungsangebote
von Opferschutz- und Hilfeeinrichtungen hin.
6.1.4
Die Information über Möglichkeiten des Schutzes vor Straftaten zielt auf das
Erreichen von Multiplikatoren und großen Bevölkerungsgruppen ab. Die Polizei
stellt ihre Informationen insbesondere gesellschaftlichen Gruppen,
Institutionen und Interessenverbänden zur Verfügung. Dazu bieten sich vor allem
Informationsveranstaltungen für Personengruppen, z.B. Erziehungsverantwortliche
und -berechtigte, anlassbezogene und mobile Beratung an stark frequentierten
Orten und Kriminalitätsbrennpunkten, Medienaktionen, Bürgertelefone sowie
Veröffentlichungen verhaltensorientierter Empfehlungen im Internet, in
Zeitungen, Zeitschriften, Postwurfsendungen und Handzettelaktionen an.
6.1.5
Die Vermittlung kriminalpräventiver Informationen für Kinder erfolgt
grundsätzlich über Erziehungsberechtigte und -verantwortliche. Hierzu kann die
Polizei Elterngruppen, Lehrer und andere vergleichbare Gruppen mit ihrer
Fachkompetenz beraten und Projekte ergänzend unterstützen. Im Rahmen von
Projekten, denen ein pädagogisches Gesamtkonzept zu Grunde liegt, kann die
Polizei Kinder ihrem Alter entsprechend auch unmittelbar informieren, wenn
dieses aus Gründen der Authentizität vorteilhaft erscheint.
Informationsveranstaltungen für Jugendliche kommen insbesondere im Rahmen von
schulischen Projektwochen oder Projekten von Freizeit- und Hilfeeinrichtungen
in Betracht. Sie sollen in das pädagogische Gesamtkonzept der originär
zuständigen Stelle eingebettet sein, die auch die Fachlichkeit des Konzepts
verantwortet.
6.1.6
Maßnahmen und Projekte mit pädagogischer Zielrichtung, die normangepasstes
Verhalten als Teil des Sozialisationsprozesses unterstützen, erfordern primär
pädagogische Kompetenz. Die Polizei führt daher zu kriminalpräventiven Zwecken
eigenständig keine erlebnispädagogisch orientierten Projekte, Rollenspiele,
Theateraufführungen oder Selbstbehauptungs- und Anti-Aggressions-Trainings mit
praktischen Übungsanteilen durch. An der Planung und Umsetzung solcher
Maßnahmen anderer Verantwortungsträger kann die Polizei mitwirken.
Soweit im Rahmen der Verkehrssicherheitsarbeit die Puppenbühne eingesetzt wird, können kriminalpräventive Inhalte kindgerecht in die Handlung integriert werden.
6.1.7
Polizeibeamte treten den Zielgruppen gegenüber immer in ihrer polizeilichen
Funktion auf. Nicht polizeitypische persönliche Fertigkeiten und Dispositionen
dürfen diese Rolle nicht überlagern oder die Grenze zur Sozialarbeit
verwischen.
6.1.8
Psychologische Betreuung oder therapeutisch ausgerichtete Kriseninterventionen,
insbesondere bei traumatisierten Opfern oder Suchtkranken, sind keine Aufgaben
der Polizei. Die Polizei vermittelt diese an Therapeuten, Mediziner oder dafür
geeignete Fachstellen.
6.1.9
Die Polizei bringt ihre Informationen und ihr Erfahrungswissen zur Kriminalität
in kriminalpräventive Gremien, Netzwerke, Arbeitskreise und Fachausschüsse ein,
schafft Problembewusstsein, gibt Hinweise auf geeignete Konzepte oder wirksame
Projekte, informiert über Evaluierungsergebnisse und wirkt so auf geeignete
Präventionsmaßnahmen anderer Aufgabenträger hin.
6.1.10
Die Polizei unterstützt private oder ehrenamtliche Initiativen der
Kriminalprävention, z. B. Aufführungen von Senioren- oder Jugendtheater, durch
kriminalfachliche Beratung.
6.1.11
Begründet eine aktuelle Kriminalitätslage akuten Handlungsbedarf, kann die
Polizei kurzfristig und zeitlich befristet ein Projekt verantwortlich beginnen
bis die originär zuständige Institution die Durchführung des Projekts
übernimmt.
6.2
Standards in ausgewählten Aufgabenfeldern der polizeilichen Kriminalprävention
Die Aufgabenfelder technische Prävention, Gewaltprävention, Jugendschutz und Prävention von Jugendkriminalität, Suchtprävention, Prävention der Kriminalität zum Nachteil von Senioren sowie städtebauliche Kriminalprävention sind Teile der Aufgabe der polizeilichen Kriminalprävention. Die Polizeibehörden orientieren ihre Tätigkeiten in diesen und anderen Aufgabenfeldern der polizeilichen Kriminalprävention an aktuellen Kriminalitätsentwicklungen.
6.2.1
Technische Prävention
6.2.1.1
Ziel polizeilicher Maßnahmen der technischen Prävention ist es, zur
Verbesserung des Eigentumsschutzes sowie zum Schutz sonstiger Rechtsgüter auf
die verstärkte Wahrnehmung der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger
hinzuwirken, sie zu sicherheitsbewusstem Verhalten zu veranlassen, die Zahl der
durch Sicherheitstechnik geschützten Objekte zu erhöhen und so die Zahl
insbesondere der vollendeten Straftaten zu verringern.
6.2.1.2
Die sicherheitstechnische Fachberatung umfasst die Information über
Kriminalitätsphänomene, Gefährdungseinschätzungen und Opferrisiken sowie
Empfehlungen zu mechanisch-baulichen Sicherungsmaßnahmen, Gefahrenmelde-,
Videoüberwachungs- und Zutrittskontrollanlagen. Die Beratung schließt
Verhaltensempfehlungen ein.
6.2.1.3
Die Beratung über Möglichkeiten zur Verbesserung des Eigentumsschutzes zielt
auf das Erreichen großer Bevölkerungsgruppen ab. Dazu bieten sich insbesondere
Informationsveranstaltungen für Personengruppen, Präsentationen auf
Verbrauchermessen, Sicherheitsausstellungen, anlassbezogene und mobile Beratung
an stark frequentierten Orten, Bauherrenbriefe, Medienaktionen, Bürgertelefone
sowie Veröffentlichungen sicherheitstechnischer Empfehlungen im Internet, in
Zeitungen, Zeitschriften, Postwurfsendungen und Handzettelaktionen an.
6.2.1.4
Die Polizei sucht die Zusammenarbeit mit Verantwortungsträgern aus Gewerbe,
Handel und Wirtschaft. Zur Förderung des Einbruchschutzes durch Einsatz von
Sicherungstechnik strebt sie in örtlichen Netzwerken Kooperationen mit
Errichterunternehmen, Versicherungen und Verbänden an. Die Zusammenarbeit
sollte stets auf der Grundlage von Kooperationsvereinbarungen erfolgen, in
denen die Verantwortlichkeiten der Kooperationspartner sowie die Standards für
Maßnahmen zum Einbruchschutz festgelegt sind.
6.2.1.5
Die sicherheitstechnische Fachberatung obliegt den für die Kriminalprävention
zuständigen Kommissariaten. Die Kriminalhauptstellen unterstützen die
Kreispolizeibehörden ihres Bezirks bei der sicherheitstechnischen Fachberatung
in Fällen, in denen aufgrund der Eigenart des Objekts besondere Fachkenntnisse
oder Erfahrungen erforderlich sind.
6.2.1.6
Sicherheitstechnische Fachberatung erfolgt, soweit der Polizei in diesem
Zusammenhang besondere Aufgaben übertragen sind, z. B. bei der Erstellung von
Sicherungskonzeptionen und entsprechenden Überprüfungen
- auf Grundlage der PDV 129 VS-NfD
- im Zusammenhang mit der Sicherung von Geldinstituten und vergleichbaren Einrichtungen gemäß der Unfallverhütungsvorschrift „Kassen“ und PDV 100, Nummern 4.8.4.1, 4.8.4.2 , 4.8.4.3
- für Gerichte und Staatsanwaltschaften auf Ersuchen der Justizbehörden des Landes NRW
- im Zusammenhang mit Ministerien, Landesbehörden, konsularischen Vertretungen und vergleichbaren Objekten
- im Zusammenhang mit der sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition
- im Rahmen der Sicherung von Polizeidienstgebäuden.
6.2.1.7
Die individuelle sicherheitstechnische Fachberatung auf Ersuchen von
Bürgerinnen und Bürgern sowie sonstiger Bedarfsträger erfolgt grundsätzlich in
Räumen der Polizei. Das Aufsuchen von Objekten für eine sicherheitstechnische
Fachberatung ist nicht der Regelfall. Es kommt nur in Betracht, wenn
- rechtliche Verpflichtungen bestehen
- bestimmte Opferdispositionen vorliegen
- die Eigenart des Objekts dies ausnahmsweise erfordert
- dies erforderlich ist, um ein polizeitaktisches Ziel zu erreichen.
Diese Voraussetzungen sind regelmäßig im Zusammenhang mit
- Schwachstellenanalysen und Sicherungskonzeptionen gemäß PDV 129 VS-NfD
- der Sicherung von z. B. behördlichen, kirchlichen und musealen Einrichtungen sowie bei besonders gefährdeter Lage eines Objekts
- dem Einbau und Betrieb von Überfall- oder Einbruchmeldeanlagen
- alters- oder krankheitsbedingter Beeinträchtigung der ratsuchenden Bürgerinnen und Bürger sowie z. B. bei Opfern eines Wohnungseinbruchs
- und als gezielte Komponente eines polizeilichen Gesamtkonzeptes
gegeben.
6.2.1.8
Die sicherungstechnische Fachberatung orientiert sich an den „Grundsätzen der
Kommission Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (KPK) zu
sicherungstechnischen Empfehlungen“. Es sind vorrangig die mechanischen
Sicherungseinrichtungen zu empfehlen, die in den Verzeichnissen der KPK über
geprüfte einbruchhemmende Produkte aufgeführt sind. Bei Empfehlungen von
Überfall- und Einbruchmeldeanlagen, Zutrittskontrollanlagen und
Videoüberwachungsanlagen soll vorrangig auf die entsprechenden Verzeichnisse
der nach EN-Norm akkreditierten Prüf- bzw. Zertifizierungsstellen hingewiesen
werden.
6.2.1.9
Die Beratung umfasst auch die Information über die polizeilichen
Adressennachweise von Errichterunternehmen für mechanische
Sicherungseinrichtungen sowie für Überfall- und Einbruchmeldeanlagen.
6.2.1.10
Eine Mitwirkung an Projektierung, Einbau oder Abnahme von mechanischen
Sicherungseinrichtungen und Überwachungs-, Alarmierungs- und
Zutrittskontrollsystemen kommt nur in Betracht, soweit dies nach PDV 100 und
PDV 129 VS-NfD sowie der Richtlinie für Überfall- und Einbruchmeldeanlagen mit
Anschluss an die Polizei (ÜEA-Richtlinie) vorgesehen ist.
6.2.1.11
Die Prüfung des Sicherheitszustands eines Objekts im Sinne einer Abnahme sowie
die Bescheinigung eines Sicherheitsstandards im Sinne eines Zertifikats, mit
dem auch Gewährleistungsansprüche verbunden sein könnten, sind nicht Aufgaben
der Polizei, sondern externer Stellen, z. B. von Prüf- oder
Zertifizierungsstellen und Handwerkskammern. Dies gilt auch in Fällen, in denen
Versicherungen Rabatte von einer polizeilichen Bestätigung eines
Sicherheitsstandards abhängig machen wollen. Ausgenommen sind Abnahmen in den
Fällen gemäß PDV 129 VS-NfD, Anlage 4, Nr. 4 und ÜEA-Richtlinie.
6.2.1.12
Die Anerkennung eines besonderen Engagements von Privaten zur Verbesserung des
Einbruchschutzes bei ihrem Eigentum unter Mitwirkung der Polizei, z. B. durch
Vergabe einer Plakette, setzt die Kooperation mit Errichterunternehmen,
Versicherungen und Verbänden voraus. Zur Vergabe einer Anerkennungsplakette
bedarf es der Feststellung oder Erklärung eines Kooperationspartners der
Polizei, dass Maßnahmen zum Einbruchschutz nach den in der
Kooperationsvereinbarung festgelegten Standards erfolgt sind. Eine
entsprechende Prüfung erfolgt nicht durch die Polizei. Die Aushändigung der
Plakette erfordert nicht die Mitwirkung des sicherheitstechnischen
Fachberaters.
6.2.2
Gewaltprävention
6.2.2.1
Im Rahmen des polizeilichen Informations- und Beratungsangebots zur Prävention
sexueller Gewaltdelikte verweist die Polizei auf Einrichtungen, die zur
Stärkung der Selbstbehauptung ergänzende Trainingsmodule anbieten. In
institutionsübergreifenden Netzwerken können sich der polizeiliche Beitrag der
Information und Beratung und verhaltenspraktische Trainingsangebote anderer
Kooperationspartner ergänzen.
6.2.2.2
Im Rahmen des polizeilichen Informations- und Beratungsangebots zur Prävention
der politisch motivierten Gewaltkriminalität stellt die Polizei auch die
gesellschaftliche Bedeutung der Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens
heraus. Sie beteiligt sich mit ihrem Informationsangebot an Projekten von
Schulen oder anderen Trägern, z. B. an Aktionswochen gegen Gewalt. Die
Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes wirken daran mit. Die Polizei
führt keine eigenen Projekte durch, die über das Informations- und
Beratungsangebot hinausgehen.
6.2.3
Jugendschutz und Prävention von Jugendkriminalität
6.2.3.1
Die Polizei unterstützt die Ordnungs- und Jugendbehörden bei der Überwachung
der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes (JuSchG), um Gefährdungen zu
verhindern, die das köperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und
Jugendlichen bedrohen.
6.2.3.2
Bei Gefährdungen für Kinder und Jugendliche trifft die Polizei die
unaufschiebbar notwendigen Maßnahmen im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Sie wirkt
auf intervenierende Maßnahmen originär zuständiger Behörden, z. B. der
Jugendämter, hin (PDV 382).
6.2.3.3
Die Polizei vermittelt ihre Kenntnisse zur Prävention von Jugendkriminalität
insbesondere an Multiplikatoren, zu deren Aufgaben die Befassung mit
Jugendlichen und deren Erlebniswelt gehört, an Erziehungsverantwortliche und
-berechtigte sowie an andere Verantwortungsträger, z. B. durch Vorträge vor
Lehrern, Erziehungsbeauftragten und Eltern, Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen
für Erzieher sowie an Podiumsdiskussionen. Dazu führt sie eigenständige
Informationsveranstaltungen durch oder beteiligt sich an Veranstaltungen
anderer Anbieter.
6.2.3.4
Individuelle, auf einzelne Jugendliche bezogene präventive Angebote erfolgen
nicht durch die Polizei; dem steht die auf den Einzelfall bezogene präventive
Ausrichtung der Sachbearbeitung oder die Teilnahme an Fallkonferenzen, z. B. zu
jugendlichen Intensivtätern, nicht entgegen.
6.2.4
Suchtprävention
6.2.4.1
Ziel polizeilicher Maßnahmen der Suchtprävention ist die Unterstützung der
originär verantwortlichen Träger der Suchtprophylaxe, um das Entstehen von
Suchtkarrieren zu verhindern. Der polizeifachliche Beitrag zielt darauf ab,
insbesondere Jugendliche über rechtliche Aspekte, gesundheitliche Risiken und
soziale Folgen des Konsums legaler sowie illegaler Suchtmittel aufzuklären und
zu einem normgerechten Verhalten zu bewegen.
6.2.4.2
Die Präsentation ehemaliger oder akut Suchtkranker, das Vorführen einschlägiger
Filme oder von Bildmaterial zur Dokumentation des körperlichen Verfalls
Suchtkranker sind nicht Inhalt polizeilicher Suchtprävention.
6.2.4.3
Bei Informationsveranstaltungen für Erziehungsverantwortliche kommt die
Präsentation von Drogen und Hilfsmitteln des Drogenkonsums in Betracht, wenn
sie dazu dient, Handlungssicherheit für das Erkennen von Drogen und
Hilfsmitteln des Drogenkonsums zu geben. Im Rahmen von
Informationsveranstaltungen vor Schülern sind Drogen grundsätzlich nicht zu
präsentieren. Ausnahmen sind zulässig, sofern Einvernehmen mit den
Schulverantwortlichen und der örtlichen Suchtprophylaxe über die pädagogische
Zweckmäßigkeit besteht.
6.2.5
Prävention von Kriminalität zum Nachteil von Senioren
6.2.5.1
Polizeiliche Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung der Kriminalität zum
Nachteil von Senioren zielen auf das sachgerechte Erkennen und Bewerten von
kriminalitätsrelevanten Situationen und die Verbesserung des Sicherheitsgefühls
älterer Menschen ab.
Sie sind zur Vermeidung überzogener Kriminalitätsängste in besonderer Weise darauf ausgerichtet, die tatsächlichen Risiken, Opfer einer Straftat zu werden, sachlich darzustellen.
6.2.5.2
Das Informations- und Beratungsangebot der Polizei berücksichtigt die
altersbedingte Opferdisposition von älteren Menschen für bestimmte
Tatbegehungsweisen, z. B. Handtaschenraub, Trickdiebstahl und Betrug an der
Haustür sowie Straftaten auf Grund einer Überforderung im Umgang mit modernen
Kommunikationsmitteln.
6.2.5.3
Die Polizei nutzt Gesprächskreise, in denen Senioren sich regelmäßig treffen
oder wirkt im Rahmen von Netzwerken auf ihre Einrichtung hin, ohne die Leitung
dieser Gesprächskreise zu übernehmen. Sie richtet ihr Beratungsangebot auch auf
die nicht in Wohlfahrtsverbänden, Vereinen oder anderen Institutionen organisierten
Senioren aus.
6.2.6
Städtebauliche Kriminalprävention
6.2.6.1
Ziel polizeilicher Maßnahmen der städtebaulichen Kriminalprävention ist es, die
für die Gestaltung des „Lebensraums Stadt“ Verantwortlichen zu unterstützen,
Grundgedanken der städtebaulichen Kriminalprävention in ihren
Verantwortungsbereichen zu berücksichtigen und in konkreten Planungs- und
Bauvorhaben auf die Umsetzung kriminalitätshemmender Maßnahmen Einfluss zu
nehmen.
6.2.6.2
Für die Planung und Gestaltung von Gebäuden, öffentlichen Plätzen oder
Stadtteilen ist die Polizei nicht originär zuständig.
Die Polizei vermittelt ihre Erkenntnisse den für Bauplanung, Verkehr, Wohnen und Umwelt zuständigen kommunalen Ämtern oder anderen mit baulichen Vorhaben befassten Interessengruppen, z. B. Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, Gesellschaften des Öffentlichen Personenfern- und -nahverkehrs, Architektenbüros und -kammern. Dies erfolgt insbesondere durch Vorträge, Informationsveranstaltungen und die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen der Zielgruppen.
6.2.6.3
Bei der Zusammenarbeit mit anderen Verantwortungsträgern wirkt die Polizei auf
Strukturen hin, die ihre Beteiligung an Baugenehmigungsverfahren, an
Planfeststellungsverfahren, bei der Planung und Umsetzung von Groß- und
Sonderprojekten, im Rahmen der Stadtteilarbeit, in Bürgeranhörungsverfahren
sowie bei sonstigen städtebaulichen Veränderungsprojekten sicherstellen. Dazu
strebt sie Kooperationsvereinbarungen mit Kommunen, Bau- und
Wohnungswirtschaft, Architektur und Städtebau an.
6.2.6.4
Im Rahmen konkreter Planungs- und Bauvorhaben gibt die Polizei gegenüber den
verantwortlichen Ämtern sowie im Zuge der Befassung in kriminalpräventiven
Gremien kriminalfachliche Stellungnahmen ab. Sie nimmt nicht zu Fragen der funktionalen
oder ästhetischen Gebäudegestaltung Stellung.
6.2.6.5
Grundlage von Informationen zur städtebaulichen Kriminalprävention, zu
Stellungnahmeverfahren und Empfehlungen sind die Handbücher zur städtebaulichen
Kriminalprävention des LKA NRW und des Programms Polizeiliche
Kriminalprävention der Länder und des Bundes.
7
Geltungsdauer
Dieser Erlass tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft.
MBl. NRW. 2006 S. 500, geändert d. RdErl. v. 15.11.2011 (MBl. NRW. 2011 S. 437), 28.11.2016 (MBl. NRW. 2016 S. 844).