Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 17.4.2024


Hinweise zur Anwendung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft – IC2 – 84.49.22 v. 2.6.1998

 

Hinweise zur Anwendung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft – IC2 – 84.49.22 v. 2.6.1998

Hinweise zur Anwendung des Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990
über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt

RdErl. d. Ministeriums für Umwelt,
Raumordnung und Landwirtschaft – IC2 – 84.49.22
v. 2.6.1998

Zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (Umweltinformationsgesetz - UIG) vom 8. Juli 1994 (BGBl. I S. 1490) ergeht im Einvernehmen mit dem Finanzministerium, dem Innenministerium, dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr folgender Erlass:

I.
Einleitung

Die nachfolgenden Hinweise sollen die Bedeutung des Rechts jedes Einzelnen auf Gewährung von Umweltinformationen hervorheben und die Behörden zu einem bürgerfreundlichen Informationsverhalten anleiten. Damit sollen die Ziele der Richtlinie vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, nämlich die Verbesserung von Umweltpolitik und Umweltschutz und die Kontrolle der Verwaltung, wie sie im UIG ihren Niederschlag gefunden haben, erreicht werden.

II.
Anwendungshinweise zu den einzelnen Vorschriften

1
Zweck des Gesetzes (§ 1)
Eine Pflicht der Behörden, Informationen zu beschaffen, die bei der Behörde nicht vorliegen, besteht nicht.

2
Behörden (§ 3)

2.1
Als Behörde im Sinne des § 3 Abs. 1 UIG gilt jede Stelle im Sinne des § 1 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602) - SGV. NRW. 2010 -, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Rahmen ihrer Aufgabenerledigung im Bereich der Umweltpflege wahrnimmt.

Somit ist auch der Beliehene auskunftsverpflichtet.

2.2
Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes können alle Behörden wahrnehmen; betroffen sind insbesondere:
- die Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten Nordrhein-Westfalen,
- das Landesamt für Ernährungswirtschaft und Jagd,
- das Landesumweltamt,
- der Geologische Dienst,
- die Bezirksregierungen,
- das Chemische Landes- und Staatliche Veterinäruntersuchungsamt,
- die Direktoren der Landwirtschaftskammern als Landesbeauftragte,
- die Ämter für Agrarordnung,
- die Staatlichen Umweltämter,
- die Bergämter,
- die Staatlichen Forstämter und die Leiter der Forstämter der Landwirtschaftskammern als Landesbeauftragte,
- die Geschäftsführer der Kreisstellen der Landwirtschaftskammern als Landesbeauftragte im Kreise,
- die unteren Gesundheitsbehörden hinsichtlich ihrer Aufgaben im Bereich der Umwelthygiene,
- die Staatlichen Veterinäruntersuchungsämter,
- die Vermessungsämter,
- die Gemeinden und Gemeindeverbände.

3
Begriffsbestimmungen (§ 3)
3.1
Entsprechend dem weiten Verständnis des Begriffs der Informationen über die Umwelt in § 3 UIG zählen auch Daten über betriebsinterne Umweltbelastungen und über betriebsinterne Abläufe, die zu Umweltbelastungen führen können, zum Informationsbegriff, soweit diese bei Behörden vorhanden sind.

3.2
Von dem Begriff „Zustand" in § 3 Abs. 2 UIG werden nicht nur Informationen über gegenwärtige und vergangene, sondern auch über zukünftige Umweltzustände erfasst. Mitzuteilende Daten über zukünftige Umweltzustände liegen vor, wenn sie auf Tatsachen beruhen und nach naturwissenschaftlichen Regeln hergeleitet wurden. Danach sind beispielsweise die nach der TA Luft ermittelte Zusatzbelastung (IZ) und die Gesamtbelastung (IG) Informationen, auf die sich der Informationsanspruch erstreckt.

3.3
Zum Begriff „Informationen über die Umwelt" wird erläuternd auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 17. Juni 1998 C 321/96 (ZUR 1998, S. 198) verwiesen, das dazu folgenden Leitsatz enthält:

„Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt ist so auszulegen, dass er auf eine Stellungnahme einer Landschaftspflegebehörde im Rahmen ihrer Beteiligung an einem Planfeststellungsverfahren Anwendung findet, wenn diese Stellungnahme geeignet ist, die Entscheidung über die Planfeststellung hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes zu beeinflussen."

Das bedeutet: Der Begriff der Umweltinformation ist bereits erfüllt, wenn eine Stellungnahme die spätere Entscheidung über die Planfeststellung hinsichtlich der Umweltbelange beeinflussen kann. Außer bei Äußerungen der Naturschutzbehörde ist dies erfüllt bei Stellungnahmen anderer Fachbehörden, Kommunen und Träger öffentlicher Belange sowie bei behördlichen Gutachten, die zur Entscheidungsvorbereitung über umweltbedeutsame Aspekte erstellt werden.

4
Zugangsberechtigung - Art der Informationsgewährung (§4)
4.1
Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt steht allen natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts ohne Nachweis eines berechtigten Interesses zu. Dagegen soll für juristische Personen oder sonstige Stellen des öffentlichen Rechts nach der Gesetzesbegründung (Bundesrats-Drucksache 797/93, S. 29) kein Zugang zu Informationen bestehen. Für den Informationsaustausch zwischen den Staatsorganen und ihren Untergliederungen sind allein die Grundsätze der Amtshilfe maßgebend. Ebenso wenig hat eine Fraktion in einer politischen Vertretung, die Teil des Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist, - im Gegensatz zu einzelnen Mitgliedern - ein Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt.

4.2
Für die Entscheidung, wie die Informationen zugänglich gemacht werden (Auskunft oder Zurverfügungstellung von Informationsträgern, Akten) ist maßgebend, welche Zugangsart die Antragstellerin /der Antragsteller begehrt. Soweit die Antragstellerin /der Antragsteller ausdrücklich einen bestimmten Informationszugang beantragt, darf die Behörde dies nur dann zugunsten eines anderen - im wesentlichen gleich geeigneten - Informationsmittels ablehnen, wenn hierfür gewichtige, von ihr darzulegende Gründe bestehen.

5
Antragstellung, Bescheidung von Anträgen (§ 5)
5.1
Im Antrag sind Art und Umfang der gewünschten Informationen konkret zu bezeichnen. Der Antrag bedarf keiner Schriftform.

5.2
Da die Behörde nicht verpflichtet ist, Daten vor der Herausgabe auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, soll die Antragstellerin /der Antragsteller im Bescheid darauf hingewiesen werden, dass eine Haftung für die Richtigkeit der mitgeteilten Informationen nicht in Betracht kommt. Soweit die Behörde im Besitz von Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit von Daten ist, ist sie gehalten, dieses der Antragstellerin /dem Antragsteller mitzuteilen.

6
Ausschluss und Beschränkungen des Anspruchs zum Schutz öffentlicher Belange (§ 7)
6.1
Der EuGH hat mit Urteil vom 17. Juni 1998 C - 321/98 (ZUR 1998, S. 198 ff.) Folgendes entschieden:

„Der Begriff „Vorverfahren“ in Artikel 3 Absatz 2 dritter Gedankenstrich der Richtlinie ist so auszulegen, dass er ein Verwaltungsverfahren im Sinne von § 7 Abs. 1 Nummer 2 Umweltinformationsgesetz, das lediglich eine Maßnahme der Verwaltung vorbereitet, nur dann erfasst, wenn es einem gerichtlichen oder quasigerichtlichen Verfahren unmittelbar vorausgeht und durchgeführt wird, um Beweise zu beschaffen oder ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, bevor das eigentliche Verfahren eröffnet wird."

Danach besteht ein Anspruch grundsätzlich während eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens auch hinsichtlich derjenigen Daten, die der Behörde aufgrund des Verfahrens zugehen.

Ein Anspruch besteht nur dann nicht, wenn es sich um ein verwaltungsbehördliches Verfahren handelt, das einem gerichtlichen Verfahren unmittelbar vorausgeht und das dazu dient, Beweise zu beschaffen oder ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, bevor das eigentliche Verfahren eröffnet wird. Dazu zählen das Disziplinarverfahren, das ordnungswidrigkeiten-rechtliche Ermittlungsverfahren (Bußgeldverfahren), Erzwingungen im Verwaltungsvollstreckungsrecht und verwaltungsbehördliche Beweissicherungsverfahren.

In Widerpruchsverfahren steht § 7 Abs. 1 Nr. 2 dem Anspruch auf Informationsgewährung nicht entgegen, denn diese werden nicht durchgeführt, um Beweise zu beschaffen oder ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, bevor das eigentliche Verfahren eröffnet wird.

6.2
Stellt die Behörde aufgrund einer Anfrage „fertige" Daten zusammen, ist dies kein Fall von „nicht aufbereiteten Daten" im Sinne von § 7 Abs. 2 UIG.

Um „nicht aufbereitete Daten" handelt es sich, wenn diese zwar als Rohdaten bei der Behörde vorliegen, eine Aufbereitung aber für die Weiterverarbeitung in der Verwaltung zwingend ist. Die Aufbereitung hat sich auf den Informationsträger, nicht auf die Informationselbst zu beziehen. Eine Bewertung oder Kommentierung dieser Daten ist mit dem Begriff der „Aufbereitung" nicht gemeint. Nicht aufbereitet sind z.B. Daten, die mit den in einer Behörde vorhandenen Programmen nicht verarbeitet werden können. Sobald die Daten aufbereitet sind, soll die Behörde die Antragstellerin /den Antragsteller benachrichtigen.

6.3
Die Absicht des Antragstellers /der Antragstellerin, Informationen kommerziell zu verwerten, macht einen Antrag allein nicht missbräuchlich im Sinne des § 7 Abs. 2 UIG.

7
Ausschluss und Beschränkungen des Anspruchs zum Schutz privater Belange (§ 8 Abs. 1)
7.1
§ 8 Abs. 1 Nr. 1 dient dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Ob und inwieweit dieses Recht dem Informationsanspruch der Antragstellerin /des Antragstellers entgegensteht, ist für jeden Einzelfall aufgrund einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägung zu entscheiden.

Der Anspruch wird in der Regel nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass der Zugang zu Informationen über die Umwelt unvermeidbar mit der Offenbarung des Namens, des Berufs, der Branchen- oder Geschäftsbezeichnung der Verursacherin /des Verursachers einer Umweltbeeinträchtigung verbunden ist. Hinzu treten müssen besonders schutzwürdige Interessen des Verursachers. Diese sind im Falle einer Versagung aktenkundig zu machen.

7.2
Der Begriff „geistiges Eigentum" in § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG ist eng zu verstehen. Nicht ausreichend ist, dass die Daten auf einer geistigen Eigenleistung beruhen. Vielmehr muss eine rechtlich geschützte Position des geistigen Eigentums, wie z.B. im Urheber- oder Patentrecht, vorliegen. Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG kann u.a. erheblich werden, wenn das Informationsbegehren ein von Privaten erstelltes Gutachten betrifft. Gemäß § 12 Urheberrechtsgesetz (UrhG) steht grundsätzlich der Urheberin /dem Urheber das Recht zur Veröffentlichung und inhaltlichen Verbreitung ihres/seines Werkes oder urheberrechtlich erheblicher Teile zu. Wurde das Gutachten im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens als Bestandteil der Antragsunterlagen vorgelegt, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Werk der behördlichen Aufgabenwahrnehmung uneingeschränkt zur Verfügung steht. In diesem Fall ist wegen des Zugangsrechts auf § 45 UrhG zu verweisen. Im Regelfall ist in diesen Fällen das Zugangsrecht nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG ausgeschlossen.

7.3
Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 UIG gelten nach § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen der Geschäftsinhaber geheimgehalten werden sollen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass ein berechtigtes Interesse der Geschäftsinhaber an der Geheimhaltung anzuerkennen ist.

Die Behörde ist zur Offenbarung befugt, wenn
a) sie durch Rechtsvorschriften dazu ermächtigt oder verpflichtet ist,
b) die Betroffene/der Betroffene zugestimmt hat oder
c) die Offenbarung zur Wahrung eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit oder Einzelner erforderlich ist.

Dies gilt nicht, wenn die begehrten Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen.

7.4
Emissionsdaten enthalten in aller Regel keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse.

8
Verfahrensweise (§ 8 Abs. 2)
8.1
Die Behörde hat gemäß § 8 UIG zu prüfen, ob die Herausgabe von Informationen schutzwürdige personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berühren kann. Besteht die Vermutung, dass die Herausgabe von Informationen schutzwürdige personenbezogene Daten betrifft oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berührt oder sind die Daten als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet, hat die Behörde die Betroffene /den Betroffenen anzuhören. Bestehen Zweifel an der korrekten Auszeichnung, so hat der Dritte zu belegen, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegen.

Liegen nach Prüfung der Behörde entgegen der Auffassung der Betroffenen /des Betroffenen keine schutzwürdigen personenbezogenen Daten oder keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor, hat sie der Antragstellerin /dem Antragsteller einen Bescheid unter der Maßgabe zu erteilen, dass die Informationen erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat erteilt werden können. Der Bescheid ist zugleich der Betroffenen /dem Betroffenen bekannt zu geben, um ihr/ihm die Möglichkeit einzuräumen, dagegen Rechtsbehelf einzulegen. Im Übrigen unterscheidet sich der Verfahrensablauf nicht von dem des allgemeinen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts.

8.2
Kommt die Behörde im Rahmen der Prüfung zu dem Ergebnis, dass Informationen begehrt werden, auf die ein Anspruch nicht besteht, ist aber die Aussonderung von Teilen möglich, ohne dass Ausschlusstatbestände berührt werden, so hat die Behörde entsprechend zu verfahren und den Zugangsberechtigten die ausgesonderten Teile zu übermitteln.

9
Zuständigkeit (§ 9)

Zuständig ist die Behörde, bei der sich die begehrten Informationen befinden (§ 9 Abs. 1 UIG). In den Fällen des § 2 Nr. 2 UIG sind die aufsichtsführenden Stellen zuständig (§ 9 Abs. 2 UIG). § 2 Nr. 2 UIG findet keine Anwendung, wenn ein beliehener Unternehmer tätig wird, da diesem selbst die Behördeneigenschaft zukommt.

MBl. NRW. 1998 S. 892