Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben d. RdErl. v. 26.11.2012 (MBl. NRW. S. 712).

 


Historisch: Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung RdErl d Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 30.5.1988 - V B 3 - 1027.18 (am 1.1.2003 MGSFF)

 

Historisch:

Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung RdErl d Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 30.5.1988 - V B 3 - 1027.18 (am 1.1.2003 MGSFF)

Amtsärztliche Untersuchungen von Beamten und Beamtenbewerbern
HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung

RdErl d Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 30.5.1988 - V B 3 - 1027.18
(am 1.1.2003 MGSFF)

Die gesundheitliche Eignung des Bewerbers gehört zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Weder das Beamtenrechtsrahmengesetz noch das Landesbeamtengesetz enthalten allerdings ausdrückliche Regelungen darüber, was unter gesundheitlicher Eignung zu verstehen ist. Konkretisierende Verwaltungsvorschriften sind bisher nicht erlassen worden.

Nach der von der Rechtsprechung bestätigten Verwaltungsübung ist für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gesundheitlich geeignet, wer für die vorgesehene Tätigkeit dienstfähig ist und keinen krankheitsbedingten vorzeitigen Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit erwarten lässt. Auszugehen ist in der Regel von einer Prognose, die die volle Dienstfähigkeit bis zum Erreichen der allgemeinen oder besonderen (z. B. Polizei) Altersgrenze erwarten lässt. Bei Schwerbehinderten wird es nach den oben genannten Richtlinien als ausreichend angesehen, wenn aufgrund amtsärztlicher Beurteilung erwartet werden kann, dass sie nicht vor Ablauf von 10 Jahren dienstunfähig werden.

Diese Anforderungen an die gesundheitliche Eignung ergeben sich daraus, dass der Dienstherr mit der Verbeamtung auf Lebenszeit das volle Versorgungsrisiko für den Beamten und dessen unterhaltsberechtigte Angehörige übernimmt, da Beamte auf Lebenszeit bei Dienstunfähigkeit nicht entlassen werden können, sondern in den Ruhestand zu versetzen sind.

Da das Beamtenverhältnis auf Probe eine Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Ziel hat (vgl. § 5 Abs. l Nr. 3 LBG), ist es gerechtfertigt die gleichen Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bereits vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zu stellen, da es weder dem Interesse des Bewerbers noch dem des Dienstherrn dient, ein Beamtenverhältnis auf Probe zu begründen, wenn bereits feststeht, dass die gesundheitliche Eignung für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, nicht vorliegt

Dasselbe muss grundsätzlich gelten für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, soweit es allein die spätere Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Ziel hat. Eine andere Betrachtung ist gerechtfertigt, wenn der Vorbereitungsdienst Voraussetzung für die Ausübung eines Berufes auch außerhalb des öffentlichen Dienstes ist (sogenannte Monopolausbildungsverhältnisse, z. B. bei Juristen und Lehrern). Hier kann gesundheitliche Eignung als gegeben angenommen werden, wenn der Bewerber bei Begründung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf für die vorgesehene Ausbildung dienstfähig ist.

Bei Beamten auf Zeit erstreckt sich die Prognose der gesundheitlichen Eignung auf die Dauer des Zeitbeamtenverhältnisses. Auch bei Beamten auf Zeit trägt der Dienstherr das Versorgungsrisiko bei vorzeitiger krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit erst ab einer Dienstzeit von mindestens 5 Jahren, weil dieser Beamte gemäß § 45 Abs. LBG in Verbindung mit § 4 Abs. l BeamtVG in den Ruhestand zu versetzen ist; sonst endet das Beamtenverhältnis auf Zeit gemäß § 37 a Satz 2 LBG durch Entlassung.

Die gesundheitliche Eignung ist grundsätzlich durch ein Zeugnis des zuständigen Gesundheitsamtes nachzuweisen (Nr. 2.1 VV zu § 8 LBG). In Nordrhein-Westfalen wird regelmäßig bereits bei der erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis eine amtsärztliche Aussage über die gesundheitliche Eignung auch für die - spätere - Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gefordert.

Das geschieht auch bei Bewerbern für ein sogenanntes Monopolausbildungsverhältnis, weil erfahrungsgemäß viele der Absolventen anschließend in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen werden.

Reicht die gesundheitliche Prognose nicht für eine spätere Verbeamtung auf Lebenszeit, so darf dem Bewerber allerdings nicht die Zulassung zum beamteten Vorbereitungsdienst verweigert werden, wenn er für die beabsichtigte Ausbildung gesundheitlich geeignet ist.

Da die gesundheitliche Prognose hinsichtlich der Verbeamtung auf Lebenszeit bereits zur ersten Einstellung abgegeben wird, wird eine erneute amtsärztliche Untersuchung nur gefordert, wenn der Gesundheitszustand des Betroffenen dazu Veranlassung gibt (vgl. Nr. 2.1 VV zu § 6 LBG und Nr. 1 VV zu § 9 LBG).

Ein AIDS-Kranker ist nicht dienstfähig und kann daher nicht in ein Beamtenverhältnis berufen werden.

Ob eine HIV-Infektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Prognose zulässt, dass der infizierte Bewerber keinen krankheitsbedingten vorzeitigen Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit erwarten lässt, lässt sich nach derzeitigem medizinischen Stand nicht ganz eindeutig beantworten.

Auch wenn man dem Bewerber die Beweislast für seine gesundheitliche Eignung, und damit das Risiko einer unsicheren Prognose, auferlegt (VV Nr. 2.1 zu § 6 LBG), ergibt sich daraus nicht zwingend, dass ein HIV-Infizierter dann nicht als Beamter eingestellt werden darf, obgleich die Einstellung mit dem Ziel der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgt. Das BVerwG hatte nämlich bisher nur Fälle zu beurteilen, in denen beim Beamtenbewerber bereits konkrete Krankheitssymptome aufgetaucht waren. Eben dies aber ist bei einem HIV-Infizierten typischerweise nicht der Fall. Der beurteilende Arzt kann aber beim symptomlosen HIV-infizierten Beamtenanwärter lediglich eine Aussage von statistischer Wahrscheinlichkeit über den Ausbruch der Erkrankung machen, die nicht bewerberbezogen, sondern ausschließlich allgemeiner Art ist.

Auch wenn man dieser einschränkenden Interpretation der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht folgt, erscheint ein allgemeiner HIV-Test für Beamtenbewerber im Hinblick auf

- die zur Zeit noch geringe Verbreitung der Infektion,
- die Seltenheit von Angehörigen sogenannter Risikogruppen unter den Beamtenbewerbern,
- den Aufwand für einen allgemeinen Test und
- die Auswirkungen der Signalwirkung eines solchen obligatorischen Tests für andere Bereiche des Erwerbslebens

als unverhältnismäßig. Dabei muss berücksichtigt werden, dass -  wie das bayerische Beispiel zeigt - in der Öffentlichkeit die feinen rechtlichen Differenzierungen hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung bei Arbeitnehmern einerseits und Beamten andererseits nicht bekannt sind und auch durch rechtliche Erläuterung kaum verständlicher werden. Die öffentlichen Dienstherren/Arbeitgeber würden damit als Vorreiter einer allgemeinen Diskriminierung von HIV-infizierten im Erwerbsleben angesehen.

Bis auf das Aufwandsargument gelten die zur Problematik eines allgemeinen Tests angeführten Argumente auch für eine bloße Befragung der Bewerber.

Es bleibt die Frage, was zu geschehen hat, wenn ein Beamtenbewerber seine HIV-Infektion von sich aus bekannt gibt oder diese aus anderen Quellen der personalführenden Stelle bekannt ist. Insoweit dürfte es im Ermessen der Behörde stehen, den Bewerber gleichwohl zu verbeamten. Hierfür sprechen jedenfalls folgende Umstände:

- Wenn solche Fälle überhaupt auftreten sollten, wird ihre Zahl, und damit die fiskalische Bedeutung, äußerst gering bleiben.
- Die Abweisung eines HIV-infizierten Bewerbers würde die oben bereits beschriebene Signalwirkung für das übrige Erwerbsleben haben. Sie gilt es zu vermeiden.
- Mit der Einstellung eines HIV-infizierten Beamtenbewerbers würde umgekehrt der öffentliche Dienstherr ein positives Zeichen gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Integration setzen.
- Nicht-Diskriminierung und Integration HIV-infizierter Personen sind angesichts der Nichtheilbarkeit der Krankheit auf absehbare Zeit die einzigen Wege, gegenüber der Herausforderung AIDS grundlegende Errungenschaften einer zivilisierten Gesellschaft und Verfassungsgrundsätze wie den Schutz der Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot zu wahren.

MBl. NRW. 1988 S. 904