Historische SGV. NRW.

 Aufgehobene Norm: (zur Aufhebung siehe unter (Fn 1))
 


Historisch: Durchführungsverordnung zum Maßregelvollzugsgesetz (DV-MRVG)


Inhaltsverzeichnis:


Historisch:

Normüberschrift

Durchführungsverordnung
zum Maßregelvollzugsgesetz (DV-MRVG)

Vom 4. Oktober 1986 (Fn 1)

Aufgrund des § 24 des Maßregelvollzugsgesetzes - MRVG - vom 18. Dezember 1984 (GV. NW. 1985 S. 14) (Fn 2) wird - hinsichtlich des § 1 Abs. 1 sowie der §§ 9 und 12 im Einvernehmen mit dem Justizminister - nach Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge des Landtags verordnet:

§ 1
Behandlungseinheiten

(1) Die Einrichtungen sollen nach den Behandlungsschwerpunkten allgemeine Psychiatrie, Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen, Alkoholkrankheiten, Arzneimittel- und Drogenabhängigkeit sowie nach dem Behandlungsschwerpunkt Personen bis zum vollendeten 24. Lebensjahr gegliedert werden.

(2) Für die Behandlungsschwerpunkte jeder Einrichtung sind Behandlungseinheiten zu bilden, in denen insbesondere psychotherapeutische, soziotherapeutische, beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Behandlung sowie die Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen sind. Innerhalb ihrer Aufgaben haben die Einrichtungen insbesondere gesprächs- und handlungsorientierte Maßnahmen durchzuführen.

(3) Über geschlossenen Vollzug, teiloffene und offene Maßnahmen sollen die Patienten befähigt werden, ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen. Für die offenen Maßnahmen sollen auch dezentralisierte Übergangseinrichtungen zur Förderung der Eingliederung von Patienten in ihr Lebensumfeld nach Beendigung der Unterbringung vorgehalten werden; sie können einem psychiatrischen Krankenhaus angegliedert sein.

§ 2
Personelle Ausstattung

(1) In der Einrichtung müssen geeignete Fachkräfte, insbesondere Ärzte, Diplompsychologen, Sozialarbeiter und -pädagogen, Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, Pflegepersonal und pädagogische Mitarbeiter zusammenarbeiten.

(2) Die Fachkräfte sind so einzusetzen, daß dem Patienten die nach den Zielen des § 1 MRVG erforderlichen therapeutischen, pädagogischen, sozialen und praktischen Hilfen gegeben werden. Insbesondere sind psychotherapeutische Behandlungserfordernisse und der Ausbildungsstand der Patienten zu beachten.

(3) Der Träger der Einrichtung hat die Fortbildung der Fachkräfte zu gewährleisten.

(4) Art und Zahl der Fachkräfte sind nach den Aufgaben der Einrichtung, nach den Behandlungs- und Betreuungsbedürfnissen der Patienten sowie nach dem notwendigen Sicherungsaufwand durch den Träger festzulegen.

§ 3
Bauliche und technische Ausstattung

(1) Die Einrichtung hat mindestens Aufenthalts-, Besuchs-, Behandlungs- und Schlafräume getrennt voneinander vorzuhalten. Schlafräume sollen mit vollständiger Naßzelle, mindestens aber mit Waschbecken ausgestattet sein; in jedem Falle sind ihnen Toiletten und Duschen zuzuordnen. Die Schlafräume müssen zur Aufbewahrung von Sachen des Patienten im Sinne des § 5 Abs. 1 und 3 MRVG geeignet sein. Aufenthaltsräume dürfen auch zur Freizeitbetätigung oder zur Einnahme von Mahlzeiten genutzt werden.

(2) Aufenthaltsräume sollen der Kommunikation von jeweils höchstens 12 Personen, Schlafräume der Nutzung durch bis zu 3 Personen dienen. Unter Berücksichtigung von Behandlungs- und Sicherheitserfordernissen, von Gruppen- und Einzelbedürfnissen sind die Räume wohnlich zu gestalten.

(3) Behandlungsstätten sind nach Funktionen für Gruppen- und Einzeltherapie sowie nach besonderen Aufgabenstellungen zu gliedern. Die zur psychiatrischen Untersuchung, zur psychologischen Diagnostik und zur Behandlung des Patienten erforderlichen Geräte und Einrichtungen sind vorzuhalten.

(4) Die Sicherheitsvorkehrungen haben den Anforderungen der besonders gesicherten, der geschlossenen und der gelockerten Unterbringung zu genügen.

§ 4
Unterrichtung des Patienten

(1) Rechte und Pflichten des Patienten nach §§ 4 bis 16 und 18, 19 und 21 MRVG sowie nach den Bestimmungen dieser Verordnung sind in der Hausordnung oder in einer besonderen Informationsschrift in leicht verständlicher Form wiederzugeben. Das Unterrichtungsmaterial ist dem Patienten bei der Aufnahme auszuhändigen.

(2) Die mündliche Unterrichtung führt der Aufnahmearzt durch; er veranlaßt auch die unverzügliche Unterrichtung einer Vertrauensperson des Patienten über die Aufnahme.

(3) Schriftliche und mündliche Unterrichtung haben sich auf Rechtsmittel und Rechtsbehelfe zu erstrecken. Auf die Möglichkeit, sich an die Beschwerdekommission des Landschaftsverbandes und an den Petitionsausschuß des Landtages zu wenden sowie Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, ist in gleicher Form hinzuweisen.

§ 5
Schriftwechsel, Pakete, Zeitungen

(1) Kontrollen von Schriftwechsel, Telegrammen, Paketen, Päckchen, Zeitungen und Zeitschriften sind von dem behandelnden Arzt anzuordnen. Die mit der Durchführung beauftragte Fachkraft hat die übrigen an der Behandlung des Patienten beteiligten Fachkräfte und die Leitung der Einrichtung über Erkenntnisse aus der Kontrolle zu unterrichten, soweit dies für die Behandlung oder aus Gründen des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung oder des Schutzes der Allgemeinheit zwingend geboten ist. Soweit dies notwendig ist, um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten oder zu verfolgen, dürfen Erkenntnisse aus der Kontrolle den Behörden mitgeteilt werden, die für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständig sind.

(2) Vor jedem Eingriff nach § 6 Abs. 2 MRVG ist die Notwendigkeit zu prüfen; er ist inhaltlich und zeitlich auf das geringstmögliche Maß zu beschränken und mit dem Patienten zu erörtern. Er ist gleichzeitig auf die ihm möglichen Rechtsbehelfe hinzuweisen.

(3) Die nach § 18 Abs. 1 Satz 1 MRVG erforderliche Begründung hat den Sachverhalt, die Abwägung sowie Art, Umfang und Notwendigkeit des Eingriffs im einzelnen darzulegen.

(4) An den Patienten gerichtete angehaltene Schreiben, Telegramme, Pakete und Päckchen sind dem Absender zurückzugeben, sofern sie nicht Aufforderungen zur Begehung von Straftaten oder Ausbruchswerkzeug enthalten. Periodische Zeitungen und Zeitschriften dürfen nach Ablauf von 6 Wochen vernichtet werden, sofern der Grund des Anhaltens zu diesem Zeitpunkt noch besteht.

§ 6
Besuche, Telefongespräche

(1) Besuchszeiten sind täglich für die Mindestdauer von 2 Stunden einzurichten und im Wochenverlauf sowohl für die Nachmittags- als auch für die frühen Abendstunden anzubieten.

(2) Zeiten für Telefongespräche sind durch Hausordnung mindestens für die üblichen Geschäftszeiten und für die frühen Abendstunden täglich vorzusehen. Die Dauer eines Telefongesprächs kann durch Hausordnung beschränkt werden.

(3) Soweit die Belange von Behandlung und Betreuung sowie das geordnete Zusammenleben es zulassen, sollen öffentliche Fernsprecher auf den geschlossenen Stationen aufgestellt werden.

(4) Muß ein Besuch oder ein Telefongespräch überwacht werden, darf hierdurch der Besuch oder das Telefongespräch nicht vereitelt werden. § 5 Abs. 1 bis 3 ist entsprechend anzuwenden.

§ 7
Religionsausübung

(1) Zwingende Gründe für Maßnahmen nach § 11 Abs. 2 MRVG sind insbesondere in der die Unterbringung erfordernden Erkrankung liegende Gründe, konkreter Fluchtverdacht oder die Gefahr einer erheblichen Störung der Veranstaltung.

(2) Der Ausschluß soll auf eine Veranstaltung beschränkt werden. § 5 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 8
Aufteilung des Eigengeldes, Überbrückungsgeld

(1) Das Taschengeld beträgt mindestens 30 vom Hundert des jeweiligen Regelsatzes der Sozialhilfe für den Haushaltsvorstand. Einkünfte aus Arbeitsbelohnung werden zu 50 vom Hundert, solche aus Arbeitsentgelt zu 20 vom Hundert zur Aufstockung des Taschengeldes verwendet und auf Verlangen des Patienten zinswirksam angelegt; im übrigen dienen sie zu gleichen Anteilen den in § 12 Abs. 2 Satz 2 MRVG genannten Zwecken bis zum Erreichen der hierzu erforderlichen Beträge. Weitere Überschüsse aus Eigengeld sind für den Patienten zinswirksam anzulegen.

(2) Das Überbrückungsgeld ist so zu verwenden, daß es den notwendigen Lebensunterhalt des Patienten und seiner Unterhaltsberechtigten mindestens in den ersten drei Monaten nach der Entlassung gewährleistet. Sofern die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 MRVG erfüllt sind, kann das Überbrückungsgeld bei der Entlassung auch einem Bewährungshelfer oder einer anderen mit der Betreuung befaßten Stelle ausgezahlt werden. Diese sind zu verpflichten, das Geld von ihrem eigenen Vermögen gesondert zu halten.

§ 9
Lockerungsmaßnahmen

(1) Lockerungen der Unterbringung sind so anzuordnen und zu gestalten, daß die durch den Vollzug gebotenen Freiheitsbeschränkungen im frühestmöglichen Zeitpunkt verringert und allmählich abgebaut werden; zugleich sollen sie Mitarbeit und Verantwortungsbewußtsein des Patienten und seine spätere Eingliederung in allgemeine Lebensbedingungen fördern.

(2) Lockerungen können auch zur Erledigung persönlicher, familiärer, rechtlicher oder geschäftlicher Angelegenheiten oder aus anderen wichtigen Gründen gewährt werden, die den Zielen des § 1 Abs. 1 MRVG dienen.

(3) Eine Lockerung kann insbesondere mit der Weisung verbunden werden,

a) sich der Aufsicht einer anderen Person zu unterstellen,

b) Anordnungen zum Aufenthaltsort und zu Verhaltensweisen außerhalb der Einrichtung zu befolgen und

c) zu bestimmten Zeitpunkten oder in bestimmten Zeiträumen in die Einrichtung zurückzukehren oder sich an anderer Stelle zu melden.

(4) Über Lockerungen entscheidet der ärztliche Leiter der Einrichtung.

§ 10
Hausordnung

(1) Die Hausordnung hat den Aufgaben nach dem Organisationsplan Rechnung zu tragen.

(2) Die Hausordnung soll insbesondere Bestimmungen enthalten zu

1. Verfahren nach § 6 MRVG,

2. Zeit und Dauer von Besuchen sowie das Verfahren nach § 7 Abs. 2 MRVG,

3. Benutzung von Rundfunk-, Fernseh- und Bandgeräten, von Fernsprechern sowie das Verfahren nach § 7 Abs. 4 MRVG,

4. Umgang mit Sachen der Einrichtung, Nutzung von beruflichen Bildungs- und Beschäftigungseinrichtungen sowie von Freizeit- und Sporteinrichtungen,

5. Gebrauch und Verwahrung eigener Sachen,

6. Ruhezeiten,

7. Sprechzeiten der Ärzte und sonstigen Fachkräfte der Einrichtung, des Trägers und der Aufsichtsbehörde,

8. Rechten und Pflichten des Patienten, insbesondere zur Hygiene, zu hauswirtschaftlichen Aufgaben, zur Teilnahme an therapeutischen und Freizeitveranstaltungen und zum Umgang auf den Stationen sowie zu

9. Antrags- und Bewilligungsverfahren für Lockerungen der Unterbringung.

(3) In der Hausordnung sind auch die Zeiten für die Auszahlung von Taschengeld anzugeben; es sind mindestens zwei Zeiträume je Woche vorzusehen. Die Auszahlung an den Patienten ist an den Erfordernissen seiner Behandlung und Betreuung auszurichten.

(4) Neben der Hausordnung sind Stationsordnungen und vergleichbare Regelungen nur zulässig, wenn sie entsprechend § 17 MRVG zustande gekommen sind und den Bestimmungen der Hausordnung nicht widersprechen.

§ 11
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Maßnahmen nach § 19 MRVG sind nur zulässig, wenn die in dem Gesetz vorgesehenen Einschränkungen nicht ausreichen, das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung sicherzustellen. Mehrere Maßnahmen dürfen gleichzeitig angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

(2) Jede Sicherungsmaßnahme darf nur soweit und solange aufrechterhalten werden, wie der Zweck es erfordert. Die Fortdauer jeder einzelnen Maßnahme ist spätestens alle drei Tage, bei Maßnahmen nach § 19 Abs. 3 MRVG mindestens täglich einmal zu überprüfen.

(3) Zuständig ist der ärztliche Leiter der Einrichtung, soweit die Mitwirkung des Trägers nicht vorgeschrieben ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 MRVG) oder er sich die Entscheidung nicht allgemein oder im Einzelfall vorbehalten hat.

§ 12 (Fn 3)
Einweisung

(1) Die Vollstreckungsbehörde richtet das Aufnahmeersuchen an den nach dem Organisationsplan (Anlage) zuständigen Landschaftsverband. Dem Aufnahmeersuchen sind Abschriften der Entscheidung des Gerichts mit Gründen, der Vollstreckbarkeitsbescheinigung und des ärztlichen Gutachtens beizufügen. Falls die Abschrift der vollständigen Entscheidung noch nicht vorliegt, ist sie unverzüglich nachzusenden. (Anlage)

(2) Der Landschaftsverband übersendet das Aufnahmeersuchen mit Anlagen der Einrichtung, die den Patienten aufzunehmen hat, und unterrichtet die Vollstreckungsbehörde.

(3) Vor der Einweisung in eine andere als die im Organisationsplan vorgesehene Einrichtung führt die Vollstreckungsbehörde das Einvernehmen der beteiligten Einrichtungen und bei Einweisung in die Einrichtung des anderen Landschaftsverbandes auch das Einvernehmen der Landschaftsverbände herbei.

(4) Soll der Patient in eine Einrichtung eingewiesen werden, die der Aufsichtsbehörde eines anderen Landes untersteht, so führt der Justizminister im Zusammenwirken mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales das Einvernehmen der Aufsichtsbehörde des betreffenden Landes herbei.

§ 13
Übergangsvorschrift

Erfüllen Einrichtungen, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung im Betrieb, im Bau oder im baureifen Planungsstadium sind, die Mindestanforderungen des § 3 nicht, sind mit Genehmigung des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Die Angleichungen an einzelne Anforderungen sind bis zum 31. 12. 1990 abzuschließen. Die Frist kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes verlängert werden.

§ 14 (Fn 5)
In-Kraft-Treten, Außer Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft  (Fn 4). Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2008 außer Kraft.

Der Minister
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen

Hinweis

Wiederherstellung des Verordnungsranges
(Artikel 270 des Zweiten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 274))

Die in diesem Gesetz erlassenen oder geänderten Rechtsverordnungen können aufgrund der jeweils einschlägigen Verordnungsermächtigungen durch Rechtsverordnung geändert werden.


Anlagen:

Fußnoten:

Fn 1

GV. NW. 1986 S. 668, geändert durch VO v. 11. 12. 1987 (GV. NW. 1988 S. 55); Artikel 84 des Zweiten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 274), in Kraft getreten am 28. April 2005.

Obsolet durch Fristablauf.

Fn 2

SGV. NW. 2128.

Fn 3

§ 12 geändert durch VO v. 11. 12. 1987 (GV. NW. 1988 S. 55); in Kraft getreten am 13. Februar 1988.

Fn 4

GV. NW. ausgegeben am 10. November 1986.

Fn 5

§ 14 neu gefasst durch Artikel 84 des Zweiten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 274); in Kraft getreten am 28. April 2005.



Normverlauf ab 2000: