Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2013 Nr. 13 vom 13.5.2013 Seite 201 bis 210
Gesetz zur Regelung des Jugendarrestvollzuges in Nordrhein-Westfalen (Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAVollzG NRW) |
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Normkopf Norm Normfuß |
Gesetz zur Regelung des Jugendarrestvollzuges in Nordrhein-Westfalen (Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAVollzG NRW)
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Gesetz
zur Regelung des Jugendarrestvollzuges in Nordrhein-Westfalen
(Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAVollzG NRW)
Vom 30. April 2013
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
Gesetz
zur Regelung des Jugendarrestvollzuges in Nordrhein-Westfalen
(Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAVollzG NRW)
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1
Ziel und erzieherische Gestaltung
§
1 Ziel und Aufgaben
§
2 Grundsätze der erzieherischen Gestaltung
§
3 Elemente der erzieherischen Gestaltung
Abschnitt 2
Vollzugsverlauf
§
4 Aufnahme, Zugangsgespräch
§
5 Erziehungsplan
§
6 Beschäftigung
§
7 Freizeit
§
8 Sport
§
9 Kontakte, Anlaufstellen
§
10 Veranstaltungen außerhalb der Einrichtung
§
11 Persönlicher Bereich
§
12 Unterbringung
§
13 Verpflegung
§
14 Gesundheitsfürsorge
§
15 Religionsausübung
§
16 Schriftwechsel, Pakete
§
17 Besuche, Telefonate, Ausgang
Abschnitt 3
Verhalten im Arrestvollzug
§
18 Verhalten der Jugendlichen
§
19 Hausregeln
§
20 Konfliktregelung
§
21 Durchsuchung, Feststellung von Suchtmittelkonsum
§
22 Besondere Sicherungsmaßnahmen
§
23 Beschwerderecht, Justizvollzugsbeauftragter
Abschnitt 4
Beendigung des Vollzuges
§
24 Schlussbericht, Entlassungsgespräch
§
25 Fahrtkosten
Abschnitt 5
Organisation
§
26 Arresteinrichtungen
§
27 Aufsichtsbehörde
§
28 Belegungsfähigkeit, Ausstattung
§
29 Leitung des Vollzuges
§
30 Vollzugsbedienstete
§
31 Ehrenamtliche Betreuung
Abschnitt 6
Sonstige Vorschriften
§
32 Einsatz von Videotechnik
§
33 Datenschutz, kriminologische Forschung
§
34 Arrest wegen der Nichterfüllung von Weisungen, Auflagen oder Anordnungen
§
35 Entsprechende Anwendung
§
36 Freizeit- und Kurzarrest
§
37 Einschränkung von Grundrechten
§
38 Inkrafttreten, Berichtspflicht
Abschnitt
1
Ziel und erzieherische Gestaltung
§ 1
Ziel und Aufgaben
(1) Der Vollzug
des Jugendarrestes dient dem Ziel, die Jugendlichen zu befähigen, künftig
eigenverantwortlich und ohne weitere Straftaten zu leben. Ihnen ist dazu in
erzieherisch geeigneter Weise zu vermitteln, dass sie Verantwortung für ihr
sozialwidriges Verhalten übernehmen und die notwendigen Konsequenzen für ihr
künftiges Leben daraus ziehen müssen. Der Vollzug des Jugendarrestes soll auch
dabei helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zu der Begehung der
Straftat beigetragen haben.
(2) Alle an dem
Vollzug des Jugendarrestes beteiligten Personen sowie die einbezogenen
Institutionen arbeiten zusammen und wirken an der Erfüllung dieser Aufgaben zur
Erreichung des Ziels mit. Hierbei sind auch die Personensorgeberechtigten,
soweit möglich, in angemessener Weise einzubeziehen.
§ 2
Grundsätze der erzieherischen Gestaltung
(1) Der
Jugendarrest ist erzieherisch zu gestalten. Er soll den Jugendlichen
Möglichkeiten aufzeigen, sozial angemessene Handlungsformen unter Achtung der
Rechte in ihre Lebensgestaltung zu übernehmen. Die Selbstachtung der Jugendlichen, ihr
Einfühlungsvermögen in die Situation der Opfer von Straftaten und ihr
Verantwortungsgefühl sind ebenso zu fördern wie die Entwicklung von
Einstellungen und Fertigkeiten, die sie vor erneuter Straffälligkeit schützen.
(2) Die
Jugendlichen werden unterstützt, ihre persönlichen und sozialen Schwierigkeiten
zu bewältigen. Die Hilfe ist darauf gerichtet, sie in die Lage zu versetzen,
ihre Angelegenheiten zunehmend selbst zu ordnen und zu regeln. Ihr Alter, ihre
körperliche und geistige Gesundheit, ihr individueller Reifegrad und ihre
Fähigkeiten sowie ihre persönliche Situation sind dabei zu berücksichtigen.
(3) Der Vollzug
des Jugendarrestes soll die belastende Wirkung des Freiheitsentzuges mildern
und das Recht der Jugendlichen auf Privatsphäre wahren.
(4) Die
unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der weiblichen und männlichen
Jugendlichen sind während des Vollzuges des Jugendarrestes und bei allen
Einzelmaßnahmen zu berücksichtigen.
§ 3
Elemente der erzieherischen Gestaltung
(1) Tragende
Elemente der erzieherischen Gestaltung sind insbesondere:
1. Soziale Trainingskurse,
2. Gruppenarbeit,
3. Einzelgespräche,
4. Gemeinschaftsveranstaltungen,
5. altersgemäße, gemeinnützige
Beschäftigung,
6. Freizeitgestaltung,
7. Sport und
8. die Vermittlung
stabilisierender Kontakte und Anlaufstellen.
(2) Fähigkeiten
und Begabungen der Jugendlichen sind zu wecken und zu fördern. Mit den
Regelmäßigkeiten von Tagesabläufen werden sie vertraut gemacht.
Abschnitt 2
Vollzugsverlauf
§ 4
Aufnahme, Zugangsgespräch
(1) Jugendliche werden aufgrund eines
schriftlichen Vollstreckungsersuchens des Gerichts in die nach dem
Vollstreckungsplan zuständige Arresteinrichtung aufgenommen. Auf eine
unverzügliche Vollziehung des Jugendarrestes unter Berücksichtigung schulischer
und beruflicher Verpflichtungen der Jugendlichen ist hinzuwirken.
(2) Mit neu
aufgenommenen Jugendlichen führen die Vollzugsleitung oder von ihr bestimmte
Bedienstete alsbald ein Zugangsgespräch, in dem die Jugendlichen erste
Informationen erhalten und, gegebenenfalls durch Aushändigung eines
Merkblattes, über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden. Ihnen werden die
Hausregeln (§ 19) ausgehändigt. Das Gespräch soll Aufschluss über die
gegenwärtige Situation und persönliche Verfassung der Jugendlichen geben. Die
wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Gespräch sind zu dokumentieren.
(3) Den
Jugendlichen sind bei der Aufnahme bestimmte Personen aus dem Kreis der
Vollzugsbediensteten als Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner zu benennen.
(4) Weibliche
Jugendliche, die über den fünften Monat hinaus schwanger sind, vor weniger als
drei Monaten entbunden haben oder ihr Kind selbst nähren, dürfen nicht
aufgenommen werden.
§ 5
Erziehungsplan
Um den Vollzug des Jugendarrestes nutzbringend planen und eine Nachbetreuung vorbereiten zu können, verschaffen sich Vollzugsleitung und beteiligte Bedienstete im Anschluss an das Zugangsgespräch einen möglichst umfassenden Überblick über die Persönlichkeit der Jugendlichen, deren Lebensverhältnisse und die diese prägenden Umstände. Auf dieser Grundlage werden gemeinsam mit den Jugendlichen Art und Umfang der Gestaltungselemente erarbeitet, die geeignet sind, bestehende Schwierigkeiten zu bewältigen, um eine erneute Straffälligkeit zu vermeiden. Die Jugendhilfe soll einbezogen werden. Der Bericht der Jugendgerichtshilfe ist zu berücksichtigen. Die Personensorgeberechtigten sind einzubeziehen, wenn dies für die Entwicklung der Jugendlichen förderlich ist und die Dauer des Jugendarrestes es zulässt.
§ 6
Beschäftigung
(1) Beschäftigung im Sinne dieses
Gesetzes sind erzieherisch geprägte und sinnvolle Tätigkeiten. Sie soll die
Entwicklung von Gemeinschaftsfähigkeit fördern und die Erkenntnis vermitteln,
dass Pflichten innerhalb eines Gemeinwesens von allen zu tragen sind.
(2) Jugendliche können zu diesen
Tätigkeiten herangezogen werden, soweit sie nicht an besonderen Maßnahmen
teilnehmen. Ein Anspruch auf Entlohnung entsteht nicht.
§ 7
Freizeit
(1) Jugendliche sind anzuleiten, ihre
Freizeit sinnvoll zu gestalten. Hierzu sollen handwerkliche, kreative und künstlerische
Betätigungen ermöglicht werden.
(2) Die
Jugendlichen sollen Gelegenheit erhalten, eine Bücherei zu benutzen. Sie können
in angemessenem Umfang Bücher besitzen.
(3) Ihnen kann
gestattet werden, am gemeinschaftlichen Hörfunk- und Fernsehempfang
teilzunehmen. Der Zugang zu tagesaktuellen Informationen ist zu ermöglichen.
§ 8
Sport
Es sind ausreichende Sportmöglichkeiten
anzubieten, auch an Wochenenden und Feiertagen. Die Jugendlichen sollen
vornehmlich durch Mannschaftssport lernen, Gemeinschaftssinn zu entwickeln,
Regeln einzuhalten und Rücksicht auf Andere zu nehmen. Ihre Bereitschaft zur
Teilnahme am Sport ist zu fördern.
§ 9
Kontakte, Anlaufstellen
(1) Den
Jugendlichen sollen alsbald nach der Aufnahme Kontakte zur Jugendhilfe, außervollzuglichen
Organisationen und Bildungsstätten sowie zu Personen und Vereinen ermöglicht
werden, die ihnen nach der Entlassung persönliche und soziale Hilfestellung
leisten können. Dazu sollen Gesprächskontakte und regelmäßige
Informationsveranstaltungen durchgeführt und Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner benannt werden, an die sie sich nach ihrer Entlassung wenden
können.
(2) Den
Jugendlichen ist die Bedeutung der nachsorgenden Betreuung zu vermitteln. Sie
sind dazu anzuhalten, den Kontakt zu den ihnen vermittelten Personen und
Anlaufstellen frühzeitig und regelmäßig herzustellen.
§ 10
Veranstaltungen außerhalb der Einrichtung
Jugendlichen
kann gestattet werden, an Veranstaltungen nach §§ 6 bis 9 auch außerhalb der
Einrichtung teilzunehmen. Sie werden begleitet, wenn dies erforderlich ist.
§ 11
Persönlicher Bereich
(1) Jugendliche dürfen nur Sachen in
Gewahrsam haben, die ihnen mit Zustimmung der Einrichtung belassen oder
überlassen werden.
(2) Sie dürfen eigene Kleidung tragen.
Anstaltseigene Kleidung wird bei Bedarf oder auf ihren Wunsch zur Verfügung
gestellt.
§ 12
Unterbringung
(1) Jugendliche werden in ihren
Arresträumen in der Regel allein untergebracht.
(2) Sie können
gemeinsam untergebracht werden, wenn ihr körperlicher oder seelischer Zustand
dies erfordert oder sie eine gemeinsame Unterbringung ausdrücklich wünschen und
erzieherische Gründe dem nicht entgegenstehen.
(3) Arresträume
dürfen nicht mit mehr Jugendlichen als zugelassen belegt werden.
(4) Männliche
Jugendliche werden von weiblichen Jugendlichen getrennt untergebracht.
Gemeinsame Förderungsangebote sind zulässig.
§ 13
Verpflegung
Zusammensetzung und Nährwert der
Verpflegung entsprechen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung e. V. und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird
besondere Verpflegung gewährt. Den Jugendlichen ist zu ermöglichen,
Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.
§ 14
Gesundheitsfürsorge
(1) Für das körperliche, seelische,
geistige und soziale Wohlergehen der Jugendlichen ist zu sorgen. Diese haben
die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu
unterstützen.
(2) Die
Bedeutung einer gesunden Lebensführung ist ihnen in geeigneter Form zu vermitteln.
Insbesondere ist auf die Gefährdung durch Infektionen, illegale Drogen, Tabak
und Alkohol hinzuweisen. Insoweit sollen jugendspezifisch zugeschnittene
Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsangebote unterbreitet werden. Den
Jugendlichen werden auch die Vorteile gesunder Ernährung nahegebracht.
(3) Die
Jugendlichen werden bei der Aufnahme oder alsbald danach sowie nach Möglichkeit
vor der Entlassung ärztlich untersucht. Soweit erforderlich werden sie während
des Vollzuges des Arrestes ärztlich behandelt.
(4) Ihnen werden täglich mindestens zwei
Stunden Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dies zulässt und
die Jugendlichen nicht an besonderen Maßnahmen teilnehmen.
§ 15
Religionsausübung
(1) Den Jugendlichen darf seelsorgliche
Betreuung nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einer
Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu
treten. Die Teilnahme am Gottesdienst oder anderen
religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses ist zu ermöglichen.
(2) Die Jugendlichen dürfen grundlegende
religiöse Schriften und Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem
Umfang besitzen.
(3) Für
Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 und 2
entsprechend.
§ 16
Schriftwechsel, Pakete
(1) Die
Jugendlichen können unbeschränkt Schreiben empfangen und absenden. Die
Einrichtung kann die Kosten für abgehende Schreiben in angemessenem Umfang
übernehmen, wenn die Jugendlichen dazu nicht in der Lage sind.
(2) Die Vorschriften der §§ 34 bis 37
des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gelten entsprechend.
(3) Der Empfang und der Versand von
Paketen sind nicht zulässig.
§ 17
Besuche, Telefonate, Ausgang
(1) Auf Antrag kann die Vollzugsleitung
Besuche und Telefonate erlauben.
(2) Die Zulassung einer Person zum
Besuch kann von ihrer Durchsuchung abhängig gemacht werden. Die Vollzugsleitung
kann die offene optische Überwachung der Besuche anordnen.
(3) Der Besuch darf abgebrochen werden,
wenn eine schädliche Beeinflussung der Jugendlichen zu befürchten ist oder
durch den Besuchsverlauf die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet
wird.
(4) Die
Vollzugsleitung kann den Jugendlichen Ausgang gewähren. Sie werden begleitet,
wenn dies erforderlich ist.
Abschnitt 3
Verhalten im Arrestvollzug
§ 18
Verhalten der Jugendlichen
(1) Das Verantwortungsbewusstsein der
Jugendlichen für ein sozialverträgliches Verhalten ist zu wecken und zu
fördern. Sie haben sich nach der Tageseinteilung der Einrichtung zu richten und
dürfen durch ihr Verhalten das geordnete Zusammenleben nicht stören.
(2) Sie haben die Anordnungen der
Vollzugsbediensteten zu befolgen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie
ohne Erlaubnis nicht verlassen.
(3) Ihre Arresträume und die ihnen von
der Einrichtung überlassenen Sachen haben sie in Ordnung zu halten und schonend
zu behandeln.
(4) Sie haben
Umstände unverzüglich zu melden, die eine Gefahr für das Leben oder eine
erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten.
§ 19
Hausregeln
Die Vollzugsleitung erlässt Regeln für
den Aufenthalt in der Einrichtung. Darin sind insbesondere die Rechte und
Pflichten der Jugendlichen, der Tagesablauf und der Wochenplan zu beschreiben.
Sie sind so zu verfassen, dass die Jugendlichen Sinn und Zweck der Regeln für
ein gemeinschaftliches Zusammenleben verstehen können.
§ 20
Konfliktregelung
(1) Verstoßen die Jugendlichen gegen
Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes
auferlegt sind, werden Ursachen und Auswirkungen dieser Pflichtverstöße alsbald
nach ihrer Feststellung in einem Gespräch erörtert und möglichst aufgearbeitet.
(2) Verbleibende Probleme sollen durch
ausgleichende Maßnahmen, insbesondere Entschuldigung, Schadenswiedergutmachung
oder –beseitigung, bewältigt
werden. Zudem können erzieherische Maßnahmen, namentlich die Erteilung von
Weisungen und Auflagen, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände
und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen
Freizeitveranstaltungen bis zu einer Dauer von zwei Tagen, angeordnet werden.
§ 21
Durchsuchung, Feststellung von Suchtmittelkonsumspan>
(1) Die Jugendlichen, ihre Sachen und
die Arresträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher
Jugendlicher darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Jugendlicher nur
von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Die Vollzugsleitung kann allgemein
anordnen, dass bei der Aufnahme in der Regel eine mit einer Entkleidung
verbundene körperliche Durchsuchung Jugendlicher durchzuführen ist, die
Entkleidung im Einzelfall jedoch unterbleibt, wenn hierdurch die Sicherheit
oder Ordnung der Einrichtung nicht gefährdet wird. Ansonsten ist eine solche
Durchsuchung nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Vollzugsleitung im
Einzelfall zulässig. Bei der Durchsuchung von männlichen Jugendlichen dürfen
nur Männer, bei der Durchsuchung von weiblichen Jugendlichen nur Frauen zugegen
sein. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Jugendliche
dürfen nicht anwesend sein.
(3) Zur
Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung können allgemein
oder im Einzelfall Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den
Missbrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit
einem körperlichen Eingriff verbunden sein.
§ 22
Besondere Sicherungsmaßnahmen
(1) Gegen Jugendliche können besondere
Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn eine erhebliche Störung der
Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht auf andere Weise vermieden oder
behoben werden kann. Sie sind insbesondere zur Abwehr der Gefahr von
Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen sowie zur Verhinderung von
Selbstverletzungen zulässig. Die Maßnahmen dürfen nur solange aufrechterhalten
werden, wie es der Zweck erfordert.
(2) Besondere
Sicherungsmaßnahmen sind:
1. der Entzug
von Gegenständen, die zu Gewalttätigkeiten missbraucht werden könnten,
2. die
Absonderung von oder die Zusammenlegung mit anderen Jugendlichen und
3. die Unterbringung
in einem besonders gesicherten Arrestraum ohne gefährdende Gegenstände bis zu
24 Stunden.
(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen werden
durch die Vollzugsleitung angeordnet. Bei Gefahr im Verzug können auch andere
Bedienstete der Arresteinrichtung eine vorläufige Anordnung treffen. In diesen
Fällen ist die Entscheidung der Vollzugsleitung unverzüglich einzuholen. Die
Gründe für die Anordnung und Aufhebung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind zu
dokumentieren.
(4) Jugendliche, die in einem besonders gesicherten
Arrestraum ohne gefährdende Gegenstände untergebracht sind, sucht der ärztliche
Dienst auf.
(5) Die
Regelungen der §§ 84 bis 86 und 88 des Jugendstrafvollzugsgesetzes
Nordrhein-Westfalen über den unmittelbaren Zwang gelten für den Vollzug des Jugendarrestes
entsprechend. Waffen
dürfen nicht gebraucht werden.
§ 23
Beschwerderecht, Justizvollzugsbeauftragter
(1) Jugendliche können sich mit
Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen,
an die Vollzugsleitung wenden. Diese wird alsbald das Gespräch mit den
Jugendlichen suchen, um die Anliegen mit ihnen zu besprechen. Es sind
regelmäßige Sprechstunden einzurichten.
(2) Die Möglichkeit, sich an den
Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen zu wenden, bleibt
unberührt. Der Justizvollzugsbeauftragte kann die Jugendlichen in ihren Räumen
aufsuchen. Die Aussprache und der Schriftwechsel mit ihm werden nicht
überwacht.
(3) Besichtigt eine Vertreterin oder ein
Vertreter der Aufsichtsbehörde die Arresteinrichtung, ist zu gewährleisten,
dass die Jugendlichen sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an
diese wenden können.
(4) Die Möglichkeit der
Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.
Abschnitt 4
Beendigung des Vollzuges
§ 24
Schlussbericht, Entlassungsgespräch
(1) Die Vollzugsleitung erstellt zum
Ende des Vollzuges einen Bericht. Dieser enthält namentlich eine Darstellung
1. des Verlaufs des Jugendarrestes,
2. der angebotenen Maßnahmen,
3. der wahrgenommenen Maßnahmen,
4. der Bereitschaft zur Mitarbeit und
5. der Angebote und Vereinbarungen nach § 9.
Der Bericht hat sich an den Fähigkeiten und
Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen auszurichten. Die Vollzugsleitung
bespricht den wesentlichen Inhalt mit den Jugendlichen in einem
Entlassungsgespräch.
(2) Der Bericht ist für die
Vollzugs- und Strafakten bestimmt. Eine Ausfertigung des Berichts
erhalten die Jugendgerichtshilfe, die Jugendlichen,
die Personensorgeberechtigten und bei unter
Bewährungsaufsicht stehenden Jugendlichen der ambulante Soziale Dienst der
Justiz.
§ 25
Fahrtkosten
Jugendliche
erhalten, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, von der Einrichtung eine
Beihilfe zu den Fahrtkosten öffentlicher Verkehrsmittel, um ihren Wohnort, ihre
Schule oder ihren Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu erreichen.
Abschnitt 5
Organisation
§ 26
Arresteinrichtungen
(1) Dauerarrest und Kurzarrest von mehr
als zwei Tagen werden in Jugendarrestanstalten, Freizeitarrest und Kurzarrest
von bis zu zwei Tagen in Freizeitarresträumen und in Jugendarrestanstalten
vollzogen.
(2)
Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträume dürfen nicht in Anstalten
eingerichtet werden, in denen Strafhaft, Untersuchungshaft oder Maßregeln der
Besserung und Sicherung vollzogen werden. Der Vollzug anderer
gerichtlich angeordneter freiheitsentziehender Maßnahmen in
Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträumen ist grundsätzlich nicht
zulässig.
(3)
Jugendarrestanstalten sollen nicht weniger als zehn Jugendliche aufnehmen
können.
(4) Jugendarrest
kann auch in freien Formen vollzogen werden.
§ 27
Aufsichtsbehörde
Das Justizministerium führt die Aufsicht
über die Jugendarrestanstalten.
§ 28
Belegungsfähigkeit, Ausstattung
(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die
Belegungsfähigkeit für jede Einrichtung so fest, dass eine angemessene
Unterbringung gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch eine
ausreichende Anzahl zweckdienlich ausgestatteter Räume für Seelsorge, Freizeit,
Sport und soziale und therapeutische Maßnahmen zur Verfügung steht.
(2) Die für den Aufenthalt während der
Ruhe- und Freizeit bestimmten Räume sowie die Gemeinschaftsräume sind
jugendgerecht und ihrer Nutzung entsprechend auszugestalten.
§ 29
Leitung des Vollzuges
(1) Vollzugsleiterin oder Vollzugsleiter
ist die Jugendrichterin oder der Jugendrichter am Ort des Vollzuges. Die
Bestellung erfolgt durch das Justizministerium.
(2) Die
Vollzugsleitung vertritt die Einrichtung nach außen und ist für den gesamten
Arrestvollzug verantwortlich. Sie kann ihre Befugnisse für bestimmte
Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen.
§ 30
Vollzugsbedienstete
(1) Den Arresteinrichtungen werden für
die Erfüllung ihrer Aufgaben geeignete Bedienstete in der erforderlichen Anzahl
und mit der für die Arbeit im Jugendarrestvollzug notwendigen Qualifikation zur
Verfügung gestellt. Die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen ist
sicherzustellen.
(2) Anzahl und
Einsatzzeiten der in den Arresteinrichtungen tätigen sozialpädagogischen und
psychologischen Fachkräfte sowie Sportübungsleiterinnen oder Sportübungsleiter
sind so zu bemessen, dass die Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben
gewährleistet ist.
§ 31
Ehrenamtliche Betreuung
(1) Die Arresteinrichtung bezieht
ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer ein, die in der Lage sind, einen
Beitrag zur Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben zu leisten.
(2) Die Vollzugsleitung soll hierzu
vertrauenswürdige und lebenserfahrene Personen gewinnen.
Abschnitt 6
Sonstige Vorschriften
§ 32
Einsatz von Videotechnik
(1) Das Gelände der Arresteinrichtung
sowie das Innere ihrer Gebäude mit Ausnahme der Arrest- und der Sanitärräume
dürfen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung mittels
Videotechnik beobachtet werden.
(2) Die
Beobachtung von besonders gesicherten Arresträumen ohne gefährdende Gegenstände
mittels Videotechnik ist nur im Einzelfall und auf Anordnung der
Vollzugsleitung zulässig, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für das Leben
oder erheblichen Gefahren für die Gesundheit der Jugendlichen oder Dritter erforderlich
ist. Die Anordnung darf nur soweit aufrecht erhalten
werden, als es ihr Zweck erfordert. Die Vollzugsleitung dokumentiert die
Anordnung und die Gründe der Maßnahme.
(3) Die
Beobachtung mittels Videotechnik ist durch geeignete Hinweise erkennbar zu
machen.
(4) Die
Anfertigung von Bildaufzeichnungen ist nur im Fall von Absatz 1 zulässig. Diese
Aufzeichnungen sind spätestens zwei Wochen nach ihrer Erhebung zu löschen,
soweit nicht ihre Speicherung gemäß § 99 Absatz 2 Buchstabe a bis d des
Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen erforderlich ist. Sie sind
unverzüglich zu löschen, wenn schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer
weiteren Speicherung entgegenstehen.
§ 33
Datenschutz, kriminologische Forschung
Die Vorschriften der §§ 98, 99 und 101
bis 108 des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gelten
entsprechend.
§ 34
Arrest wegen der Nichterfüllung von Weisungen, Auflagen oder
Anordnungen
Zur Abwendung des weiteren Vollzuges des
Arrestes wegen der Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen sollen die
Jugendlichen angehalten werden, während des Arrestvollzuges die Weisungen oder
Auflagen zu erfüllen. Satz 1 gilt für die Nichterfüllung von Anordnungen gemäß
§ 98 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.
§ 35
Entsprechende Anwendung
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten
für Heranwachsende und für nach Jugendstrafrecht zu Jugendarrest verurteilte
Erwachsene entsprechend.
§ 36
Freizeit- und Kurzarrest
Die Regelungen der
§§ 5, 14 Absatz 3 Satz 1, 23 Absatz 1 Satz 3 und 24 Absatz 1 gelten für den
Vollzug von Freizeit- und Kurzarrest nicht. Im Übrigen gelten die Regelungen
dieses Gesetzes nur insoweit, als die Dauer des Arrestvollzuges die Anwendung
zulässt.
§ 37
Einschränkung von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden die
Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und
Freiheit der Person), Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 (Informationsfreiheit) und
Artikel 10 Absatz 1 (Brief- und Postgeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.
§ 38
Inkrafttreten, Berichtspflicht
(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der
Verkündung in Kraft.
(2) Die
Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2017 und danach alle
fünf Jahre über die mit diesem Gesetz gemachten Erfahrungen.
Düsseldorf, den 30. April 2013
Die
Landesregierung
Nordrhein-Westfalen
Die
Ministerpräsidentin
Hannelore K r a f t
(L. S.)
Die Ministerin
für Schule und Weiterbildung
Sylvia L ö h r m a n n
Der
Finanzminister
Dr. Norbert W a l t e r-B o r j a n s
Der Minister
für Wirtschaft, Energie, Industrie,
Mittelstand und Handwerk
Garrelt
D u i n
Der Minister
für Inneres und Kommunales
Ralf J ä g e r
Der Minister
für Arbeit, Integration und Soziales
Guntram S c h n e i d e r
Der
Justizminister
Thomas K u t s c h a t y
Die Ministerin
für Familie, Kinder, Jugend,
Kultur und Sport
Ute S c h ä f e r
Die Ministerin
für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
Barbara S t e f f
e n s
GV.
NRW. 2013 S. 203