Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2000 Nr. 5 vom 14.2.2000 Seite 43 bis 52

Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des mittleren Justizdienstes des Landes Nordrhein-Westfalen (Ausbildungsordnung mittlerer Justizdienst - APOmJD)
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Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des mittleren Justizdienstes des Landes Nordrhein-Westfalen (Ausbildungsordnung mittlerer Justizdienst - APOmJD)

203011

Verordnung
über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn
des mittleren Justizdienstes des Landes
Nordrhein-Westfalen
(Ausbildungsordnung mittlerer Justizdienst - APOmJD)

Vom 18. Januar 2000

Aufgrund des § 16 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 (GV. NRW.S. 234), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1999 (GV. NRW.S. 670), wird im Einvernehmen mit dem Innenministerium und dem Finanzministerium verordnet:

Erster Teil
Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Befähigung und Berufsbezeichnung

§ 2

Einstellungsvoraussetzungen

§ 3

Bewerbung und Einstellung

§ 4

Dienstverhältnis

§ 5

Ziel und Grundsätze der Ausbildung

Zweiter Teil

Ausbildung

§ 6

Dauer des Vorbereitungsdienstes; Entlassung

§ 7

Gliederung des Vorbereitungsdienstes

§ 8

Leitung der praktischen Ausbildung

§ 9

Gestaltung der praktischen Ausbildung

§ 10

Begleitunterricht und Übungen

§ 11

Fachlehrgänge

§ 12

Zeugnisse

§ 13

Noten

Dritter Teil

Prüfungsverfahren

§ 14

Prüfung

§ 15

Prüfungsausschuss

§ 16

Prüfungsverfahren

§ 17

Schriftliche Prüfung

§ 18

Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten

§ 19

Ausschluss von der mündlichen Prüfung

§ 20

Mündliche Prüfung

§ 21

Schlussentscheidung

§ 22

Niederschrift über den Prüfungshergang und Erteilung des Zeugnisses

§ 23

Versäumnis der Prüfungstermine, Nichtablieferung von Prüfungsarbeiten

§ 24

Verstöße gegen die Prüfungsbestimmungen

§ 25

Wiederholung der Prüfung

§ 26

Einsicht in die Prüfungsarbeiten

Vierter Teil

Aufstieg

§ 27

Regelform des Aufstiegs in den mittleren Justizdienst

§ 28

Prüfungserleichterter Aufstieg in den mittleren Justizdienst

§ 29

Einführungszeit und Aufstiegslehrgang

§ 30

Einführungslehrgang

§ 31

Praktische Einweisung

§ 32

Aufstiegslehrgang

§ 33

Zeugnisse

§ 34

Dienstleistungsauftrag

§ 35

Aufstiegsprüfung

§ 36

Wiederholung der Prüfung

§ 37

Ernennung

Fünfter Teil

Fachgerichtsbarkeiten

§ 38

Anwendung in der Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit

Sechster Teil

Schlussbestimmungen

§ 39

Inkrafttreten, Übergangsvorschrift

Erster Teil:
Allgemeine Bestimmungen

§ 1
Befähigung und Berufsbezeichnung

(1) Die Befähigung für den mittleren Justizdienst besitzt, wer einen Vorbereitungsdienst abgeleistet und die Prüfung für den mittleren Justizdienst bestanden hat.

(2) Die Befähigung berechtigt zum Führen der Berufsbezeichnung „Justizfachwirtin“ oder „Justizfachwirt“.

§ 2
Einstellungsvoraussetzungen

(1) In den Vorbereitungsdienst kann eingestellt werden, wer

1. die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis erfüllt,

2. im Zeitpunkt der Einstellung noch nicht 28 Jahre und als Schwerbehinderter noch nicht 41 Jahre alt ist,

3. mindestens

a) eine Realschule mit Erfolg besucht hat oder einen als gleichwertig anerkannten Bildungsstand besitzt,

b) eine Hauptschule mit Erfolg besucht hat oder einen als

gleichwertig anerkannten Bildungsstand besitzt sowie

aa) eine förderliche abgeschlossene Berufsausbildung oder

bb) eine abgeschlossene Ausbildung in einem öffentlich- rechtlichen Ausbildungsverhältnis
nachweist,

4. über angemessene schreibtechnische Fertigkeiten verfügt,

5. die für den mittleren Justizdienst erforderliche gesundheitliche Eignung oder als Schwerbehinderter die gesundheitliche Eignung nachweist.

(2) Wer die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 4 noch nicht erfüllt, kann mit der Auflage eingestellt werden, den Nachweis bis zum Ende des ersten Ausbildungsjahres zu erbringen.

§ 3
Bewerbung und Einstellung

(1) Die Bewerbung ist an das Oberlandesgericht zu richten, in dessen Bezirk die Einstellung gewünscht wird.

(2) Dem Gesuch sind beizufügen:

1. ein Lebenslauf und ein Lichtbild aus neuester Zeit,

2. eine Geburtsurkunde oder ein Geburtsschein,

3. Zeugnisse und Unterlagen, durch welche die Voraussetzungen des

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 nachgewiesen werden,

4. Zeugnisse über Beschäftigungen seit der Schulentlassung,

5. bei Minderjährigen die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter,

6. der Nachweis über angemessene schreibtechnische Fertigkeiten.

(3) Wer bereits im Justizdienst steht, reicht das Gesuch auf dem Dienstweg ein. Soweit die erforderlichen Unterlagen in den Personalakten enthalten sind, kann auf sie Bezug genommen werden. Die Leitung der Beschäftigungsbehörde hat zu der Bewerbung eingehend Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme ist mit der Bewerberin oder dem Bewerber zu besprechen.

(4) Die Bewerberinnen und Bewerber, deren Einstellung in Aussicht genommen ist, werden von dem Oberlandesgericht aufgefordert,

1. eine Erklärung abzugeben,

a) ob sie vorbestraft sind und ob gegen sie ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig ist,

b) ob sie Schulden haben, ggf. welche,

2. bei der zuständigen Meldebehörde ein Führungszeugnis zur Vorlage bei der Einstellungsbehörde zu beantragen.

Gleichzeitig veranlasst das Oberlandesgericht die amtsärztliche Untersuchung dieser Bewerberinnen und Bewerber durch das Gesundheitsamt.

§ 4
Dienstverhältnis

Die Bewerberinnen und Bewerber werden in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen und führen während des Vorbereitungsdienstes die Dienstbezeichnung „Justizsekretäranwärterin“ oder „Justizsekretäranwärter“.

§ 5
Ziel und Grundsätze der Ausbildung

(1) Ziel der Ausbildung ist es, Beamtinnen und Beamte heranzubilden, die nach ihrer Persönlichkeit sowie nach ihren fachlichen und allgemeinen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage sind, die dem mittleren Justizdienst obliegenden Aufgaben zu erfüllen.

(2) Die Anwärterinnen und Anwärter sind in allen Aufgaben ihrer Laufbahn gründlich zu unterrichten. Außerdem ist ihr Verständnis für rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge sowie für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu fördern.

Zweiter Teil:
Ausbildung

§ 6
Dauer des Vorbereitungsdienstes; Entlassung

(1) Der Vorbereitungsdienst dauert zwei Jahre. Auf den Vorbereitungsdienst können Zeiten einer vorhergehenden Beschäftigung mit Aufgaben des mittleren Justizdienstes bis zur Dauer eines Jahres angerechnet werden, wenn die Bewerberin oder der Bewerber mindestens fünf Jahre derartige Aufgaben wahrgenommen hat. Die Entscheidung trifft das Oberlandesgericht.

(2) Urlaubszeiten werden regelmäßig nur auf das einzelne Ausbildungsjahr angerechnet. Andere Unterbrechungen, insbesondere Krankheitszeiten werden angerechnet, soweit sie zusammen während des Ausbildungsjahres 15 Arbeitstage nicht überschreiten. Dadurch darf der Erfolg der Ausbildung in den einzelnen Abschnitten nicht beeinträchtigt werden; soweit erforderlich, sind daher Urlaub und Krankheitszeiten auf mehrere Abschnitte anzurechnen.

(3) Das Oberlandesgericht kann einzelne Ausbildungsabschnitte (§ 7) verlängern, wenn die Anwärterin oder der Anwärter den Anforderungen noch nicht genügt.

(4) Wer die gestellten Anforderungen in körperlicher, geistiger oder charakterlicher Hinsicht nicht erfüllt oder fortgesetzt nur mangelhafte oder ungenügende Leistungen erbringt, kann nach Maßgabe des § 35 LBG aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden.

§ 7
Gliederung des Vorbereitungsdienstes

Der Vorbereitungsdienst gliedert sich wie folgt:

a) erster Abschnitt

drei Monate praktische Ausbildung bei einem Amtsgericht,

b) zweiter Abschnitt

sechs Monate fachtheoretische Ausbildung
- Fachlehrgang I -,

c) dritter bis fünfter Abschnitt

acht Monate praktische Ausbildung bei einem Amtsgericht,
zweieinhalb Monate praktische Ausbildung bei einem Landgericht,
zweieinhalb Monate praktische Ausbildung bei einer
Staatsanwaltschaft,

d) sechster Abschnitt

zwei Monate fachtheoretische Ausbildung
- Fachlehrgang II -.

§ 8
Leitung der praktischen Ausbildung

(1) Die Ausbildung wird von dem Oberlandesgericht geleitet. Dieses bestimmt die Gerichte und im Benehmen mit der Generalstaatsanwaltschaft auch die Staatsanwaltschaften, bei denen die Ausbildung stattfindet. Es regelt die Reihenfolge und die Dauer der Beschäftigung bei den einzelnen Stellen; diese Befugnis kann auf das Landgericht bzw. das Amtsgericht übertragen werden. Einem späteren Ausbildungsabschnitt darf die Anwärterin oder der Anwärter erst überwiesen werden, wenn das Ziel des früheren Abschnitts erreicht ist.

(2) Für die Ausbildung ist die Leitung der Beschäftigungsbehörde zuständig. Sie setzt die Reihenfolge und die Dauer der Beschäftigung bei den einzelnen Abteilungen fest und bestimmt die Kräfte, welche die Anwärterinnen und Anwärter ausbilden sollen.

(3) Mit der Ausbildung sollen nur solche Kräfte betraut werden, die über die notwendigen Kenntnisse verfügen und die nach ihrer Persönlichkeit hierzu geeignet sind. Sie sind verpflichtet, die ihnen zugewiesenen Anwärterinnen und Anwärter mit Arbeiten ihres Geschäftsbereichs möglichst vielseitig zu beschäftigen und umfassend auszubilden.

§ 9
Gestaltung der praktischen Ausbildung

(1) Die praktische Ausbildung umfasst alle wesentlichen Geschäfte des mittleren Justizdienstes.

(2) Beim Amtsgericht werden die Anwärterinnen und Anwärter in allen Aufgaben des mittleren Justizdienstes innerhalb der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit jeweils einschließlich der Protokollführung und des Kostenrechts ausgebildet. Ferner werden sie der Kasse bzw. Gerichtszahlstelle sowie der Anweisungsstelle für Zeugen, Sachverständige und ehrenamtliche Richter zur Ausbildung zugeteilt. Daneben sollen die Anwärterinnen und Anwärter auch Einblick in sonstige, das Berufsbild umfassende Tätigkeiten sowie in die Aufgaben des Gerichtsvollziehers erhalten. Beim Landgericht werden sie in Aufgaben der Justizverwaltung ausgebildet. Anstelle der Ausbildung beim Landgericht kann im Bedarfsfall die Ausbildung in Verwaltungssachen auch bei einem großen Amtsgericht, einer Staatsanwaltschaft, einem Oberlandesgericht oder einer Generalstaatsanwaltschaft stattfinden. Bei der Staatsanwaltschaft erstreckt sich im übrigen die Ausbildung auf die Aufgaben des mittleren Justizdienstes in Ermittlungs- und Strafvollstreckungsangelegenheiten.

(3) Durch Zuweisung von praktischen Arbeiten aus dem jeweiligen Ausbildungsgebiet sollen die Anwärterinnen und Anwärter mit den einschlägigen gesetzlichen und sonstigen Bestimmungen vertraut gemacht und in die Lage versetzt werden, eigenständig zu urteilen und selbständig zu arbeiten. Die Anwärterinnen und Anwärter sind deshalb während des gesamten Vorbereitungsdienstes auch verpflichtet, ihr Fachwissen durch gewissenhaftes Studium ständig zu erweitern.

(4) Die Beschäftigung der Anwärterinnen und Anwärter dient nur der Ausbildung. Ständig sich wiederholende Arbeiten dürfen ihnen nur insoweit übertragen werden, als sie der Ausbildung dienen. Eine Beschäftigung zur Entlastung von anderen Beschäftigten ist unzulässig.

(5) Nach der schriftlichen Prüfung kann das Oberlandesgericht Anwärterinnen und Anwärtern im Rahmen des Ausbildungsziels die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben des mittleren Justizdienstes übertragen (Dienstleistungsauftrag). Eine ausreichende Vorbereitung auf die mündliche Prüfung darf dadurch nicht beeinträchtigt werden.

§ 10
Begleitunterricht und Übungen

(1) Die praktische Ausbildung wird durch einen planmäßigen Unterricht und durch Übungen ergänzt.

(2) Der Unterricht erstreckt sich auf alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die für den mittleren Justizdienst von Bedeutung sind, sowie auf die Grundlagen der Informationstechnik und -verarbeitung. Ferner ist ein Überblick über Staatsrecht, allgemeines Dienstrecht und Gerichtsverfassungsrecht zu vermitteln.

(3) In den Übungen werden praktische Fälle aus den künftigen Arbeitsgebieten der Anwärterinnen und Anwärter behandelt, die anhand von Akten und Vordrucken gemeinsam mündlich erörtert werden. Im Rahmen des Begleitunterrichts und der Übungen sind Arbeiten unter Aufsicht zu fertigen; § 11 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Auf den Unterricht und die Übungen sind wöchentlich mindestens durchschnittlich sechs Stunden zu verwenden.

(5) Das Nähere bestimmt die Ausbildungsleitung; sie stellt den Unterrichtsplan auf und bestellt die Unterrichtsleitung sowie die Lehrkräfte. Der Lehrplan für den Begleitunterricht wird von dem Oberlandesgericht Hamm im Einvernehmen mit den Oberlandesgerichten Düsseldorf und Köln aufgestellt und im übrigen unter Beteiligung der Leitung der Fachlehrgänge mit dem Lehrplan der Lehrgänge I und II (§ 11 Abs. 2) abgestimmt.

§ 11
Fachlehrgänge

(1) Die Fachlehrgänge werden an der Justizausbildungsstätte Brakel durchgeführt. Der Fachlehrgang I soll den Anwärterinnen und Anwärtern die erforderlichen theoretischen Kenntnisse vermitteln. Im Fachlehrgang II werden die in der bisherigen Ausbildung erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft.

(2) Der Lehrplan umfasst, soweit für die Aufgabenbereiche des mittleren Justizdienstes erforderlich,

1. das bürgerliche Recht sowie die zivilrechtlichen Nebengesetze,

2. das Strafrecht, das Jugendgerichtsgesetz und die strafrechtlichen Nebengesetze

3. das Handels- und Gesellschaftsrecht

4. das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit

5. das Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht

6. das Staats-, Beamten-, Arbeits-, Tarif- und Personalvertretungsrecht

7. die Verwaltungs- und Geschäftsgangsbestimmungen

8. das Kostenrecht

9. das Kassen-, Rechnungs- und Haushaltswesen

10. die Grundlagen der Informationstechnik und-verarbeitung.

(3) Der Unterricht wird durch Vorträge, Besprechungen und Übungen erteilt. Insgesamt sind während des Fachlehrgangs I regelmäßig 360 Doppelstunden und während des Fachlehrgangs II insgesamt 120 Doppelstunden Unterricht zu erteilen. Der Stundenplan ist so aufzustellen, dass hinreichend Zeit verbleibt, den Lehrstoff zu verarbeiten und das Wissen durch Nacharbeit und Selbststudium zu erweitern und zu vertiefen. Der Unterricht ist durch Beispiele aus der Praxis wirklichkeitsnah zu gestalten.

(4) Während der Fachlehrgänge I und II sind schriftliche Arbeiten unter Aufsicht zu fertigen. Die Arbeiten sind durch die zuständige Lehrkraft zu begutachten, mit einer Note nach § 13 zu bewerten und der Lehrgangsleitung vorzulegen. Die Arbeiten sind mit den Anwärterinnen und Anwärtern zu besprechen und diesen auszuhändigen.

§ 12
Zeugnisse

(1) Am Ende eines jeden Ausbildungsabschnitts (§ 7) und am Ende des Begleitunterrichts (§ 10) nach dem ersten und dritten bis fünften Ausbildungsabschnitt sind die Anwärterinnen und Anwärter durch die Leitung der Beschäftigungsbehörde sowie die Unterrichtsleitung in einem eingehenden Zeugnis mit einer Note nach § 13 zu beurteilen. Dabei soll zu den fachlichen und allgemeinen Kenntnissen und Fähigkeiten, zum praktischen Geschick, zum Stand der Ausbildung und zum Gesamtbild der Persönlichkeit der zu Beurteilenden Stellung genommen werden.

(2) Jedes Zeugnis ist der Anwärterin oder dem Anwärter zur Kenntnisnahme vorzulegen. Enthält das Zeugnis Bemängelungen, so sind diese zu besprechen. Die Zeugnisse sind - ggf. mit einer Gegenäußerung der Anwärterin oder des Anwärters - dem Oberlandesgericht zuzuleiten und dort in einem besonderen Heft zu den Personalakten zu nehmen.

§ 13
Noten

Die Leistungen im Vorbereitungsdienst sind wie folgt zu bewerten:

sehr gut:
eine besonders hervorragende Leistung

gut:
eine erheblich über den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung

vollbefriedigend:
eine über den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung

befriedigend:
eine Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht

ausreichend:
eine Leistung, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht

mangelhaft:
eine an erheblichen Mängeln leidende, im ganzen nicht mehr brauchbare Leistung

ungenügend:
eine völlig unbrauchbare Leistung.

Dritter Teil:
Prüfungsverfahren

§ 14
Prüfung

(1) Die Prüfung dient der Feststellung, ob das Ausbildungsziel (§ 5 Abs. 1) erreicht wurde.

(2) Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Die schriftliche Prüfung geht der mündlichen voraus.

(3) Eine Woche vor der mündlichen Prüfung sind die Anwärterinnen und Anwärter vom Dienst befreit.

§ 15
Prüfungsausschuss

(1) Die Prüfung für den mittleren Justizdienst wird vor einem Prüfungsausschuss abgelegt, der bei dem Oberlandesgericht gebildet wird.

(2) Der Prüfungsausschuss besteht aus drei Mitgliedern. Ein Mitglied des Prüfungsausschusses muss die Befähigung zum Richteramt besitzen. Die beiden anderen Mitglieder gehören dem höheren, dem gehobenen oder dem mittleren Justizdienst an; sie sollen aufgrund ihrer Tätigkeit über Erfahrungen im praktischen Aufgabenbereich des mittleren Justizdienstes verfügen.

(3) Das Oberlandesgericht bestimmt den Vorsitz und bestellt im übrigen die Mitglieder und die erforderlichen Stellvertreter des Prüfungsausschusses widerruflich für die Dauer von drei Jahren.

(4) Die Prüfer sind in ihrer Prüfertätigkeit unabhängig. Im übrigen untersteht der Prüfungsausschuss der Dienstaufsicht des Oberlandesgerichts.

§ 16
Prüfungsverfahren

(1) Die schriftliche Prüfung soll am Ende des Fachlehrgangs II abgenommen werden. Die mündliche Prüfung wird so bald wie möglich nach der schriftlichen Prüfung abgeschlossen.

(2) Die Termine der mündlichen Prüfung werden von den Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse bestimmt, die gleichzeitig die Ladungen zu diesen Terminen durch das Oberlandesgericht veranlassen.

(3) Sofern Termine für Aufsichtsarbeiten außerhalb der regelmäßigen Prüfungstermine aus Gründen anberaumt werden müssen, die in der Person der Anwärterin oder des Anwärters liegen (z.B. Krankheit), werden diese Termine von dem Oberlandesgericht im Einvernehmen mit dem Prüfungsausschuss festgesetzt.

§ 17
Schriftliche Prüfung

(1) Während der schriftlichen Prüfung sind unter Aufsicht sechs Aufgaben zu bearbeiten, und zwar:

a) eine Aufgabe mit dem Schwerpunkt freiwillige Gerichtsbarkeit einschließlich Verfahrensrecht,

b) eine Aufgabe mit dem Schwerpunkt Strafrecht einschließlich
Verfahrensrecht,

c) eine Aufgabe mit dem Schwerpunkt Kostenrecht,

d) eine Aufgabe mit den Schwerpunkten Zivilrecht und Zwangsvollstreckung,

e) eine Aufgabe mit dem Schwerpunkt Geschäftsstelle (Service-Einheit) und

f) eine Aufgabe mit dem Schwerpunkt Justizverwaltung.

Die Prüfungsaufgaben einschließlich der Lösungsvorschläge werden durch die Justizausbildungsstätte Brakel erstellt. In jeder Aufgabe sind die Zeit, in der sie zu lösen ist, und die Hilfsmittel, die benutzt werden dürfen, anzugeben.

(2) An einem Tag sollen nicht mehr als 2 Aufgaben bearbeitet werden. Die Zeit zur Lösung der Arbeiten ist nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Aufgabe festzusetzen. Die Dauer der Bearbeitung der Aufgaben an einem Tage soll 5 Stunden nicht übersteigen.

(3) Körperbehinderten Anwärterinnen und Anwärtern sind auf Antrag die ihrer körperlichen Behinderung angemessenen Erleichterungen zu gewähren. Über die Anträge entscheidet die Leitung der Justizausbildungsstätte Brakel.

(4) Die Anwärterinnen und Anwärter haben die Arbeiten spätestens bei Ablauf der Bearbeitungszeit an die Aufsichtskraft abzugeben. Die Arbeiten sind anstelle des Namens mit einer Kennziffer zu versehen. Die Kennziffern werden vor Beginn der schriftlichen Prüfung von der Justizausbildungsstätte Brakel zugeteilt. Die zu den Kennziffern gehörenden Namen dürfen den Prüfern vor der Begutachtung der Aufsichtsarbeiten nicht bekanntgegeben werden.

(5) Die Aufsicht bei der Anfertigung der Arbeiten führt eine Kraft des gehobenen oder des mittleren Justizdienstes. Die Aufsichtskraft fertigt eine Niederschrift und vermerkt in ihr jede Unregelmäßigkeit. Auf jeder Arbeit ist der Zeitpunkt des Beginns und der Ablieferung zu verzeichnen.

(6) Nach Abschluss der schriftlichen Prüfung sind die Prüfungsaufgaben, die dazu erstellten Lösungsvorschläge, die Arbeiten der Anwärterinnen und Anwärter, das Verzeichnis der Kennziffern und die Prüfungsniederschriften von der Leitung der Justizausbildungsstätte Brakel in versiegelten Umschlägen den Oberlandesgerichten zu übersenden. Im Einvernehmen mit dem Oberlandesgericht können die Prüfungsarbeiten und Lösungsvorschläge einem Mitglied des Prüfungsausschusses unmittelbar zugeleitet werden.

§ 18
Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten

(1) Die schriftlichen Arbeiten werden von jedem Mitglied des Prüfungsausschusses selbständig begutachtet.

(2) Nach vollständiger Begutachtung der schriftlichen Arbeiten werden die einzelnen Arbeiten vom Prüfungsausschuss nach Beratung mit einer Note nach § 13 bewertet.

(3) Den Mitgliedern des Prüfungsausschusses dürfen Mitteilungen über die Person der Anwärterin oder des Anwärters erst nach der Bewertung der schriftlichen Arbeiten gemacht werden.

(4) Der Anwärterin oder dem Anwärter wird die Bewertung der schriftlichen Arbeiten mindestens zwei Wochen vor der mündlichen Prüfung schriftlich mitgeteilt. Auf Antrag der Anwärterin oder des Anwärters unterbleibt die Mitteilung. Der Antrag ist spätestens innerhalb einer Woche nach dem Tage, an dem die Anwärterin oder der Anwärter die letzte schriftliche Arbeit abgeliefert hat, bei dem Oberlandesgericht schriftlich zu stellen. Die Frist für den Antrag und für die Mitteilung der Bewertung wird durch Aufgabe zur Post gewahrt; maßgebend ist das Datum des Poststempels.

§ 19
Ausschluss von der mündlichen Prüfung

Sind mindestens vier schriftliche Arbeiten mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bewertet worden, so ist die Anwärterin oder der Anwärter von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die Prüfung nicht bestanden.

§ 20
Mündliche Prüfung

(1) In der mündlichen Prüfung sollen in der Regel nicht mehr als fünf Anwärterinnen und Anwärter gleichzeitig geprüft werden.

(2) Vor der Prüfung soll die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses mit jeder Anwärterin und jedem Anwärter ein Gespräch führen, um ein Bild von deren Persönlichkeit zu gewinnen. Die anderen Mitglieder des Prüfungsausschusses können zu dem Gespräch hinzugezogen werden.

(3) Die Dauer der mündlichen Prüfung soll so bemessen sein, dass auf jede Anwärterin und jeden Anwärter etwa 30 Minuten entfallen; sie kann durch eine angemessene Pause unterbrochen werden.

(4) Die mündliche Prüfung ist vor allem eine Verständnisprüfung. Sie erstreckt sich auf das gesamte Ausbildungsgebiet. Fragen nach nebensächlichen Einzelheiten oder aus entlegenen Wissensgebieten sollen unterbleiben.

(5) Die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses kann Richterinnen und Richtern, Beamtinnen und Beamten, die ein dienstliches Interesse nachweisen, sowie Anwärterinnen und Anwärtern, die zur Prüfung anstehen, die Anwesenheit in der mündlichen Prüfung gestatten.

§ 21
Schlussentscheidung

(1) Im Anschluss an die mündliche Prüfung berät der Ausschuss über das Ergebnis dieses Prüfungsteils. Anschließend entscheidet er über das Gesamtergebnis der Prüfung. Grundlage der Entscheidung bilden die schriftlichen Prüfungsleistungen und die Leistungen in der mündlichen Prüfung unter Berücksichtigung der vorliegenden Zeugnisse.

(2) Alle Entscheidungen über Prüfungsleistungen fällt der Prüfungsausschuss mit Stimmenmehrheit.

(3) Entsprechen die Leistungen der Anwärterin oder des Anwärters insgesamt den Anforderungen, so wird die Prüfung für bestanden erklärt, und zwar entsprechend § 13 als „ausreichend“, befriedigend“, „vollbefriedigend“, „gut“ oder „sehr gut“.

(4) Entsprechen die Leistungen nicht den Anforderungen, so ist die Prüfung für nicht bestanden zu erklären.

(5) Die Schlussentscheidung gibt die Vorsitzende oder der Vorsitzende der Anwärterin oder dem Anwärter mündlich bekannt.

§ 22
Niederschrift über den Prüfungshergang und
Erteilung des Zeugnisses

(1) Über den Prüfungshergang ist eine Niederschrift anzufertigen, in die aufgenommen werden:

a) die Besetzung des Prüfungsausschusses und die Namen der

geprüften Anwärterinnen und Anwärter

b) die Bewertung der schriftlichen Arbeiten,

c) die Gegenstände und das Ergebnis der mündlichen Prüfung,

d) die Schlussentscheidung des Prüfungsausschusses.

(2) Ist die Prüfung nicht bestanden, so wird in der Niederschrift vermerkt, welchen weiteren Vorbereitungsdienst der Prüfungsausschuss für erforderlich hält.

(3) Die Niederschrift ist von der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu unterzeichnen und mit den sonstigen Prüfungsvorgängen und den Personalakten dem Oberlandesgericht zu übersenden.

(4) Das Oberlandesgericht erteilt allen Anwärterinnen und Anwärtern, welche die Prüfung bestanden haben, ein Zeugnis über das Ergebnis der Prüfung.

§ 23
Versäumnis der Prüfungstermine, Nichtablieferung
von Prüfungsarbeiten

(1) Die Prüfung gilt als nicht bestanden, wenn die Anwärterin oder der Anwärter ohne genügende Entschuldigung

a) der Vorladung zur schriftlichen oder mündlichen Prüfung keine Folge leistet oder ohne Genehmigung der Vorsitzenden oder des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses von der Prüfung zurücktritt,

b) drei oder mehr Arbeiten nicht oder nicht rechtzeitig abliefert.

(2) Liefert die Anwärterin oder der Anwärter ohne genügende Entschuldigung eine oder zwei Arbeiten nicht oder nicht rechtzeitig ab, gelten sie als „ungenügend“.

(3)Sieht die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses das Ausbleiben der Anwärterin oder des Anwärters zur schriftlichen Prüfung oder die Nichtablieferung oder die nicht rechtzeitige Ablieferung einer Arbeit als entschuldigt an, so sind in einem neuen Prüfungstermin alle schriftlichen Arbeiten zu wiederholen.

(4) Bleibt die Anwärterin oder der Anwärter der mündlichen Prüfung infolge Krankheit oder aus einem anderen wichtigen Grund fern und sieht die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses das Ausbleiben als entschuldigt an, so ist der mündliche Teil der Prüfung in einem neuen Termin abzulegen.

§ 24
Verstöße gegen die Prüfungsbestimmungen

(1) Versucht eine Anwärterin oder ein Anwärter, das Ergebnis einer Prüfungsleistung durch Täuschung, insbesondere durch Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel, zu eigenem oder fremdem Vorteil zu beeinflussen, kann diese Leistung mit „ungenügend“ bewertet oder ihre Wiederholung aufgegeben werden. Auf die in Satz 1 vorgesehenen Folgen kann auch erkannt werden, wenn in sonstiger Weise gegen die bei der Prüfung einzuhaltende Ordnung verstoßen wird.

(2) In schweren Fällen kann die Anwärterin oder der Anwärter von der weiteren Prüfung ausgeschlossen und diese für nicht bestanden erklärt werden.

(3) Die Entscheidungen trifft der Prüfungsausschuss.

(4) Über eine erst nach der Schlussentscheidung entdeckte Täuschung ist an das Oberlandesgericht zu berichten. Dieses kann die Prüfung nachträglich für nicht bestanden erklären, jedoch nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren seit dem Tage der mündlichen Prüfung.

§ 25
Wiederholung der Prüfung

(1) Wer die Prüfung nicht bestanden hat, darf sie einmal wiederholen. Die Prüfung ist vollständig zu wiederholen, einzelne Prüfungsleistungen können nicht erlassen werden. § 19 findet Anwendung.

(2) Der weitere Vorbereitungsdienst beträgt mindestens sechs Monate. Art und Dauer bestimmt das Oberlandesgericht. Dabei sollen die Vorschläge des Prüfungsausschusses (§ 22 Abs. 2) berücksichtigt werden.

(3) Unbeschadet anderer Bestimmungen enden der Vorbereitungsdienst und das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit der Verkündung der Entscheidung über das endgültige Nichtbestehen. Wird die Entscheidung nicht im Prüfungstermin getroffen, ist der Zeitpunkt der schriftlichen Bekanntgabe maßgebend.

§ 26
Einsicht in die Prüfungsarbeiten

Innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Prüfungsverfahrens können die Verfasserinnen und Verfasser Einsicht in die von ihnen gefertigten Prüfungsarbeiten - einschließlich ihrer Bewertung - nehmen.

Vierter Teil:
Aufstieg

§ 27
Regelform des Aufstiegs in den mittleren Justizdienst

(1) Beamtinnen und Beamte des Justizwachtmeisterdienstes können zur Einführung in die Laufbahn des mittleren Justizdienstes zugelassen werden, wenn sie aufgrund ihrer Persönlichkeit sowie den im einfachen Justizdienst nach der Anstellung über mindestens zwei Jahre erbrachten Leistungen für den mittleren Justizdienst geeignet erscheinen. Über die Zulassung entscheidet das Oberlandesgericht.

(2) Für Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte findet diese Ausbildungs- und Prüfungsordnung mit folgender Maßgabe Anwendung:

a)
An die Stelle des Vorbereitungsdienstes tritt eine Einführungszeit von gleicher Dauer. Die Beschäftigungszeit im einfachen Justizdienst kann bis zur Dauer von drei Monaten auf die Einführungszeit angerechnet werden.

b)
Die Zulassung zur Einführungszeit kann von einer Vorprüfung abhängig gemacht werden.

c)
Nach erfolgreicher Einführung in die Laufbahn des mittleren Justizdienstes ist die Aufstiegsprüfung abzulegen. Die Aufstiegsprüfung entspricht der Laufbahnprüfung des mittleren Justizdienstes.

d)
Bis zur Verleihung eines Amtes der Laufbahn des mittleren Justizdienstes werden die Amtsbezeichnung und die Dienstbezüge des bisherigen Amtes beibehalten.

e)
Wer die Prüfung auch nach Wiederholung nicht besteht, übernimmt wieder eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit im Justizwachtmeisterdienst.

§ 28
Prüfungserleichterter Aufstieg in den mittleren Justizdienst

(1)Unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 können Beamtinnen und Beamte des Justizwachtmeisterdienstes von dem Oberlandesgericht zum prüfungserleichterten Aufstieg in die Laufbahn des mittleren Justizdienstes zugelassen werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Verleihung eines Amtes des mittleren Justizdienstes

a)
seit mindestens zwei Jahren ein Amt der Besoldungsgruppe A 5 (einfacher Dienst) innehaben,

b)
das 45., aber noch nicht das 58. Lebensjahr vollendet haben.

(2)Auch die Zulassung zum prüfungserleichterten Aufstieg kann von einer Vorprüfung abhängig gemacht werden.

§ 29
Einführungszeit und Aufstiegslehrgang

(1) Die Einführungszeit und der Aufstiegslehrgang dauern zusammen neun Monate.

(2) Die Einführungszeit besteht aus

1. einem zweimonatigen Einführungslehrgang, der zentral in der Justizausbildungsstätte Brakel durchgeführt wird,

2. einer fünfmonatigen exemplarischen praktischen Einweisung in die Aufgaben des mittleren Justizdienstes.

(3) Der Aufstiegslehrgang dauert zwei Monate; er wird zentral in der Justizausbildungsstätte Brakel durchgeführt.

(4) Den Beamtinnen und Beamten soll während des Einführungs- und des Aufstiegslehrgangs Erholungsurlaub nicht gewährt werden.

(5) Während der Einführungszeit und im Aufstiegslehrgang ist Unterricht in allen Rechts- und Sachgebieten zu erteilen, deren Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben des mittleren Justizdienstes erforderlich ist; hierzu gehören vor allem Grundzüge

des bürgerlichen Rechts sowie der zivilrechtlichen Nebengesetze,

des Strafrechts, des Jugendgerichtsgesetzes und der strafrechtlichen Nebengesetze,

des Handels- und Gesellschaftsrechts,

des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit,

des Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrechts,

des Staats-, Beamten-, Arbeits-, Tarif- und Personalvertretungsrechts,

der Verwaltungs- und Geschäftsgangsbestimmungen,

des Kostenrechts,

des Kassen-, Rechnungs- und Haushaltswesens,

der Informationstechnik und -verarbeitung.

§ 30
Einführungslehrgang

(1) Der Unterricht im Einführungslehrgang ist durch Vorträge, Besprechungen und Übungen zu erteilen; er umfasst regelmäßig 120 Doppelstunden.

(2) Das Oberlandesgericht Hamm stellt im Einvernehmen mit den Oberlandesgerichten Düsseldorf und Köln den Lehr- und Stundenplan auf. Der Stundenplan ist so zu gestalten, dass den Beamtinnen und Beamten hinreichend Zeit verbleibt, den Lehrstoff zu verarbeiten und ihr Wissen durch eigenes Studium zu vertiefen und zu erweitern.

(3) Die Beamtinnen und Beamten haben während des Lehrgangs schriftliche Arbeiten unter Aufsicht zu fertigen. Die Arbeiten sind durch die zuständige Lehrkraft zu begutachten, mit einer Note nach § 13 zu bewerten und der Lehrgangsleitung vorzulegen. Die Arbeiten sind mit den Beamtinnen und Beamten zu besprechen und diesen auszuhändigen.

§ 31
Praktische Einweisung

(1) Die fünfmonatige praktische Einweisung wird von dem Oberlandesgericht geleitet. Während dieser Zeit werden die Beamtinnen und Beamten beim Amtsgericht drei Monate in die Aufgaben der Abteilungen der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit jeweils unter Berücksichtigung des Kostenrechts eingeführt. Ferner werden sie mit den Aufgaben der Kasse bzw. Gerichtszahlstelle sowie der Anweisungsstelle für Zeugen, Sachverständige und ehrenamtliche Richter bekannt gemacht. Beim Landgericht werden sie für einen Monat in die Aufgaben der Justizverwaltung, bei der Staatsanwaltschaft für einen Monat in die Aufgaben des mittleren Justizdienstes in Ermittlungs- und Strafvollstreckungsangelegenheiten eingeführt. Anstelle der Ausbildung beim Landgericht kann im Bedarfsfall die Einführung in Verwaltungssachen auch bei einem großen Amtsgericht oder bei einem Oberlandesgericht stattfinden.

(2) Die praktische Einweisung ist durch planmäßigen Unterricht zu ergänzen. Das Oberlandesgericht Hamm stellt im Einvernehmen mit den Oberlandesgerichten Düsseldorf und Köln den Lehrplan auf. Das Nähere zur Durchführung des Lehrplans bestimmt das jeweilige Oberlandesgericht. Die Oberlandesgerichte können vereinbaren, dass der Unterricht landesweit in einer zentral gelegenen Justizbehörde durchgeführt wird.

§ 32
Aufstiegslehrgang

(1) Beamtinnen und Beamte, deren Eignung und deren Leistungen im Einführungslehrgang und in der praktischen Einweisung von dem Oberlandesgerichts insgesamt mindestens mit „ausreichend“ beurteilt werden, nehmen an dem Aufstiegslehrgang mit abschließender Prüfung teil.

(2) Für den Aufstiegslehrgang gelten die Vorschriften für den Einführungslehrgang (§ 30) entsprechend.

(3) Wer den Anforderungen des Absatzes 1 nicht genügt, übernimmt wieder eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit im Justizwachtmeisterdienst.

§ 33
Zeugnisse

Die §§ 12, 13 finden entsprechende Anwendung. Ausbildungsabschnitte im Sinne von § 12 Abs. 1 sind
der Einführungslehrgang,
die Zeiten der praktischen Einweisung beim Amtsgericht, beim Landgericht und bei der Staatsanwaltschaft,
der Begleitunterricht,
der Aufstiegslehrgang.

§ 34
Dienstleistungsauftrag

Nach Abschluss des Aufstiegslehrgangs bis zum Zeitpunkt des Bestehens der Aufstiegsprüfung kann den Beamtinnen und Beamten, deren Wissens- und Leistungsstand dies zulässt, ein Dienstleistungsauftrag im mittleren Justizdienst erteilt werden.

§ 35
Aufstiegsprüfung

(1) Die schriftliche Prüfung dauert zwei Tage. Dabei sind unter Aufsicht vier Aufgaben zu bearbeiten. Die Aufgaben sind aus den in § 29 Abs. 5 genannten Lerngebieten zu stellen; Teile der Aufgabe können auch im Multiple Choice-Verfahren verfasst werden. Die Zeit zur Lösung einer Prüfungsaufgabe soll zwei Stunden nicht überschreiten.

(2) Sind mindestens zwei schriftliche Prüfungsaufgaben mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bewertet worden, so ist die Beamtin oder der Beamte von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die Aufstiegsprüfung nicht bestanden.

(3) Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf die in § 29 Abs. 5 genannten Lerngebiete. Sie ist vor allem eine Verständnisprüfung. Fragen nach nebensächlichen Einzelheiten oder aus entlegenen Wissensgebieten sollen unterbleiben.

(4) Für die Aufstiegsprüfung gelten im übrigen die §§ 14 bis 16, 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 6, 18, 20 Abs. 1 bis 3, Abs. 5, 21 bis 24 und 26 mit der Maßgabe, dass nur ein Prüfungsausschuss gebildet wird, und zwar bei dem Oberlandesgericht Hamm.

§ 36
Wiederholung der Prüfung

(1) Wer die Prüfung nicht bestanden hat, darf sie einmal wiederholen; einzelne Prüfungsleistungen können nicht erlassen werden. § 35 Abs. 2 findet Anwendung.

(2) Die weitere Einführungszeit beträgt höchstens 3 Monate. Art und Dauer bestimmt das Oberlandesgericht. Es soll dabei die Vorschläge des Prüfungsausschusses berücksichtigen.

(3) Wer die Aufstiegsprüfung endgültig nicht besteht, übernimmt wieder eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit im Justizwachtmeisterdienst.

§ 37
Ernennung

(1) Wer die Aufstiegsprüfung bestanden hat, kann zur Justizsekretärin oder zum Justizsekretär ernannt werden.

(2) Mit der Ernennung wird die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung nach § 1 Abs. 2 erworben.

Fünfter Teil:
Fachgerichtsbarkeiten

§ 38
Anwendung in der Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit

(1) Diese Ausbildungs- und Prüfungsordnung findet auf Anwärterinnen und Anwärter, die für den mittleren Dienst in der Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit ausgebildet werden, mit folgender Maßgabe Anwendung:

1. Bewerbungsgesuche (§ 3) sind an das Oberverwaltungsgericht, an das Landessozialgericht, an die Finanzgerichte Düsseldorf, Köln oder Münster, oder an die Landesarbeitsgerichte Düsseldorf, Hamm oder Köln zu richten.

2. § 6 Abs. 1 Satz 2 gilt für Verwaltungs- und Regierungsangestellte entsprechend.

3. Die Entscheidung nach § 6 Abs. 4 trifft das Oberverwaltungsgericht, das Landessozialgericht, das Finanzgericht oder das Landesarbeitsgericht im Benehmen mit dem Oberlandesgericht.

4. An die Stelle des in § 17 Abs. 1 Buchstabe b) genannten Aufgabenschwerpunkts tritt ein Aufgabenschwerpunkt aus der Fachgerichtsbarkeit, für die ausgebildet wird.

(2) Für die Anwärterinnen und Anwärter, die für den mittleren Dienst in den genannten Fachgerichtsbarkeiten ausgebildet werden, gliedert sich der Vorbereitungsdienst im dritten bis fünften Abschnitt (§ 7 Buchstabe c)) wie folgt:

8 Monate praktische Ausbildung

bei einem Amtsgericht,

2 Monate praktische Ausbildung

bei einem Landgericht,

3 Monate praktische Ausbildung

bei einem Gericht der Fachgerichtsbarkeit, für die ausgebildet wird.

(3) Die Anwärterinnen und Anwärter nehmen während der praktischen Ausbildung bei ihrer Fachgerichtsbarkeit weiter an dem Begleitunterricht und an den Übungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 10) teil.

Sechster Teil:
Schlussbestimmungen

§ 39
Inkrafttreten, Übergangsvorschrift

(1) Diese Verordnung tritt am 1. März 2000 in Kraft. Die Verordnung vom 16. Mai 1983 (GV. NRW.1983 S. 193), zuletzt geändert durch VO vom 25. September 1998 (GV. NRW.1998 S. 574), wird aufgehoben.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 gelten für Justizsekretäranwärterinnen und Justizsekretäranwärter sowie für Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte, die sich bei Inkrafttreten dieser Verordnung bereits in der Ausbildung befinden, die Regelungen der Verordnung vom 16. Mai 1983 (GV. NRW.1983 S. 193), zuletzt geändert durch VO vom 25. September 1998 (GV. NRW.1998 S. 574), fort.

Düsseldorf, den 18. Januar 2000

Der Justizminister
des Landes Nordrhein-Westfalen
Jochen  D i e c k m a n n

GV. NRW. 2000 S. 44