Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2023 Nr. 4 vom 13.2.2023 Seite 53 bis 62

Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen zum Ausgleich von Mehrkosten für die Aquakultur in Nordrhein-Westfalen, die durch den Krieg in der Ukraine entstanden sind, nach der Verordnung über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (Billigkeitsrichtlinie EMFF)
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Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen zum Ausgleich von Mehrkosten für die Aquakultur in Nordrhein-Westfalen, die durch den Krieg in der Ukraine entstanden sind, nach der Verordnung über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (Billigkeitsrichtlinie EMFF)

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Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen zum Ausgleich
von Mehrkosten für die Aquakultur in Nordrhein-Westfalen,
die durch den Krieg in der Ukraine entstanden sind, nach der
Verordnung über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds
(Billigkeitsrichtlinie EMFF)

Runderlass
des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- III.4 – 63.08.01.01-000003 -

Vom 16. Januar 2023

1
Zweck der Leistungen, rechtliche Grundlagen und Begriffsbestimmungen

1.1
Zweck der Leistungen

Der seit dem 24. Februar 2022 stattfindende Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch zur Folge, dass sich die Kosten insbesondere für Strom, Kraftstoffe, Brennstoffe, Futtermittel und Sauerstoff für die Aquakulturbetriebe in Nordrhein-Westfalen schnell und stark erhöht haben. Die EU-Kommission hat daher mit der Verordnung (EU) 2022/1278 die Verordnung (EU) Nr. 508/2014 über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) geändert und damit die Möglichkeit eröffnet, den Unternehmen im Aquakultursektor Hilfen mit EMFF-Mitteln zu gewähren, um die kriegsbedingten Mehrkosten anteilig auszugleichen. Damit soll ein Beitrag zur Existenzsicherung der Aquakulturbetriebe geleistet werden.

1.2
Rechtsgrundlagen

Die Grundlage der Leistungen bilden diese Richtlinie, die Landeshaushaltsordnung, die Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung, insbesondere zu § 53, und die folgenden Normen in der jeweils geltenden Fassung:

a) die Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2328/2003, (EG) Nr. 861/2006, (EG) Nr. 1198/2006 und (EG) Nr. 791/2007 des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 1255/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 20.5.2014, S. 1) (EMFF-Verordnung),

b) die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320),

c) die Durchführungsverordnungen und delegierten Verordnungen zur Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 und zur Verordnung (EU) Nr. 508/2014,

d) das Operationelle Programm für Deutschland für den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF), Förderperiode 2014 - 2020 (CCI-Nr. 2014DE14MFOP001),

e) das Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz vom 26. November 2008 (BGBl. I S. 2330).

Ein Anspruch auf Gewährung der Leistung besteht nicht, vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens sowie der verfügbaren Haushaltsmittel.

1.3
Begriffsbestimmungen

Aquakultur
Aquakultur ist die kontrollierte Aufzucht aquatischer Organismen mit Techniken zur Steigerung der Produktion der fraglichen Organismen über die natürlichen ökologischen Kapazitäten hinaus. Die Organismen verbleiben in allen Phasen der Aufzucht bis einschließlich der Ernte Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person.

Aquakulturunternehmen
Als Aquakulturunternehmen gelten Unternehmen, die Aquakultur im Sinn dieser Richtlinie betreiben. Der Sitz des Unternehmens oder die Anlage, für die Billigkeitsleistungen beantragt werden, muss sich in Nordrhein-Westfalen befinden.

2
Gegenstand der Leistung

Leistungen nach dieser Richtlinie umfassen ausschließlich Ausgleichszahlungen für Aquakulturunternehmen entstandenen Kostensteigerungen aufgrund von durch die Aggressionen Russlands gegen die Ukraine verursachten Marktstörungen im Sinn von Artikel 68 Absatz 3 der EMFF-Verordnung.

Die Ausgleichszahlungen für die durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Mehrkosten in der Aquakultur beschränken sich auf die Kostenkategorien Energie, Futtermittel und Sauerstoff.

3
Empfängerinnen und Empfänger der Leistung

Die Leistungen werden gewährt an Unternehmen der Aquakultur (Nummer 1.3), die aquatische Organismen für den menschlichen Konsum erzeugen und einen Geschäftsbetrieb oder eine Niederlassung in Nordrhein-Westfalen unterhalten, unabhängig von ihrer Rechtsform.

4
Voraussetzung für die Gewährung der Leistungen

Voraussetzung für eine Leistung nach dieser Richtlinie ist, dass einer oder einem Leistungsberechtigten Mehrkosten in der Aquakultur durch Preiserhöhungen wegen des Kriegs in der Ukraine entstanden sind. Der Zeitraum, für den Ausgleichszahlungen geleistet werden, erstreckt sich vom 24. Februar 2022 bis zum 31. Dezember 2022.

5
Ausschlusskriterien

Von der Ausgleichszahlung ausgeschlossen sind Antragstellerinnen und Antragsteller die

a) im Rahmen des Europäischen Fischereifonds (EFF) oder des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) einen Betrug im Sinn des Artikel 1 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften begangen haben oder bei denen ein Verfahren anhängig ist,

b) gegen Umweltvorschriften im Sinn der Artikel 3 und 4 der Richtlinie 2008/99/EG (beispielsweise gegen die §§ 311 und 325 bis 330 des Strafgesetzbuches, die §§ 71 und 71a des Bundesnaturschutzgesetzes oder die §§ 38 und 38a des Bundesjagdgesetzes) verstoßen haben oder bei denen ein Verfahren anhängig ist.

Mit dem Antrag ist schriftlich zu erklären, dass kein Betrug im Rahmen des Europäischen Fischereifonds oder des Europäischen Meeres- und Fischereifonds begangen wurde und keine Umweltstraftaten gemäß Artikel 3 und 4 der Richtlinie 2008/99/EG vorliegen. Letzteres ist auch während der Durchführung sowie während eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Abschlusszahlung einzuhalten.

6
Art, Berechnung und Höhe der Leistung

6.1
Art der Leistung

Die Leistungen werden in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses als Ausgleichszahlung gewährt. Sie bestehen zu 75 Prozent aus Mitteln der Europäischen Union (Europäischer Meeres- und Fischereifonds) und zu 25 Prozent aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie werden stets auf volle Euro abgerundet. Die Umsatzsteuer wird bei der Berechnung nicht berücksichtigt.

6.2
Berechnungsmodus

Die Leistungen werden gewährt auf der Basis eines im deutschen operationellen Programm für den EMFF dargelegten Berechnungsverfahrens für Mehrkosten von Aquakulturunternehmen für Energie, Futtermittel und Sauerstoff im Jahr 2022. Dabei umfassen die berücksichtigten Mehrkosten sowohl die eigentliche Aquakulturproduktion als auch Prozesse der unmittelbaren Weiterverarbeitung und Vermarktung der Erzeugnisse. In diesem Berechnungsverfahren wird mit Indizes gearbeitet, die die Kostenveränderungen für Energie, Kraftstoffe, Futtermittel und Sauerstoff abbilden:

Benzin-Index: 1,3
Diesel-Index: 1,5
Strom-Index: 1,2
Erdgas-Index: 1,6
Steinkohle-Index: 1,6
Heizöl-Index: 1,4
Getreide-Index: 1,6
Index für sonstige Futtermittel (Mischfutter): 1,2
Sauerstoff-Index: 1,7

Um sich mit dem Berechnungsmodell nicht nur bestmöglich an die tatsächlichen Mehrkosten anzunähern und Überkompensation vorzubeugen, sondern auch den seit Kriegsbeginn unternommenen betrieblichen Anpassungen Rechnung zu tragen, sollen die tatsächlichen Kosten in 2022 als Grundlage für die Berechnung dienen. Diese müssen von der Antragstellerin oder dem Antragsteller jeweils für die oben genannten Kostenarten in einem Formblatt ausgewiesen werden. Auf die Angaben zu den Kosten werden die oben aufgeführten Indizes angewendet, um die Kosten für 2021 zu ermitteln. Von der Differenz zwischen den Kosten 2022 und 2021 wird ein bestimmter Leistungssatz erstattet. Dieser ist bei maximal 50 Prozent angesetzt, um einer Überkompensation wegen eventuell erhöhter Preise für die Aquakulturprodukte entgegenzuwirken und die in den Verwaltungsvorschriften zu § 53 der Landeshaushaltsordnung vorgesehene Selbstbeteiligung der Geschädigten zu sichern.

6.3
Höhe der Leistung

Nach Feststellung des Gesamtbetrags der ausgleichsfähigen Mehrkosten für alle Anträge wird die Höhe der Ausgleichszahlung in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln durch die EMFF-Verwaltungsbehörde festgelegt.

Die maximale Höhe der Leistung beträgt 75 000 Euro pro Unternehmen. Dies gilt auch bei Unternehmensteilungen, bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers beziehungsweise der Rechtsform des Unternehmens.

Es werden nur Anträge bewilligt, wenn die geltend gemachten Mehrkosten mindestens 2 000 Euro betragen. Ergibt die Berechnung Mehrkosten unterhalb dieses Betrages, wird kein Ausgleich gewährt.

7
Verfahren und Beantragungsfrist

Bewilligungsbehörde ist der Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragter. Die benötigten Antragsunterlagen stehen auf der Internetseite der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (www.landwirtschaftskammer.de) zur Verfügung.

Der Leistungsantrag, der gleichzeitig den Auszahlungsantrag darstellt, ist bis zum 31. März 2023 schriftlich bei der Bewilligungsbehörde einzureichen.

Bestandteil des Antrags ist eine Übersicht über die zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 31. Dezember 2022 entstandenen tatsächlichen Kosten für Energie, Futtermittel und Sauerstoff sowie – zum Zweck der Prüfung der Plausibilität der Kostenangaben – Informationen zur Produktionsmenge. Ergänzend legen Antragstellerinnen und Antragsteller eine tabellarische Aufstellung aller ihren Angaben zugrundeliegenden Rechnungen oder Abschlagszahlungen mit Datum und Rechnungsbetrag vor. Das Rechnungsdatum muss zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 31. Dezember 2022 liegen.

Die Bewilligungsbehörde prüft die Antragsunterlagen und entscheidet über den Antrag im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und der Vorgaben dieser Richtlinie durch schriftlichen Bescheid. Nach Bestandskraft des Bescheides veranlasst sie die Auszahlung der Leistungen.

Die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger muss auf Anforderung der Bewilligungsbehörde Rechnungsoriginale vorlegen und Kontrollen vor Ort so zuzulassen, dass zuverlässig geprüft werden kann, ob die Bedingungen für die Gewährung der Leistung gegeben sind. Bei Kontrollen vor Ort sind dem Kontrollpersonal ein Betretungsrecht und das Recht auf eine angemessene Verweildauer auf den Grundstücken und in den Betriebs- und Geschäftsräumen sowie Einsichtnahme in die für die Beurteilung der Leistungsvoraussetzungen notwendigen betriebswirtschaftlichen Unterlagen einzuräumen und die notwendigen Auskünfte zu erteilen.

Erhält die Antragstellerin oder der Antragsteller nach Einreichung des Antrags oder nach Erhalt der Leistungen Vergünstigungen oder Hilfen Dritter zum Ausgleich der Mehrkosten, so ermäßigen sich die finanziellen Leistungen anteilig. Der Antragsteller oder die Antragstellerin hat dies der Bewilligungsbehörde unverzüglich mitzuteilen.

Im Rahmen der Informations- und Publizitätsmaßnahmen wird gemäß Artikel 119 Absatz 2 der EMFF-Verordnung ein Verzeichnis in elektronischer Form veröffentlicht, in dem die Begünstigten unter Angabe des Vorhabens, des Betrages der für das Vorhaben bereit gestellten öffentlichen Beteiligungen und weiterer Angaben zum Vorhaben aufgeführt sind. Mit der Antragstellung erklären die Empfänger gleichzeitig das Einverständnis zur Aufnahme in das öffentliche Verzeichnis der Begünstigten.

Die Billigkeitsleistungen sind zu erstatten, wenn ein Bewilligungsbescheid nach Verwaltungsverfahrensrecht, nach Haushaltsrecht oder nach anderen Rechtsvorschriften mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen oder sonstwie unwirksam wird. Dies gilt insbesondere, wenn die Billigkeitsleistungen durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden sind.

Alle Angaben im Antrag, einschließlich der eingereichten Unterlagen, die dem Bewilligungsbescheid zugrunde liegen und von dem die Zahlung abhängig ist, sind subventionserhebliche Tatsachen im Sinn des § 264 Absatz 8 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit § 2 des Subventionsgesetzes. Die Leistungsempfänger werden hierauf im Bewilligungsbescheid hingewiesen.

Hinsichtlich der Billigkeitsleistungen und der mit ihr zusammenhängenden Unterlagen stehen der EMFF-Bewilligungsbehörde, der EMFF-Verwaltungsbehörde, der EMFF-Prüfbehörde, der EMFF-Bescheinigungsbehörde, dem Landesrechnungshof, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rechnungshof sowie deren Beauftragten ein uneingeschränktes Prüfrecht zu. Dieses Prüfrecht umfasst alle Dienst- und sonstigen Stellen, die mit der Bewilligung und Bewirtschaftung der Billigkeitsleistungen zu tun haben sowie die Leistungsempfänger selbst. Das Prüfungsrecht wird, soweit es sich aus den Artikeln 246 bis 248 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für die Prüfungseinrichtungen der Gemeinschaft und aus § 91 der Landeshaushaltsordnung für den Landesrechnungshof nicht unmittelbar ergibt, von den Leistungsempfängern eingeräumt. Auf die unmittelbaren Prüfungsrechte der Prüfungseinrichtungen der Europäischen Union und des Landesrechnungshofes wird hingewiesen.

8
Schlussbestimmungen

Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.

- MBl. NRW. 2023 S. 56