Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2003 Nr. 37 vom 6.8.2003 Seite 427 bis 436

 

Verordnung über niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote für Pflegebedürftige (HBPfVO)

820

Verordnung
über niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote
für Pflegebedürftige (HBPfVO)

Vom 22. Juli 2003

Auf Grund des § 45b Abs. 3 Satz 2 und des § 45c Abs. 6 Satz 4 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2002 (BGBl I S. 4637), wird verordnet:

Teil A
Anerkennung niedrigschwelliger
Hilfe- und Betreuungsangebote

§ 1
Zuständige Behörde

(1) Zuständige Behörde für die Anerkennung niedrigschwelliger Betreuungsangebote nach § 45b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB XI und von Agenturen zur Beratung und Vermittlung von Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige und der sie Pflegenden ist das Versorgungsamt Düsseldorf.

(2) Die zuständige Behörde erstellt und aktualisiert regelmäßig die Liste der in Nordrhein-Westfalen im Sinne dieser Verordnung anerkannten Betreuungsangebote. Sie stellt den nordrhein-westfälischen Landesverbänden der Pflegekassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V., den Kreisen und kreisfreien Städten sowie den für die Beratung nach dem Gesetz zur Umsetzung des Pflegeversicherungsgesetzes (Landespflegegesetz NRW - PfG NW) vom 19. März 1996 (GV. NRW. S. 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2003 (GV. NRW. S. 380), zuständigen Stellen jeweils zum 1. Januar und zum 1. Juli eines Jahres die aktuelle Liste der Betreuungsangebote zur Verfügung.

§ 2
Niedrigschwellige
Hilfe- und Betreuungsangebote

(1) Niedrigschwellige Betreuungsangebote sind Angebote, in denen Helferinnen und Helfer unter fachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen sowie pflegende Angehörige entlasten und beratend unterstützen.

(2) Als niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote gem. § 45b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB XI können auf schriftlichen Antrag insbesondere anerkannt werden:

1. Betreuungsgruppen für Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen,

2. Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger im häuslichen Bereich,

3. Tagesbetreuung in Kleingruppen,

4. Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen und Helfer,

5. familienentlastende und familienunterstützende Dienste,

6. Agenturen zur Beratung und Vermittlung von Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige und der sie Pflegenden sowie

7. andere niedrigschwellige Betreuungsangebote, die Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz in der eigenen Häuslichkeit oder in Angeboten betreuten Wohnens ein selbständiges Leben ermöglichen und die pflegenden Angehörigen entlasten.

§ 3
Voraussetzungen für die Anerkennung

(1) Grundsätzliche Voraussetzungen für die Anerkennung niedrigschwelliger Betreuungsangebote, deren Einhaltung bei der Antragstellung nachgewiesen werden müssen, sind

1. die inhaltliche Beschreibung des Betreuungsangebotes, der Qualitätssicherung, der fachlichen Begleitung und Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer durch eine Fachkraft sowie Angaben zur Regelmäßigkeit, Dauer und den Preisen der Angebote. Als Fachkräfte gelten insbesondere Krankenschwestern und -pfleger, Kinderkrankenschwestern und -pfleger, Altenpflegerinnen und -pfleger, Heilpädagoginnen und -pädagogen, Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger, Sozialarbeiterinnen und Sozialabeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen mit einschlägiger Berufserfahrung. Bei der Betreuung von Behinderten können auch Ergotherapeutinnen und -therapeuten Anleitungsfunktionen übernehmen.

2. der Nachweis eines angemessenen Versicherungsschutzes für Schäden, die die ehrenamtlich tätigen Betreuungspersonen im Rahmen ihrer Betreuungstätigkeit verursachen oder erleiden.

3. die Verpflichtung der Antragstellenden, der zuständigen Behörde jeweils bis 31. März einen standardisierten formularmäßigen Tätigkeitsbericht für das vorangegangene Kalenderjahr vorzulegen, der insbesondere Auskunft über die Zahl und die Art der übernommenen Betreuungen sowie über die eingesetzten haupt- und ehrenamtlichen Kräfte gibt.

4. die Verpflichtung der Antragsstellenden, der zuständigen Behörde jederzeit die erbetenen Auskünfte im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Anerkennung und ihrer Aufrechterhaltung zu erteilen.

(2) Weitere Voraussetzungen für die Anerkennung sind,

1. dass die Betreuungsgruppen im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1

a) bei der Gruppenarbeit von einer Fachkraft mit psychiatrischer, gerontopsychiatrischer oder heilpädagogischer Berufserfahrung von mindestens 2 Jahren, die sie in den letzten 5 Jahren erworben haben, unterstützt und angeleitet werden,

b) ihre Arbeit unter Mitwirkung von fachlich geschulten und angeleiteten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern durchführen,

c) jeweils mindestens vier und höchstens neun zu Betreuende haben und das Verhältnis von Betreuungspersonen zu Pflegebedürftigen sich am Grad des jeweiligen Hilfebedarfes orientiert, eine Betreuungsperson jedoch nicht mehr als drei Pflegebedürftige betreut,

d) über eine angemessene Zahl und Größe von Aufenthalts- und Ruheräumen für die Betreuung der Pflegebedürftigen sowie ausreichende sanitäre Anlagen verfügen,

2. dass die eingesetzten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer durch eine Qualifizierung von mindestens 30 Unterrichtsstunden auf die Arbeit mit den Pflegebedürftigen vorbereitet und durch kontinuierliche Fortbildung und Praxisbegleitung bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Die Qualifizierungs-, Fortbildungs- und Begleitungsmaßnahmen müssen insbesondere folgende Inhalte berücksichtigen:

a) Basiswissen über Krankheitsbilder, Behandlungsformen und Pflege der zu betreuenden Menschen,

b) allgemeine Situation der pflegenden Personen einschließlich des sozialen Umfeldes,

c) Umgang mit Erkrankten, insbesondere Erwerb von Handlungskompetenz im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen und Widerständen,

d) Methoden und Möglichkeiten der Betreuung und Beschäftigung sowie

e) Kommunikation und Gesprächsführung.

Ehrenamtlichen Betreuungspersonen, die über Berufserfahrung von mindestens 2 Jahren, die sie in den letzten 5 Jahren erworben haben, verfügen, ist die Teilnahme an der Qualifizierung freigestellt.

§ 4
Wirkung der Anerkennung

Die Anerkennung begründet einen Anspruch des Leistungserbringers auf Aufnahme in das Verzeichnis der anerkannten niedrigschwelligen Angebote und ermöglicht die Erbringung von Betreuungsleistungen im Sinne des § 45b Abs. 1 SGB XI. Sie begründet keinen Anspruch auf öffentliche Förderung.

§ 5
Widerruf der Anerkennung

(1) Soweit Voraussetzungen der §§ 2 oder 3 nicht mehr vorliegen, hat der Träger des Betreuungsangebotes dies unverzüglich der für die Anerkennung zuständigen Behörde mitzuteilen.

(2) Werden Voraussetzungen der §§ 2 oder 3 nicht oder nicht mehr erfüllt, ist die Anerkennung durch die zuständige Behörde unverzüglich zu widerrufen.

(3) Die nordrhein-westfälischen Landesverbände der Pflegekassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e.V., die Kreise und kreisfreien Städte im Einzugsbereich des Betreuungsangebotes sowie die Beratungsstellen nach § 4 PfG NW sind von der zuständigen Behörde unverzüglich über den Widerruf der Anerkennung zu unterrichten.

Teil B

Verfahren zur Förderung
von Modellvorhaben nach § 45c SGB XI

§ 6
Ziele der Förderung

Ziel der Förderung ist die modellartige Erprobung neuer Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Unterstützung der sie pflegenden Angehörigen.

§ 7
Antragstellung

(1) Anträge auf Förderung aus Landesmitteln sind beim Versorgungsamt Düsseldorf zu stellen. Die Entscheidung über die Förderung wird im Einvernehmen mit dem für die Pflegeversicherung zuständigen Ministerium und den nordrhein-westfälischen Landesverbänden der Pflegekassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. vom Versorgungsamt Düsseldorf getroffen.

(2) Den Anträgen auf Förderung ist eine Stellungnahme des Kreises oder der kreisfreien Stadt beizufügen, in dem oder der das Projekt durchgeführt werden soll, die Aussagen zur Bedeutung des jeweiligen Projektes für die örtliche Angebotsstruktur enthält.

(3) Die Antragstellenden sind verpflichtet, sich an Maßnahmen der wissenschaftlichen Begleitung und der Auswertung gemäß § 45c Abs. 4 SGB XI zu beteiligen und die hierzu von der zuständigen Behörde nach Absatz 1 oder einer anderen von dem für die Pflegeversicherung zuständigen Ministerium benannten Stelle festgelegten Anforderungen zu erfüllen. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist nur mit Einwilligung der Betroffenen oder der gesetzlichen Vertretung zulässig.

§ 8
Förderung

(1) Grundsätzlich förderfähig sind auf schriftlichen Antrag

1. Modellvorhaben sowie

2. die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Arbeit der Hilfeangebote gemäß § 2 Abs. 2 und von Modellprojekten gemäß § 6.

(2) Die Förderung erfolgt als Projektförderung in Form eines Zuschusses. Gefördert werden können Personalkosten für hauptamtliche Mitarbeiter und Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Helfer sowie Sachkosten, die aus der Koordination und Organisation der Hilfen und der fachlichen Anleitung, Schulung und Fortbildung der Helfenden, der kontinuierlichen fachlichen Begleitung und Unterstützung durch Fachkräfte innerhalb des Bewilligungszeitraumes entstehen, soweit diese Kosten nicht bereits anderweitig gefördert oder durch den Betreuungsbetrag nach § 45b SGB XI refinanziert sind. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist zu beachten. Die Entscheidung über die Förderung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Fördermittel gemäß § 45c Abs. 1 und 2 SGB XI und der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel des Landes. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Fördermitteln besteht nicht.

(3) Die zuständige Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen die Trägervielfalt sowie eine gleichmäßige regionale Verteilung der Fördermittel zu berücksichtigen. Sie unterrichtet den Kreis oder die kreisfreie Stadt, in dem oder in der das Projekt durchgeführt wird, über die Bewilligung von Fördermitteln.

(4) Sofern eine Förderung erfolgt, erhalten die Träger einen Zuschuss aus Landesmitteln gemäß dem jeweiligen Haushaltsplan.

§ 9
Dauer der Förderung

Die Förderung der Modellvorhaben ist in der Regel auf maximal drei Jahre begrenzt. Sie kann in Ausnahmefällen insgesamt bis zu fünf Kalenderjahre erfolgen.

§ 10
Beteiligung der Pflegeversicherung

Das Versorgungsamt Düsseldorf informiert das Bundesversicherungsamt über Entscheidungen nach § 7 und die Höhe der zugesagten Fördermittel des Landes. Die Auszahlung der Mittel der sozialen und privaten Pflegeversicherung durch das Bundesversicherungsamt erfolgt entsprechend der Vereinbarung gemäß § 45c Abs. 7 SGB XI. Die Fördermittel werden jeweils für ein Kalenderjahr ausgezahlt.

§ 11
In-Kraft-Treten,
Außer-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft und mit Ablauf des Jahres 2008 außer Kraft.

Düsseldorf, den 22. Juli 2003

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Peer  S t e i n b r ü c k

Die Ministerin
für Gesundheit, Soziales,
Frauen und Familie

Birgit  F i s c h e r

GV. NRW. 2003 S. 432