Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2022 Nr. 36 vom 31.10.2022 Seite 817 bis 844

 

Erlass zur Kompensation von Schäden in Folge ausgebliebener Investitionen in den Klimaschutz in den Kommunen durch die Corona-Pandemie

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Erlass zur Kompensation von Schäden
in Folge ausgebliebener Investitionen in den
Klimaschutz in den Kommunen durch die Corona-Pandemie

Runderlass
des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie

Vom 19. Oktober 2022

1
Vorbemerkungen

Die Corona-Pandemie hat zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen und so zu einem erheblichen Rückgang der Steuereinnahmen, insbesondere auch auf kommunaler Ebene, geführt. In nahezu allen Kommunen stehen dadurch bereits geplante und dringend notwendige (Modernisierungs-)Maßnahmen im Bereich Klimaschutz auf der Kippe.

Am 1. Juli 2021 hat der Landtag das Gesetz zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2021 (GV. NRW. S. 908) beschlossen. Dieses legt neue Treibhausgasminderungsziele fest. Für das Jahr 2030 ist eine Minderung um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vorgesehen, für das Jahr 2040 sind es minus 88 Prozent, im Jahr 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. Die Einhaltung der Klimaziele ist für die Landesregierung auch unter den veränderten Rahmenbedingungen der Corona-Krise von vordringlicher Bedeutung. Ambitionierter Klimaschutz in Kommunen ist eine der zentralen Voraussetzungen, um die Ziele erreichen zu können. Die Kommunen entscheiden unter anderem selbständig über die Ausgestaltung von Verkehrskonzepten, den Umgang mit ihren Liegenschaften und den Ausbau der Windenergie auf den in der Gemeinde befindlichen Flächen.

Die hier angelegten Leistungen sollen dazu beitragen, dass Klimaschutz in Kommunen trotz der Herausforderungen der Corona-Pandemie weiter vorangetrieben und weiter umgesetzt werden. Sie soll dazu beitragen, Kommunen dabei zu unterstützen, sich modern, klimafreundlich und lebenswert aufzustellen und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern.

Insofern stellt die Landesregierung auf der Grundlage der Beschlüsse des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2020 und vom 25. August 2022, um diese wichtigen Klimaschutzmaßnahmen doch anstoßen zu können, im Sinne einer Kompensation Mittel in Höhe von insgesamt 80 Millionen Euro für kommunale Klimaschutzinvestitionen zur Verfügung.

2
Empfängerinnen und Empfänger von Kompensationsleistungen

Kompensationsleistungen (= Billigkeitsleistungen) können alle Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen erhalten.

70 Millionen Euro werden analog des Verteilungsschlüssels des § 16 Absatz 6 des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2021 vom 17. Dezember 2020 (GV. NRW. S. 1241) beziehungsweise des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2022 vom 17. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1511) vorgehalten (siehe Anlage 1).

10 Millionen Euro sind für die Kreise vorgesehen. Die Aufteilung der Mittel erfolgt nach der Einwohnerzahl.

Von einer Gemeinde beziehungsweise einem Kreis nicht beantragte Mittel verfallen. Sie werden nicht auf andere Gemeinden und Kreise umverteilt. 

3
Verwendungszweck

Die Kompensationsleistungen können für folgende Verwendungszwecke eingesetzt werden:

3.1
Verringerung des kommunalen Eigenanteils bei Maßnahmen im Rahmen bestehender Förderprogramme, die zur Minderung von CO2-Emissionen führen
, namentlich:

a) progres.nrw – Klimaschutztechnik,

b) progres.nrw – Emissionsarme Mobilität.

Dies gilt nicht für Maßnahmen, für die bereits ein Zuwendungsbescheid vorliegt oder ein Antrag eingereicht wurde.

3.2
Investitionsbegleitende Maßnahmen für mehr Klimaschutz

Dies sind konzeptionelle Vorarbeiten inklusive Planung und Bürgerbeteiligung für investive Klimaschutzmaßnahmen, zum Beispiel Photovoltaik-Potentialuntersuchungen und Konzepte für PV-Anlagen auf Gebäuden und Freiflächen.

3.3
Erneuerbare Energien

a) Erweiterung der Kapazitäten erneuerbarer Energien, wie zum Beispiel Wärmepumpen, Solarthermie, Photovoltaik, Windenergie, Bioenergie, Geothermie,

b) Errichtung von Photovoltaik- und beziehungsweise oder Solar-Anlagen auf kommunalen Liegenschaften und Gebäuden (mit Energiespeichern) zum Eigenverbrauch, zum Beispiel Sporthallen, Schulen, auch in Verbindung mit Strom- und beziehungsweise oder Wärmespeichern,

c) Photovoltaikanlagen auf kommunalen Betriebshallen und Bushaltestellenwartehäuschen der Verkehrsbetriebe sowie

d) Vorbereitung von kommunalen Einrichtungen durch Dritte zum Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen für kommunale Gebäude.

3.4
Energetische Sanierung beziehungsweise Klimaschutz in der kommunalen Grundversorgung

a) Energetische Sanierung von Gebäuden inklusive Wärmeschutz, Wärmerückgewinnung, Beleuchtung, (Server-)Kühlung mit Umweltkälte, Gebäudeautomation,

b) Mehrausgaben bei Baumaßnahmen für höhere energetische Standards und für den Einsatz klimaschonender Materialien und Techniken, zum Beispiel Holz- und recycelte Werkstoffe,

c) Wärmenetze mit Wärmebereitstellung überwiegend durch erneuerbare Energien und Digitalisierung von Wärmenetzen inklusive Hausanschlussstationen zur Effizienzsteigerung,

d) Energetische Modernisierung von Straßenbeleuchtung,

e) Energetische Sanierung von Infrastruktur, zum Beispiel Wasser- und Abwassertechnik, einschließlich hocheffizienter Pumpen, hydraulischer Abgleich von Heizungssystemen sowie

f) Erneuerung bei der Fahrzeugantriebstechnik in der Abwasserentsorgung, zum Beispiel Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeuge wie etwa Kanalspülwagen.

3.5
Klimafreundliche Mobilität

a) Maßnahmen zur Verbesserung des Fuß- und Radverkehrs,zum Beispiel Radwegebau, Abstellanlagen, Lademöglichkeiten, sowie des ÖPNV als auch zur Erhöhung der Auslastung der einzelnen Verkehrsarten,

b) Maßnahmen zur Verbesserung der Verknüpfung der Verkehrsarten beziehungsweise zur Schaffung von Mobilitätstationen zur Verknüpfung zwischen Individualverkehr und öffentlichem Personennahverkehr, zum Beispiel Sharing-Stationen,

c) klimaverträgliche Mobilität in der Verwaltung (Fahrräder, E-Fahrzeuge, Ladetechnik, Technik zur Verwaltung von Fahrzeugpools und optimiertem Fahrzeugeinsatz) sowie

d) Studien und Konzepte zur Aufstellung öffentlicher Ladeinfrastruktur.

3.6
Klimafreundliche Beschaffung und Green-IT

a) Mehrausgaben bei der Beschaffung klimaverträglicher Produkte, zum Beispiel jeweils höchste Effizienzstufe, blauer Engel, Mehrweg-Produkte - und

b) Investitionen in Hilfsmittel zur Verminderung des Ressourcenverbrauchs (unter anderem Technik zur Einführung von Video-Konferenzen oder Telearbeit, zum optimierten Einsatz von Bauwerken, Infrastruktur und Gütern zum Bespiel Car- und Bike-Sharing oder Smart-City).

3.7
Kommunale Bürgerförderprogramme

Kommunale Bürgerförderprogramme zur Verbesserung des Kommunalen Klimaschutzes im Sinne der Nummern 3.2 bis 3.6

Vorhaben gemäß Nummer 3.1 bis 3.7 müssen auf dem Gebiet der den Antrag stellenden Gemeinde beziehungsweise des den Antrag stellenden Kreises vorgenommen werden.

4
Form und Höhe der Kompensationsleistung

4.1
Form der Kompensationsleistung

Die Kompensationsleistung wird in Form einer nichtrückzahlbaren Zuweisung gewährt.

4.2
Höhe der Zuweisung

Die Höhe der Zuweisung wird anteilig bemessen und darf die Summe der anrechenbaren Ausgaben nicht übersteigen.

Für die Kompensationsleistungen stehen im Einzelplan des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie bei Titelgruppe 88 im Kapitel 14 010 Haushaltsmittel in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro zur Verfügung.

Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Kompensationsleistung. Die zuständige Bewilligungsbehörde entscheidet über den Antrag auf Grund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

4.3
Einhaltung des Europäischen Beihilfenrechts

Kompensationsleistungen werden grundsätzlich nur Gemeinden und Kreisen im Rahmen ihrer nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Europäischen Beihilfenrechts gewährt. In Einzelfällen darf eine Gewährung von Kompensationsleistungen an Gemeinden und Kreise, soweit sie wirtschaftlich tätig sind, unter Beachtung der Voraussetzungen der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (ABl. L 352 vom 24.12.2013, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2020/972 (ABl. L 215 vom 7.7.2020, S. 3) geändert worden ist, erfolgen. Gleiches gilt für die Weiterleitung der Kompensationsleistungen durch Gemeinden und Kreise an kommunale Einheiten, die teilweise oder ausschließlich wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des Europäischen Beihilfenrechts ausüben. Eine Zuweisung erfolgt in diesen Fällen als eine „De-minimis“-Beihilfe im Sinne der vorgenannten Verordnung.

5
Verfahren

Eine Zuweisung wird nur auf Antrag gewährt.

5.1
Bewilligungsbehörde

Bewilligungsbehörde ist die Bezirksregierung Arnsberg.

5.2
Antragsverfahren

Die Antragstellung erfolgt in digitalisierter Form. Das Antragsformular wird auf der Internetseite der Bezirksregierung Arnsberg eingestellt. Anträge können bis zum 30. November 2022 gestellt werden. Später eingehende Anträge bleiben unberücksichtigt.

Zur Vermeidung von Doppelförderungen müssen Kreise erklären, dass für das Vorhaben, für das eine Zuweisung beantragt wird, kein Antrag seitens einer der kreisangehörigen Gemeinden eingereicht wurde oder werden wird. Diese Erklärung erfolgt im Rahmen der digitalen Antragstellung. 

In einem Antrag können mehrere Vorhaben abgebildet werden.

5.3
Bewilligungsverfahren

Die Bewilligung erfolgt durch Bescheid der Bewilligungsbehörde. Der Bescheid wird von dieser als elektronischer Verwaltungsakt gemäß § 3a Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122) geändert worden ist, in Verbindung mit § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 666), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist, ausschließlich per E-Mail zugeleitet.

Bewilligungen unterhalb von 5 000 Euro werden nicht vorgenommen.

Der Bewilligungsbescheid ersetzt nicht die aufgrund anderer Rechtsvorschriften bestehende Verpflichtung, für das beabsichtigte Vorhaben eine Genehmigung, Erlaubnis oder Zustimmung einzuholen.

5.4
Auszahlungsverfahren

Die Auszahlung der Zuweisungen erfolgt unmittelbar nach Bewilligung. Das Vorhaben muss bis zum 30. Juni 2023 abgeschlossen sein. Eine Verlängerung des Durchführungszeitraumes ist nur in besonders gelagerten Einzelfällen bei entsprechender Begründung mit Genehmigung durch die Bewilligungsbehörde möglich. Anträge auf Genehmigung zur Verlängerung des Durchführungszeitraumes müssen bis spätestens 31. Mai 2023 bei der Bewilligungsbehörde gestellt werden.

Im Falle eines nicht fristgerechten Abschlusses des Projektes muss die Kompensationsleistung vollständig zurückgezahlt werden.

Zur Bestätigung der zweckentsprechenden Verwendung der Zuweisung bedarf es einer unterzeichneten Erklärung der zuständigen Hauptverwaltungsbeamtin beziehungsweise des zuständigen Hauptverwaltungsbeamten, die bis spätestens zum 30. September 2023 bei der Bewilligungsbehörde vorliegen muss. Sie kann in digitalisierter Form vorgelegt werden.

Die Bewilligungsbehörde behält sich im Einzelfall eine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung vor.

6
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und am 30. Juni 2024 außer Kraft. Gleichzeitig tritt der Erlass zur Kompensation von Schäden in Folge ausgebliebener Investitionen in den Klimaschutz in den Kommunen durch die Corona-Pandemie vom 30. November 2021 (MBl. NRW. S. 1043) außer Kraft.

- MBl. NRW. 2022 S. 818