Historische SMBl. NRW.
Obsolet (Nummer 6 des RdErl.)
Historisch:
Kredite und kreditähnliche Rechtsgeschäfte der Gemeinden (GV) RdErl. d. Innenministeriums vom 9.10.2006 - 34-48.05.01/01 -
Kredite und kreditähnliche
Rechtsgeschäfte der Gemeinden (GV)
RdErl. d. Innenministeriums vom 9.10.2006
- 34-48.05.01/01 -
1
Vorbemerkung
Die Kreditaufnahme sowie der Abschluss kreditähnlicher Rechtsgeschäfte der Gemeinden (GV) unterliegen den Bestimmungen des § 86 der Gemeindeordnung (GO NRW). Die Aufnahme von Krediten für Investitionen und der Abschluss kreditähnlicher Rechtsgeschäfte müssen sich nach der wirtschaftlichen Leistungskraft der Gemeinde richten. Um die stetige Aufgabenerfüllung und eine nachhaltig geordnete Haushaltswirtschaft sicherzustellen, ist die Vereinbarkeit mit der wirtschaftlichen Leistungskraft besonders sorgfältig zu prüfen.
Die Beschränkung der Kreditaufnahme in § 86 GO NRW beruht auf den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 115 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz sowie auf Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen. In diesem Sinne werden die Kredite für Investitionen haushaltsrechtlich von den Krediten zur Liquiditätssicherung (vgl. § 89 GO NRW) unterschieden.
2
Kredite für Investitionen und zur Umschuldung
2.1
Allgemeine Grundsätze
Die Gemeinden dürfen Kredite für Investitionen und zur Umschuldung aufnehmen (vgl. § 86 Abs. 1 GO NRW). Bei der Aufnahme dieser Kredite sind von der Gemeinde die haushaltswirtschaftlichen Grundsätze „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“ sowie die Nachrangigkeit dieser Finanzierung (vgl. § 77 Abs. 3 GO NRW) zu beachten. Vor der Aufnahme eines Kredites sind deshalb im Regelfall Angebote verschiedener Kreditgeber einzuholen. Für die Wirtschaftlichkeit eines Angebotes sind alle Vertragselemente zu berücksichtigen und zu bewerten.
2.1.1
Kreditkosten
Das Entgelt für den Kredit wird
durch Ermittlung des (vorläufigen) effektiven Jahreszinses unter Berücksichtigung
aller mit der Kreditaufnahme verbundenen Kosten festgestellt (vgl.: Preisangabenverordnung (PangV) vom 18.10.2002, BGBl.
1 S. 4197 in der jeweils geltenden Fassung). Zu diesen Kosten zählen
u.a. Disagios, Vermittlungs- und Abschlussgebühren.
Für die Kosten eines Kredites
ist die Zinsbelastung von entscheidender Bedeutung. Es ist deshalb unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten beim Abschluss und während der Laufzeit eines
Kredites immer auf die mögliche Zinsentwicklung zu achten.
Insbesondere bei einer Vereinbarung
variabler Zinssätze (z.B. Anbindung der Zinssätze an bestimmte Sätze wie
Diskont, Lombard, EURIBOR oder EONIA) hat die Gemeinde in eigener Verantwortung
eine sorgfältige Prognose der künftigen Zinsentwicklung (Zinsmeinung)
vorzunehmen und sich dabei gegebenenfalls durch eine spezialisierte
Fachberatung unterstützen zu lassen.
2.1.2
Laufzeit und Tilgung, Kündigungs- und Optionsvereinbarungen
Die Laufzeit eines Kredites soll
sich grundsätzlich an der Lebensdauer der damit finanzierten Vermögensgegenstände
orientieren. Langfristige nutzbare Vermögensgegenstände sollen möglichst auch
durch langfristige Kredite finanziert werden, sofern nicht eine andere Laufzeit
aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebotes angezeigt ist. Die zu vereinbarende
Tilgung kann sich im Regelfall an den erforderlichen Abschreibungen der
Vermögensgegenstände und soll sich an der Leistungskraft der Gemeinde
orientieren.
Die Vereinbarung besonderer
Kündigungs- bzw. Optionsrechte zu Lasten der Gemeinde ist nur dann zulässig,
wenn die Gemeinde im Rahmen ihrer Liquiditätsplanung hinreichende Vorsorge zur
Anschlussfinanzierung getroffen hat. Sofern besondere Kündigungs- bzw.
Optionsrechte vereinbart werden, so sind diese bei der Berechnung des
Kreditentgeltes entsprechend zu berücksichtigen.
2.2
Zinsderivate
2.2.1
Risikobegrenzung und Konnexität
Die Gemeinden können
Zinsderivate zur Zinssicherung und zur Optimierung ihrer Zinsbelastung nutzen.
Auch bei der Optimierung ihrer Zinsderivate verpflichten die maßgeblichen
Haushaltsgrundsätze die Gemeinden zur Beachtung des Vorrangs der Sicherheit und
Risikominimierung bei der Gestaltung der Kreditkonditionen. Die Zinsderivate
müssen deshalb bereits bestehenden Krediten zugeordnet werden können
(Konnexität).
Die vielfältigen
Finanzinstrumente der Geld- und Kapitalmärkte sollen im Rahmen einer
Risikostreuung nur in einem angemessenen und vertretbaren Umfang in Anspruch
genommen werden. Bei einer Optimierung der Zinsbelastung - insbesondere bei der
Zusammenstellung des Portfolios - ist bei den damit einhergehenden Risiken in
der Gesamtschau darauf zu achten, dass durch die Zinsderivate bestehende
Zinsrisiken nicht erhöht werden.
2.2.2
Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit Zinsderivaten
Zinsderivate werden von den
Gemeinden eigenverantwortlich im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung
genutzt. Hieraus ergibt sich, dass die Gemeinden im eigenen Interesse die
Chancen und Risiken - insbesondere beim Einsatz komplexer Zinsderivate - nach
den entsprechenden fachlichen Gesichtspunkten und mit gebotener Sorgfalt
beurteilen müssen. Die abgeschlossenen Finanzgeschäfte sollen hinsichtlich
ihres Umfangs und ihrer Grundlagen dokumentiert werden. Es ist dabei konkret zu
belegen, dass die Wirkungsweise und die Risiken des jeweils gewünschten
Zinsderivats der Gemeinde bekannt sind. Sofern auch eine Entscheidung über ein
selbst gesetztes eigenverantwortliches Risikolimit zu treffen ist, hat die
Gemeinde dieses ebenfalls zu dokumentieren. Im Zweifelsfall sollen sich die
Gemeinden bei diesen Finanzgeschäften einer spezialisierten Fachberatung
bedienen.
Während der Laufzeit der
Zinsderivate sind die von der Gemeinde abgeschlossenen Finanzgeschäfte in eine
laufende Risikokontrolle und in ein Berichtswesen einzubeziehen. Es ist dabei
nicht ausreichend, die Kontrolle über die gemeindlichen Finanzgeschäfte nur
einmal jährlich vorzunehmen.
2.2.3
Bewertungseinheiten bei Zinsderivaten
Es ist eine sachgerechte Analyse
der bestehenden Sicherungsbeziehungen vorzunehmen. Es können
Bewertungseinheiten gebildet werden, sofern folgende Voraussetzungen kumulativ
vorliegen:
- Beim Grund- und
Sicherungsgeschäft liegt aufgrund des diese Geschäfte beeinflussenden
Risikoparameters eine gegenläufige Wertentwicklung vor (Homogenität der
Risiken)
- Der Sicherungszusammenhang muss für den gesamten Zeitraum gegeben oder
zumindest herstellbar sein (zeitliche Kongruenz)
- Das Volumen des Sicherungsgeschäfts darf das Volumen der Grundgeschäfte zu
keinem Zeitpunkt übersteigen (abstrakte Konnexität).
Bei der Bildung von
Bewertungseinheiten entfällt die Pflicht zur Einzelbewertung und zur
Bilanzierung.
Der Sicherungszusammenhang zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft muss dabei über die gesamte Laufzeit des Zinsderivates nachvollziehbar und transparent dokumentiert sein. Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) hat für ihre überörtliche Prüfung insbesondere zur Bilanzierung von Zinsderivaten weitere Informationen unter www.gpa.nrw.de veröffentlicht.
2.2.4
Beteiligung des Rates beim Einsatz von Zinsderivaten
Die Entscheidungen über den
Einsatz von Zinsderivaten sind - wie bei anderen für die Gemeinde bedeutsamen
Geschäften - im Zweifel nicht als Geschäfte der laufenden Verwaltung zu
behandeln (vgl. § 41 GO NRW). Haben die Zinsderivatgeschäfte jedoch nur eine völlig
untergeordnete Bedeutung für die Haushaltswirtschaft der Gemeinde, kann von
einer vorherigen Beteiligung des Rates abgesehen werden.
2.2.5
Örtliche Dienstanweisungen
Die Gemeinden sollen örtliche
Dienstanweisungen erlassen, in denen u.a. die Beteiligung des Rates (vgl. Nr.
2.2.3), der Einsatz von Instrumenten, Verfahren zur Abschätzung von Chancen und
Risiken von Finanzgeschäften, eine Risikomessung und Risikobegrenzung und ein
Berichtswesen zu regeln sind. Diese örtlichen Bestimmungen sind für den Umgang
mit Zinsderivaten heranzuziehen und dem Abschluss der einzelnen Finanzgeschäfte
zu Grunde zu legen. Muster für solche Dienstanweisungen sind als Arbeitshilfe
bei den kommunalen Spitzenverbänden abrufbar.
2.3
Kredite in fremder Währung
Die Gemeinden können aus
Wirtschaftlichkeitserwägungen auch Kredite in fremder Währung aufnehmen, sofern
die fremde Währung auch über einen längeren Zeitraum Gewähr für hinreichende
Wechselkurssicherheit in Bezug auf die Eurozone bietet. Für die Aufnahme von
Krediten in fremder Währung gilt Ziffer 2.2 entsprechend. Zudem müssen
nachfolgende Anforderungen bei der Risikoabwägung und Risikovorsorge erfüllt
sein.
2.3.1
Risikoabwägung
Zur Vorbereitung der
Entscheidung der Gemeinde über die Aufnahme von Krediten in fremder Währung
sind unter Berücksichtigung der örtlichen Bedürfnisse die Entscheidungs- und
Auswahlkriterien einschließlich möglicher Zins- bzw.
Währungssicherungsinstrumente durch die Gemeinde zu bestimmen. Von der Gemeinde
sind dafür die notwendigen Informationen einzuholen. Dieses enthält
insbesondere die Verpflichtung, sich selbst Kenntnisse über Sicherheiten und
Risiken im Vergleich zu einer anderen Kreditaufnahme zu verschaffen. Wegen des
möglichen Wechselkursrisikos von Fremdwährungen bedarf es außerdem der laufenden,
eigenverantwortlichen „Kontrolle“ über die gesamte Laufzeit des Kreditgeschäfts
in fremder Währung.
2.3.2
Risikovorsorge
Von den Gemeinden muss bei der
Aufnahme von Krediten in fremder Währung, abhängig von der Höhe des
Wechselkursrisikos, gleichzeitig eine Risikovorsorge getroffen werden. Sie kann
regelmäßig darin bestehen, dass die Vorteile der Gemeinde aus der Aufnahme von
Krediten in fremder Währung nicht vollständig für Zwecke des gemeindlichen
Haushalts abgeschöpft werden. Für diese Risikovorsorge ist deshalb eine
Rückstellung entsprechend § 36 Abs. 5 GemHVO NRW zu bilden. Die Rückstellung
ist nach Wegfall des besonderen Fremdwährungsrisikos aufzulösen. Sollten keine
konkreten Anhaltspunkte für die Bestimmung der Risikovorsorge vorliegen, kann ein
Wertansatz in Höhe der Hälfte des Zinsvorteils der Gemeinde aus der
Kreditaufnahme in ausländischer Währung in der gemeindlichen Bilanz passiviert
werden.
2.4
Sonstige Vorschriften
Auf die Vorschriften des
Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) zur Kundeneinstufung von kommunalen
Gebietskörperschaften wird hingewiesen. Die Auslegung der Vorschriften und die
bankenaufsichtsrechtliche Zuständigkeit hierfür obliegen der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungen.
3
Kredite zur Liquiditätssicherung
Die
Gemeinden dürfen zur rechtzeitigen Leistung ihrer Auszahlungen die notwendigen
Liquiditätskredite bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten
Höchstbetrag aufnehmen, sofern keine anderen Mittel zur Verfügung stehen (vgl. § 89 GO NRW). Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Wirtschaftlichkeitsgebot
zu. Über die Finanzrechnung der Gemeinde im Jahresabschluss werden diese
Kredite in den gemeindlichen Haushalt einbezogen (vgl. § 39 GemHVO). Der
Überblick über die Verstärkung der liquiden Mittel der Gemeinde durch die
Liquiditätskredite wird auf der Passivseite der gemeindlichen Bilanz durch den
gesonderten Posten „Verbindlichkeiten aus Krediten zur Liquiditätssicherung“
(vgl. § 41 Abs. 3 Nr. 4.3 GemHVO NRW) sowie im Verbindlichkeitenspiegel (vgl. § 47 GemHVO NRW) transparent gemacht.
Die
Vorschrift des § 89 GO NRW enthält keine Bestimmung zur Laufzeit von Krediten
zur Liquiditätssicherung. Es obliegt daher der Gemeinde, die Laufzeit dieser
Kredite unter Beachtung der haushaltwirtschaftlichen Bestimmungen und
Erfordernisse eigenverantwortlich mit dem Kreditgeber zu vereinbaren. Dabei
darf der Charakter der Kredite zur Liquiditätssicherung nicht außer Acht
gelassen werden. Die Gemeinde hat daher bei ihrer Entscheidung zu beachten,
dass diese Kredite dem Zweck dienen, die Zahlungsfähigkeit der Gemeinde im
jeweiligen Haushaltsjahr aufrecht zu erhalten. Die Kredite zur
Liquiditätssicherung sind deshalb von vorübergehender Natur.
Aus diesem Grunde kann die
Gemeinde für einen Anteil am Gesamtbestand ihrer Kredite zur Liquiditätssicherung
auch Zinsvereinbarungen über eine mehrjährige Laufzeit nach den folgenden
Maßgaben treffen:
Für die Hälfte des
Gesamtbestandes an Krediten zur Liquiditätssicherung darf die Gemeinde
Zinsvereinbarungen mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren vorsehen. Für ein
weiteres Viertel am Gesamtbestand an Krediten zur Liquiditätssicherung dürfen
Zinsvereinbarungen mit einer Laufzeit von maximal fünf Jahren getroffen werden.
Die jeweiligen Anteile dürfen nicht wesentlich überschritten werden.
Maßgeblich für die Berechnung
dieser Umschuldungsmöglichkeiten ist der Bestand an Krediten zur
Liquiditätssicherung zum Ablauf des 31.12.2010.
Macht die Gemeinde von der
Möglichkeit Gebrauch, Zinsvereinbarungen über eine mehrjährige Laufzeit zu
treffen, hat sie insbesondere in ihrer mittelfristigen Finanzplanung
nachzuweisen, dass aus haushaltswirtschaftlichen Gründen eine vorzeitige
Tilgung der Kredite nicht in Betracht kommt oder entsprechende
Kündigungsoptionen vereinbart werden.
Zinsvereinbarungen, die eine
Laufzeit von fünf Jahren überschreiten, hat die Gemeinde zuvor mit der örtlich
zuständigen Kommunalaufsicht abzustimmen. Zu diesem Zweck hat sie die Aufsicht
rechtzeitig von der Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten
und ihr mit Hilfe geeigneter Unterlagen nachzuweisen, dass sie die Maßgaben
nach den betreffenden Regelungen dieses Erlass erfüllt. Nimmt die Aufsicht
binnen zweier Wochen nach Eingang des Abstimmungsersuchens hierzu keine
Stellung, gilt das Abstimmungsverfahren als ordnungsgemäß abgeschlossen.
Die Aufsicht kann auf die
Durchführung von Abstimmungsverfahren verzichten.
Die
Ziffer 2.1 gilt entsprechend. Die Ziffern 2.2 und 2.3 finden Anwendung, wenn
die Gemeinde bei Krediten zur Liquiditätssicherung auch
Zinssicherungsinstrumente einsetzt und/oder diese Kredite in Fremdwährung
aufnimmt.
4
Kreditähnliche Rechtsgeschäfte
4.1
Allgemeine Grundsätze
Neben der Aufnahme von Krediten wird die Haushaltswirtschaft der Gemeinden auch durch den Abschluss kreditähnlicher Rechtsgeschäfte zukünftig belastet. Das kreditähnliche Rechtsgeschäft begründet eine Zahlungsverpflichtung der Gemeinde, die einer Kreditaufnahme wirtschaftlich gleichkommt (vgl. § 86 Abs. 4 S. 1 GO NRW). Die hieraus übernommenen Verpflichtungen dürfen die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht gefährden. Gemeinden müssen deshalb auch für kreditähnliche Rechtsgeschäfte die gleichen Maßstäbe wie für eine Kreditaufnahme anlegen.
Für die Beurteilung, ob ein kreditähnliches Rechtsgeschäft vorliegt, kommt es auf den Einzelfall an. Entscheidend ist nicht die formale Bezeichnung und Einordnung des Geschäftes, sondern dessen wirtschaftliche Auswirkung. Beispiele kreditähnlicher Rechtsgeschäfte sind Leasinggeschäfte, atypische, langfristige Mietverträge ohne Kündigungsmöglichkeiten bzw. Nutzungsüberlassungsverträge für Gebäude auf gemeindeeigenen Grundstücken, periodenübergreifende Stundungsabreden, aber auch Leibrentenverträge, Ratenkaufmodelle oder ÖPP-Projekte der Gemeinden - etwa mit kombinierten kreditähnlichen Vertragselementen.
4.2
Anzeigepflicht
Die Entscheidung über die Begründung einer Zahlungsverpflichtung, die wirtschaftlich einer Kreditverpflichtung gleichkommt, ist nach § 86 Abs. 4 S. 1 GO NRW der Aufsichtsbehörde unverzüglich, spätestens einen Monat vor der rechtsverbindlichen Eingehung der Verpflichtung, schriftlich anzuzeigen. Unter die Anzeigepflicht fallen auch spätere Änderungen der in § 86 Abs. 4 GO NRW genannten Zahlungsverpflichtungen, wenn sie zu einer höheren Belastung der Gemeinde führen. In der Anzeige sind die tatsächlichen Verhältnisse und die finanziellen Auswirkungen im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsvergleiches darzustellen und auf Verlangen durch Vorlage der vertraglichen Abmachungen zu belegen. Die Monatsfrist ist keine Ausschlussfrist für aufsichtsbehördliches Handeln. Von der Anzeigepflicht ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, die als Geschäfte der laufenden Verwaltung nach § 41 Abs. 3 S.1 GO NRW gelten und abgeschlossen werden.
4.3
Nachweis der kreditähnlichen Rechtsgeschäfte
Zur Gewährleistung einer geordneten Haushaltswirtschaft hat die Gemeinde die aus kreditähnlichen Rechtsgeschäften bestehenden Finanzierungsverpflichtungen vollständig im Haushaltsplan darzustellen. Im Vorbericht zum Haushaltsplan (§ 7 GemHVO) ist deshalb aufzuführen, wie hoch die Belastungen aus kreditähnlichen Rechtsgeschäften (insbesondere Immobilien-Leasing) in den folgenden Jahren sein werden.
Der Nachweis der Verbindlichkeiten aus kreditähnlichen Rechtsgeschäften ist im Jahresabschluss der Gemeinde zu führen. In der Bilanz (vgl. § 41 Abs. 4 Nr. 4.4 GemHVO NRW) und im Anhang (vgl. § 44 GemHVO NRW) sowie im Verbindlichkeitenspiegel (vgl. § 47 GemHVO NRW) sind die dafür vorgesehenen Angaben zu machen und zu erläutern.
5
Besondere kreditähnliche Rechtsgeschäfte: ÖPP und Leasing
5.1.1
Ausschreibungspflicht
Bei der Vereinbarung eines ÖPP-Projekts oder eines Leasingvertrags durch die Gemeinde handelt es sich in der Regel um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Nach § 25 Abs. 1 der GemHVO hat dem grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorauszugehen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Angebote der in Frage kommenden Unternehmen im Leistungswettbewerb mit anderen Bewerbern zustande kommen, so dass die Gemeinde in die Lage versetzt wird, unter Ausnutzung aller Chancen am Markt das für sie günstigste Angebot zu wählen.
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten grundsätzlich die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB - 4. Teil) vom 15.7.2005 (BGBl. I S. 2114) in der jeweils geltenden Fassung, sofern im Einzelfall die EU-Schwellenwerte ohne Umsatzsteuer erreicht oder überstiegen werden. Diese ergeben sich aus § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) vom 11.2.2003 (BGBl. I S. 169) in der jeweils geltenden Fassung.
Bei Auftragsvergaben, deren Auftragswerte im Einzelfall diese EU-Schwellenwerte nicht erreichen, gelten gem. § 25 Abs. 2 GemHVO die Vergabebestimmungen, die das Innenministerium festlegt (vgl. Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV), Runderlass vom 22.3.2006 (SMBl. NRW. 6300) in der jeweils geltenden Fassung).
5.1.2
Zuwendungsrecht
Die Gemeinden haben die
Landeszuwendungen im Rahmen der vorgegebenen Zweckbestimmungen zu verwenden. ÖPP/Leasing-Projekte
sind grundsätzlich förderfähig. Die Fördermittel können an private Unternehmen
mit der Maßgabe weitergeleitet werden, dass die Bestimmungen des
Bewilligungsbescheides berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die jeweils
geltenden Förderrichtlinien und die haushaltsrechtlichen Bestimmungen zu
beachten.
5.2
Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP)
Durch die Umsetzung von ÖPP-Projekten können Gemeinden privates Kapital und Know-how in die Aufgabenerfüllung einbeziehen. Insbesondere durch Modelle, die über eine Investitionsfinanzierung hinausgehen, können Effizienzvorteile erreicht werden. In diesem Sinne handelt es sich bei ÖPP-Projekten um eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit der Gemeinden mit privaten Unternehmen. Dabei werden in der Regel die Planung, der Bau, die Finanzierung, die Instandhaltung und Instandsetzung sowie weitere betriebliche Leistungen über den gesamten Lebenszyklus einer Liegenschaft von dem privaten Partner übernommen. Die Finanzierung erfolgt durch laufende Nutzungsentgelte, Leasingraten oder Mieten der Gemeinde. ÖPP-Projekte sind als kreditähnliche Rechtsgeschäfte anzeigepflichtig. (vgl. § 86 Abs. 4 GO NRW)
5.2.1
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, konventioneller Vergleichswert (Public Sector
Comparator, PSC)
Zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit eines ÖPP-Projektes besteht im Rahmen der Anzeige nach § 85 Abs. 4 GO NRW für die Gemeinde die Verpflichtung, eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorzulegen, die das ÖPP-Projekt mit den Kosten einer kommunalen Eigenerstellung (Konventioneller Vergleichswert/ PSC) vergleicht. Auch hier gilt der Grundsatz, dass die ÖPP-Lösung wirtschaftlich jedenfalls nicht ungünstiger sein darf als die Eigenerstellung. Bei der Aufstellung des PSC müssen die voraussichtlichen Kosten und ggf. Erlöse der kommunalen Eigenerstellung bezogen auf die geplante Vertragslaufzeit geschätzt werden. Dazu gehören: Investitionskosten (Planung und Bau), Finanzierungskosten, Betriebskosten (inkl. Instandhaltung und –setzung), Transaktions- und Verwaltungskosten, Risikokosten und ggf. Kosten bzw. Erlöse der Verwertung. Die Methodik des PSC im Einzelnen ist dem jeweils aktuellen Leitfaden „Wirtschaftlichkeitsvergleich bzw. – untersuchungen bei PPP-Projekten“ des FM NRW zu entnehmen.
5.2.2
Bilanzierung des ÖPP-Projektes
Ob und in welcher Höhe die Bilanzierung eines ÖPP-Projektes bei der Gemeinde vorzunehmen ist, richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften der Gemeindehaushaltsverordnung. Für eine Aktivierung und Passivierung in der gemeindlichen Bilanz ist das wirtschaftliche Eigentum der Gemeinde am Vermögensgegenstand ausschlaggebend. Aus Gründen der Vereinfachung kann im Regelfall die steuerrechtliche Behandlung des jeweiligen Projektes zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu die Leasingerlasse des Bundesministerium der Finanzen in der jeweils geltenden Fassung).
5.2.3
Veranschlagung im Haushalt
Das Leistungsentgelt eines ÖPP-Projektes ist –abhängig von der gewählten Modellvariante und soweit möglich- in seine konsumtiven und investiven Anteile aufzuteilen. Die konsumtiven Anteile zum Betrieb und zur Unterhaltung einer Liegenschaft sind als Aufwendungen in der Ergebnisrechnung zu buchen. Gleiches gilt für etwaige Erlöse aus dem Betrieb einer Liegenschaft. Investive Anteile z.B. Baukosten sind als gemeindliche Investition mit den jährlichen Auszahlungen im Finanzplan (§ 3 GemHVO NRW) nachzuweisen. Eine pauschale Zuordnung nach dem Prinzip der „überwiegenden Zugehörigkeit“ ist zu vermeiden. Die Veranschlagung wird dadurch erleichtert, dass Bieter bei der Angebotsabgabe i.d.R. aufgefordert werden, die Preise für einzelne Leistungsbereiche wie Bau, Betrieb, Unterhaltung und Finanzierung gesondert anzugeben.
5.2.4
Haushaltssicherung und vorläufige Haushaltsführung
Grundsätzlich können auch Kommunen, die sich in der Haushaltssicherung oder wegen eines nicht genehmigten Haushaltssicherungskonzepts dauerhaft in der vorläufigen Haushaltsführung befinden, ÖPP-Projekte im Falle ihrer Wirtschaftlichkeit nutzen. Bei einer Entscheidung über kreditähnliche Rechtsgeschäfte sind jedoch insbesondere meine Erlasse zur Haushaltssicherung und zur vorläufigen Haushaltsführung zu beachten.
5.3
Leasing
5.3.1
Allgemeine Grundsätze
Als Alternative zur herkömmlichen Kreditfinanzierung wählen Gemeinden insbesondere Leasing- Modelle, immer häufiger auch im Zusammenhang mit ÖPP.
Leasing ist die langfristige Vermietung (Anmietung) von beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenständen, wenn ein späterer Eigentumsübergang vertraglich ermöglicht wird. Die Dauer des Vertrages und die Höhe der Leasingraten werden so bemessen, dass der Leasinggeber während der Vertragsdauer seine Investitionskosten ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil decken kann. Die Leasingrate (Miete) setzt sich aus den Kapitalkosten sowie einem Zuschlag für Kosten, Risiko und Gewinn des Leasinggebers zusammen. Kosten des Leasingobjektes wie Abgaben, Versicherungen u. ä. werden dem Leasingnehmer meistens gesondert in Rechnung gestellt. Je nach der vertraglichen Gestaltung des Leasingvertrages werden die Instandhaltung bzw. die Unterhaltung des Objektes entweder vom Leasingnehmer oder vom Leasinggeber getragen. Sofern der Private als Leasinggeber auch für die Instandhaltung bzw. die Unterhaltung des Objektes verantwortlich ist, handelt es sich regelmäßig zugleich um ein ÖPP-Projekt.
Bei den Leasing-Objekten kann es sich sowohl um unbewegliches Anlagevermögen handeln, wie z.B. Bürogebäude, Sportanlagen (Immobilien-Leasing), als auch um bewegliches Anlagevermögen, wie z.B. EDV-Anlagen, Telekommunikationsanlagen, Fahrzeuge (Mobilienleasing).
Die Finanzierung von Vermögensgegenständen über Leasing kann für Gemeinden eine sinnvolle Alternative zur Finanzierung über Kredite sein. Hierzu ist nachzuweisen, dass die Leasingvariante für die Gemeinde gegenüber einer Finanzierung mit Krediten jedenfalls wirtschaftlich nicht ungünstiger ist. Auch bei Leasinggeschäften, die weder Betrieb noch Unterhaltung des Vermögensgegenstandes umfassen, ist der Kommunalaufsicht im Rahmen des Anzeigeverfahrens eine konventionelle Vergleichsrechnung vorzulegen, bei der die anfallenden Kosten und Risiken in Abhängigkeit vom konkreten Vertragsmodell entsprechend anzusetzen sind.
Bei Leasinggeschäften gelten für die Bilanzierung und die Veranschlagung im Haushalt die Ziffern 5.2.2 und 5.2.3 entsprechend.
5.3.2
Sale and Lease Back Modelle
Im Rahmen von „Sale and Lease Back“ Geschäften überträgt die Gemeinde das Eigentum an einem Objekt dem privaten Investor zur Sanierung, um es zur erforderlichen kommunalen Aufgabenerfüllung von ihm wieder anzumieten. Dies ist nach Sinn und Zweck des § 90 Abs. 3 GO NRW nur dann zulässig, wenn die Nutzung des Vermögensgegenstandes zur Aufgabenerledigung der Gemeinde langfristig gesichert ist und die Aufgabenerledigung dadurch wirtschaftlicher wird. Die stetige Aufgabenerledigung ist in der Regel dann gesichert, wenn das Sale and Lease Back Geschäft zur Werterhaltung bzw. Wertsteigerung des Objekts bestimmt ist und der Gemeinde daran zur Aufgabenerfüllung ein langfristiges Nutzungsrecht sowie eine Rückkaufoption eingeräumt wird.
6
Geltungsbereich und Geltungsdauer
Der Runderlass gilt für die Gemeinden des Landes NRW sowie entsprechend für die Gemeindeverbände. Der Runderlass tritt zum 31. Dezember 2014 außer Kraft.
7
In-Kraft-Treten und Aufhebung von Runderlassen
Der Erlass tritt am Tag nach der öffentlichen Bekanntgabe im Ministerialblatt in Kraft.
Der Runderlass des Innenministers „Kreditwirtschaft der Gemeinden (GV)“ vom 23.6.1989, Az.: III B 3-5/601-5094/89 (SMBl. NRW 652) sowie der Runderlass des Innenminister „Aufnahme von Krediten in fremder Währung durch Gemeinden und Gemeindeverbände (Fremdwährungskredite)“ vom 30.8.2004, Az.: 34-48.05.11-1290/04 (SMBl. NRW 652) werden aufgehoben.
MBl. NRW. 2006 S. 505, geändert d. RdErl. v. 4.9.2009 (MBl. NRW. 2009 S. 428), 13.12.2010 (MBl. NRW. 2010 S. 906), 6.5.2011 (MBl. NRW. 2011 S. 228).