Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Augehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) RdErl. d. Innenministers v. 24. 3. 1970 — VI B l — 15.10.40¹)

 

Historisch:

Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) RdErl. d. Innenministers v. 24. 3. 1970 — VI B l — 15.10.40¹)

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Verwaltungsvorschrift

zur Durchführung des Gesetzes über Hilfen und

Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten

(PsychKG)

RdErl. d. Innenministers v. 24. 3. 1970 — VI B l — 15.10.40¹)

Bei der Durchführung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) vom 2. Dezember 1969 (GV. NW. S. 872 / SGV. NW. 2128) sind die folgenden Grundsätze zu beachten; sie gelten für die Gesundheitsämter nach § 5 Abs. 4 Buchstabe a PsychKG und für die Ordnungsbehörden nach § 9 Abs. 2 Buchstabe a OBG als allgemeine Weisung.

1 Anwendungsbereich (§ 1)

Die in § l des Gesetzes.gegebene Übersicht über den Gesetzesinhalt zeigt die Schwerpunkte der gesamten nachfolgenden Bestimmungen auf. Eine materielle Regelung als selbständige Grundlage für ein Verwaltungshandeln enthält dieser Paragraph nicht. Auch der letzte Halbsatz in § l Nr. 3 stellt lediglich klar, daß mit den Vorschriften über die Unterbringung im Fünften Abschnitt des Gesetzes dem Erfordernis des Artikels 104 des Grundgesetzes nach' einem förmlichen Gesetz Rechnung getragen ist.

2 Allgemeine Bestimmungen über die Hilfen für psychisch Kranke (§ 2)

2.1 Das PsychKG geht zur Abgrenzung gegenüber auf anderer Rechtsgrundlage beruhenden Hil/en von dem Begriff „Hilfen für psychisch Kranke" ggf. mit dem Zusatz: vorsorgende oder nachgehende aus. Damit kommt auch zum Ausdruck, daß es sich um persönliche Hilfen handelt. Das Wort: Hilfen oder Hilfe sollte für sich allein nur verwendet werden, wenn keine Verwechslung mit sonstigen Hilfen etwa nach dem Bundessozialhilfegesetz zu erwarten ist.

2.2 Die in § 2 des Gesetzes festgelegte Aufgabe gilt sowohl für die vorsorgende (§ 7) als auch für- die nachgehende (§ 34) Hilfe für psychisch Kranke; sie umfaßt nicht die ärztliche Behandlung. Personen, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, werden grundsätzlich vom behandelnden Arzt im Sinne von § 2 des Gesetzes beraten und betreut. Eine die ärztliche Behandlung begleitende Hilfe, etwa durch Unterweisung der Umwelt in der Familie ujid am Arbeitsplatz oder durch geeignete Sicherung der Wirksamkeit ärztlich verordneter Maßnahmen, kommt jedoch auf Anregung des behandelnden Arztes oder jedenfalls in Abstimmung mit ihm in Betracht.

3 Anspruch auf Hilfen für psychisch Kranke (§ 3)

3.1 Auf die Gewährung der Hilfen besteht nach § 3 des Gesetzes ein Rechtsanspruch der. betroffenen Person.

.3.2 Der Anspruch auf Hilfen ist von einem begründeten Antrag beim Gesundheitsamt abhängig, der von der betroffenen Person selbst, von anderen oder etwa auch von Dienststellen,' insbesondere der Familienfürsorge, denen' gelegentlich der Bearbeitung eines Vorganges die Gewährung einer derartigen Hilfe zweckdienlich erscheint, gestellt werden kann. Die in einem Antrag enthaltenen Angaben sind vom Gesundheitsamt zunächst auf ihre objektive'Begründetheit zu überprüfen; werden dafür, insbesondere bei einem nicht von der betroffenen Person gestellten Antrag, Rückfragen oder weitere Feststellungen erforderlich, haben die Beauftragten des Gesundheitsamtes mit besonderem Einfühlungsvermögen und größtmöglicher Rücksichtnahme auf das Ansehen der betroffenen Person bei Außenstehenden vorzugehen. Anonyme Anträge, anonyme Eingaben und sonstige Schreiben ohne Absender lassen sich mit Rückfragen beim Antragsteller nicht nachprüfen,- sie sind nicht als wohlmeinende, nach der Zielrichtung des PsychKG im Interesse der genannten Person liegende, begründete Anträge im Sinne von § 3 des Gesetzes

anzusehen, darum vom Gesundheitsamt nicht weiter zu verfolgen und zu vernichten.

3.3 Die Überprüfung eines Antrages hat sich darauf zu beziehen, ob Anzeichen eines Zustandes der in § l Nr. l bezeichneten Art bei der betreffenden Person festzustellen sind. Dies obliegt ärztlicher Entscheidung. Das Gesetz geht daher auch von anerkannten medizinischen Begriffen aus. Die Anspruchsvoraussetzungen umfassen bereits erkennbare Vorstadien eines Zustandes, um eine möglichst weite Anspruchsberechtigung zu geben.

3.4 Ist der Antrag begründet, muß das Gesundheitsamt sofort tätig werden. Eine Inanspruchnahme der Hilfen ist nicht zu erzwingen. Stellt sich heraus, daß die betroffene Person ausdrücklich keine Beratung und Betreuung durch das Gesundheitsamt wünscht, erlischt der Anspruch. Das Gesundheitsamt hat von weiteren Maßnahmen, die auf eine Gewährung der Hilfe für psychisch Kranke gerichtet sind, abzusehen, es sei denn, daß Maßnahmen nach dem Vierten oder Fünften Abschnitt in Betracht kommen. Der Antrag kann jedoch jederzeit erneut gestellt werden.

4 Zusammenarbeit (§ 6)

Das Gesetz sieht keine Subsidiarität der Hilfen für psychisch Kranke vor. Das Gesundheitsamt ist somit im Rahmen des § 2, vorbehaltlich der Ausführungen unter Nummer 2.2, für die Beratung und Betreuung verantwortlich. Diese Aufgabe erfordert eine enge Fühlungnahme des Gesundheitsamtes mit den Ärzten und Stellen, die dazu beitragen können, daß die in Betracht kommenden Personen die im Einzelfall erforderliche gesundheitliche Unterstützung erhalten. In Frage kommen etwa die Träger von Tag- oder Nachtkliniken, von beschützenden Werkstätten, von Einrichtungen der Jugendpsychiatrie, von Sonderschulen, Sonderkindergärten, Altersheimen, psychiatrischen Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen, Pflegeheimen, der Berufsberatung, dem Träger der Sozialhilfe (Sozialamt), dem Müttergenesungswerk und ähnlichen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Das Gesundheitsamt hat jeweils auf die Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen, ohne in eine etwaige ärztliche Behandlung einzugreifen, zu achten. .

5 Durchführung der vorsorgenden Hilfe für psychisch Kranke (§ 8)

5.1 Die im Gesetz vorgeschriebenen Sprechstunden müssen bei den Gesundheitsämtern stattfinden. Das Gesetz schließt damit nicht aus, daß sie auch bei Bezirksund Nebenstellen eines Gesundheitsamtes abgehalten werden. Ein räumlicher Zusammenhang mit-dem Gesundheitsamt der Bezirks- oder Nebenstelle ist nicht unbedingt notwendig. Jedoch sind die Sprechstunden nicht in einen Krankenhausbereich zu verlegen. In größeren Kreisen und kreisfreien Städten sind für Suchtkranke getrennte Sprechstunden angezeigt.

5.2 Mit der Leitung der Sprechstunden soll ein Arzt, der als Facharzt auf dem psychiatrischem Gebiet anerkannt ist, betraut werden. Für den Fall, daß kein derartiget Facharzt, gegebenenfalls auch im Nebenamt, zur Verfügung steht, kann ein anderer Arzt, der aber nach Erhalt seiner Bestallung oder Approbation Erfahrungen in der Psychiatne erworben hat, diese Aufgabe wahrnehmen.

5.3 Bei den ärztlichen Feststellungen bedarf die Altersgruppe der Klein- und Schulkinder besonderer Aufmerksamkeit. Neurotische Verhaltensstörungen und die verschiedenen Schweregrade der Intelligenzminderung begründen meistens den Anspruch auf vorsorgende Hilfe. Die Gesundheitsämter können, wenn es zweckmäßig ist, einem derartigen Anspruch auch im Rahmen der Gesundheitspflege für 'Kleinkinder und des schulärztlichen Dienstes sowie' der ärztlichen Mitarbeit in schulpsychologischen Beratungsstellen gerecht werden. Bedeutsam ist auch hier die Zusammenarbeit mit den unter Nummer 4 genannten Stellen.

') MBl. NW. 1970 S. 702, geändert durch RdErl. v. 12. 11. 1984 (MBl. NW. 1984 S. 1779).

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5.4 Um die vorsorgende Hilfe für psychisch Kranke bestmöglich durchführen zu können, empfiehlt es sich, bei den Gesundheitsämtern neben in der Jugendpsychiatrie erfahrenen Ärzten und Kinderärzten auch Psychologen zur Mitarbeit heranzuziehen.

5.5 Soweit das Gesundheitsamt in den Sprechstunden Personen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Kräfte oder drohender Behinderung dieser Art berät, kann es damit zugleich Aufgaben wahrnehmen, die ihm nach § 126 Nr. l des Bundessozialhilfegesetzes zugewiesen sind.

5.6 Die Aufgaben der Jugendämter nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz bleiben unberührt. Im übrigen steht das Gesundheitsamt den Erziehungsberechtigten in Fragen, welche die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes betreffen, für eine ärztliche Beratung nach § 4 Abs. 6 der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 6. Februar 1935 (RGS. NW. S. 3) zur Verfügung.

6 Maßnahmen des Gesundheitsamtes zur Untersuchung (§ 9)

6.1 Gewichtige Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. l, die das Gesundheitsamt veranlassen können, jemanden zu einer Untersuchung in der Sprechstunde des Gesundheitsamtes aufzufordern, lassen sich keinesfalls auf einen bloßen Verdacht stützen. Vielmehr müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die in Betracht kommende Person an einer der in § 9 genannten psychischen Krankheiten leidet und deswegen ein schwerwiegender persönlicher Schaden oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung droht.

6.2 Die Aufforderung soll sich in der Regel nur an Personen richten, die, soweit dem Gesundheitsamt bekannt ist, zur Zeit nicht in ärztlicher Behandlung stehen und auch die vorsorgende Hilfe für psychisch Kranke nicht in Anspruch nehmen, da anderenfalls die notwendige ärztliche Betreuung gesichert ist.

6.3 Die aufgeforderte Person hat jederzeit das Recht der freien Arztwahl. Darauf ist vom Gesundheitsamt hinzuweisen. In den schriftlichen Aufforderungen nach § 9 Abs. l,

sich zur Vornahme einer kostenlosen Untersuchung des Gesundheitszustandes zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Sprechstunde des Gesundheitsamtes einzufinden, ist daher zu bemerken, daß

der Aufforderung nicht Folge geleistet zu werden braucht, wenn

die aufgeforderte Person dem Gesundheitsamt unverzüglich

Name und Anschrift des Arztes mitteilt, in dessen Behandlung sie sich begeben hat, und bestätigt, daß sie den behandelnden Arzt ermächtigt hat, das Gesundheitsamt von der Übernahme der Behandlung zu unterrichten; sobald der behandelnde Arzt das Gesundheitsamt unterrichtet hat, werde das Gesundheitsamt von weiteren Maßnahmen absehen.

6.4 In der erneuten Aufforderung nach § 9 Abs. l Satz 3 ist unter Hinweis auf die erste Aufforderung und den ggf. durchgeführten Hausbesuch zu bemerken, daß, falls dieser erneuten Aufforderung nicht nachgekommen wird, die aufgeforderte Person mit einer Vorführung gemäß § 9 Abs. l Satz 4 zu rechnen hat; auch jetzt noch werde das Gesundheitsamt von weiteren Maßnahmen absehen, sobald es unterrichtet ist, daß ein Arzt die Behandlung übernommen hat, s. im einzelnen Nummer 6.3.

7 Allgemeines zur Unterbringung (§§ 10—33)

Der Fünfte Abschnitt mit den §§ 10 bis 33 enthält die nach Artikel 104 des Grundgesetzes für die Unterbringung, durch die den betroffenen Personen die persönliche Bewegungsfreiheit entzogen wird, erfor-

derlichen förmlichen Gesetzesvorschriften. Darauf wird bereits in § l Nr. 3 PsychKG hingewiesen. Im Gesetz ist nicht von Freiheitsentziehung gesprochen, um von vornherein auch nur den Anschein einer Herabwürdigung der psychisch Kranken zu vermeiden. Bei Gegenüberstellung der Sofortigen Unterbringung (§ 17) und Einstweiligen Unterbringung (§ 18) zur Sonstigen Unterbringung (§ 19) ist im Gesetz auch nicht von endgültiger Unterbringung gesprochen, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, daß eine Entlassung aus der Unterbringung kaum zu erwarten wäre. Die mit der Durchführung des Gesetzes befaßten Verwaltungsbehörden und Stellen haben die Ausdrucksweise des Gesetzes zu verwenden.

8 Begriff der Unterbringung (§ 10)

8.1 Nach der in § 10 Abs. l getroffenen Begriffsbestimmung gehört zur Unterbringung nicht nur die gegen deh Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit vorgenommene Einweisung in einen abgeschlossenen Krankenhausbereich, sondern auch das dortige Verbleiben. Eine Unterbringung liegt nicht vor, wenn sich jemand freiwillig in psychiatrische Krankenhausbehandlung oder eine Entziehungsanstalt für Sucht-kranke, sei es auf Überweisung eines Arztes, sei es auch auf helfende Empfehlung des Gesundheits- oder Ordnungsamtes, begibt und dort verbleibt.

8.2 Nach § 10 Abs. 2 kommt es für den dort genannten Personenkreis nicht auf den eigenen Willen an. Maßgebend ist vielmehr bei

8.21 Personen, die unter elterlicher Gewalt stehen, der Wille der Eltern. Sind die Eltern mit der Aufnahme des Kindes in einem abgeschlossenen Krankenhausbereich einverstanden, ist kein Unterbringungsverfahren mit gerichtlidier Entscheidung erforderlich; sind sie nicht einverstanden, richtet sich die Unterbringung nach diesem Gesetz;

8.22 Personen, die unter Vormundschaft stehen, der Wille des Vormunds mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1800 Abs. 2 BGB). Der Vormund kann im Rahmen seines Aufentnaltsbestim-mungsrechts das Mündel auch gegen dessen Willen in einen abgeschlossenen Krankenhausbereich aufnehmen lassen, sofern das Vormundschaftsgericht dies vorher genehmigt hat; in diesem Fall ist kein Unterbringungsverfahren erforderlich. Ist der Vormund mit der Krankenhausaufnahme nicht einverstanden, kommt eine Unterbringung nach diesem Gesetz in Betracht. Ist der Vormund einverstanden, hat aber das Vormundschaftsgericht die beabsichtigte Einweisung des Mündels in einen abgeschlossenen Krankenhausbereich nicht genehmigt, wird für die örtliche Ordnungsbehörde nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen Veranlassung bestehen, dennoch das Unterbringungsverfahren einzuleiten, wenn sie auch unter Abwägung der Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes zu der Auffassung kommt, daß die Unterbringung wegen einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, die nicht anders abgewendet werden kann, doch erforderlich ist;

8.23 geschäftsunfähigen Personen, für die ein Pfleger mit dem Recht zur Bestimmung des Aufenthaltes bestellt ist, der Wille des Pflegers mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1915 Abs. l in Verbindung mit § 1800 Abs. 2 BGB). Nummer 8.22 gilt im übrigen entsprechend. Dagegen dürfen geschäftsfähige Personen, für die ein Gebrechlichkeitspfleger bestellt ist, nicht gegen ihren Willen von .dem Gebrechlichkeitspfleger untergebracht werden; bei ihnen bleibt der eigene Wille maßgebend.

8.3 Hält die örtliche Ordnungsbehörde die Betreuung einer in § 10 Abs. 2 genannten Person in einem abgeschlossenen Krankenhausbereich für erforderlich, so soll sie, soweit es sich zeitlich ermöglichen läßt, umgehend mit der verantwortlichen Person Fühlung aufnehmen zur Feststellung, ob diese mit der Krankenhausaufnahme einverstanden ist, um auf diese Weise ein. Unterbringungsverfahren vermeiden zu können. Wird das Einverständnis erzielt, empfiehlt

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es sich, in den unter den Nummern 8.22 und 8.23 angesprochenen Fällen darauf hinzuweisen, daß für die Krankenhausaufnahme die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einzuholen ist. Können die verantwortlichen Personen den Kranken nicht selbst in das Krankenhaus bringen, so darf es die Ordnungsbehörde im Einvernehmen mit ihnen tun.

9 Voraussetzungen der Unterbringung (§ 11)

9.1 An die Stelle der Begriffe Geisteskrankheit und Geistesschwäche in dem jetzt außer Kraft getretenen Gesetz über die Unterbringung geisteskranker, geistesschwacher und such'tkranker Personen ist nunmehr die spezielle medizinische Ausdrucksweise getreten, wobei insbesondere unter Psychosen die echten Geisteskrankheiten zu verstehen sind.

9.2 Die bloße Tatsache einer psychischen Krankheit allein rechtfertigt nicht die Unterbringung nach diesem Gesetz. Zu den Tatbestandsmerkmalen einer Psychose, einer psychischen Störung, die in ihrer Auswirkung einer Psychose gleichkommt, einer Suchtkrankheit oder des Schwachsinns muß außerdem hinzutreten, daß das Verhalten des Kranken gegen sich selbst oder andere eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedeutet, die nicht anders als durch eine Unterbringung abgewendet werden kann. Der Begriff der gegenwärtigen Gefahr ist in § 11 Abs. 2 näher bestimmt.

9.3 Zur Beurteilung und zum Nachweis der gegenwärtigen Gefahr bedarf es der Feststellung von Tatsachen, die gegebenenfalls vom Gericht nachgeprüft werden können. So genügt die Unberechenbarkeit des Verhaltens eines psychisch Kranken für sich nicht als Unterbringungsvoraussetzung; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die den Eintritt eines schadenstiftenden Ereignisses als unmittelbar bevorstehend erwarten lassen.

9.4 Nach dem ausdrücklichen Hinweis des Gesetzes kann eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auch in dem Verhalten des Kranken gegen sich selbst bestehen. § 11 Abs. l Satz 2 umschreibt dieses genauer. Neben der Gefahr des Selbstmordes kommt auch die Gefahr der Selbstverstümmelung, der Gifteinnahme oder einer ähnlichen körperlichen Selbstschädigung in Betracht. Auch die Verwahrlosung fällt in diesen Bereich, wenn sie eine akute Gesundheitsgefahr für den psychisch Kranken mit sich bringt; das wird in fortgeschrittenen Stadien der Verwahrlosung regelmäßig der Fall sein. Der drohende gesundheitliche Schaden muß jedoch erheblich sein. Jedenfalls aber ist die mangelnde Bereitschaft eines psychisch Kranken,.sich in ärztliche Behandlung zu begeben, kein Unterbringungsgrund. Denn im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Person hat der Staat nicht die Berechtigung, seinen Bürgern, allein um sie zu bessern, die Freiheit entziehen zu lassen. Voraussetzung dafür ist vielmehr, daß sie sich selbst oder andere gefährden, wenn sie nicht untergebracht werden.

9.5 Die Unterbringung ist nur zulässig, wenn die gegenwärtige Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Die Ordnungsbehörden haben daher stets — möglichst im Zusammenwirken mit dem Gesundheitsamt — zu prüfen, ob nicht der Notlage des psychischen Kranken nach ihrer besonderen Eigenart ohne Entziehung der persönlichen Freiheit abgeholfen werden kann, etwa durch die Aufnahme bei Verwandten oder mit Hilfe fürsorgerischer Maßnahmen; s. a. Nummer 8.2.

9.6 Eine Unterbringung nach dem PsychKG kommt nicht in Betracht, wenn eine strafgeriditlidie Anordnung auf einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus — in § 42 b StGB und § 126 a StPO heißt es: Heil- und Pflegeanstalt — getroffen worden ist. Eine Unterbringungsanordnung, die sich auf das PsychKG stützt, wird vom Gericht aufgehoben, wenn später eine strafgerichtliche Unterbringungsanordnung ergeht.

10 Sachliche Zuständigkeit (§ 12)

10.1 Die Anordnung der Unterbringung obliegt dem Amtsgericht. Die örtliche Ordnungsbehörde stellt lediglich den Antrag auf Unterbringung. Zuständig für die Antragstellung ist die örtliche Ordnungsbehörde, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden (§ 4 Abs. l Satz 2 OBG). Hiernach ist in der Regel die Ordnungsbehörde am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterzubringenden zuständig. Befindet sich dagegen der Betroffene zum Zeitpunkt der erforderlichen Einschaltung der örtlichen Ordnungsbehörde bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus, so wird regelmäßig die für das Krankenhaus zuständige örtliche Ordnungsbehörde den Antrag gemäß § 12 zu stellen haben.

10.2 Der Antrag der örtlichen Ordnungsbehörde an das Amtsgericht ist schriftlich zu stellen und muß darauf gerichtet sein, daß die Unterbringung der genau zu bezeichnenden Person angeordnet werden möge.

10.3 Die Antragsschrift soll ferner enthalten:

10.31 eine Äußerung darüber, ob eine einstweilige Unterbringung nach § 18 angebracht erscheint,

10.32 einen Hinweis darauf, ob die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der beantragten Entscheidung nach § 24 Abs. 2 für erforderlich gehalten wird,

10.33 eine Begründung des Antrages, die dem Gericht besonders in den Fällen der sofortigen Unterbringung eine Prüfung ermöglicht, mit der Angabe,

10.331 ob die bezeichnete Person an einer 'Psychose, einer psychischen Störung, die in ihrer Auswirkung einer Psychose gleichkommt, einer Suchtkrankheit oder an Schwachsinn leidet,

10.332 von Tatsachen darüber, inwiefern das durch diesen Krankheitszustand bedingte Verhalten des Kranken gegen sich selbst oder andere eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedeutet und

10.333 daß keine anderen Möglichkeiten insbesondere • fürsorgerischer Art bestehen, diese Gefahr abzuwenden.

10.34 Außerdem soll der Antrag enthalten:

10.341 einen Vermerk, daß das ärztliche Zeugnis beigefügt ist und

10.342 die Bezeichnung der Personen mit Namen und, wenn möglich, Anschrift, die nach § 16 Abs. 3 zu hören sind.

10.4 Dem ärztlichen Zeugnis, das dem schriftlichen Antrag beigefügt werden soll, kommt besondere Bedeutung zu, da die Feststellung der in § 11 Abs. l genannten Krankheiten nur auf Grund medizinischer Erkenntnisse getroffen werden kann. Das Zeugnis des Arztes muß sich daher unter medizinischen Gesichtspunkten dazu äußern,

10.41 ob eine Psychose, eine psychische Störung, die in ihrer Auswirkung einer Psychose gleichkommt, eine Suchtkrankheit oder Schwachsinn vorliegt, und

10.42 inwiefern das Verhalten des Kranken gegen sich selbst oder andere, das als eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung anzusehen ist, durch diese Krankheit bedingt ist.

10.5 Dem Zeugnis des Arztes muß regelmäßig eine körperliche Untersuchung zugrunde liegen. Falls eine körperliche Untersuchung etwa wegen eines besonderen Erregungszustandes des zu Untersuchenden nicht möglich ist, soll der Arzt in seinem Zeugnis unter Schilderung der Verhaltensbeobachtung darauf hinweisen.

10.6 Fordert die örtliche Ordnungsbehörde ein ärztliches Zeugnis an, so hat sie den Arzt 'gleichzeitig zu unterrichten, worauf sich seine ärztliche Stellungnahme erstrecken soll. Zur Abgabe des Zeugnisses ist grundsätzlich jeder Arzt berechtigt. Es empfiehlt

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- sich jedoch, falls nicht besondere Eile geboten ist, dem Antrag bereits das Zeugnis eines Facharztes auf dem Gebiet der Psychiatrie, jedenfalls aber eines in der Psychiatrie erfahrenen Arztes beizufügen. Von der Zuziehung eines Arztes des Gesundheitsamtes, das vor der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung nach § 19 ohnehin zu dem Antrag Stellung zu nehmen hat, sollte in diesem Stadium des Verfahrens möglichst abgesehen werden.

10.7 Die Beifügung eines ärztlichen Zeugnisses darf nur in den allereiligsten Fällen unterbleiben. Darum hat das Gesundheitsamt d/für Sorge zu tragen, daß jedenfalls, wenn auch über den von der örtlichen Ärzteschaft oder der Ärztekammer für Sonn- und Feiertage sowie sonstige sprechstundenfreie Zeiten eingerichteten Notfalldienst kein praktizierender Arzt zu erreichen ist, jederzeit ein Arzt des Gesundheitsamtes zur Verfügung steht. Falls dennoch ausnahmsweise dem Antrag kein ärztliches Zeugnis beigefügt werden kann, hat die örtliche Ordnungsbehörde die Gründe hierfür anzugeben.

10.8 Bei Stellung des Antrages bedarf es keiner Ord-nungsverfügung an den Kranken.

11 Sofortige Unterbringung (§ 17)

11.1 In besonders dringlichen Fällen, in denen also die örtliche Ordnungsbehörde ein Abwarten nicht verantworten zu können glaubt, kann sie eine sofortige Unterbringung ohne vorherige Anordnung des Amtsgerichts vornehmen. Bevor sich die örtliche Ordnungsbehörde zu einer solchen Maßnahme entschließt; hat sie sorgfältig das Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit und die empfindliche Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit der betroffenen Person gegeneinander abzuwägen. Läßt sich die Gefahr wenigstens für eine vorübergehende Zeit auf andere Weise, etwa durch die Bereitschaft der Angehörigen, für eine begrenzte Zeit auf den Kranken wirksam zu achten, vermeiden, sollte zunächst ein Antrag auf Unterbringung, insbesondere auf einstweilige Unterbringung gestellt werden.

11.2 Die sofortige Unterbringung ist nur zulässig, wenn ein ärztliches Zeugnis über einen Befund vorliegt, der von dem Arzt am gleichen Tage oder am Vortage erhoben wurde. Das trifft auch, zu, wenn der Vortag ein Feier- oder arbeitsfreier Tag war; insbesondere kommen hierbei Fristregelungen des BGB nicht in Betracht.

11.3 Nimmt die örtliche Ordnungsbehörde eine sofortige, Unterbringung vor, so muß der Antrag auf Unterbringung unverzüglich gestelltwerden. In der Regel soll er sofort durch besonderen Boten, mindestens aber fernmündlich voraus, dem Amtsgericht. übermittelt werden. Besondere Eile ist geboten, weil die Unterbringung und deren sofortige Wirksamkeit noch bis Ablauf des auf den Beginn der sofortigen Unterbringung folgenden Tages vom Gericht angeordnet sein muß. Diese Entscheidung muß außerdem noch innerhalb dieser Frist dem Leiter oder dem leitenden Abteilungsarzt des Krankenhauses oder der Anstalt mitgeteilt werden.

11.4 Die örtliche Ordnungsbehörde hat generell Vorsorge für Fälle besonderer Eilbedürftigkeit, insbesondere der sofortigen Unterbringung zu treffen. Daher ist dafür zu sorgen, daß sie jederzeit, also auch an Sonn- und Feiertagen erreichbar ist. Gegebenenfalls ist die Polizei darüber zu unterrichten, wie der zuständige Beamte der örtlichen Ordnungsbehörde zu erreichen ist.

11.5 Die sofortige Unterbringung gemäß § 17 PsychKG darf nur von der örtlichen Ordnungsbehörde vorgenommen werden. Auch OBG und PolG NW enthalten keine Ermächtigung bzw. Befugnis für die Polizei, anstelle der Ordnungsbehörde deren Aufgabe wahrzunehmen. '

Unberührt' bleibt jedoch die generelle Aufgabe der Polizei, gemäß § l Abs. l PolG NW zum Zwecke der Gefahrenabwehr in eigener Zuständigkeit notwendige Maßnahmen zu ergreifen, soweit ein Handeln der

Ordnungsbehörde nicht oder nicht rechtzeitig mög- O1OQ lieh erscheint. Sie hat hierzu die ihr im Polizeigesetz fc l fcO eingeräumten Befugnisse.

Vom PsychKG unberührt bleibt somit die Befugnis der Polizei, unter den Voraussetzungen des § 13 PolG NW auch eine psychisch kranke Person in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen. Auf die grundsätzliche Pflicht zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung gemäß § 14 PolG NW über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung wird besonders hingewiesen.

Die Verwahrung der Person hat unter Beachtung der Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (RdErl. d. Innenministers v. 27. 7. 1979 -SMBl. NW. 20510 -) zu erfolgen. Die Verwahrung kann danach gemäß § 6 erforderlichenfalls in einem Krankenhaus, hierzu rechnet auch eine psychiatrische Krankenanstalt, vollzogen werden. Die Polizei hat die örtliche Ordnungsbehörde unverzüglich von ihren Maßnahmen und den ihnen zugrunde liegenden Tatsachen zu unterrichten, damit diese das weiter Erforderliche veranlassen, insbesondere ggf. einen Unterbringungsantrag beim Amtsgericht stellen kann.

11.6 Der Transport des Unterzubringenden ist in erster Linie von krankenpflegerisch geschulten Personen durchzuführen. Hierbei wird auf die Einrichtungen des Krankentransportdienstes — ggf. auch einer Nachbargemeinde — zurückzugreifen sein. Für den Transport weiblicher Personen sollte möglichst weibliches Personal eingesetzt werden. Unberührt hiervon bleibt die Mitwirkung der Polizei im Wege der Vollzugshilfe; sie kann sich aber nur auf Ausnahmefälle beschränken, z. B. wenn Fachkräfte nicht zur Verfügung stehen. Im übrigen verbleibt es aber bei der Verpflichtung der Polizei, ggf. zum Schütze des mit der Durchführung von Transporten beauftragten Personals Hilfe zu leisten.

11.7 Nach der Antragstellung liegen die Veranlassung der weiterhin erforderlichen Ermittlungen und die Erhebung der geeignet erscheinenden Beweise bis zur gerichtlichen Entscheidung nach § 14 PsychKG in Verbindung mit § 12 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beim Amtsgericht. Die örtliche Ordnungsbehörde, die den Antrag gestellt hat, soll jedoch dem Amtsgericht unbeschadet ihrer in § 13 Abs. 4, § 21 Abs. l Satz 3, § 30 Abs. 2 Satz l und § 31 Abs. 2 Satz 2 PsychKG vorgeschriebenen Beteiligung die ihr neu zur Kenntnis gelangenden Tatsachen unterbreiten und etwa noch geeignet erscheinende Beweise anregen. Von allen gerichtlichen Entscheidungen, der Beurlaubung, der Entlassung aus dem Krankenhaus und dem freiwilligen Verbleib im Krankenhaus erhält die örtliche Ordnungsbehörde Kenntnis, s. § 21 Abs. 2 Nr. 4, § 22 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3, § 25 Abs. 2 Nr. l, § 30 Abs. 3, § 31 Abs. 2, § 32 Abs. 2 sowie § 33. Die örtliche Ordnungsbehörde. hat ein selbständiges Beschwerderecht, s. § 23 Abs. 2. Ihr obliegt die Vollziehung der gerichtlichen Entscheidungen, s. § 24 Abs. 4.

11.8 Neben der örtlichen Ordnungsbehörde wird das Gesundheitsamt vor allem im Hinblick auf ggf. in Betracht kommende Hilfen für psychisch Kranke oder andere gesundheitsfürsorgerische Maßnahmen über Beurlaubung, Krankenhausentlassung und freiwilligen Krankenhausaufenthalt unterrichtet, s. § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 25 Abs. 2 Nr. 3, § 30 Abs. 3, § 31 Abs. 2 Satz 3.

11.9 Das PsychKG erlegt den Krankenhausleitern und ärztlichen Leitern selbständiger Krankenhausabteilungen bestimmte Mitwirkungspflichten auf, so hinsichtlich der Entlassung in § 17 Abs. 2, § 18 Abs. 5, § 21 Abs. 2, § 32 Abs. l Satz 2, der Benachrichtigung in § 21 Abs. 2 Satz 2, § 25 Abs. 2, § 33, der Eingangsuntersuchung in § 25 Abs. l, der Beurlaubung nach § 25 Abs. 2, der ärztlichen Stellungnahme vor der vorläufigen Entlassung in § 30 Abs. 'i sowie der Übersendung des Entlassungsberichts in § 36 Abs. 2. Sie erhalten außerdem die in Unterbringungsverfahren ihrer Patienten getroffenen Gerichtsentschei-

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düngen zur Kenntnis, s. § 22 Abs. 2 Nr. 6. Die Mitwirkungsverpflichtungen treffen in erster Linie die in Betracht kommenden Krankenhausärzte; bei der unterschiedlichen inneren Organisation der Krankenhäuser wird jedoch jedes Krankenhaus für sich nach den eigenen Gegebenheiten festlegen, wer Leiter des Krankenhauses oder.der Anstalt im Sinne_ des Gesetzes ist, der dann wie der leiteriHe "ABlei-lungsarzt einer selbständigen Krankenhausabteilung die gegebenenfalls auch strafrechtliche Verantwortung für eine rechtzeitige Entlassung trägt. Dabei reicht eine Entlassungsverfügung oder -anordnung nicht aus, es kommt vielmehr auf die tatsächliche Entlassung an.

12 Einstweilige Unterbringung (§ 18)

Den Leitern der Krankenhäuser und Anstalten sowie den leitenden Abteilungsärzten von selbständigen Krankenhaus- und Anstaltsabteilungen, s. 'dazu Nummer 11.9, in denen Personen nach diesem Gesetz untergebracht sind, wird im Hinblick auf § 18 Abs. 5 empfohlen, zur Vermeidung von Weiterungen eine Fristenkontrolle über die jeweils vom Amtsgericht bestimmte Unterbringungsdauer zu führen. Das gilt auch für die Verpflichtung nach § 21 Abs. 2. Im übrigen ist es zweckmäßig, daß sich die verantwortlichen Krankenhausärzte, am zuverlässigsten anhand ihrer Fristenkontrolle, rechtzeitig mit dem Amtsgericht in Verbindung setzen, wenn eine Anordnung über die Verlängerung nach § 18 Abs. 4 oder die Fortdauer der Unterbringung nach § 21 Abs. l getroffen werden sollte, um keine Zweifel über eine möglicherweise nicht mit dem Gesetz in Einklang stehende weitere Unterbringung aufkommen zu lassen.

13 Sonstige Unterbringung (§ 19)

13.1 Der Begriff „Sonstige Unterbringung" wird im Gesetz verwendet. Daher ist der Ausdruck „Endgültige Unterbringung" zu vermeiden, s. a. Nummer 7.

13.2 Zu dem Begriff „in der Psychiatrie erfahrener Arzt" s. Nummer 5.2.

13.3 Vor jeder Anordnung einer Sonstigen Unterbringung muß das Amtsgericht nach § 19 auch eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes einholen. Diese Stellungnahme ist auch abzugeben, wenn entgegen der Empfehlung in Nummer 10.6 wegen besonderer Umstände bereits ein Arzt des Gesundheitsamtes im ordnungsbehördlichen Vorverfahren ein ärztliches Zeugnis gemäß § 12 Satz 2 erteilt hat. Das Gesundheitsamt wird bei Abgabe seiner Stellungnahme zu berücksichtigen haben, daß die fachlichenGesichtspunkte in dem Gutachten des in der Psychiatrie erfahrenen Arztes auf Grund der von ihm vorgenommenen körperlichen Untersuchung in der Regel erschöpfend behandelt sind. Seine Stellungnahme soll sich daher vor allem darauf erstrecken, daß die öffentlichen Belange gemäß § 11 hinreichend berücksichtigt werden.

14 Wirksamkeit einer gerichtlichen Entscheidung (§ 24)

14.1 Die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung ist von besonderer Bedeutung, wenn die örtliche Ordnungsbehörde eine sofortige Unterbringung nach § 17 vorgenommen hat. In einem derartigen Fall ist Eile geboten; die örtliche Ordnungsbehörde soll daher mit der Geschäftsstelle des Gerichts Fühlung halten, damit die verantwortlichen Ärzte des Unterbringungskrankenhauses rechtzeitig über die Gerichtsentscheidung unterrichtet werden.

14.2 Die örtliche Ordnungsbehörde vollzieht die Unterbringungsanordnung des Gerichts, soweit nicht schon eine sofortige Unterbringung erfolgt war, durch Einweisung des Unterzubringenden in ein psychiatrisches Krankenhaus, eine abgeschlossene Abteilung eines Krankenhauses oder ggf. eine Entziehungsanstalt für Suchtkranke. Die Auswahl des Unterbringungsortes obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der örtlichen Ordnungsbehörde, falls das Gericht nicht eine Entscheidung nach § 22 Abs. l Satz 2 getroffen hat. Für die Belegung von Kranken-

hausbetten bestehen zum Teil je nach dem Aufnahmevermögen und der Bevölkerungsdichte interne regionale Regelungen. Die örtlichen Ordnungsbehörden sollen die Versorgungsbereiche der psychiatrischen Krankenhäuser und Entziehungsanstalten für Suchtkranke berücksichtigen. Außerdem soll nach Möglichkeit den Wünschen der Angehörigen des Unterzubringenden Rechnung getragen werden. Wenn damit gerechnet werden kann, daß die Kosten der Unterbringung einem Träger der Sozialhilfe zur Last fallen, soll die örtliche Ordnungsbehörde möglichst frühzeitig das zuständige Sozialamt unterrichten. Für den Transport des Unterzubringenden gilt Nummer 11.6.

14.3 Für die Betreuung des Untergebrachten, insbesondere für die Eingangsuntersuchung nach § 25 ist es wichtig, daß die Krankenhausärzte möglichst frühzeitig von den Umständen und Tatsachen, die zur Unterbringung geführt haben, sowie von den vorliegenden ärztlichen Gutachten über die eingewiesene Person unterrichtet werden. Die örtliche Ordnungsbehörde soll deshalb zugleich mit der Einweisung oder unverzüglich danach dem Krankenhaus oder der Entziehungsanstalt für Suchtkranke Abschriften oder Fotok'opien ihrer danach in Betracht kommenden Unterlagen zuleiten. Das gleiche gilt, wenn das Krankenhaus oder die Entziehungsanstalt Unterlagen anfordert.

15 Ärztliche Heilbehandlung (§ 26)

15.1 Die ärztliche Heilbehandlung muß mit dem Zweck der Unterbringung vereinbar sein. Dies ist besonders bei einer einstweiligen Unterbringung nach § 18 Abs. l Buchstabe a von Bedeutung. Wenn die einstweilige Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand der eingewiesenen Person angeordnet wurde, darf die Vorbereitung des Gutachtens nicht durch eine Behandlungsart, die diesen Unterbringungszweck hinfällig macht, beeinträchtigt werden.

15.2 Für die in § 26 Abs. 2 genannten, besonders schwerwiegenden ärztlichen Eingriffe, die im Rahmen der ärztlichen Heilbehandlung während der Unterbringung für erforderlich gehalten werden, hat der behandeln.de Krankenhausarzt zunächst die schriftliche Einwilligung der betroffenen Person, im Falle des § 26 Abs. 2 Satz 2 des gesetzlichen Vertreters einzuholen. Der Antrag auf Zustimmung des Gerichtsärztlichen Ausschusses ist unter Beifügung der schriftlichen Einwilligung und unter Darlegung der ärztlichen Notwendigkeit über den ärztlichen Leiter des Krankenhauses oder der Anstalt an den Vorsitzenden des Gerichtsärztlichen Ausschusses beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen zu richten. Ist der behandelnde Arzt selbst der ärztliche Leiter, ist dies in dem Antrag zu vermerken. Für die weitere Bearbeitung des Antrages gelten die Anweisungen für den Gerichtsärztlichen Ausschuß, mein RdErl. v. 1. 12. 1969 (MBl. NW. 1970 S. 173/ SMBl. NW. 2120).

16 Besuchskommissionen (§ 28)

16.1 Die örtlichen Ordnungsbehörden haben dem Innenminister innerhalb von zwei Monaten nach Veröffentlichung dieser Verwaltungsvorschrift auf dem Dienstwege eine Liste der Krankenhäuser und Anstalten vorzulegen, in denen sie Personen nach dem PsychKG untergebracht haben. Diese Liste ist jeweils zum 1. März zu ergänzen oder zu berichtigen.

16.2 An den Besuchen der Besuchskommissionen müssen die in § 28 Abs. 3 Satz l Nummer l bis 3 genannten Personen gemeinsam teilnehmen. Als weitere Mitglieder kommen insbesondere Landtagsabgeordnete, die dem Innenminister vom Vorsitzenden des Landtagsausschusses für Soziales und Gesundheit benannt sind, in Betracht. Sind weitere Mitglieder nach § 28 Abs. 3 Satz 2 berufen, kann auch bei deren Verhinderung die Besuchskommission ihre Aufgabe durchführen.

74. Ergänzung — SMBl. NW. -*- (Stand 1. 6. 1970 = MBl. NW. Nr. 79 einschl.)

24. 3. 70 (4)

17 Beurlaubungen (§ 29)

Der Leiter des Krankenhauses oder der Anstalt nimmt die Beurlaubung in eigener Verantwortung vor; andere Stellen müssen nicht beteiligt werden. Beurlaubungen können wiederhol! werden. B'esteht nach ärztlicher Auffassung die Möglichkeit, den Untergebrachten über die in § 29 vorgeschriebene Zeit hinaus außerhalb des Krankenhaus- oder Anstaltsbereichs zu belassen, sollte die vorläufige Entlassung nach § 30 beim Amtsgericht angeregt werden. Solange darüber keine gerichtliche Entscheidung .ergangen ist, bleibt der Leiter des Krankenhauses oder der Entziehungsanstalt an die im Gesetz vorgesehene Beurlaubungszeit bis zu zehn Tagen gebunden.

18 Endgültige Entlassung (§ 31)

Die in § 31 Abs. l vorgesehene endgültige Entlassung einer nach § 30 vorläufig entlassenen Person, deren vorläufige Entlassung nidit bis zu dem vom Gericht in der Unterbringungsanordnung nach § 20 bestimmten Zeitpunkt widerrufen ist, tritt, kraft Gesetzes ein. Eines Verwaltungshandelns bedarf .es dazu nicht.

19 Aufhebung von Entscheidungen über die Unterbringung (§ 32)

Das Amtsgeridit entscheidet nach § 32 Abs. l von Amts wegen über die Aufhebung einer Unterbringungsanordnung. Alle nach § 22 Abs. 2 Beteiligten sowie das Gesundheitsamt sollen das Amtsgericht unterrichten, wenn nach ihrer Kenntnis, etwa auf Grund einer Mitteilung des behandelnden Arztes nach § 36 Abs. 3, eine der Voraussetzungen, die zur Unterbringung geführt haben, inzwischen entfallen ist. Das betrifft insbesondere die behandelnden Krankenhausärzte.

20 Nachgehende Hilfe für psychisch Kranke (§§ 34—36)

Die Grundsätze der §§ 2 bis 6 finden auch auf die nachgehende Hilfe für psychisch Kranke Anwendung, s. dazu die Nummern 2, 3 und 4. Es besteht also ggf. ein Rechtsanspruch aller aus psychiatrischer Krankenhausbehandlung entlassenen Personen, also auch derjenigen, die sich freiwillig und in einem nicht abgeschlossenen Bereich stationär ärztlich behandeln ließen, auf die im Gesetz vorgesehene Betreuung durch das Gesundheitsamt. Trotz der nach § 35 möglichen Absprache mit der Außenfürsorge von Krankenhäusern und Anstalten ist das Gesundheitsamt dafür verantwortlich, daß die der stationären Behandlung nachgehende Hilfe einschließlich der Außenfürsorge durchgeführt wird.

20.1 Zur Überwachung, ob vom Gericht vorläufig aus der Unterbringung entlassene Personen die ihnen gemachten Auflagen einhalten, s. § 34 Abs. 2, muß das - Gesundheitsamt enge Fühlung mit den freipraktizierenden Ärzten halten, die ihm gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 bekanntgemacht sind. Das Gesundheitsamt ist Mittler zwischen behandelndem Arzt und Gericht; es hat die ihm nach § 36 Abs. 3 mitgeteilten Tatsachen mit eigener Stellungnahme dem Amtsgeridit weiterzugeben, damit die vorläufige Entlassung nach § 30 Abs. l Satz 4 widerrufen oder die endgültige Entlassung nach § 31 Abs. 2 angeordnet werden kann. Die Zusammenarbeit zwischen behandelndem Arzt und Gesundheitsamt soll soweit, als möglich von büromäßigen Geschäftsvorgängen freigehalten werden.

nicht die Kosten der nach § 2G vorgenommenen Heilbehandlung enthalten. -Dafür trifft § 39 die ergänzende Regelung.' Falls damit gerechnet werden kann, daß für die Unterbringungskosten ein Träger der Sozialhilfe in Anspruch genommen wird, ist alsbald das Sozialam: zu unterrichten, s. a. Nummer 14.2, damit es selbst oder dor in Betracht kommende Träger der Sozialhilfe entscheiden kann, inwieweit eine Hilfe' nach § 37 oder §§ 39 bis 45 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) unter Berücksichtigung einer zumutbaren Beteiligung entsprechend den §§ 79, 81 und 88 BSHG zu gewähren" ist.

21.2 Sind die Kosten einer einstweiligen Unterbringung nach § 38 Abs. 2 PsychKG von der Staatskasse zu tragen, werden sie aus den Mitteln des Landes-justizhaushaftes erstattet, wenn diese Kosten nach § 38 Abs. 4 mit der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung reditskräftig der Staatskasse auferlegt sind.

21.3 Maßnahmen der örtlichen Ordnungsbehörde, die nach "dem PsychKG zum Schütze der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich erscheinen, sind nicht allein aus der Erwägung zurückzustellen oder zu unterlassen, daß das Gericht die Möglichkeit hat, die Kosten einer einstweiligen Unterbringung nach §'38,Abs. 3 der örtlichen Ordnungsbehörde aufzuerlegen, wenn das Verfahren ergeben hat. daß ein begründeter Anlaß zur Stellung des Unterbringungsantrages nicht gegeben war.

22 Kostenentscheidung (§41)

Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgunij notwendigen Auslägen des Betroffenen und die baren Auslagen des Verfahrens hat die.örtliche Ordnungsbehörde nur dann zu tragen, wenn das Verfahren ergeben hat, daß ein begründeter Antrag zur Stellung des Unterbringungsantrages nicht vorlag. § 41 kann nicht der Grund sein, daß nach diesem Gesetz im öffentlichen Interesse notwendige Maßnahmen nicht durchgeführt werden, s. a. Nummer 21.3.

23 Inkrafttreten (§ 43)

entfällt; Aufhebung.

2128

2l Kosten der Unterbringung (§ 38)

21.1 Zu den Kosten der Unterbringung gehören alle zur Durchführung der Unterbringung notwendigen finanziellen Aufwendungen —- ausgenommen die Gerichtskostun, s. § 40 —, alsu ciucti die Transportkosten und die'Auslagen für oin nach § 12 Satz 2 oder § 17 Abs. l Satz l vorgeschriebenes ärztliches Zeugnis. In den Kosten der Unterbringung sind