Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Einrichtung eines betriebshygienischen Beratungsdienstes im Geschäftsbereich des Innenministers RdErl. d. Innenministers v. 20. 6. 1972 — II C 3/15 —33. 11¹)

 

Historisch:

Einrichtung eines betriebshygienischen Beratungsdienstes im Geschäftsbereich des Innenministers RdErl. d. Innenministers v. 20. 6. 1972 — II C 3/15 —33. 11¹)

90. Ergänzung — SMB1. NW. — (Stand 15. 8. 1972 = MB1. NW. Nr. 82 einschl.)

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Einrichtung

eines betriebshygienischen Beratungsdienstes im Geschäftsbereich des Innenministers

RdErl. d. Innenministers v. 20. 6. 1972 — II C 3/15 —33. 11¹)

Zur Durchführung des Aufgabenprogramms des betriebshygienischen Beratungsdienstes (Abschnitte III und IV meines RdErl. v. 6. 1. 1971 (MB1. NW. S. 312/SMB1. NW. 2128) weise ich auf folgendes hin:

l. Zu Abschnitt III — Auswahl der Arbeitsmittel

Neben der funktionsgerechten Gestaltung der Möbel soll im Interesse des-betriebshygienisch einwandfreien Arbeitsplatzes vor allem auf eine körpergerechte Möblierung geachtet werden. Hierbei kommt es vor allem darauf an, daß die Tischflächenhöhe im richtigen Verhältnis zur Sitzhöhe und die Sitzhöhe im richtigen Verhältnis zur Unterschenkellänge gesehen wird. Wegen der unterschiedlichen Größen der verschiedenen Mitarbeiter sollten die Möbel dem Menschen und seinen Aufgaben angepaßt und richtig eingestellt werden. Hieraus folgt im Grundsatz, daß möglichst nur noch höhenverstellbare Sitzmöbel und Tische in Betracht kommen.

Da die meisten Krankheiten — von der Sehnenscheidenentzündung bis zu Wirbelsäulenschäden — weniger eine Folge mechanischer Arbeitsüberlastungen sind, sondern in aller Regel auf Fehlhaltungen infolge - falscher Tisch- und Sitzhöhen anzusehen sind, sollten die Arbeitsmittel folgenden Anforderungen entsprechen:

1.1 An allen Arbeitsplätzen der Schreibkräfte sind Schreibmaschinen mit möglichst niedrigen Tastenfeldhöhen über der Tischfläche und höhenverstellbare Maschinentische einzusetzen. Soweit ältere Schreibmaschinentische mit starrer Tischhöhe noch gebraucht werden müssen, ist eine Anpassung an die Körperhaltung durch höhenverstellbare Sitze und Fußstützen notwendig.

Die Fußstütze soll aus einer Stellfläche bestehen, die die Funktion hat, dem Fuß eine volle Abstützung zu bieten. Querstangen an Schreib- und Maschinentischen erfüllen diese Bedingungen nicht. Bei diesen alten Tischmodellen sollten wenigstens die Bedingungen der neuen DIN-Norm 4549 vom August 1968 erfüllt werden (Tischhöhe 65 cm); entsprechende Ergänzungsarbeiten sind ggf. durch Hausarbeiter durchführen zu lassen. Es ist hierbei jedoch eine lichte Beinraumhöhe von 62 cm nicht zu unterschreiten.

Außerdem ist bei Schreibmaschinentischen darauf zu achten, daß die Beinraumhöhe nicht durch eine vordere Quertraverse eingeengt wird. Ist letztere nicht in die Tischplatte eingelassen, sollte sie zurückgesetzt sein (ca. 15—20 cm).

1.2 Auch bei den Schreibtischen der Verwaltungskräfte sollte die neue DIN 4549 beachtet werden (Tischhöhe 75 cm).

1.3 Als Bürostühle für die Arbeitsplätze der Schreibkräfte und übrigen Verwaltungskräfte sollten heute nur noch solche Sitzmöbel als angemessen bezeichnet werden, die wenigstens der DIN 4551 entsprechen. Aus Sicherheitsgründen sollen diese Stühle ein fünf-strahliges Bodengestell haben, damit ein Kippen bei • Verschieben der Schwerpunktlage vermieden wird. Die Stuhlsäüle sollte gefedert sein. Die Höhenver-stellbarkeit der Sitzfläche soll im belasteten Zustand zwischen 40 und etwa 54—56 cm möglich sein. Der Rückenlehnenträger dieser Stühle und Sessel soll um eine Querachse am unteren Ende des Rückenlehnenträgers drehbar sein. Die Rückenlehnenfläche soll pendelnd am Rückenlehnenträger befestigt und in der Höhe verstellbar sein.

Als Polsterung sollten nur Flachpolster mit Kantenschutz vorgesehen werden. Die Polsteroberflächen sollten aus luftdurchlässigem Material bestehen

(Textil oder Leder). Kunststoff sollte nur verwandt werden, wenn eine Luftdurchlässigkeit sichergestellt ist.

2. Zu Abschnitt IV — Arbeitsumgebung

Hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsräume, des ' Raumbedarfs je Arbeitskraft, der Belüftung und der Beleuchtung der Diensträume bzw. der Arbeitsplätze, der Raumtemperaturen etc. sind die in den „Richtlinien für gewerbehygienische Forderungen bei der Gestaltung von Arbeits- und Sozialräumen (Arbeits- und Sozialraumrichtlinien)" und in den ergänzenden Hin-, weisen — RdErl. d. Arbeits- und Sozialministers v. 5. 6. 1964 (SMB1. NW. 8055) — enthaltenen Vorschriften als Arbeitsunterlage zur Beurteilung der Mindestanforderungen entsprechend anzuwenden. Ergänzend hierzu wird empfohlen, folgende Hinweise zu beachten:

2.1 Raumbedarf

Unabhängig von der durch die Arbeitsmittel bestimmten Grundfläche pro Person sollte je Dienstkraft ein freies Raumvolumen von 12 m' vorgesehen werden.

Die lichte Raumhöhe beträgt 3 m; sie kann um 10°/o unterschritten werden, wenn dies wegen des Einbaues von Lärmdämmeinrichtungen erforderlich ist.

2.2 Raumgestaltung

Bei Wandfärbungen sollte man vorwiegend dämpfende, d. h. vegetativ nicht stimulierende Farbtönungen auswählen, z. B. braun, beige, ocker, elfenbein, lindgrün, maisgelb.

2.3 Beleuchtung

Die Beleuchtungsstärken werden mit einem Lux-meter gemessen. Für alle Arbeitsplätze sind grund-

• sätzlich Beleuchtungswerte von wenigstens 800 Lux vorzusehen. Diese Werte beziehen sich auf den Neuwert der Leuchtstoffröhren. Ist die Beleuchtungsstärke auf 70°/o des ursprünglichen Wertes abgesunken, müssen die Röhren ersetzt werden. Die Abdeckung der Leuchtstoffröhren soll möglichst durch Rasterblenden oder sogenannte Kristallglasabdek-

' kung erfolgen, da die Kunststoffkästen infolge Alterung in der Lichtdurchlässigkeit nachlassen.

Bei technischen Dienstkräften, insbesondere an Zeichenarbeitsplätzen, sind entsprechend höhere Beleuchtungswerte vorzusehen (im Einzelfall bis zu 2000 oder sogar 4000—8000 Lux). Außerdem kann es sich empfehlen, im Einzelfall, z. B. bei älteren Dienstkräften, höhere Luxwerte vorzubehalten. So sollten bei einem Lichtbedarf von 800 Lux einem 60jährigen ca. 1000 Lux zur Verfügung gestellt werden.

2.4 Belüftung

Verunreinigungen der Luft in Arbeitsräumen entstehen entweder durch schlechte Außenluft oder durch luftverunreinigende Prozesse innerhalb des Raumes. Von wesentlichem Einfluß sind hierbei

1. Ausdünstung,

2. Wasserdampfbildung,

3. Wärmeabgabe,

4. Kohlendioxydbildung.

Der zuzuführende Frischluftbedarf wird in cbm je Stunde berechnet. Er ist von der Raumgröße abhängig. Bei dem notwendigen Luftvolumen pro Person von 12 ms ist eine Luftumwälzung als Frischlüftung von 20 m* je Stunde erforderlich. Diese Menge der Luftumwälzung kann durch Fensterbelüftung erfolgen. Sofern wegen der besonderen Arbeitsplatzsituation (z. B. zu geringes Luftvolumen je Arbeitsplatz, Vermeidung einer Fensterbelüftung wegen zu starken Lärmanfalls oder erheblicher Schmutz- • und Abgas-zufuhr von außen) ein höherer Luftumwälzungsbedarf erforderlich ist, sollte Vollklimatisierung vorgesehen werden. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, daß

') MBl. NW. 1972 S. 1224.

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103. Ergänzung — SMBl. NW. — (Stand 15. 10. 1974 = MBl. NW. Nr. 101 einschl.)

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wegen der Anforderungen an die Arbeit in der Verwaltung ein hoher Anteil an Frischluft vonnöten ist, der höher ist als in den DIN 1946 vorgesehen. Die Frischluftzufuhr kann nicht durch Regenerationsverfahren, bei z. B. Ozonisierung ersetzt werden. Darüber hinaus ist der direkten Zufuhr von frischer Außenluft auch ein psychologischer Effekt beizumessen. Weil diese Luft in aller Regel kühler in den Raum einströmt, wirkt sie frischer und mobilisiert die „Lebensgeister" über die Atmungsorgane und das zentrale Nervensystem. Sofern künstliche Belüftung durch • Klimaanlage oder Klimageräte unumgänglich ist, ist darauf zu achten, daß die Luftgeschwindigkeit 0,15 m pro Sekunde nicht übersteigt. Als optimal ist eine Luftgeschwindigkeit von 0,1 m pro Sekunde anzusehen, wenn dadurch der erforderliche Luftbedarf von 20 m3 je Stunde und Person erreicht werden kann. Die einzelnen Arbeitsplätze sind wenigstens 1,50 m von den Austrittsstellen der „Injektoren" entfernt aufzustellen.

Eine unmittelbare Einwirkung der Zugluft durch Fenster oder der Gebläseluft einer Klimaanlage auf den Rücken und in die Nackenpartie ist zu vermeiden. Bei Räumen mit zu.starker Hitzeentwicklung infolge unmittelbarer Sonneneinwirkung (Südseite oder Flachdächer) sollten Ventilationseinrichtungen vorgesehen werden, wenn die Tagestemperaturen in diesen Räumen 25 — 26 ° C übersteigen.

2.5 Temperatur, Luftfeuchtigkeit

Der Temperaturbereich an den Arbeitsplätzen der öffentlichen Verwaltungsbehörden sollte zwischen 20 — 22° C gehalten werden, wenn die Luftfeuchte etwa 50°/o beträgt. An besonders heißen Sommertagen kann das Ansteigen der Raumtemperatur bis zu 26° C als zuträglich angesehen werden, wenn gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit bis auf 45 °/o fällt. Die individuellen unterschiedlichen Wärmebedürfnisse sollten im übrigen durch Regulierung der Heizquellen oder vermehrte Zuführung von Außehluft ausgeglichen werden können.

2.6 Lärmbekämpfung

Die für die Arbeit in der Verwaltung erforderliche Konzentration ist nur an Arbeitsplätzen zu erreichen, die von Lärmeinwirküngen freigehalten werden. Gegen Lärmeinwirkungen von außen sind in erster Linie Doppelfenster wirksam, bei Lärmquellen innerhalb des Verwaltungsgebäudes bzw. der Arbeitsräume sollten schalldämpfende Bau- und Ausstattungselemente vorgesehen werden (Schalldämmung an • Decken und Wänden, textile Böden und Gardinen). Bei der - Beschaffung neuer Maschinen und Arbeitsmittel ist vor allem auch auf deren Geräuschentwicklung zu achten. Zu lautstarke Maschinen oder Arbeitsgeräte sollten abgelehnt werden. ' Die Geräuschpegel werden am zweckmäßigsten mit einem sog. „Kleinen Präzisionsschallpegelmesser" gemessen. Der Geräuschpegel innerhalb geschlossener Räume sollte 30 dezibel nicht unter- und 65 dezibel nicht überschreiten. Dies gilt insbesondere für Arbeitsräume, in denen mehrere Personen ihren Arbeitsplatz haben. Bei einem höheren Geräuschpegel muß ab 70 bis 75 dezibel mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeitsleistung und ab 90 dezibel mit Gesundheitsschädigungen (Inhenohrschädigung) gerechnet werden.

2.7 Raucherzimmer

Wegen der besonderen Gefahren des Rauchens sollten entsprechend der Regelung in öffentlichen Verkehrsmitteln Nichtraucher vor den Gefahren des passiven Rauchens geschützt werden. In Räumen mit mehreren Arbeitsplätzen sollte daher nur geraucht werden, wenn alle Bediensteten in diesem Raum einverstanden sind. Das gleiche gilt für Besprechungen.

2.8 Sauberkeit

In angemessenem Umfang sind Waschgelegenheiten vorzusehen. Soweit es sich um gemeinschaftliche Waschanlagen handelt, sollten Seifenspender mit einer gut schäumenden, aber wenig alkalischen Seife und Wegwerf-Papierhandtücher Verwendung finden. Für individuelle Waschgelegenheiten in einzelnen Arbeitsräumen sollte die Behörde im Rahmen der Beschaffungsprogramme für jeden Bediensteten Handtuch und Seife zur Verfügung stellen.

In Toilettenanlagen ist für ausreichende Lüftung zu sorgen. WC, Wascheinrichtungen und insbesondere Türklinken, Becken und andere Bedienelemente in diesen Räumen sollten wenigstens einmal täglich mit desinfizierender Waschlösung behandelt werden. In diesen Räumen sollten ggf. geruchsverbessernde und geruchsbindende Mittel sowie Geräte gegen Geruchsbelästigung eingesetzt werden.

3. Die vorgenannten Zielvorstellungen bitte ich zunächst im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für die Ergänzungsbeschaffung anzustreben; in dringenden Fällen bitte ich mir den etwa erforderlich werdenden Mehrbedarf für die kommenden Haushaltsberatungen rechtzeitig anzumelden.

Dieser Runderlaß ergeht im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.