Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 17.4.2024


Auslegung und Anwendung des Artikel 116 Abs. 2 des Grundgesetzes RdErl. d. Innenministeriums v. 4.8.1959 – I B 3/13 – 17

 

Auslegung und Anwendung des Artikel 116 Abs. 2 des Grundgesetzes RdErl. d. Innenministeriums v. 4.8.1959 – I B 3/13 – 17

Auslegung und Anwendung des Artikel 116 Abs. 2 des Grundgesetzes
RdErl. d. Innenministeriums v. 4.8.1959 – I B 3/13 – 17

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Die Rechte aus Art. 116 Abs. 2 haben in der Regel alle Personen, die durch Einzelakt auf Grund des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit v. 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 480) oder generell auf Grund der 11. Verordnung v. 25. November 1941 (RGBl. I S. 722) zum Reichsbürgergesetz die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatten.

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Art. 116 Abs. 2 Satz 1 gewährt einen Anspruch auf Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit den Ausgebürgerten selbst und ihren Abkömmlingen. Bei Ehen, die nach der Ausbürgerung geschlossen worden sind, hat der Ehegatte dagegen keinen eigenen Anspruch, wenn er nicht selbst ausgebürgert ist. Für ihn kommt deshalb nur eine Einbürgerung in Frage.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1983 – BVerwGE 68, 220 – ist davon auszugehen, dass als Abkömmling i.S. des Artikels 116 Abs. 2 GG Kinder eines „Ausgebürgerten“ anzusehen sind, denen er – ohne die  Ausbürgerung – nach den für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt oder Legitimation maßgebenden Grundsätzen die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt hätte. Das Urteil sagt nichts darüber aus, ob auch Enkel als „Abkömmlinge“ gelten können. Da es indes um den vom Grundgesetz verwendeten Abkömmlingsbegriff geht, der nach überwiegender Auffassung auch Enkel einschließt, kann es nicht Aufgabe der Verwaltung sein, das Wiedergutmachungsrecht auf Kinder zu begrenzen, wenn dies der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu entnehmen ist.

Mit der Wiedereinbürgerung nach Artikel 116 Abs. 2 GG  bestimmen sich von diesem Zeitpunkt  Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für die Betroffenen selbst und die Übertragung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit auf die Kinder ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts.

Dementsprechend hat den nach der Wiedereinbürgerung ihrer deutschen Mütter in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 geborenen Kindern zwar das Recht zugestanden, die deutsche Staatsangehörigkeit durch einfache Erklärung gemäß Artikel 3 RuStAÄndG 1974 zu erwerben: soweit sie aber von ihrem Erklärungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, können sie die deutsche Staatangehörigkeit nicht im Wege der Wiedergutmachung nach Artikel 116 Abs. 2 GG erlangen, sondern sind auf eine Einbürgerung angewiesen.

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Die in Art. 116 Abs. 2 Satz 2 aufgeführten Personen, die ihren Wohnsitz nach dem 08. Mai 1945 in Deutschland genommen und einen gegenteiligen Willen nicht zum Ausdruck gebracht haben, werden so behandelt, als ob sie niemals ausgebürgert worden wären. Dagegen widerspräche es dem Sinn der gesetzlichen Bestimmung, wenn eine Ausländerin, die ein Ausgebürgerter während der Zeit der Ausbürgerung geheiratet hat, nunmehr ebenfalls mit rückwirkender Kraft deutsche Staatsangehörige geworden wäre, da möglicherweise ein Wunsch zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei solchen Frauen nicht bestehen wird. Die Einbürgerung kann nur nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts erfolgen.

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Frauen, auf die die Voraussetzungen des Art. 116 Abs. 2 zutreffen, die aber nach der Ausbürgerung einen Ausländer geheiratet haben, haben durch die Heirat ihre Rechte aus Art. 116 Abs. 2 nicht verloren.

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Art. 116 Abs. 2 Satz 2 findet auch dann Anwendung, wenn der Wohnsitz in Deutschland erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes begründet worden ist oder begründet wird, jedoch muss aus den Umständen hervorgehen, dass ein dauernder Wohnsitz in Deutschland beabsichtigt ist.

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Für das Verfahren bitte ich, folgendes zu beachten:

6.1

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Einbürgerung nach Art 116 Abs. 2 Satz 1 bzw. die Ausstellung der Bescheinigung nach Art 116 Abs. 2 Satz 2 ist mein RdErl. vom 23. April 1959 (SMBl. NRW.102) zu beachten.

6.1.1

Für die Einbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 ist gem. § 17 Abs. 2 1. StARegG  das Bundesverwaltungsamt zuständig. Der Antrag kann formlos vom Ausland aus unmittelbar oder über eine deutsche Auslandsvertretung gestellt werden.

6.1.2

Ein Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach Art. 116 Abs. 2 Satz 2 kann formlos bei der zuständigen Einbürgerungsbehörde gestellt werden.

6.2

Der Antragsteller muss die Tatsachen glaubhaft machen, aus denen sich ergibt, dass er bis zu dem Zeitpunkt seiner Ausbürgerung im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit durch Abstammung, Heirat oder Einbürgerung war und dass er diese Staatsangehörigkeit nachträglich aus religiösen, politischen oder rassischen Gründen verloren hat.

6.3

Bei der Behörde für Inneres – Einwohnerzentralamt – in Hamburg befindet sich eine vollständige Ausbürgerungskartei, aus der alle von dem früheren Reichsminister des Innern vorgenommenen Ausbürgerungen ersichtlich sind.

Bei dem Bundesverwaltungsamt in Köln ist ebenfalls je eine Kartei vorhanden über

a) Personen, deren Einbürgerung auf Grund des § 1 des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit v. 14. Juli 1933

(RGBl. I S. 480) in der Fassung des Gesetzes v. 10. Juli 1935 (RGBl. I S. 1050) widerrufen worden ist

und

b) Personen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit auf Grund des § 2 des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 480) in der Fassung des Gesetzes vom 10. Juli 1935 (RGBl. I S. 1050) aberkannt worden ist.

Auskünfte aus den genannten Karteien können zur Beurteilung der Staatsangehörigkeitsverhältnisse der Betroffenen formlos eingeholt werden. In den Auskunftsersuchen sind Vor- und Familienname, Geburtstag und –ort, Wohnsitz bzw. letzter inländischer Wohnsitz der in Frage kommenden Person – in den Fällen des § 2 des Gesetzes v. 14. Juli 1933 gegebenenfalls auch die damalige Einbürgerungsbehörde – anzugeben.

6.4

Soweit deutsche Staatsangehörige auf Grund der 11. Verordnung v. 25. November 1941 (RGBl. I S. 722) zum Reichsbürgergesetz die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, kann die zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde auf Antrag des ehemaligen deutschen Staatsangehörigen eine Bescheinigung über den seinerzeit eingetretenen Verlust ausstellen. Der Inhalt dieser Verlustbescheinigungen muss sich auf die Erklärung beschränken, dass die betreffende Person die deutsche Staatsangehörigkeit auf Grund der Vorschriften der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz verloren hat. Die Ausstellung einer Entlassungsurkunde kommt jedoch nicht in Frage, da eine Entlassung als Rechtsgrund für den Verlust nicht vorliegt.

6.5

Die Bescheinigung nach Art. 116 Abs. 2 Satz 2 ist gebührenfrei.

Bei Herausgabe der Sammlung überarbeitet, bisher RdErl. v. 23.3.1956 (MBl. NRW S. 776) geändert durch RdErl. v. 28.2.1957 (MBl. NRW 1957 S. 589), 19.1.1970 (MBl. NRW. 1970 S. 137), 25.9.1974 (MBl. NRW. 1974 S. 1474), 20.4.1976 (MBl. NRW. 1976 S. 942)), 7.8.1986 (MBl. NRW. 1986 S. 1208), 11.7.1989 (MBl. NRW. 1989 S. 990), aktualisiert durch Erlassbereinigung 2003.