Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht durch die Gemeinden und hierfür zulässige Organisationsformen Gem. RdErl. d. Innenministers-III B 4-5/701-7638/88 - u.d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - III B 5 - 673/2 - 28832 - III B 6 - 6100/2 - 32738 - v. 3. 1. 1989 ¹)

 

Historisch:

Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht durch die Gemeinden und hierfür zulässige Organisationsformen Gem. RdErl. d. Innenministers-III B 4-5/701-7638/88 - u.d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - III B 5 - 673/2 - 28832 - III B 6 - 6100/2 - 32738 - v. 3. 1. 1989 ¹)

190.Ergänzung-SMBl. NW.- (Standl. 4.1989 = MB1. NW. Nr. 18 einschl.)

3. 1. 89 (1)


Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht
durch die Gemeinden und hierfür zulässige Organisationsformen
Gem. RdErl. d. Innenministers-III B 4-5/701-7638/88 - u.d.
Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft
- III B 5 - 673/2 - 28832 - III B 6 - 6100/2 - 32738 -
v. 3. 1. 1989 ¹)

Schutz und Reinhaltung der Gewässer sind Schwerpunkte der Umweltpolitik der Landesregierung.

Die Gewässerpolitik der Landesregierung zielt darauf ab,

- die Wasserversorgung von Bevölkerung und Wirtschaft langfristig zu sichern,

- die Gewässer vorbeugend vor Gefährdung zu schützen,

- den ökologischen Wert der Gewässer zu bewahren, zu verbessern oder wiederherzustellen.

Wegen der neuen strengeren Anforderungen an die Beschaffenheit der einzuleitenden Abwässer werden die Gemeinden große Anstrengungen unternehmen müssen, die Anlagen der Abwasserbeseitigung durch Neubau, Ergänzung oder Erweiterung den veränderten Anforderungen anzupassen. Die Landesregierung sieht in dieser Aufgabe einen Schwerpunkt der kommunalen Aufgabenerfüllung bis zum Ende dieses Jahrhunderts.

Zur Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden ist neben der Finanzierung auch die Wahl der geeigneten Organisationsform von besonderer Bedeutung. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Abwasserbeseitigung zu den Pflichtaufgaben der kommunalen Selbstverwaltung gehört. Es ist daher grundsätzlich in die alleinige Entscheidung der Gemeinden gestellt, den für die Aufgabenerfüllung geeigneten organisatorischen Rahmen zu schaffen.

Zum Betrieb der Abwasserbeseitigung bieten sich verschiedene Organisationsformen an. Es ist Ausdruck der Organisationshoheit der Gemeinden, über die geeignete Organisationsform unter Abwägung verschiedener Gesichtspunkte selbst zu entscheiden. Im Hinblick auf § 63 GO ist es für den wirtschaftlichen Betrieb einer Einrichtung der Gemeinde eine wichtige Voraussetzung, daß die Gemeinde Benutzungsgebühren erhebt, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen (erforderlichenfalls auf der Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwerts) kostendek-kend sind. Nach dem KAG haben die Gemeinden darüber zu entscheiden, ob die Gebührenrechnung auf der Grundlage des Anschaffungs- bzw. Herstellungswerts oder des Wiederbeschaffungszeitwerts erfolgt. Eine volle Substanzerhaltung ist gesichert, wenn der Wiederbeschaffungszeit-wert zugrunde gelegt wird. Die damit möglichen speziellen Einnahmen bieten in Verbindung mit einem angemessenen Fremdmitteleinsatz und gegebenenfalls der Förderung des Landes die Finanzierungsgrundlage für alle notwendigen Maßnahmen der Abwasserbeseitigung.

Der Jahresrechnungsstatistik ist zu entnehmen, daß die Gemeinden in den Jahren 1980 bis 1986 für die Abwasserbeseitigung Gesamtausgaben von rd. 23,2 Mrd. DM getätigt haben. Nach Abzug der in diesem Zeitraum eingenommenen Gebühren, Beiträge und Investitionszuweisungen verbleiben noch rd. 7,6 Mrd. DM, die aus anderen Haushaltseinnahmen aufgebracht wurden.

Die betriebswirtschaftlichen Grundsätze gelten gleichermaßen für alle Organisationsformen der Abwasserbeseitigung (§ 6 Abs. 2 Satz l KAG). Kostendeckende Entgelte werden erreicht, wenn diese mindestens

- die Betriebskosten (Personalausgaben, Unterhaltung und Ergänzung der Anlagen und Geräte, Abwasserabgabe),

- die Abschreibungen (erforderlichenfalls auf der Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwerts) sowie

- die angemessene Verzinsung des Anlagekapitals (Her-stellungs- bzw. Wiederbeschaffungszeitwert abzüglich Zuwendungen des Landes und gegebenenfalls der Anschlußbeiträge nach § 8 KAG)

decken.

Im folgenden werden Klarstellungen zum Umfang und zum Zeitrahmen der gemeindlichen Abwasserbeseiti-gungspflicht sowie Hinweise und Erläuterungen zu den in Betracht kommenden Örganisationsformeri gegeben.

l Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden

Die Gemeinden sind nach § 53 Abs. l Landeswasser-gesetz zur Abwasserbeseitigung verpflichtet. Es handelt sich um eine Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe, die die Gemeinden unter Beachtung der Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes, des Lan-deswassergesetzes und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften zu erfüllen haben.

Von dieser Pflichtaufgabe sind die Gemeinden nur befreit, soweit im Landeswassergesetz Einschränkungen (§ 51 LWG) oder andere Träger (§ 53 LWG) vorgesehen sind, soweit die Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte durch Verwaltungsakt der zuständigen Wasserbehörde übertragen wurde (§ 53 LWG) oder soweit Abwasserverbände Maßnahmen als Ver-bandsunternehmen übernommen haben (§ 54 LWG). Die Gemeinden können in ihren Entwässerungssatzungen keine hiervon abweichenden Regelungen treffen.

1.1 Umfang der Abwasserbeseitigungspflicht

Die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden umfaßt grundsätzlich die Pflicht,

- das auf dem Gemeindegebiet anfallende Abwasser entgegenzunehmen, zu sammeln, fortzuleiten, zu behandeln und in ein Gewässer einzuleiten oder in Sonderfällen zu versickern, zu verregnen oder zu verrieseln,

- den Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen einzusammeln, abzufahren und in eine geeignete öffentliche Abwasseranlage zu verbringen und

- den Klärschlamm aus öffentlichen Abwasseranlagen sowie den Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen für eine ordnungsgemäße Beseitigung aufzubereiten.

Zur Abwasserbeseitigungspflicht gehört auch die Pflicht, die zur Abwasserbeseitigung notwendigen öffentlichen Anlagen entsprechend den dafür in Betracht kommenden technischen Regeln zu betreiben und, soweit erforderlich, zu errichten, zu erweitern oder nachzurüsten.

1.2 Fristen für die notwendigen Baumaßnahmen

Die Abwasserbeseitigungskonzepte der Gemeinden gemäß § 53 Abs. l LWG dokumentieren die Gesamt-, heit der notwendigen Baumaßnahmen, ihre zeitliche Abfolge und die geschätzten Kosten. Die hinnehmbaren Zeiträume für Sanierungsmaßnahmen hängen vor allem von der wasserwirtschaftlichen Dringlichkeit der Maßnahmen ab.

Durch die Vorlage des Abwasserbeseitigungskonzep-tes geht die Gemeinde eine Selbstbindung an die von ihr vorgesehenen Fristen ein. Die Abwasserbeseitigungskonzepte werden von den Regierungspräsidenten darauf überprüft, ob die darin genannten Maßnahmen vollständig und die dafür vorgesehenen Fristen angemessen sind. Kann die Gemeinde eine Frist nicht einhalten, hat sie im Einzelfall den zwingenden Grund darzulegen, der die Einhaltung der ursprünglich vorgesehenen Frist für den Baubeginn verhindert. Dazu reicht der Hinweis auf ausbleibende oder hinter den Erwartungen der Gemeinde zurückbleibende Zuwendungen des Landes nicht aus. Liegt ein solcher zwingender Grund nicht vor, ist der Regierungspräsident nach § 53 Abs. l LWG gehalten, der Gemeinde von sich aus eine Frist zu setzen.

1.3 Finanzierung

Der nicht aus anderen Mitteln (ggf. einschl. Landeszuwendungen) finanzierte Investitionsaufwand für wasserwirtschaftliche Maßnahmen ist im Rahmen der Gesamtdeckung aus vermögenswirksamen Ein-

') MBl. NW. 1989 S. 83.

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nahmen der Gemeinde zu finanzieren. Soweit andere vermögenswirksame Einnahmen nicht zur Verfügung stehen, ist die Gemeinde zur Deckung auf Kreditaufnahmen angewiesen.

Die Kommunalaufsichtsbehörden werden gebeten, bei der Genehmigung des Gesamtbetrages der Kredite den finanzwirtschaftlichen Zusammenhang des Finanzierungsbedarfs für wasserwirtschaftliche Investitionen mit der Refinanzierung aus kostendeckenden Entgelten („Rentierlichkeit" der Kreditaufnahmen) zu berücksichtigen. Bei der Kreditgenehmigung ist zu beachten, daß es sich bei diesen Maßnahmen um rentierliche Investitionen handelt, die durch Beiträge und Gebühren finanziert werden.

2 Organisationsformen zur Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht

Einrichtungen der Abwasserbeseitigung werden regelmäßig als kostenrechnende Einrichtungen im Haushalt der Gemeinde geführt. Nach § 88 Abs. 2 GO können Einrichtungen jedoch auch wie Eigenbetriebe geführt werden. Es steht grundsätzlich im Ermessen der Gemeinden, die kostenrechnenden Einrichtungen ganz oder teilweise als Eigenbetriebe zu führen. Daneben kann die Gemeinde zwischen der Gründung einer Gesellschaft privaten Rechts (§ 89 GO) oder der Einschaltung Dritter über Geschäftsbe-sorgungsverträge als Erfüllungsgehilfen bei Wahrung der Verantwortlichkeit der Gemeinde für die Abwasserbeseitigung (§§ 51 ff. LWG) wählen.

Vor derartigen Organisationsentscheidungen ist sorgfältig zu prüfen, welche Auswirkungen die Führung von kostenrechnenden Einrichtungen als Sondervermögen oder andere Organisationsformen auf die Haushaltswirtschaft der Gemeinde haben. Insbesondere ist die Pflicht zu einer dauerhaft ausgeglichenen Haushaltswirtschaft zu beachten.

2.1 Abwasserbeseitigung als Regiebetrieb

2.11 Bei dieser Organisationsform wird die Abwasserbeseitigungseinrichtung als kostenrechhende Einrichtung im kommunalen Haushalt geführt. Wegen der Einbindung in die kommunale Organisation haben Rat und Verwaltung der Gemeinde. volle Einwirkungsmöglichkeiten auf den Regiebetrieb.

2.12 Beim Regiebetrieb werden die vereinnahmten Gebühren im kommunalen Haushalt im Rahmen des Gesamtdeckungsprinzips veranschlagt. Die Vorteile des Gesamtdeckungsprinzips liegen in der Förderung einer flexiblen Haushaltswirtschaft. Der Kommunalhaushalt ermöglicht nämlich eine möglichst weitgehende Investitionsfinanzierung aus Eigenmitteln; die Inanspruchnahme fremdfinanzierter Mittel wird auf das notwendige Maß beschränkt. Eine aufgesplitterte „Töpfchenwirtschaft" für Einzelmaßnahmen wird verhindert. Auf konjunkturelle Erfordernisse und Förderprogramme des Staates kann schnell reagiert werden. Demgegenüber führt die organisatorische Verselbständigung wesentlicher kommunaler Aufgaben im Ergebnis zu einer „Skelettierung" der kommunalen Haushalte und zur Übertragung wesentlicher Entscheidungsbefugnisse vom Rat der Gemeinde auf andere Organe. Vorteile bietet der Regiebetrieb daher sowohl aus der Sicht des kommunalen Haushaltsrechts als auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der uneingeschränkten Verantwortung des Rates der Gemeinde.

2.13 Das von den Gemeinden veranschlagte Entgeltaufkommen im Bereich der Abwasserbeseitigung muß in der Regel kostendeckend sein. Die Kosten der Ab-wasserbeseitigungseinrichtungen sind dabei in vollem Umfang nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. Maßgebend ist § 6 Abs. 2 KAG und § 12 GemHVO.

2.2 Eigenbetriebsmodell

Die Vorschrift des § 88 Abs. 2 Satz 2 GO stellt es in das Ermessen der Gemeinden, das Eigenbetriebsmodell auch für die Führung von Einrichtungen zu nutzen. Der Eigenbetrieb wird als rechtlich unselbständiges Sondervermögen mit eigener Organisation,

Wirtschaftsführung und Rechnungslegung nach Maßgabe der Betriebssatzung geführt. Die Einnahmen fließen dem Sondervermögen zu. Der Einfluß des Rates und der Verwaltung der Gemeinde ist auf wesentliche Entscheidungen beschränkt. Unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Verwaltung kann das Eigenbetriebsmodell insbesondere im Fall der Betriebsführung durch die Stadtwerke zu verwaltungsmäßigen Erleichterungen bei einer einheitlichen Organisation (gemeinsame Gebührenerhebungen, koordinierte Planung und Durchführung von Baumaßnahmen, einheitliche Rechnungslegung und Betriebsabrechnung) führen.

Soweit dem Eigenbetriebsmodell unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Vorzug gegeben werden soll, müssen folgende Mindestvoraussetzungen in jedem Fall berücksichtigt werden:

- Bei der Ausgliederung müssen das Anlagevermögen sachgerecht bewertet und Kredite in sachgerecht ermitteltem Umfang in die Eröffnungsbilanz übernommen werden.

- In Anwendung der Regelungen des KAG müssen auch hier kostendeckende Entgelte erhoben sowie insbesondere eine Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet werden.

2.21 Die Vorschriften über die Eigenbetriebe lassen Abweichungen aus Gründen der Eigenart der jeweiligen Einrichtung und der Praktikabilität grundsätzlich zu. Abweichungen von der Eigenbetriebsverordnung dürfen jedoch die Führung der Einrichtung als Sondervermögen sowie die Rechnungslegung und Prüfung nach der für die Eigenbetriebe vorgesehenen Systematik nicht gefährden. Deshalb besteht für Abweichungen von Vorschriften über das Rechnungswesen grundsätzlich weniger Spielraum als von den . Bestimmungen, die die Organisation des Sondervermögens regeln. Auch zur Organisation des Sondervermögens (Verfassung und Verwaltung) kann jedoch auf ein Mindestmaß an Regelung nicht verzichtet werden. In diesem Rahmen sind Mindestregelungen über die Art der Betriebsführung (z. B. eigenständige „Werkleitung" und eigenständiger „Werksausschuß" oder anderweitige Regelung über die Wahrnehmung dieser Funktionen, so etwa Betriebsführung durch Stadtwerke, oder Wahrnehmung durch andere Dienstkräfte bzw. Fachausschüsse der Gemeinde) und deren Zuständigkeiten sowie über die Zuständigkeiten des Rates erforderlich.

2.22 Für die Entgeltbedarfsberechnung (Benutzungsgebühren oder privatrechtliche Entgelte) gilt unabhän-• gig von der Betriebsform ausschließlich die kommu-nalabgabenrechtliche Regelung des § 6 KAG. Diese Vorschrift geht davon aus, daß im Rahmen der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten (§ 6 Abs. 2 KAG) das gesamte Anlagevermögen (erforderlichenfalls auf der Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwerts) die Basis für die Abschreibungen bildet. Die Abschreibung vom ungekürzten Anlagevermögen dient dabei der Substanzerhaltung des Anlagevermögens und - soweit erforderlich - der rechtzeitigen Ansammlung von Finanzmitteln für spätere Erneuerungen bzw. Ersatzbeschaffungen.

Werden kostenrechnende Einrichtungen wie Eigenbetriebe geführt, sind die abgabenrechtlichen Grundsätze gleichwohl einzuhalten. Daraus folgt, daß das für Bauzuschüsse bei Eigenbetrieben vorgesehene Abzugs- bzw. Auflösungsverfahren (§22 Abs. 3 der EigVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juni 1988 - GV. NW. S. 324/SGV. NW. 641 -) auf Anschlußbeiträge nach §8 KAG nicht anwendbar ist. Der Anwendung dieses Verfahrens auf kostenrechnende Einrichtungen, die wie Eigenbetriebe geführt werden, steht entgegen, daß der Anschlußbeitrag nach § 8 Abs. 2 KAG ein eigenständiges Entgelt für einen dem Grundstückseigentümer gewährten Vorteil (Steigerung des objektiven Gebrauchswertes eines Grundstückes) darstellt. Anschlußbeiträge sind somit nicht als Vorauszahlungen auf künftige Betriebsleistungen anzusehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Kanalanschlußbeitrag nur für die Herstellung bzw. Anschaffung und für die Erwei-

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terung einer Anlage, nicht aber für die Erneuerung bzw. für die Ersatzbeschaffung erhoben wird (§ 8 Abs. 2 Satz l KAG).

Aus dieser Konzeption des Beitrages folgt, daß bei der Berechnung der Entgelte (Benutzungsgebühren nach § 6 KAG) Abschreibungen von ungekürzten Anlagevermögen (auch Abschreibungen auf „beitragsfinanzierte" Anlagegüter) vorzunehmen sind. Lediglich bei der Verzinsung bleibt der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht (§6 Abs. 2 Satz 2, zweiter Halbsatz KAG). Damit hat der Gesetzgeber im KAG zum Ausdruck gebracht, daß er die Entgeltpflichtigen in diesem Umfang bei der Entgeltberechnung entlasten will. Da demgemäß nach kommunalabgaberechtli-cher Regelung in der Regel eine volle Wirtschaftlichkeit der laufenden Entgelte gewährleistet ist, liegen insoweit auch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Anwendung des Abzugs- bzw. Auflösungsverfahrens nach § 20 Abs. 3 EigVO nicht vor.

2.23 Zu den Kosten, die nach § 6 Abs.. 2 KAG aus Gebühren oder aus privatrechtlichen Entgelten zu decken sind, gehört auch eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals. Die Gewinn- und Verlustrechnung des Eigenbetriebs sieht die Eigenkapitalverzinsung als Aufwandposten nicht vor, sondern setzt die Berücksichtigung der Eigenkapitalverzinsung in der Kostenrechnung (Entgeltbedarfsberechnung) und somit in den Umsatzerlösen der Gewinn- und Verlust-Rechnung voraus. Bei der Führung von kostenrechnenden Einrichtungen in Eigenbetriebsform wird daher in der Gewinn- und Verlustrechnung im allgemeinen ein Gewinn (mindestens in Höhe der Eigenkapitalverzinsung) auszuweisen sein, damit der abgabenrechtlichen Verpflichtung zur angemessenen Eigenkapitalverzinsung Rechnung getragen wird. Der auf der Kalkulation der Eigenkapitalverzinsung beruhende Gewinnanteil soll an den Haushalt der Gemeinde abgeführt werden. Andererseits hat die Gemeinde die notwendige Eigenkapitalausstattung des Betriebs sicherzustellen (§ 10 EigVO) und erforderlichenfalls Kapitalzuführungen vorzunehmen.

2.3 Kommunale Zusammenarbeit

Nach § l Abs. l des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG) können Gemeinden Aufgaben, zu deren Erfüllung sie gesetzlich verpflichtet sind, gemeinsam wahrnehmen. In Verbindung mit § 53 Abs. 6 LWG kommt hiernach sowohl die Bildung eines Abwasserzweckverbandes (§§4 ff. GKG) als auch der Abschluß einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung (Übernahme oder Durchführung der Aufgabe für eine andere Gemeinde, §§ 23 ff. GKG) in Betracht. Derartige Zusammenschlüsse bedürfen der Genehmigung durch die obere Wasserbehörde in Verbindung mit der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde.

2.4 Einschaltung Dritter als Erfüllungsgehilfen

Die Abwasserbeseitigung ist gemäß §§ 53 ff. LWG eine Pflichtaufgabe der Gemeinden. Diese Aufgabe kann von der Gemeinde nicht auf eine von ihr gegründete Gesellschaft privaten Rechts (§ 89 GO) oder auf private Dritte übertragen werden. Daher ist eine Privatisierung der Abwasserbeseitigung in dem Sinne, daß die Gesellschaft oder der private Dritte die volle Aufgabenverantwortung übernimmt, rechtlich nicht möglich. Die Gemeinde kann sich jedoch zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht kommunaler Gesellschaften (z. B. Einschaltung der Stadtwerke. GmbH) oder privater Betreiber als „Erfüllungsgehilfen" bedienen. Die Gemeinde bleibt auch in diesen Fällen abwasserbeseitigungspflichtig. Die Abwassergebühren werden weiterhin von ihr erhoben. Rechtsbeziehungen bestehen nur zwischen der Kommune und dem Betreiber, der ein privatrechtliches Entgelt für seine Leistungen erhält.

Die Einschaltung Dritter in die Aufgäbendurchfüh-rung kommt nur dann in Betracht, wenn dies bei Abwägung aller Vor- und Nachteile wirtschaftlicher ist, ohne daß dadurch die Betriebssicherheit leidet. Dabei sind auch steuerliche Auswirkungen zu bedenken; entsprechend gilt dies auch für die Einschaltung kommunaler Gesellschaften.

Bei der Einschaltung privater Dritter sind die Bindung der Gemeinde an die Monopolstellung des Betreibers, die fortbestehende Gewährleistungspflicht der Gemeinde gegenüber ihren Bürgern sowie das Risiko eines evtl. Konkurses des Betreibers zu beachten. Vor einer Einschaltung privater Dritter bei der Abwasserbeseitigung sollten diese Gesichtspunkte sehr sorgfältig geprüft werden.

2.41 Bei der Gestaltung der Entgelte ist auch in diesen Fällen das Äquivalenzprinzip strikt einzuhalten. Bei dem Äquivalenzprinzip handelt es sich um die abgabenrechtliche Ausgestaltung des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der in § 6 Abs. 3 KAG seinen Niederschlag gefunden hat. Zwischen der Gebühr und dem tatsächlichen Wert der in Anspruch genommenen Leistung der Einrichtung darf kein Mißverhältnis bestehen. Dabei ist der kommunalabgaberechtliche Kostenbegriff (vgl. § 6 Abs. l Satz 2 i. V. m. Abs. 2 KAG) zu beachten.

Die vorgenannten Grundsätze sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei einer Einschaltung Dritter anzuwenden (vgl. Urteil v. 5. 4. 1984, BGHZ 91, 84 = DVB1. 1984, 1118). Danach sind unterschiedliche Gestaltungsfreiräume bei der Festlegung der Höhe der Gebühren nicht gegeben.

2.42 Bei der Einschaltung von privaten Unternehmen als Erfüllungsgehilfen muß - unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an den Abwasseranlagen - sichergestellt sein, daß die Verantwortung der Gemeinde für die ordnungsgemäße Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht erhalten bleibt. Das bedeutet:

- Die Gemeinde bleibt ordnungsrechtlich verantwortlich für die Einhaltung der Überwachungswerte in der Erlaubnis der Abwassereinleitung. Das wirkt sich ggf. auch auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Bediensteten aus.

- Die Gemeinde bleibt Betreiberin der Kläranlage. Sie ist verantwortlich für deren Zustand, deren Wartung und deren Betrieb. Setzt sie einen Dritten als Erfüllungsgehilfen ein,

- muß sie sich die notwendigen Weisungsbefugnisse gegenüber dem von der beauftragten Firma eingesetzten Personal vorbehalten,

- muß sie die Organisation und die Betriebsabläufe auf der Kläranlage regelmäßig überwachen, ebenso die Wartung,

- muß sie sich von der ordnungsgemäßen Funktion der Kläranlage im Rahmen der Selbstüberwachung regelmäßig überzeugen.

- Die Gemeinde bleibt verpflichtet, notwendige Erweiterungen und Nachrüstungen der Kläranlage herbeizuführen. Dies hat besondere aktuelle Bedeutung wegen der neuerdings geforderten Einschränkungen des Nährstoffeintrags in die Gewässer.

Die Einschaltung eines privaten Unternehmens als Erfüllungsgehilfen befreit also die Gemeinde nicht von den ihr obliegenden Sorgfaltspflichten.

2.43 Wird im Zusammenhang mit der Einschaltung eines privaten Unternehmens als Erfüllungsgehilfen das Eigentum an Betriebsgrundstücken - unbeschadet des Fortbestehens der Betreiberverantwortlichkeit der Gemeinde - auf diesen oder auf Dritte übertragen, ist hinsichtlich etwa gewährter Landesmittel folgendes zu beachten: Die Verpflichtung der Gemeinde zur Rückzahlung vor Ablauf der Bindungsfrist besteht auch dann, wenn sie das Eigentum am Kläranlagengrundstück auf einen Erfüllungsgehilfen übertragen hat und der Betrieb der Kläranlage aus Gründen, die die Gemeinde nicht zu vertreten hat, eingestellt werden muß. Den Gemeinden wird empfohlen, zur Sicherung der Rückzahlungsverpflichtung eine dingliche Absicherung (z. B. Sicherungshypothek) zu vereinbaren.

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