Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Runderlass vom 14. Dezember 2020 (MBl. NRW. 2021 S. 2).

 


Historisch: Rechtsschutz für Landesbeschäftigte Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 24 - 1.42 - 2/08 - u.d. Finanzministeriums - IV - B 1110-85.4-IV A 2- vom 7. 7. 2008

 

Historisch:

Rechtsschutz für Landesbeschäftigte Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 24 - 1.42 - 2/08 - u.d. Finanzministeriums - IV - B 1110-85.4-IV A 2- vom 7. 7. 2008

Rechtsschutz für Landesbeschäftigte

Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 24 - 1.42 - 2/08 -
u.d. Finanzministeriums - IV - B 1110-85.4-IV A 2-
vom 7. 7. 2008

Bei der Gewährung von Rechtsschutz für Beschäftigte des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) ist wie folgt zu verfahren:

 

I. Geltungsbereich

 

1.
Dieser Gemeinsame Runderlass gilt für Beschäftigte des Landes Nordrhein - Westfalen. Beschäftigte sind Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Auszubildende des Landes NRW. Satz 2 gilt auch für Ehemalige.

 

2.
Auf die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land stehenden Personen sowie Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land gestanden haben, sind die Regelungen entsprechend anzuwenden.

 

 

II. Rechtsschutz in Strafverfahren

 

1.
Ist gegen Beschäftigte des Landes wegen einer dienstlichen Tätigkeit oder eines Verhaltens, das mit einer dienstlichen Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang steht, ein strafrechtliches Ermittlungs- oder ein Bußgeldverfahren eingeleitet, die öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren, Privatklage (§ 374 StPO) oder Nebenklage (§ 395 StPO) erhoben, der Erlass eines Strafbefehls beantragt oder ein Bußgeldbescheid erlassen worden, kann auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein Vorschuss oder, wenn Dienstbezüge oder Entgelt nicht gezahlt werden, ein zinsloses Darlehen gewährt werden.

 

2.
Voraussetzung für die Gewährung des Vorschusses oder Darlehens ist, dass

 

a)
ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung besteht,

(Ein dienstliches Interesse liegt beispielsweise vor, wenn bei Verurteilung von Beschäftigten mit Schadensersatzansprüchen gegen das Land zu rechnen ist; dies ist in der Regel in Verfahren gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte sowie Justizvollzugsbeamtinnen und -beamte gegeben, soweit sie Vollzugsaufgaben wahrnehmen oder in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse Zwang ausüben.)

 

b)
die Verteidigungsmaßnahme, etwa die Bestellung eines Verteidigers bzw. einer Verteidigerin oder die Einholung eines Gutachtens, wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint,

 

c)
nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, dass den Beschäftigten kein oder nur ein geringes Verschulden trifft,

 

d)
die vorläufige Übernahme der Kosten den Beschäftigten im Hinblick auf die Art des Rechtsverfahrens und das in Streit stehende Verhalten oder Tätigwerden nicht zugemutet werden kann,

 

e)
von anderer Seite - ausgenommen von Berufsverbänden - kostenfreier Rechtsschutz nicht zu erlangen ist.

 

 

3.
Werden Beschäftigte im Strafverfahren freigesprochen, so werden die nicht anderweitig gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung endgültig vom Land getragen.

 

Die Kosten in Strafverfahren können ganz oder teilweise übernommen werden, wenn

 

a)
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt oder nicht eröffnet wird oder

 

b)
von einer Strafverfolgung gegen Beschäftigte abgesehen wird und feststeht oder zumindest die Annahme gerechtfertigt ist, dass kein oder nur ein geringes Verschulden vorliegt.

 

Wird gegen Rechtsschutzsuchende rechtskräftig eine Strafe oder eine Geldbuße verhängt oder das Ermittlungsverfahren nach § 153 a StPO endgültig eingestellt, so ist der Vorschuss oder das Darlehen in angemessenen Raten zu tilgen. Das gleiche gilt für Verfahrenskosten und Auslagen, die Rechtsschutzsuchende durch eine schuldhafte Säumnis verursacht haben und die aus diesem Grund nicht der Staatskasse auferlegt worden sind.

 

4.
Werden Beschäftigte im Strafverfahren verurteilt, müssen diese grundsätzlich die Kosten der Rechtsverteidigung selbst tragen. Liegt nach den Feststellungen des Gerichts nur ein geringes Verschulden vor, können die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Rechtsverteidigungskosten zu einem angemessenen Teil, ausnahmsweise aus Billigkeitsgründen auch in voller Höhe, endgültig vom Land übernommen werden.

 

5.
Werden Beschäftigte im Bußgeldverfahren freigesprochen oder der Bescheid zurückgenommen und das Verfahren eingestellt, werden die anderweitig nicht gedeckten Kosten der Rechtsverteidigung vom Land getragen. Wird das Bußgeldverfahren aus anderen Gründen eingestellt, können die Kosten ganz oder teilweise vom Land übernommen werden.

 

 

III. Rechtsschutz in Zivilverfahren

 

1.
Wollen Beschäftigte des Landes wegen einer dienstlichen Tätigkeit oder eines Verhaltens, das mit der dienstlichen Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang steht, in einem Zivilverfahren eigene zivilrechtliche Ansprüche aus Rechtsverletzungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit stehen, gegen Dritte gerichtlich durchsetzen (Aktivprozess), kann auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein Vorschuss oder zinsloses Darlehen gewährt werden. Entsprechendes gilt, wenn Beschäftigte von Dritten in Anspruch genommen werden (Passivprozess).

 

2.
Für die Gewährung eines Vorschusses oder Darlehens gilt Abschnitt II Nr. 2 entsprechend.

 

3.
Unberührt bleibt ein Anspruch nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz – PflVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213) in Verbindung mit § 101 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1, veröffentlichten bereinigten Fassung. Ferner bleibt unberührt ein auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung beruhender Anspruch der Beschäftigten gegen den Dienstherrn oder Arbeitgeber auf Übernahme der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung sowie auf Freistellung von den auferlegten gerichtlichen Kosten.

 

4.
Soweit Beschäftigte im Zivilverfahren obsiegen, werden die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung endgültig vom Land getragen. Gleiches gilt, wenn ein Kostenerstattungsanspruch wegen Zahlungsunfähigkeit des Prozessgegners oder aus anderen Gründen nicht durchsetzbar ist. Der Kostenerstattungsanspruch ist in diesem Fall an den Dienstherrn oder Arbeitgeber abzutreten.

 

5.
Soweit Beschäftigte im Zivilverfahren unterliegen, sind die Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich selbst zu tragen, es sei denn, es liegt ein finanzieller Härtefall vor. Die Beschäftigten haben das Vorliegen eines Härtefalles darzulegen.

 

6.
Soweit ein Zivilverfahren anders als durch Urteil endet (zum Beispiel Vergleich, Anerkenntnis, Rücknahme), können die anderweitig nicht gedeckten notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu einem angemessenen Teil, ausnahmsweise auch in voller Höhe, vom Land übernommen werden.

 

7.
Auf die Möglichkeit, einen aus einer Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört, schon im Strafverfahren geltend zu machen (Adhäsionsverfahren gemäß §§ 403 ff. StPO), wird ausdrücklich hingewiesen.

IV. Rechtsschutz vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen

 

Beschäftigten kann auf Antrag zur Bestreitung der notwendigen Kosten in Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein Vorschuss oder zinsloses Darlehen in entsprechender Anwendung dieses Runderlasses gewährt werden, soweit nicht nach § 25 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages vom 18. Dezember 1984 (SGV. NRW. 1101) eine Entschädigung oder Erstattung erfolgt.

 

 

V. Rechtsschutz auf Veranlassung des Landes Nordrhein-Westfalen

 

Haben Beschäftigte auf Veranlassung der obersten Dienstbehörde oder des jeweils zuständigen Dienstvorgesetzten in einem zivilgerichtlichen Verfahren einen Antrag gestellt oder eine Klage erhoben oder gegen eine straf- oder zivilgerichtliche Entscheidung Rechtsbehelfe eingelegt, so sind auch bei deren Erfolglosigkeit die dadurch entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung vom Land zu tragen. Die Kostenerstattung gilt auch für die den Beschäftigten auferlegten Gerichtskosten sowie für die notwendigen Auslagen von Nebenklägern. Auf Antrag ist Beschäftigten die Übernahme der Kosten schriftlich zuzusichern.

 

 

Vl. Notwendige Kosten

 

1.
Die Notwendigkeit der Kosten richtet sich nach den in den Straf-, Bußgeld- und Zivilverfahren geltenden Regelungen.

 

2.
Die Vereinbarung einer Vergütung im Sinne des § 4 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. 1 S. 718, 788) darf nur dann als notwendig anerkannt und bei der Bemessung der Höhe des Vorschusses oder Darlehens berücksichtigt werden, wenn dies nach der Bedeutung der Angelegenheit sowie nach Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt erscheint.

 

 

VII. Zuständigkeit, Verfahren

 

1.
Zuständige Stelle für die nach diesem Runderlass zu treffenden Entscheidungen ist der oder die Dienstvorgesetzte, für Personen nach Ziffer I Nr. 2 die Staatskanzlei.

 

Die oberste Dienstbehörde kann allgemein oder im Einzelfall eine andere Stelle benennen, wenn die Entscheidung wegen der Eigenart der zu entscheidenden Fragen zweckmäßigerweise von dieser Stelle getroffen wird.

 

2.
Der Antrag auf Gewährung eines Vorschusses oder Darlehens ist schriftlich für jede Instanz neu zu stellen und auf dem Dienstweg der zuständigen Stelle vorzulegen. Er soll enthalten:

 

a)
das Aktenzeichen der Verwaltungsbehörde oder des Gerichts,

 

b)
eine kurz gefasste Schilderung des Sachverhalts,

 

c)
die Gründe, welche die Rechtsschutzmaßnahme geboten erscheinen lassen,

 

d)
die Erklärung, dass Rechtsschutz von anderer Seite nicht zu erlangen ist,

 

e)
Namen und Anschrift des in Aussicht genommenen oder bereits beauftragten Verteidigers sowie

 

f)
die voraussichtlichen Kosten des Rechtsschutzes.

 

3.
Aktivprozesse sollen erst dann eingeleitet werden, wenn über die Gewährung des Vorschusses oder Darlehens entschieden worden ist.

 

4.
Über die endgültige Kostenübernahme entscheidet die zuständige Stelle auf Antrag. Antragsteller und Antragstellerinnen haben dabei die abschließende Entscheidung sowie die Kostenrechnung unverzüglich vorzulegen.

 

Bei Vereinbarung über die Vergütung darf erst nach Vorlage einer genauen Endabrechnung des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin entschieden werden.

 

Eine Überschreitung der gesetzlichen Gebühr kann als notwendig anerkannt werden, wenn dies nach der Bedeutung der Angelegenheit sowie nach Art und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt erscheint. Bei erheblicher Überschreitung des gesetzlichen Gebührenrahmens hat die Behörde in Zweifelsfällen eine Auskunft der Rechtsanwaltskammer über die Angemessenheit der Vergütung einzuholen.

 

5.
Liegen die jeweiligen Voraussetzungen vor, können die den Beschäftigten erwachsenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung auf Antrag auch dann vom Land getragen werden, wenn bis zum Abschluss des Verfahrens ein Vorschuss oder Darlehen nicht gewährt worden ist.

 

6.
Beschäftigte haben den Vorschuss oder das Darlehen zurückzuzahlen, soweit die Kosten anderweitig gedeckt werden können oder nicht endgültig vom Land getragen werden. Ratenzahlung kann unter den Voraussetzungen nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 der Landeshaushaltsordnung (LHO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. April 1999 (GV. NRW. S. 158 / SGV. NRW. 630) vereinbart werden.

 

7.
Vorschüsse an Rechtsschutzsuchende, die Dienstbezüge, Entgelte aus Landesmitteln erhalten, sind im Vorschussbuch zu buchen (§ 60 LHO). Soweit die Kosten endgültig vom Land übernommen werden, sind sie bei Festtitel 546 01 (Vermischte Ausgaben) als Ausgabe zu buchen. Darlehen sind als Ausgabe bei Festtitel 546 01 (Vermischte Ausgaben) und Einnahmen aus Tilgungen bei einem Titel der Gruppe 182 (Sonstige Darlehensrückflüsse - Tilgung von Darlehen) zu buchen.

 

 

VIII. Anwendungsempfehlung

 

Den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie den sonstigen der Aufsicht des Landes NRW unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.

 

 

IX. Übergangsregelung

 

Für Verfahren, deren Antrag auf Gewährung von Rechtsschutz vor Inkrafttreten dieses Runderlasses bereits bewilligt wurde, gelten die bisherigen Regelungen.

 

 

X. Inkrafttreten

 

Dieser Gemeinsame Runderlass tritt am 1.8.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt der Runderlass betr. Rechtsschutz für Landes für Beschäftigte in Strafsachen und Bußgeldverfahren vom 30. Oktober 1967 (MBl. NRW. S. 1806), zuletzt geändert durch Runderlass vom 16. September 1981 (MBl. NRW. S. 2092), außer Kraft.

 

MBl. NRW. 2008 S. 376, geändert durch RdErl. v. 18.11.2013 (MBl. NRW. 2013 S. 532).