Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben d. RdErl. v. 5.12.2011 (MBl. NRW. 2012 S. 60).

 


Historisch: Richtlinien für den Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren RdErl. d. Innenministeriums v. 23. 7. 1991 - IV D 1/C 3 - 6402/8535l

 

Historisch:

Richtlinien für den Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren RdErl. d. Innenministeriums v. 23. 7. 1991 - IV D 1/C 3 - 6402/8535l

Richtlinien für den Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden
im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
RdErl. d. Innenministeriums v. 23. 7. 1991 - IV D 1/C 3 - 6402/8535l

1
Grundsätzliches
1.1
Der Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden im Strafverfahren dient der Prüfung, ob sich ein den Ermittlungsbehörden bekannter Tatverdächtiger oder Zeuge am Tatort aufgehalten hat oder mit einem Beweisstück in Berührung gekommen ist. Die Tatrelevanz eines festgestellten Kontaktes bedarf eines zusätzlichen Nachweises.
Der Geruchsspurenvergleich ist ein Hilfsmittel, mit dem ein Tatverdacht erhärtet werden kann. Er ist kein Beweismittel im naturwissenschaftlichen Sinne. Seine Aussagekraft ist bei korrekt durchgeführtem Verfahren jedoch sehr hoch, so dass dem Geruchsspurenvergleich insbesondere im Zusammenhang mit anderen Indizien ein hoher Beweiswert zukommen kann.
1.2
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren beruht auf der Tatsache, dass jeder Mensch ein Geruchsbild aufweist, das durch genetische und variable umweltbedingte Faktoren bestimmt wird. Bisher nicht widerlegt ist dabei die Annahme, dass der genetisch bedingte Bestandteil des menschlichen Geruchs einmalig und somit bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Ob sich dieser individuelle Eigengeruch im Laufe des Lebens verändert, ist noch nicht bekannt. Der Eigengeruch ist auch im Blut und allen anderen menschlichen Sekreten und in Exkrementen nachweisbar.
1.3
Der menschliche Geruch überträgt sich mittels aller  Körperausscheidungen und Blut durch Kontamination auf Gegenstände und lässt sich auf diesen nachweisen. Eine besondere Bedeutung hat dabei der Schweiß, der in der Regel durch Hautkontakte übertragen wird. Im Strafverfahren wird es dadurch möglich, Geruchsspuren an Gegenständen, die der Täter am Tatort berührt hat, mit dem Geruch von Tatverdächtigen zu vergleichen.
1.4
Hunde sind aufgrund ihres hochentwickelten Riechsinnes in der Lage, Duftgemische wahrzunehmen und Teilgerüche herauszufiltern. Sie können verschiedene Mischgerüche vergleichen und bei Duftgemischen identische Teilgerüche feststellen.
1.5
Das Wiedererkennen des Geruchs durch einen speziell ausgebildeten Hund ist eine Sinnesleistung, die der visuellen Identifikation einer Person anhand eines Filmes oder Lichtbilds durch einen Menschen annähernd vergleichbar ist, ohne dass dabei wie bei einem Zeugen eine besondere Gedächtnisleistung verlangt wird.
1.6
Die Möglichkeit, Geruchsspuren wahrzunehmen und zu identifizieren, sinkt mit zunehmendem Alter der Geruchsspur. Daneben wird die Wahrscheinlichkeit einer Identifizierung durch vorausgegangene kriminaltechnische Untersuchungen erheblich gemindert, insbesondere nach Einsatz von
Cyanacrylat,
Ninhydrin-Verfahren (Tauchbad),
Rußpulver,
Jodierverfahren und
Klebefolie auf glatten Flächen.

2
Anwendungsbereich

2.1
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren dient nicht dem Zweck, Ergebnisse kriminalwissenschaftlicher oder -technischer Untersuchungen zu bestätigen, anzuzweifeln oder zu widerlegen.
2.2
Geruchsspurenvergleichshunde können sinnvoll eingesetzt werden, wenn
- Gegenstände (Beweismittel) vorhanden sind, mit denen der Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit körperlich in Berührung gekommen ist oder Körperausscheidungen/Blutspuren vorhanden sind, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Täter zuzuordnen sind,
- ein oder mehrere Tatverdächtige vorhanden sind, die die Täterschaft oder den Kontakt mit dem Beweisstück oder dem Tatort bestreiten,
- nach den vorhandenen Spuren mit herkömmlichen kriminalistischen Untersuchungsmethoden eine Täterschaft voraussichtlich nicht oder nicht hinreichend nachweisbar erscheint.
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren ist auch geeignet, den Körperkontakt von Zeugen mit Gegenständen nachzuweisen oder Körperausscheidungen/Blut Zeugen zuzuordnen.
2.3
Der Einsatz von Geruchsspurenvergleichshunden ist nicht auf Delikte der Schwerkriminalität beschränkt. Die Landespolizeischule für Diensthundführer entscheidet über die Priorität des Einsatzes der Hunde unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten. Mit den ersuchenden Behörden ist nach Möglichkeit das Einvernehmen herzustellen.
2.4
Ein Geruchsspurenvergleich kann kriminalwissenschaftliche oder -technische Untersuchungen beeinträchtigen oder vereiteln und umgekehrt.
Beim beabsichtigten Einsatz der Hunde bedarf es daher einer Prioritätenentscheidung, die in Zweifelsfällen mit der Landespolizeischule für Diensthundführer und mit der für eine kriminalwissenschaftliche oder -technische Untersuchung zuständigen Dienststelle abzustimmen ist.
Die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft bleibt unberührt.

3
Spurensuche und -sicherung am Tatort
3.1
Bei der Spurensuche ist zu bewerten, welche Gegenstände der Täter durch Hautkontakt berührt haben muss oder mit hoher Wahrscheinlichkeit berührt haben könnte. Auf Sekrete und Exkremente, die dem Täter zuzurechnen sind, ist zu achten.
3.2
Hautkontakt mit Gegenständen, die für einen Geruchsspurenvergleich sichergestellt werden, ist zu vermeiden. Personen, die einen solchen Gegenstand möglicherweise kontaminiert haben, sind zu erfassen und für die Ermittlungsakten zu dokumentieren, um sie bei einem späteren Geruchsspurenvergleich als Vergleichspersonen ausschließen zu können.
3.3
Gegenstände/Spuren sind im trockenen Zustand in neuen und durch Auskochen gereinigten und geschlossenen Glasbehältern, ersatzweise Aluminium- oder Einwegplastiktüten, zu sichern. Werden Einwegplastiktüten verwendet, sind die Gegenstände/Spuren zum Zwecke der ausschließlichen Verwahrung nach Möglichkeit zusätzlich in Gläsern zu lagern. Scheidet diese Art der Aufbewahrung aus, ist eine sterile Kompresse für eine Zeitdauer von ca. 24 Stunden mit dem Geruchsspurenträger zu kontaminieren. Anstelle des Gegenstandes ist die Kompresse wie beschrieben in Verwahrung zu nehmen.
Die Duftspur in der Kompresse ist schwächer als die originale Geruchsspur.
Die sichergestellten Geruchsspurenträger verbleiben zunächst bei der ermittlungsführenden Behörde.

4
Vorbereitung des Geruchsspurenvergleichsverfahrens
4.1
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren kann durchgeführt werden, sobald gegen eine Person Tatverdacht besteht.
4.2
Geruchsspurenvergleichshunde werden zentral an der Landespolizeischule für Diensthundführer vorgehalten. Sie hält auch das für die Durchführung des Geruchsspurenvergleichs erforderliche Gerät und Material bereit. Sie gewährleistet die sachgerechte Durchführung des Geruchsspurenvergleichs und deren Dokumentation für das Strafverfahren.
4.3
Um eine Beeinflussung der Hunde zu vermeiden, ist eine Konfrontation zwischen diesen und den Tatverdächtigen/Zeugen sowie den Vergleichspersonen zu verhindern.
4.4
Die Geruchsspuren des Tatverdächtigen/Zeugen und der Vergleichspersonen werden auf einen Geruchsspurenträger durch Kontamination übertragen. Außer dem Tatverdächtigen/Zeugen sind dazu regelmäßig sechs weitere Vergleichspersonen heranzuziehen. Als Spurenträger sind Vierkantröhrchen aus Edelstahl zu verwenden, die vor der Kontamination thermisch gereinigt werden.
4.5
Die Personen kontaminieren die Metallröhrchen in der Regel über die Hand. Dabei halten sie die Metallröhrchen für die Dauer von ca. zwei Minuten fest. Der Kontaminationszeitpunkt kann innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich sein.
4.6
Die Vergleichsröhrchen sind, nach Personen getrennt, in thermisch gereinigten Gläsern zu sichern und für den Test aufzubewahren. Die Gläser sind unmittelbar mit dem Namen der Personen zu beschriften.
4.7
Das Kontaminationsverfahren ist für die Ermittlungsakten zu dokumentieren.
4.8
Die Kontamination der Vergleichsröhrchen erfolgt in der Regel bei der anfordernden Kreispolizeibehörde mit fachlicher Unterstützung durch einen Beamten der Landespolizeischule für Diensthundführer.
Originalspur und Vergleichsmaterial sind diesem Beamten nach Abschluss des Kontaminationsverfahrens zur Durchführung des Geruchsspurenvergleichsverfahrens zu übergeben.

5
Durchführung des Geruchsspurenvergleichs
5.1
Der Geruchsspurenvergleich wird in der Regel bei der Landespolizeischule für Diensthundführer durchgeführt.
Die kontaminierten Vierkantröhrchen werden auf vorher thermisch gereinigten Edelstahlflächen einer Arbeitsplattform ausgerichtet. Die Reihenfolge der Spurenträger ist auszuwürfeln (Zufallsprinzip) und zu protokollieren. Um eine psychische Beeinflussung der Hunde durch ihre Diensthundführer zu vermeiden, befinden sich diese mit den Hunden bei der Vorbereitung des Vergleichstests außer Sicht- und Hörweite. Die Diensthundführer dürfen nicht wissen, an welcher Stelle sich das von dem Tatverdächtigen/Zeugen kontaminierte Röhrchen befindet.
Der Geruchsspurenvergleichshund hat sich zunächst die auf dem Gegenstand (Ausgangsspur) vorhandenen menschlichen Geruchsspuren durch intensives Abspüren einzuprägen. Unmittelbar danach hat er den Abgleich an den Vergleichsgeruchsspurenträgern durchzuführen.
Stellt der Hund an einem der ausgelegten Metallröhrchen eine Identität mit der Ausgangsspur fest, zeigt er das durch Kratzen und Beißen an dem entsprechenden Spurenträger an. Dieser ist daraufhin freizugeben (Belohnung, Befriedigung des Spieltriebs).
5.2
Die Landespolizeischule für Diensthundführer hat die Durchführung des Geruchsspurenvergleichs für die Ermittlungsakten beweiskräftig zu dokumentieren. Die Dokumentation ist nach Möglichkeit durch Videoaufnahmen zu ergänzen, die insbesondere das Verhalten der Geruchsspurenvergleichshunde während des Tests belegen sollen.
5.3
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren gliedert sich in Vor- und Haupttest. Beide Tests werden an einem Tag durchgeführt.
5.3.1
Der Vortest dient der Kontrolle gegenüber unerwünschten Zuordnungspräferenzen und damit dem Nachweis der Unvoreingenommenheit des Geruchsspurenvergleichshundes gegenüber dem Tatverdächtigen/Zeugen. Zu diesem Zweck ist dem Hund als Ausgangsspur ein Gegenstand vorzuhalten, der von einer Vergleichsperson berührt wurde. Arbeitet der Hund fehlerfrei, darf er nicht das vom Tatverdächtigen/Zeugen, sondern muss das von der Vergleichsperson kontaminierte Röhrchen zuordnen.
Bei der Durchführung des Vortests ist Wert darauf zu legen, dass der Hund das von dem Tatverdächtigen/Zeugen kontaminierte Vergleichsröhrchen prüft. Ist das nicht der Fall, muss der Vortest wiederholt werden.
5.3.2
Im Haupttest ist dem Hund der sichergestellte Gegenstand (Ausgangsspur) vorzuhalten. Ihm ist Gelegenheit zu geben, intensiv Witterung aufzunehmen. Anschließend hat er frei ohne Anleinen die ausgelegten Röhrchen zu prüfen. Bei dem Vortest und dem Haupttest wird mit Ausnahme der im Vortest zugeordneten Person dieselbe Vergleichsgruppe eingesetzt.
5.4
Für den Geruchsspurenvergleich sind drei Geruchsspurenvergleichshunde unabhängig voneinander einzusetzen. Stimmen alle drei Geruchsspurenvergleichshunde im Ergebnis überein, besteht sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung zwischen Spurenverursacher und der dem Vergleichsspurenträger zugeordneten Person. Wird das Beweismittel von weniger als drei Hunden zugeordnet, relativiert sich die Verfahrenssicherheit entsprechend. Das gilt sowohl für den Vortest als auch für den Haupttest. Die im Haupttest eingesetzten Hunde müssen mit den im Vortest eingesetzten Hunden identisch sein.
Im Vortest muss übereinstimmend der Tatverdächtige/Zeuge geprüft und nicht zugeordnet, der Verursacher der Ausgangsspur jedoch identifiziert worden sein.
Im Haupttest müssen die Geruchsspurenvergleichshunde übereinstimmend den Tatverdächtigen/Zeugen zuordnen. Nach einem Fehler im Vortest oder im Haupttest darf höchstens ein Ersatzhund eingesetzt werden.
Ein Geruchsspurenvergleichstest ist durch den Diensthundführer abzubrechen, wenn der Hund in einem der Zuordnungsdurchläufe trotz ausreichender Prüfung kein Röhrchen anzeigt.
5.5
Im Falle einer beabsichtigten Zuordnung mehrerer Beweismittel auf denselben Tatverdächtigen/Zeugen ist für jedes Beweismittel ein gesonderter Vortest durchzuführen.
5.6
Erfolgt keine Zuordnung im Haupttest, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Tatverdacht entfallen ist.

6
Staatsanwaltschaft
Der Staatsanwalt ist durch die sachbearbeitende Dienststelle von dem beabsichtigten Vergleichstest vorher zu verständigen. Ihm ist Gelegenheit zur Anwesenheit bei der Kontamination der Vergleichsspurenträger sowie bei der Durchführung des Geruchsspurenvergleichs (Vor- und Haupttest) zu geben.

7
Konditionierung der Spürhunde
Da den Hunden nicht vorgegeben werden kann, welche Teilgeruchsübereinstimmungen beim Abgleich relevant und damit anzuzeigen sind, kommt der Ausbildung der Geruchsspurenvergleichshunde eine besondere Bedeutung zu.
Die Konditionierung der Hunde muss bewirken, dass aus dem Mischgeruch einer menschlichen Geruchsspur ausschließlich der genetisch bedingte Individualgeruch als bedeutsam erkannt, herausgefiltert und mit den entsprechenden Teilgerüchen anderer menschlicher Mischgerüche abgeglichen wird.
Dabei ist der Gefahr entgegenzuwirken, dass die Hunde durch nebensächliche Regelmäßigkeiten dazu verleitet werden, ergebnisverfälschende Präferenzen zu entwickeln. Insbesondere dürfen sie nicht erlernen, angst- oder stresstypische Geruchsbestandteile als wesentlich zu bewerten.
Die Hunde sind so auszubilden, dass sie im Zweifel nicht zuordnen.
Die Landespolizeischule für Diensthundführer stellt sicher, dass die Hunde neben dem Einsatz kontinuierlich trainiert werden. Die Schulung der Geruchsspurenvergleichshunde darf nicht aufgrund der Zahl der Einsatzersuchen vernachlässigt werden.
Die Landespolizeischule für Diensthundführer dokumentiert tierbezogen die Einsatz- und Trainingshäufigkeit der Hunde. Sie bereitet sich darauf vor, das Konditionierungs- und Trainingsprogramm der Geruchsspurenvergleichshunde durch sachverständige Zeugen den Prozessbeteiligten zu erläutern.

8
Verbot von personenbezogenen Geruchsspurensammlungen
Die Vergleichsgeruchsspurenträger sind nach erfolgtem Spurenvergleich thermisch zu neutralisieren. Das Anlegen von personenbezogenen Geruchsspurensammlungen ist untersagt.

9
Rechtsgrundlagen
Die Aufnahme einer Vergleichsgeruchsspur ist beim Beschuldigten unter den Voraussetzungen des § 81 b StPO oder mit seiner Einwilligung zulässig.
Bei anderen Personen ist zur Durchführung der Maßnahme deren Einwilligung erforderlich.


MBl. NRW. 1991 S. 1160 , geändert durch RdErl. v. 11. 1. 2002 (MBl. NRW. 2002 S. 214)