Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben d. RdErl. v. 15.7.2011 (MBl. NRW. 2011 S. 402).

 


Historisch: Polizeibeamte als Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren RdErl. d. Innenministers v. 8. 8. 1989 -IV A 2 – 3022

 

Historisch:

Polizeibeamte als Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren RdErl. d. Innenministers v. 8. 8. 1989 -IV A 2 – 3022

Polizeibeamte als Zeugen
in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren
RdErl. d. Innenministers v. 8. 8. 1989 -IV A 2 – 3022

Als Anlage gebe ich eine mit mir abgestimmte Rundverfügung des Justizministers bekannt, die dieser unter dem 28. 7.1989 an die Präsidenten der Oberlandesgerichte, die Generalstaatsanwälte und die ihnen nachgeordneten Gerichte und Behörden gerichtet hat.

Damit der bezweckte Entlastungseffekt erreicht wird, ist die Mitwirkung auch von Seiten der Polizei erforderlich. Die Leiter der Polizeibehörden werden daher gebeten, u. a. bei ihren routinemäßigen Dienstgesprächen mit Staatsanwälten und Richtern - ggf. auch der übrigen Gerichtsbarkeit - die insoweit bestehenden Kooperationsmöglichkeiten unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu erörtern.

Die Polizeibehörden regeln den innerbehördlichen Verfahrensablauf bei der Erteilung, Einschränkung oder Versagung von Aussagegenehmigungen sowie die sich aus den Terminwahrnehmungen ergebenden organisatorischen Fragen in eigener Zuständigkeit unter besonderer Berücksichtigung der sich aus Abschnitt I. B) Nummer 4 der Anlage ergebenden Erfordernisse.

Der RdErl. v. 5.12.1962 (SMBl. NW. 20510) wird aufgehoben.

Anlage

Der Justizminister

des Landes Nordrhein-Westfalen

4600-III A.37

Düsseldorf, den 28. Juli 1989

Rundverfügung

An die

Präsidenten der Oberlandesgerichte

Generalstaatsanwälte

Düsseldorf, Hamm und Köln

- und die ihnen nachgeordneten Gerichte und Behörden

Betr.: Polizeibeamte als Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren;

hier:    A) Einholung und Erteilung der Aussagegenehmigung
            B) Möglichkeiten, den sich aus der Vernehmung von Polizeibeamten für diese ergebenden Zeitverlust zu verringern

I.

A) Einholung und Erteilung der Aussagegenehmigung

Nach § 54 Abs. l StPO gelten in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren (§ 46 Abs. l OWiG) für die Vernehmung von Beamten als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften. Nach § 64 LBG bedarf ein Beamter zur gerichtlichen Aussage über Angelegenheiten, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind, der Genehmigung seines Dienstvorgesetzten, es sei denn, dass die Aussage sich auf Tatsachen bezieht, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde (§ 65 LBG).

Es liegt im Interesse von Justiz und Polizei, dass in den Fällen, in denen Polizeibeamte über dienstliche Angelegenheiten als Zeugen vernommen werden sollen, die Aussagegenehmigung rechtzeitig, eingeholt und über ihre Erteilung, Einschränkung oder Versagung beschleunigt entschieden wird.

Mit dem Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist daher für die Einholung und Erteilung der Aussagegenehmigung für Polizeibeamte, die in dienstlicher Eigenschaft als Zeugen vernommen werden sollen - unbeschadet der richterlichen Unabhängigkeit -, folgende Verfahrensweise abgestimmt worden:

1.
Der Polizeibeamte wird über den jeweiligen Dienstvorgesetzten (Leiter der Polizeibehörde oder Polizeieinrichtung) vorgeladen. In der Vorladung liegt zugleich der Antrag auf Erteilung der Genehmigung zur Aussage.

2.
Die Aussagegenehmigung wird vom Dienstvorgesetzten des Polizeibeamten erteilt, eingeschränkt erteilt oder versagt.
Soll ein Polizeibeamter, der Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ist, als Zeuge über Tatsachen vernommen werden, die ihm in dieser Eigenschaft bekannt geworden sind, so entscheidet der Dienstvorgesetzte im Einvernehmen mit dem Leiter der Staatsanwaltschaft, dem die Fachaufsicht über den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft zusteht. Solange dem Dienstvorgesetzten in angemessener Frist Gegenteiliges nicht bekannt wird, kann er davon ausgehen, dass der Leiter der Staatsanwaltschaft mit der Erteilung der Aussagegenehmigung einverstanden ist .

3.
Die Aussagegenehmigung gilt grundsätzlich als erteilt in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, bei deren Verfolgung der Polizeibeamte von Amts wegen mitgewirkt hat. Dies gilt auch für die mit der Tat in Zusammenhang stehenden Zivilrechtsstreitigkeiten.
Die grundsätzliche Genehmigung zur Aussage als Zeuge bezieht sich nicht auf innerdienstliche Angelegenheiten. Insoweit bedarf es einer Einzelfallentscheidung des Dienstvorgesetzten. Daher empfiehlt es sich, das Beweisthema in diesen Fällen bereits in der Vorladung besonders zu präzisieren, damit keine Verzögerungen eintreten.

Die grundsätzliche Genehmigung gilt ferner nicht für die Fälle, in denen die Aussage des Beamten dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten kann oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.

4.
Wird die Aussagegenehmigung verweigert oder nur in beschränktem Umfange erteilt, so setzt, der Dienstvorgesetzte des Polizeibeamten hiervon das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich schriftlich in Kenntnis. Die eingeschränkte Aussagegenehmigung muss erkennen lassen, zu welchen Fragen nicht ausgesagt werden darf. Die Gründe hierfür sind darzulegen.

Ist das Beweisthema in den Fällen der Nr. 3 in der Vorladung präzisiert so können unbeschadet von Nr. 6 das Gericht und die Staatsanwaltschaft bei der Vernehmung davon ausgehen, dass die Genehmigung zur Aussage uneingeschränkt erteilt ist, wenn das Gericht und die Staatsanwaltschaft keine Mitteilung über die Beschränkung der Aussagegenehmigung i. S. des Absatzes l erhalten haben.

5.
Ist aus Zeitgründen ausnahmsweise die fernmündliche Ladung eines Polizeibeamten erforderlich, so kann der Beamte unmittelbar unter Angabe des Vernehmungsgegenstandes geladen werden. In diesem Falle wird der Polizeibeamte erforderlichenfalls selbst die Aussagegenehmigung seines Dienstvorgesetzten einholen und das Gericht und die Staatsanwaltschaft von dessen Entscheidung unterrichten.

6.
Ergibt sich erst im Laufe des Verfahrens, in dem eine uneingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt ist bzw. als erteilt gilt, dass die Aussage des PolizeibeamtenNachteile i. S. von § 65 LBG zur Folge haben könnte oder dass sie sich auf innerdienstliche Angelegenheiten erstrecken soll, hat der Polizeibeamte die Aussage zu verweigern, bis eine Entscheidung des Dienstvorgesetzten über das weitere Aussageverhalten eingeholt worden ist. Soweit die Aussage des Polizeibeamten Nachteile i. S. von § 65 LBG zur Folge haben könnte, hat er sich zuvor mit dem Sitzungsstaatsanwalt ins Benehmen zu setzen.

B) Möglichkeiten, den sich aus der Vernehmung von Polizeibeamten für diese ergebenden Zeitaufwand zu verringern

Durch die notwendige Inanspruchnahme von Polizeibeamten als Zeugen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren fallen täglich zahlreiche Dienststunden für den Polizeidienst aus. Der aus der Zeugnispflicht der Beamten entstehende Zeitaufwand ist zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass die Beamten erst nach längerer Wartezeit vernommen werden oder nach ihrer Vernehmung als Zeugen noch bis zum Schluss der Verhandlung beim Gericht verbleiben müssen. Es liegt im Interesse der Polizei, den Zeitaufwand zu verringern. Die Justiz kann diesem Anliegen im Einzelfall dadurch verstärkt Rechnung tragen, dass insbesondere von folgenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird:

1.
Verhandlungen, in denen Polizeibeamte als Zeugen aussagen sollen, sollten nach Möglichkeit vor anderen Verfahren angesetzt werden, damit die Beamten frühzeitig wieder zu ihrem Dienst zurückkehren können.

2.
In Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten sollte stets geprüft werden, ob die Vorladung eines oder mehrerer Polizeibeamter erforderlich ist oder ob eine vereinfachte Beweisaufnahme ausreicht (§77 a OWiG).

3.
Polizeibeamte, die voraussichtlich erst gegen Ende einer umfangreichen Beweisaufnahme vernommen werden können, sollten nicht schon zum Beginn der Hauptverhandlung, sondern erst zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt vorgeladen werden.

4.
In umfangreichen Strafsachen, in denen nicht vorauszusehen ist, ob die Vernehmung eines Polizeibeamten, der am Sitze des Gerichts tätig ist, erforderlich wird oder zu dem angegebenen Zeitpunkt erfolgen kann, sollte in die Zeugenladung etwa folgender Zusatz aufgenommen werden:

„Sie brauchen zunächst nicht zur Verhandlung zu erscheinen, müssen aber vom Vorladungstermin an für die Dauer der Verhandlung oder bis zu einer besonderen Benachrichtigung über ihre Dienststelle kurzfristig erreichbar sein, damit sie jederzeit fernmündlich als Zeuge herbeigerufen oder abbestellt werden können."

Durch eine entsprechende Anordnung des Innenministers wird sichergestellt dass ein Polizeibeamter, der mit diesem Zusatz als Zeuge geladen ist, bis zur fernmündlichen Abberufung oder Abbestellung erreichbar ist und unverzüglich anGerichtsstelle erscheint.

5.
Polizeibeamte sollten im Einverständnis mit der Staatsanwaltschaft dem Angeklagten und seinem Verteidiger vorzeitig entlassen werden, sobald sich erkennen lässt dass sie in der Hauptverhandlung nicht mehr benötigt werden.

6.
Die Vernehmung von Polizeibeamten sollte möglichst in die Dienstzeit des Beamten gelegt werden. Es empfiehlt sich eine Abstimmung - etwa durch Übersendung der Dienstpläne - mit den örtlichen Dienststellen der Polizei.

7.
Es kann sich der Hinweis an den als Zeugen geladenen Polizeibeamten empfehlen, dem Gericht rechtzeitig Mitteilung zu machen, welcher andere Beamte ggf. an seiner Stelle vernommen werden kann, wenn er verhindert ist (Urlaub, Lehrgang o. ä.) oder er als Zeuge für das Tatgeschehen nicht oder nicht in vollem Umfang in Betracht kommt.

8.
Die Staatsanwaltschaften bitte ich,

a) nicht schematisch Polizeibeamte, die Ermittlungen durchgeführt haben, als Zeugen zu benennen, sondern in jedem Falle sorgfältig zu prüfen, ob die Benennung geboten ist,

b) bei der Zeugenvernehmung von Polizeibeamten entsprechend den vorstehenden Anregungen zu verfahren.

II.

Die RV vom 18.06.1956 (4600 – III A. 37) wird durch diese RV ersetzt.

MBl. NRW. 1989 S. 1084