Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch RdErl. v. 27.1.2004 - MBl.NRW. 2004 S. 188 (Gl.Nr. 2051).

 


Historisch: Erhebung von Sicherheitsleistungen durch die Polizei RdErl. d. Innenministers v. 26. 8. 1980 - IVA2-25.11/10

 

Historisch:

Erhebung von Sicherheitsleistungen durch die Polizei RdErl. d. Innenministers v. 26. 8. 1980 - IVA2-25.11/10

Erhebung von Sicherheitsleistungen durch die Polizei
RdErl. d. Innenministers v. 26. 8. 1980 - IVA2-25.11/10

1
Allgemeines
Sind Personen, die im Geltungsbereich der Strafprozessordnung keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben, einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit dringend verdächtigt, kann die Polizei nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Sicherheitsleistungen erheben.

2
Ordnungswidrigkeiten

Wegen der Schwierigkeiten, die mit der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Ausland verbunden sind, ist dem Betroffenen grundsätzlich noch an Ort und Stelle Gelegenheit zu geben, sich zu der Beschuldigung zu äußern.

2.1
Soll die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden oder erklärt sich der Betroffene bei einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit mit einer Verwarnung unter Erhebung eines Verwarnungsgeldes nicht einverstanden, ist er nach seiner Bereitschaft zur Leistung einer Sicherheit und zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten zu befragen. Gibt er eine entsprechende Erklärung nicht ab, kann nach § 46 Abs. l OWiG i. V. m. § 132 StPO angeordnet werden, dass er eine Sicherheit leistet und einen Zustellungsbevollmächtigten bestellt.

2.12
Die Anordnung dürfen gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 132 Abs. 2 StPO nur der Richter, bei Gefahr im Verzug auch die Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36 OWiG oder die Polizeivollzugsbeamten treffen, die Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sind (§ 152 GVG). Gefahr im Verzug ist anzunehmen, wenn den Umständen nach zu befürchten ist, dass die Anordnung des Richters nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, insbesondere wenn

1. der Betroffene sich nur auf der Durchreise durch das Bundesgebiet befindet und
2. der Richter nicht erreichbar oder der Betroffene nicht bereit ist, den Richter aufzusuchen.

2.2 Höhe und Art der Sicherheitsleistung

2.21
Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich nach der zu erwartenden Geldbuße und den voraussichtlichen Kosten des Verfahrens. Anhaltspunkte für die zu erwartende Geldbuße geben die Bußgeld- und Verwarnungsgeldkataloge.

Zu den Kosten des Verfahrens gehören auch die Auslagen für Dolmetscher und Übersetzer, da Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e) der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) nicht für Ordnungswidrigkeiten gilt. Sofern eine Ordnungswidrigkeit zusammen mit einer Straftat verfolgt wird, ist gemäß Nr. 3.1 von der Erhebung einer Sicherheitsleistung für die Dolmetscher und Übersetzerkosten abzusehen.

2.22
Der als Sicherheitsleistung festgesetzte Geldbetrag ist grundsätzlich in Euro, und zwar in bar, zu verlangen. Es ist jedoch zulässig,

- einen auf den festgesetzten Euro-Betrag ausgestellten Scheck bei Vorlage der Scheckkarte entgegenzunehmen,
- einen dem Euro-Betrag etwa entsprechenden Be trag in ausländischer Währung entgegenzunehmen,
- einen Scheck, der auf einen dem Euro-Betrag etwa entsprechenden Betrag in ausländischer Währung ausgestellt ist, bei Vorlage der Scheckkarte entgegenzunehmen,
- einen Reisescheck, der auf den festgesetzten Euro-Betrag oder auf einen dem DM-Betrag etwa entsprechenden Betrag in ausländischer Währung ausgestellt ist, entgegenzunehmen,
- einen Kreditbrief der AIT (Alliance Internationale de Tourisme) entgegenzunehmen, der mindestens auf den festgesetzten Euro-Betrag oder auf einen dem Euro-Betrag etwa entsprechenden Betrag in ausländischer Währung lautet.

2.23
Über andere Arten der Sicherheitsleistung (Hinterlegung von Wertpapieren, Pfandbestellung, Bürgschaft geeigneter Personen gemäß § 132 Abs. l Satz 2 i. V. m. § 116 a Abs. l StPO) ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob anstelle einer an sich möglichen Sicherheit i.S.d. Nummer 2.22 der Zweck der Maßnahme auch durch eine angebotene andere Art der Sicherheitsleistung erfüllt werden kann.

2.24
Über die Erhebung der Sicherheitsleistung ist eine Niederschrift aufzunehmen unter Benutzung des Vordruckes „Niederschrift Sicherheitsleistung" (Anlage 1). Je eine Durchschrift der Niederschrift ist für die Verfahrensakte, für den Zustellungsbevollmächtigten, für die Polizei sowie für den Betroffenen bestimmt.

Dem Betroffenen ist das Formular „Hinweise/Belehrung zur „Niederschrift Sicherheitsleistung" (Anlage 2) auszuhändigen, das dem Vordrucksatz beigefügt ist.
Kann im Einzelfall keine Sicherheit erlangt und kein dem Betroffenen gehörender Gegenstand gemäß Nummer 2.4 beschlagnahmt werden, ist ein entsprechender Vermerk in die Anzeige aufzunehmen. Das Ausfüllen des Vordruckes „Niederschrift Sicherheitsleistung" erübrigt sich dann.

2.25
Der als Sicherheit entgegengenommene Betrag (ggf. auch eine andere Art der Sicherheit) ist von der Polizei unverzüglich der Kasse der für die Ahndung zuständigen Verwaltungsbehörde unter Beifügung der Urschrift der Niederschrift zuzuleiten.

2.3
Zustellungsbevollmächtigter

2.31
Mit der Sicherheitsleistung ist gleichzeitig anzuordnen, dass der Betroffene eine im Bezirk des zuständigen Gerichts (§ 68 OWiG) wohnende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt. Diese Anordnung unterbleibt, falls die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr die zuständige Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36 Abs. l Nr. l OWiG ist.

2.32
Die Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, ist auch dann zu treffen, wenn im Einzelfall keine Sicherheitsleistung erlangt und kein dem Betroffenen gehörender Gegenstand beschlagnahmt werden kann. Name und Anschrift des Zustellungsbevollmächtigten werden dann in der Anzeige vermerkt.

2.33
Als Zustellungsbevollmächtigte kommen Angehörige der Verwaltungsbehörde, Rechtsanwälte, Vertreter von Automobilverbänden oder sonstige geeignete Personen in Betracht. Die Polizeibehörden haben im Einvernehmen mit den Verwaltungs- und Justizbehörden eine entsprechende Liste zu führen. Falls der Betroffene einen Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten bestellen will, ist er darauf hinzuweisen, dass er den Rechtsanwalt beauftragen muss und dass für ihn Kosten entstehen können. Für den Fall, dass der Rechtsanwalt den Auftrag nicht annimmt, ist vorsorglich ein weiterer Zustellungsbevollmächtigter zu bestellen.

2.4
Beschlagnahme

2.41
Befolgt der Betroffene die Anordnung der Sicherheitsleistung nicht oder lehnt er es ab, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, so können Beförderungsmittel und andere Sachen (auch Bargeld), die der Betroffene mit sich führt und die ihm gehören, beschlagnahmt werden.

2.42
Bei der Entscheidung, welche Sachen zu beschlagnahmen sind, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Würde die Beschlagnahme eine unverhältnismäßige Härte für den Betroffenen zur Folge haben, ist von einer Beschlagnahme abzusehen. Im einzelnen gilt folgendes: Der Wert der beschlagnahmten Sachen soll nicht mehr als das Doppelte der geforderten Sicherheit betragen. Das Kraftfahrzeug des Betroffenen soll nicht beschlagnahmt werden, wenn andere geeignete Gegenstände zur Verfügung stehen. Nicht beschlagnahmt werden sollen ferner Gegenstände, die während der Beschlagnahme verderben oder erheblich an Wert verlieren können oder deren Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen oder Schwierigkeiten verbunden ist. Nicht beschlagnahmt werden sollen Sachen, die gemäß § 811 ZPO unpfändbar sind.

2.43
Über die Beschlagnahme ist eine Niederschrift aufzunehmen unter Benutzung des Vordruckes „Niederschrift Sicherheitsleistung". Die Nummern 2.24 und 2.25 gelten sinngemäß.

3
Straftaten

3.1
Sicherheitsleistung bei Straftaten, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vorliegen (§ 132 StPO)

Für die Maßnahmen der Polizei gelten die Vorschriften unter Nummer 2 entsprechend, allerdings mit der Einschränkung, dass zu den Kosten des Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchstabe 3) MRK nicht die Auslagen für Dolmetscher und Übersetzer gehören, welche im Strafverfahren herangezogen werden, um für einen Beschuldigten, der die deutsche Sprache nicht versteht oder sich in ihr nicht ausdrücken kann, Erklärungen oder Schriftstücke zu übertragen, auf deren Verständnis er zu seiner Verteidigung angewiesen ist.

3.2
Sicherheitsleistungen bei Straftaten, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls nur wegen Fluchtgefahr vorliegen (§ 127 a StPO)

3.21
Von einer Festnahme kann abgesehen werden, wenn

1. nicht damit zu rechnen ist, dass wegen der Tat eine Freiheitsstrafe verhängt oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung
    angeordnet wird,

2. der Beschuldigte eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet und
3. der Beschuldigte eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt.

3.22
Die Entscheidung nach Nummer 3.21 kann jeder Polizeivollzugsbeamte treffen. Die Nummern 2.21 bis 2.24 und 3.1 sind entsprechend anzuwenden. Der Polizeivollzugsbeamte soll den Beschuldigten festnehmen und die Entscheidung des Richters am Amtsgericht herbeiführen, wenn Zweifel bestehen, ob die unter Nummer 3.21 genannten Voraussetzungen vorliegen. Ebenso ist zu verfahren, wenn der Polizeivollzugsbeamte sich nicht in der Lage sieht, die Höhe der Sicherheitsleistung zu bestimmen.

3.23
Weigert sich der Beschuldigte, die angeordnete Sicherheit zu leisten oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, so ist er vorläufig festzunehmen. Die Entscheidung des Richters beim Amtsgericht ist herbeizuführen (§ 128 Abs. l StPO).

3.3
Der als Sicherheitsleistung entgegengenommene Betrag (ggf. auch eine andere Art der Sicherheit) ist von der Polizeiunverzüglich einer Gerichtskasse unter Beifügung der Urschrift der Niederschrift zuzuleiten.

3.4
Soweit Ermittlungen im Ausland erforderlich werden, sind sie bei der Staatsanwaltschaft zu veranlassen.

4
Beschaffung der Vordrucke

Der Vordruck „Niederschrift Sicherheitsleistung" wird zentral beschafft. Der jeweilige Jahresbedarf ist zum 1.1. jeden Jahres der Polizei-Beschaffungsstelle NW mitzuteilen. Fehlanzeige ist erforderlich.

5
Der Runderlass ergeht im Einvernehmen mit dem Justizminister.

MBl. NRW. 1980 S. 2071, geändert durch RdErl. v. 28.6.1988 (MBl. NRW 1988 S. 1082, 23.10.1990 (MBl. NRW. 1990 S. 1534), 15.10.1992 (MBl. NRW. 1992 S. 1718), 23.1.2002 (MBl. NRW. 2002 S. 120).


Anlagen: