Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben Ansiedlung von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten RdErl. d. Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr v. 24.3.1988 -1A 3 - 16.20-01¹)

 

Historisch:

Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben Ansiedlung von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten RdErl. d. Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr v. 24.3.1988 -1A 3 - 16.20-01¹)

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233. Ergänzung - SMB1. NW. - (Stand 1. 8. 1996 = MB1. NW. Nr. 48 einschl.)


 Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben

Ansiedlung von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten

RdErl. d. Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen

und Verkehr v. 24.3.1988 -1A 3 - 16.20-01¹)

1 Allgemeines

Die Ansiedlung von Vergnügungsstätten in den Innenstädten führt im allgemeinen zu deren Belebung, sie kann jedoch auch zu negativen Strukturveränderungen und einer Niveausenkung innerstädtischer Bereiche führen. Die folgenden Hinweise dienen als Planungs- und Entscheidungshilfen bei der Ansiedlung von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten. Sie gehen vom geltenden Recht aus und berücksichtigen die einschlägige Rechtsprechung. Sie sind ausschließlich auf städtebauliche Ziele ausgerichtet

2 Begriffe

Vergnügungsstätten im städtebaurechtlichen Verständnis umfassen Anlagen, Betriebe und Nutzungen unterschiedlicher Ausprägung, die der Befriedigung bestimmter Freizeitbedürfnisse oder der Zerstreuung und Unterhaltung dienen.

Zu den Vergnügungsstätten gehören u. a.

- Spiel- und Automatenhallen sowie Spielcasinos

- Nachtlokale jeglicher Art

- Diskotheken

- Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf Darstellungen mit sexuellem Charakter ausge-, richtet ist

Sex-Shops und ähnliche Betriebe, sofern sie sich auf den Verkauf von Waren beschränken, sind keine Vergnügungsstätten, sondern Einzelhandelsbetriebe.

3 Städtebauliche Auswirkungen

Spielhallen- und Gaststättenkonzentrationen lösen vielfach städtebauliche Probleme aus. Im Vordergrund städtebaulicher Negativwirkungen stehen „trading-down"-Effekte (Senkung der Qualität des Warenangebots), Lärmbelästigungen und Beeinträchtigungen des Stadt- und Straßenbildes. Dabei hängt die Beeinträchtigung durch Vergnügungsstätten und vergleichbare Nutzungen vom Standort ab. Erfahrungsgemäß verdrängen die Betreiber insbesondere von Spielhallen, Sex-Shops, Sex-Kinos und ähnlichen Betrieben die bestehenden Einzelhandelsgeschäfte. Dieser Umstrukturierungsprozeß wird in der Regel entscheidend dadurch beeinflußt, daß die Betreiber der genannten Vergnügungsstätten vielfach bereit sind, für die Geschäftslokale weitaus höhere Mietpreisforderungen zu akzeptieren als die bisher ansässigen Unternehmen. Auch konnte beobachtet werden, daß sich die Umwandlung von Straßen und Stadtquartieren um so. schneller vollzieht, je mehr die Zahl der Vergnügungsstätten und der Grad ihrer Auffälligkeit im Stadtbild wächst.

Ein Ausschluß von Spielhallen und anderen Vergnügungsstätten aus den Kernbereichen der Städte kann jedoch zur Verdrängung dieser Betriebe in benachbarte Wohngebiete führen und dort unter Umständen zu Spannungen - insbesondere durch Lärmbelästigungen durch den Zu- und Abfahrtsverkehr . der Besucher - führen.

4 Baurechtliche Zulässigkeit von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten

Hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ist zu unterscheiden

- nach Planbereichen, d. h. nach im Bebauungsplan festgesetzten Baugebieten, für die die Vorschriften der Baunutzungsverordnung (BauNVO) gelten, und _

- nach unbeplanten Innenbereichen, d. h. für Gebiete innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, für die die Vorschriften des § 34 Baugesetzbuch (BauGB) anzuwenden sind.

4.1 Vorhaben im Planbereich

Spielhallen sind - ebenso wie Sex-Kinos oder Diskotheken - ein Unterfall der Nutzungsart „Vergnügungsstätten". Vergnügungsstätten sind in

- Kerngebieten (MK-Gebiet, §7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) allgemein zulässig und in

- besonderen Wohngebieten (WB-Gebiet, § 4 a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) ausnahmsweise zulassungsfähig.

In den übrigen Baugebieten, insbesondere im

- Mischgebiet (Mi-Gebiet, § 6 BauNVO)

- Dorfgebiet (MD-Gebiet, § 5 BauNVO)

- Allgemeinen Wohngebiet (WA-Gebiet, § 4 BauNVO)

- Gewerbegebiet (GE-Gebiet, § 8 BauNVO)

- Industriegebiet (GI-Gebiet, § 9 BauNVO)

sind sie zwar nicht aufgeführt. Dies bedeutet aber nicht, daß sie in diesen Baugebieten von vornherein ausgeschlossen wären. Vergnügungsstätten - und somit Spielhallen - sind immer eine Unterart der planungsrechtlichen Nutzungsart „Gewerbebetriebe". Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu mit seinen Urteilen vom 25.11.1983 - 4 C 64.79 - (BRS 40 Nr. 45 =.BauR 1984. 142 = DVB1. 1984, 340) und vom 21.2.1986 - 4 C 31.83 (ZfBR 1986,147 = BauR 1986,417 = NVwZ 1986,643) folgende Grundsätze aufgestellt:

- Eine Vergnügungsstätte kann unter besonderen Voraussetzungen als „sonstiger Gewerbebetrieb" i. S. des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO in einem Mischgebiet zulässig sein; dies wird nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, daß Vergnügungsstätten ausdrücklich in Kerngebieten und in besonderen Wohngebieten für zulässig erklärt werden.

- Sie sind allerdings (in einem Mischgebiet) nur als Gewerbebetriebe zulässig, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Insofern kommt es auf die Art und die Größe der jeweiligen Vergnügungsstätte an.

- Die BauNVO weist - mit der ausdrücklichen Nennung - Vergnügungsstätten, die zentrale Bedeutung haben, also einen gesamtstädtischen und darüber hinausgehenden Nutzerkreis ansprechen, dem Kerngebiet zu. Vergnügungsstätten, die jedoch der Entspannung und Freizeitbetätigung im jeweiligen Stadtviertel dienen, sind auch in Misch-und sogar in Wohngebieten zulässig, wenn ihr Störgrad und ihre Größenordnung dem jeweiligen Gebietscharakter entsprechen.

Bei der Zulassung von Vergnügungsstätten außer-. halb von Kerngebieten ist somit im Einzelfall jeweils zu prüfen,

- ob die Vergnügungsstätte nach Art und Größe „atypisch" ist, also wegen ihrer geringen Nutzfläche und ihres kleinen Einzugsbereichs nicht dem Typus der Vergnügungsstätte, wie er für Einrichtungen in Kerngebieten kennzeichnend ist, entspricht und

- ob die Vergnügungsstätte als „sonstiger Gewerbebetrieb" dem jeweiligen Störgrad des Baugebiets nicht widerspricht (z. B. „nicht wesentlich störend" im Mischgebiet).

Trotz ihrer Zulässigkeit oder ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit in den einzelnen Baugebieten

') MBL NW. 1988 S. 435.

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können Vergnügungsstätten jedoch im Einzelfall nach § 15 BauNVO unzulässig sein, wenn

- sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (Absatz l Satz 1) oder

-"von ihnen für das Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbare Belästigungen oder Störungen ausgehen können (Absatz l Satz 2).

Die Eigenart des Baugebiets könnte z. B. durch eine Häufung von Vergnügungsstätten gefährdet sein mit dem Ergebnis, daß von einerbestimmten Zahl oder Dichte der Vorhaben an der Gebietscharakter oder auch nur das städtebauliche Erscheinungsbild eines Straßenraumes „umkippt". Dies führt dazu, daß dann alle weiteren Vorhaben dieser Art unzulässig sind. Eine unzumutbare Belästigung oder Störung kann z. B. vorliegen durch die von einer Vergnügungsstätte für Anwohner zu erwartenden Lärmimmissionen durch an- und abfahrende Besucher.

Liegt ein einfacher Bebauungsplan vor, darf das Vorhaben dessen Festsetzungen nicht widersprechen; im übrigen, d. h. soweit der einfache Bebauungsplan keine Festsetzungen enthält, sind die §§ 34 oder 35 BauGB anzuwenden.

4.2 Vorhaben im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB)

Die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Vergnügungsstätte im unbeplanten Innenbereich ist unterschiedlich zu beurteilen, und zwar

- bei einer näheren Umgebung, die einem Baugebiet der BauNVO entspricht, nach § 34 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung und nach § 34 Abs. l BauGB hinsichtlich der übrigen Kriterien,

- bei einer näheren Umgebung, die uneinheitlich strukturiert und keinem Baugebiet der BauNVO vergleichbar ist, nur nach § 34 Abs. l BauGB.

Bei der Beurteilung nach § 34 Abs. 2 BauGB ist die BauNVO hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (Baugebiet) unmittelbar anzuwenden. Dies bedeutet, daß solche Gebiete so zu behandeln sind, als ob ein Baugebiet der BauNVO förmlich festgesetzt wäre. Darüber hinaus ist hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksflächen auch das „Einfügen" in die nähere Umgebung nach § 34 Abs. l BauGB zu prüfen.

Nach §34 Abs. l BauGB sind Vergnügungsstätten zulässig, wenn sie sich in die Eigenart der näheren Umgebung „einfügen". Nach den von der Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Kriterien fügt sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und zu überbauenden Grundstücksflächen nur ein, wenn es sich innerhalb des sich aus seiner näheren Umgebung ergebenden Rahmens hält.

Im Rahmen hält sich eine Nutzung, die in der näheren Umgebung bereits vorhanden ist. Auch ein „aus dem Rahmen fallendes" Vorhaben kann sich dennoch einfügen, wenn es im Verhältnis zu seiner näheren Umgebung keine bewältigungsbedürftigen Spannungen erzeugt oder vorhandene Snannungen verstärkt Spannungen können z. B. ausgelöst oder verstärkt werden, wenn wegen der von einer Vergnügungsstätte wirkenden Immissionen (z. B. durch an- und abfahrende Besucher) die Nachbarschaft gestört wird, ohne daß es auf die Frage der Zumut-barkeit des erhöhten Lärms i. S. des § 5 BImSchG ankäme (BVerwG, Urt. v. 22. 5. 1987 - 4 C 6.85 und 7.85, ZfBR 1987,257 = BauR 1987, 531).

4.3 Bauordnungsrechtliche Anforderungen an Vergnügungsstätten

Vergnügungsstätten werden in der Regel in bestehenden Gebäuden eingerichtet. Die Nutzungsänderung dieser Gebäude bedarf einer Baugenehmigung. Mit dem Inkrafttreten des BauGB am 1. 7. 1987 werden Nutzungsänderungen - anders als bisher - auch von Veränderungssperren, die die Gemeinden zur Sicherung ihrer Bebauungsplanung erlassen können, erfaßt.

Neben den sonstigen öffentlich-rechtlichen Vor- OQ11 Schriften ist bei der Erteilung der Baugenehmigung fcO i l auch zu prüfen, ob die Stellplatzverpflichtung nach §47 Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NW) erfüllt ist.

Die Verwaltungsvorschriften zur Landesbauordnung - W BauO NW - v. 29. 11. 1984 (SMBl. NW. 23212) . enthalten zu §47 BauO NW Richtzahlen für den Stellplatzbedarf. Für Sonderfälle, die in der Tabelle der Richtzahleh nicht erfaßt sind, ist der Stellplatzbedarf nach den besonderen Verhältnissen im Einzelfall unter sinngemäßer Berücksichtigung der Richtzahlen für Verkehrsquellen mit vergleichbarem. Stellplatzbedarf zu ermitteln.

Mit RdErl. d. MSWV v. 19. 9. 1986 betreffend Änderungder Verwaltungsvorschriften zur Landesbauordnung - W BauO NW - (MBl. NW. S. 1687) wurde den Richtzahlen für den Stellplatzbedarf die Nr. 10.3 (Spiel- und Automatenhallen) angefügt. Danach beträgt die Zahl der notwendigen Stellplätze l Stellplatz je 20 qm Spielhallenfläche, mindestens jedoch 3 Stellplätze je Spielhalle.

Ist die Herstellung der notwendigen Stellplätze nicht oder nur unter sehr großen Schwierigkeiten möglich, so kann die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde auf deren Herstellung verzichten, wenn der zur Herstellung Verpflichtete -an die Gemeinde einen Geldbetrag nach Maßgabe der Satzung zahlt (§ 47 Abs. 5 BauO NW, Ablösung). Die Gemeinde ist zur Annahme einer angebotenen Ablösung nicht verpflichtet. Es steht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde und der Gemeinde, ob von der Ablösung Gebrauch gemacht werden soll.

Eine mißbräuchliche Ausübung dieses Ermessens liegt nicht vor, wenn die Ablösung von der Bauaufsichtsbehörde oder von der Gemeinde verweigert wird, z. B. um bestimmte Nutzungsstrukturen in bestimmten Stadtteilen zu erreichen", auch wenn damit eine planungsrechtlich zulässige Nutzung verhindert werden würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27. 9. 1983 -4 B 122.83 -, BRS 40 Nr. 146).

5 Steuerungsmöglichkeiten der Gemeinden durch Bauplanungsrecht

5.1 Planungsgrundsätze

5.1.1 Erforderlichkeit, besondere städtebauliche Gründe

Durch Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen - ggf. einfachen Bebauungsplänen - können Spielhallen und sonstige Vergnügungsstätten in Baugebieten, in denen solche Betriebe zulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind, ausgeschlossen oder - ggf. geschoßweise - eingeschränkt werden. Diese Möglichkeit besteht nur für förmlich festgesetzte Baugebiete, nicht dagegen für den unbeplanten Innenbereich.

Nach § l Abs. 3 BauGB hat die Gemeinde Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es zur Ordnung der städtebaulichen Entwicklung erforderlich ist. Hat die Gemeinde in bezug auf Spielhallen und sonstige Vergnügungsstätten eine bereits eingetretene oder zu befürchtende städtebauliche Fehlentwicklung festgestellt, die nur im Wege der Planung bewältigt werden kann, so ergibt sich daraus ein konkretes Planerfordernis, dem die Gemeinde nachzukommen hat. Entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan als Bodennutzungsregelungen sind jedoch nur gerechtfertigt, wenn sie von dem Ziel bestimmt sind, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke aus Gründen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung zu leiten und eine sozialgerechte Bodennutzung zu gewährleisten (§ l Abs. l, 3 und 5 BauGB).

Mit anderen sozialpolitischen Gründen wie etwa der Gewährleistung des Jugendschutzes und der Vorsorge gegen die Förderung der Ausbeutung der Spielleidenschaft kann die Erforderlichkeit eines Bauleitplans nicht begründet werden. Insoweit ist die Wertung des Gesetzgebers hinzunehmen, der die Gewerbefreiheit z. B. auch für Spielhallen gewähr-

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leistet und den durch sie möglichen Gefahren für die genannten Gemeinwohlbelange durch bestimmte Anforderungen in der Gewerbeordnung (z. E. § 33 i GewO) vorzubeugen sucht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. 5. 1987 - 4 N 4.86 -, ZfBR 1987, 249 = BauR 1987, 520).

Der planungsrechtliche Ausschluß oder die Einschränkung der Zulässigkeit von bestimmten Vergnügungsstätten bedarf somit einer Rechtfertigung durch besondere städtebauliche Gründe.

Für den Ausschluß von Sex-Shops aus den allgemein zulässigen Einzelhandelsbetrieben lassen sich besondere städtebauliche Gründe im allgemeinen kaum herleiten. Bestimmte Moralvorstellungen sind keine städtebaurechtlichen Entscheidungskriterien.

5.1.2 Berücksichtigung des Bestandes

Bei der Regelung der Zulässigkeit von bestimmten Vergnügungsstätten durch Bebauungsplan sind irisbesondere die bereits zulässigerweise bestehenden Vergnügungsstätten bei der Abwägung zu berücksichtigen. Es besteht jedoch kein absoluter Schutz auf Planfortbestand oder planungsrechtliche Absicherung vorhandener Nutzungen. Die Gemeinde kann bei ihrer Planung die vorgefundene Situation durch rechtmäßige Abwägung auch umgestalten. Trifft die Gemeinde für ein Grundstück Festsetzungen, die' die Nutzungsmöglichkeiten beeinträchtigen, können dadurch Entschädigungsfolgen gemäß §§ 39 ff. BauGB ausgelöst werden.

5.1.3 Entwicklungskonzept

Ein pauschaler Ausschluß von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten aus sämtlichen Baugebieten oder etwa dem gesamten Innenstadtbereich einer Stadt ist wegen eines damit verbundenen Abwägungsdefizits nicht möglich.

Ein Ausschluß aus dem gesamten Innenstadtbereich würde ein generelles Verbot einer Nutzung sein, die der Verordnungsgeber dem Kerngebiet zugewiesen hat Die allgemeine Zweckbestimmung von Kerngebieten ist es, „vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft und der Verwaltung" zu dienen (§ 7 Abs-. l BauNVO). Vergnügungsstätten sind eine auch dem Kerngebiet aber nicht ausschließlich ihm zugewiesene Nutzungsart; sie machen nicht das Wesen eines Kerngebietes i. S. der BauNVO aus. Regelungen über die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten im Kerngebiet bzw. im Gemeindegebiet sind zulässig im Rahmen des § l Abs. 3 BauGB, wonach die Gemeinde Bauleitpläne aufzustellen hat, sobald und soweit es zur Ordnung der städtebaulichen Entwicklung erforderlich ist. Bei der Bestimmung der Ziele für die städtebauliche Entwicklung hat die Gemeinde einen weiten planerischen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. 5. 1987 - 4 N 4.86 - ZfBR 1987,249 = BauR 1987,520).

Eine abwägungsrichtige Steuerung der Spielhallen durch die Gemeinde muß daher so beschaffen sein, daß zwar empfindliche Bereiche geschützt werden, im übrigen aber ausreichende Möglichkeiten zur Ansiedlung in unempfindlichen Bereichen der Gemeinde bestehen bleiben. Dabei ist zu beachten, daß ein Verbot im Kernbereich zu einer Verdrängung von Spielhallen und sonstigen Vergnügungsstätten in schützenswerte angrenzende Wohnbereiche führen kann.

Es ist daher zu empfehlen, daß die Gemeinden ein Entwicklungskonzept erarbeiten, das - insbesondere für die Innenstadt - Bereiche festlegt, die gegenüber Vergnügungsstätten als empfindlich gelten, und solche Bereiche, in denen Vergnügungsstätten - auch Spielhallen - nach wie vor zulässig sind. Auf der Grundlage eines derartigen, vom Rat beschlossenen Entwicklungskonzepts sollten dann vorrangig Bebauungspläne für die empfindlichen Bereiche aufgestellt werden.

5.2 Instrumentelle Regelungen

52.1 Bebauungsplan

Im Bebauungsplan können „Vergnügungsstätten" als eine „Art der zulässigen Nutzung"

- im Wege einer Gliederung oder Zonierung der Baugebiete auf bestimmte Teilbereiche der Baugebiete verwiesen werden (§ l Abs. 4 BauNVO) oder

- für bestimmte Baugebiete oder Teilbereiche der Baugebiete ausgeschlossen werden oder als nur ausnahmsweise zulassungsfähig festgesetzt werden (§ l Abs. 5 und Abs. 6 Nr. l BauNVO) oder

- in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen (z. B. in den Erdgeschossen)ausgeschlossen oder als ausnahmsweise zulassungsfähig festgesetzt werden (§ l Abs. 7 BauNVO).

Es ist nicht erforderlich, jeweils eine ganze Nummer der Baugebietsvorschriften der BauNVO in die Regelung einzubeziehen; nach § l Abs. 5 BauNVO können auch einzelne der unter einer Nummer zusammengefaßten Nutzungen ausgeschlossen werden, z. B. nur die „Vergnügungsstätten" aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO (BVerwG, Urt v. 22. 5. 1987 - 4 C 77.84.-, ZfBR 1987,251 = BauR 1987,524).

Zu beachten ist daß bestimmte Regelungen zur Zulässigkeit von Vergnügungsstätten nur i. V. m. § l Abs. 9 BauNVO erfolgen können, wenn „besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen":

- Ausschluß oder Einschränkung von „Vergnügungsstätten" aus „sonstigen Gewerbebetrieben", z. B. in einem Mischgebiet oder

- Einschränkung oder Ausschluß nur von bestimmten Arten von Vergnügungsstätten, z. B. Spielhallen.

Voraussetzung dafür ist die Rechtfertigung der Festsetzung durch besondere städtebauliche Gründe. Mit dieser Anforderung ist die Festsetzung jedoch nicht notwendig von erschwerten Voraussetzungen abhängig. Vielmehr ist hiernach erforderlich, aber auch ausreichend, daß es spezielle städtebauliche Gründe gerade für die gegenüber § l Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen gibt (BVerwG, Urt. v. 22. 5. 1987 - 4 C 77.84 -, ZfBR 1987,251 = BauR 1987, 524).

Besondere städtebauliche Gründe können z. B. gegeben sein beim Absinken des Niveaus einer Einkaufsstraße durch eine Häufung von Spielhallen, insbesondere durch Unterbrechung der Schaufensterzonen, durch ein Ausbleiben der Kunden von Einzelhandelsgeschäften und eine dadurch erfolgende Gefährdung der Existenzgrundlagen des Einzelhandels. Es ist ratsam, die eine entsprechende Bebauungsplanfestsetzung rechtfertigenden besonderen städtebaulichen Gründe in einem Entwicklungskonzept der Gemeinde darzustellen, wobei die bereits erfolgten oder zu befürchtenden Strukturveränderungen in den verschiedenen Straßen deutlich gemacht werden sollten.

Hat eine Gemeinde beschlossen, einen Bebauungsplan aufzustellen oder zum Zwecke des Ausschlusses oder der Beschränkung bestimmter Vergnügungsstätten zu ändern, so kann sie durch das Zurückstellen von Baugesuchen gemäß §15 BauGB.oder den Erlaß einer Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB verhindern, daß ihre mit dem Bebauungsplan verfolgten städtebaulichen Absichten unterlaufen oder unmöglich gemacht werden. Nach dem am 1. 7. 1987 in Kraft getretenen Baugesetzbuch sind von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. l Nr. l BauGB alle Vorhaben i. S. von.§29 BauGB, also auch Nutzungsänderungen, erfaßt. Damit können zukünftig auch Nutzungsänderungen, die keine baulichen Mäßnahmen erfordern, wie der Einzug einer Spielhalle in ein leergezogenes Ladengeschäft, durch Veränderungssperre verhindert werden.

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5.2.2 Erhaltungssatzung . .

In den Bereichen, in denen die Voraussetzungen für den Erlaß einer Erhaltungssatzung oder die Aufnahme entsprechender Regelungen in den Bebauungsplan nach § 172 BauGB vorliegen, ist die Möglichkeit zur Steuerung von Vergnügungsstätten und speziell Spielhallen gegeben. Danach kann die Gemeinde durch Satzung oder im Bebauungsplan Gebiete bezeichnen, in denen u. a. zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt der Abbruch, die Änderung oder die Nutzungsänderung sowie die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen (§ 172 Abs. l Satz l Nr. 'l und Satz 2 BauGB). Damit kann , die Umnutzung von baulichen Anlagen, die allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind, zu Vergnügungsstätten verhindert werden. Außerdem kann die Errichtung von Vergnügungsstätten untersagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets dadurch beeinträchtigt würde.