Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Aufgehoben durch Erlassbereinigung 2003 (§ 9 VV v. 29.8.61).

 


Historisch: Richtlinien zur einheitlichen Anwendung des § l Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) (sog. „Vertreibungsdruck") RdErl. d. Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 14. 8. 1986 - II C l - 9010.1.20 ¹)

 

Historisch:

Richtlinien zur einheitlichen Anwendung des § l Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) (sog. „Vertreibungsdruck") RdErl. d. Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 14. 8. 1986 - II C l - 9010.1.20 ¹)

175.Ergänzung-SMBl. NW.- (Stand 1.10.1986 = MB1. NW. Nr. 77 einschl.)

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Richtlinien

zur einheitlichen Anwendung des § l Abs. 2 Nr. 3

des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG)

(sog. „Vertreibungsdruck")

RdErl. d. Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 14. 8. 1986 - II C l - 9010.1.20 ¹)

I.

Auf der 62. Konferenz der Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder (ASMK) vom 11. - 13. Juni 1986 haben sich die Länder auf eine einheitliche Anwendung des § l Abs. 2 Nr. 3 BVFG (sog. Vertreibungsdruck) geeinigt.

Zur Durchführung des Beschlusses ist folgende bundeseinheitliche Regelung vereinbart worden:

1 Rechtliche Regelung des § l Abs. 2 Nr. 3 BVFG

Nach dem Wortlaut des § l Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes ist Vertriebener (Aussiedler), wer „als" deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger die Aussiedlungsgebiete verläßt und die übrigen Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt. Der Gesetzgeber hat diese Regelungen getroffen, weil er es den in diesen Gebieten zurückgebliebenen Deutschen nicht zumuten wollte, unter den politischen Verhältnissen, die sich dort im Zusammenhang mit den Ereignissen des Krieges und der Entwicklung der Nach-kriegsjahre ergeben hatten, weiterhin zu leben. Hierfür spricht, daß in die Regelung des § l Abs. 2 Nr. 3 BVFG nur die Staaten des kommunistischen Herrschaftsbereichs einbezpgen wurden. Die nachträgliche Einbeziehung der Volksrepublik China durch das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes vom 27. Juli 1957 (BGB1. I S. 1207) bestätigt die Systembezogenheit der Vorschrift. Damit erweist sich der Gebietsbezug in § l Abs. 2 Nr. 3 BVFG als System- und Ideologiebezug.

Die deutsche Staatsangehörigkeit bestimmt sich nach den Regeln des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 - RuStaG - (RGB1. S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 1977 (BGB1.1 S. 1101) - vgl. Erlaß des Bundesministers des Innern über die staatsangehörigkeitsrechtliche und namensrechtliche Behandlung der Aussiedler bei der Registrierung im Grenzdurchgangslager und der Verteilung auf die Länder vom 29. Juli 1976 - V II 5-124 230-1/5-.

Die deutsche Volkszugehörigkeit richtet sich nach § 6 • des Bundesvertriebenengesetzes. Maßgebend für die Auslegung sind die einstimmig vom Rechtsausschuß der Arbeitsgemeinschaft' der Landesflüchtlingsver-waltungen festgelegten Richtlinien zu § 6 BVFG.

2 Situation in den Aussiedlungsgebieten

An den in den Aussiedlungsgebieten herrschenden Verhältnissen hat sich seit Inkrafttreten des Bundesvertriebenengesetzes nichts Grundlegendes geändert Der Gesetzgeber hat deswegen auch anläßlich der Änderungen zum Bundesvertriebenengesetz keinen Anlaß gesehen,, die Vorschrift des § l Abs. 2 Nr. 3 BVFG zu ändern. Deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige leben in den meisten dieser Gebiete weitestgehend unter Bedingungen, die ihnen die Wahrnehmung grundlegender Menschenrechte als Deutsche nicht gestatten. Sie sind als Volksgruppe nicht anerkannt und können ihre kulturelle Identität nicht wahren. Selbst Liberalisierungstendenzen in einzelnen Staaten stehen dem insoweit nicht entgegen, als sie unter den dort herrschenden politischen Bedingungen jederzeit rücknehmbar sind, der einzelne also keine Garantie für die Dauerhaftigkeit hat und sich deswegen in seiner Lebensplanung nicht darauf einstellen kann.

3 Fortdauernder Vertreibungsdruck

Die Bedrückung der Deutschen in den Aussiedlungsgebieten besteht demnach fort. Sie ist unabhängig vom Anlaß der Ausreise - und neben anderen Ausrei-

segründen - regelmäßig als wesentliche Ursache für das Verlassen des Aussiedlungsgebietes zu unterstel-len und nicht besonders zu prüfen.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist fortdauernder Vertreibungsdruck allgemein zu unterstellen. Danach

- ist Aussiedler, „wer sein Vertreibungsgebiet wegen der Nachwirkungen der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen verläßt", (Entscheidung vom 4. Februar 1981 - BVerwG 8 C 4.80 - Buchholz 412.3 § l BVFG Nr. 25),

- hat die allgemeine Bedrückung der deutschen Bevölkerung „die Funktion einer Vertreibungsmaß-nahme" (Entscheidung vom 4. Februar 1981 -BVerwG 8 C 4.80 - Buchholz 412.3 § l BVFG Nr. 25),

- besteht die allgemeine Bedrückung der Deutschen in den Aussiedlungsgebieten schwerpunktmäßig in der „Vereinsamung der in den von der deutschen Bevölkerung weitgehend entvölkerten Vertreibungsgebieten Zurückgebliebenen" (BVerwG 52, 167,177),

- ist jedes wesentlich auf Vertreibungsgründen beruhende Verlassen des Aussiedlungsgebietes Vertreibung (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von? 11. Februar 1983 - BVerwG 8 C 178.81 - Buchholz 412.3 § l BVFG Nr. 29),

- ist die allgemeine Bedrückung als sogenannter fortdauernder Vertreibungsdruck regelmäßig zu unterstellen und nicht zu prüfen (vgl. Nummer 5.1),

- darf nur dort der Ausreisegrund geprüft werden, wo eindeutige Anhaltspunkte für einen nicht fortdauernden Vertreibungsdruck vorliegen (vgl. Nummer 5.2).

4 Folgende Tatsachen sind nicht geeignet, die Vermutung des fortbestehenden Vertreibungsdrucks zu widerlegen:

4.1 Fehlende Ausreisebemühungen

Die allgemeine Bedrückung der Deutschen als wesentliche Ursache der Ausreise bedarf im Einzelfall nicht des Nachweises durch Ausreiseanträge. Es entspricht weder dem Ziel des Bundesvertriebenengesetzes noch der Politik der Bundesrepublik Deutschland, auf die in den Aussiedlungsgebieten verbliebenen Deutschen in der Weise einzuwirken, daß sie diese Gebiete zu dem für sie frühest möglichen Zeitpunkt verlassen. Die Entscheidung, mit dem Aus-si'edlungsgebiet auch die Heimat, die Umgebung und den gewohnten Bekanntenkreis aufzugeben, liegt allein bei dem Aussiedler. Es ist ausschließlich Zweck des Bundesvertriebenengesetzes, dem Betroffenen, wenn er diese schwerwiegende Entscheidung für sich getroffen hat, durch die Zuordnung zum Bundesvertriebenengesetz die Eingliederung in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Dementsprechend muß es unerheblich bleiben, ob sich ein Antragsteller vor dem eigentlichen Anlaß zur Ausreise bereits um eine Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland bemüht hat.

4.2 Zugehörigkeit zu einer spätgeborenen Generation

Auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse in den Aussiedlungsgebieten und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Bundesvertriebenengesetzes ist Vertreibungsdruck auch bei Angehörigen von nach dem Kriegsende geborenen Generationen zu unterstellen.

Die allgemeine Bedrückung der Deutschen in den Aussiedlungsgebieten (s. hierzu Nr. 2) richtet sich unterschiedslos gegen alle Deutschen. Es ist daher nicht möglich und würde dem Sinn des Bundesvertriebenengesetzes widersprechen, innerhalb derselben ausreisenden Familie die Eltern oder Großeltern anders als die Kinder oder Enkelkinder zu behandeln oder Unterschiede danach zu machen, ob jemand mit Angehörigen früherer Generationen oder allein ausreist

4.3 Reisen in das Bundesgebiet oder westliche Ausland Besuchsreisen, in die Bundesrepublik Deutschland können grundsätzlich keinen Anhaltspunkt zur Prüfung des Vertreibungsdrucks bieten. Sie können auch

') MB!. NW. 1988 S. 1291.

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nicht Anlaß sein, den Vertreibungsdruck zu verneinen. Da kein deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger durch das Bundesvertriebenenge-setz veranlaßt werden soll, die Aussiedlungsgebiete zu dem für ihn frühest möglichen Zeitpunkt zu verlassen, ist es ihm nicht zuzumuten, eine Besuchsreise außerhalb der Aussiedlungsgebiete zum endgültigen Verlassen dieser Gebiete zu benutzen. Es kommt also auch nicht darauf an, ob ihm dieses Verlassen u. U. wegen des Zurücklassens von Angehörigen in den Aussiedlungsgebieten überhaupt zuzumuten war. Darüber hinaus gibt es keinen Anlaß, denjenigen, der die Bindung zum Deutschtum über das allgemeine Maß hinaus durch den Besuch bei Verwandten oder Bekannten im Bundesgebiet oder auf andere Weise gepflegt hat, anders zu behandeln als denjenigen, der derartige Bemühungen nicht unternommen hat. Dies gilt auch bei vorübergehendem Aufenthalt im Bundesgebiet oder im westlichen Ausland, z. B. Studienaufenthalt, Saisonarbeit, Montageaufenthalt, Werkvertrag.

4.4 Eheschließung mit einer außerhalb des Aussiedlungsgebietes wohnenden Person

Wählt ein deutscher Staatsangehöriger oder ein deutscher Volkszugehöriger die Eheschließung mit einem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner als unmittelbaren Anlaß der Ausreise, so schließt dies die allgemeine Bedrückung der Deutschen in den Aussiedlungsgebieten als wesentliche Ursache der Ausreise nicht aus. Es darf dem Aussiedler nicht zum Nachteil gereichen, daß er den Ausreiseentschluß erst faßt, nachdem ihm durch die Heirat mit einem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner die zusätzliche Geborgenheit einer Ehe geboten wird.

4.5 Berufliche Stellung im Aussiedlungsgebiet

Eine nach den allgemeinen Bildungs- und Lebensum-ständen erreichte gehobene berufliche Stellung (vgl. jedoch 5.2) bietet keinen Anlaß, den Vertreibungsdruck allein aus diesem Grund zu verneinen.

5 Anhaltspunkte für die Prüfung von Vertreibungsdruck

Ob die allgemeine Bedrückung der Deutschen im Einzelfall auch der Grund der Ausreise ist, darf nur dort geprüft werden, wo eindeutige Anhaltspunkte für einen nicht fortdauernden Vertreibungsdruck vorliegen (vgl. Nummer 6.1).

5.1 • Abwendung vom deutschen Volkstum

Bei einer bewußten Abwendung vom deutschen Volkstum kann im allgemeinen fortdauernder Vertreibungsdruck nicht mehr unterstellt werden. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß vielfach Bestätigungsmerkmale für die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe wegen der gezielten Assimilierungspoli-tik des Herkunftsstaates. fehlen (vgl. auch Nummer 2.4.2.1 der Richtlinie zu § 6 BVFG). In diesen Fällen ist Vertreibungsdruck allein deswegen nicht zu verneinen.

52 Herausgehobene politische und berufliche Stellung Eine Prüfung ist insbesondere dann geboten, wenn eindeutige Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betroffene wegen

- seiner herausgehobenen politischen Stellung,

- seiner herausgehobenen beruflichen Stellung, die im allgemeinen nicht ohne eine besondere Bindung an das politische Regime im Herkunftsstaat erreicht werden konnte,

- seines Verhaltens gegenüber Deutschen in den Aussiedlungsgebieten

nicht mehr von der allgemeinen Bedrückung der Deutschen betroffen war.

5.3 Kriminelle Delikte

Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt (BVerwG 52, 167, 178), daß Personen, die das Vertreibungsgebiet wegen krimineller Delikte verlassen, keine Vertriebenen im Sinne des § l Abs. 2 Nr. 3 BVFG sind. Bei der Prüfung, ob ein Antragsteller die Aussiedlungsgebiete wegen einer drohenden strafrechtli-

chen Verfolgung auf Grund eines kriminellen Delikts verlassen hat, sind aber die allgemeinen Grundsätze nach Nummer 3 zu beachten. Gerade hier ist abzuwägen, ob die wegen der Schwere des kriminellen Delikts drohende Strafverfolgung als Ausreiseürsache überwiegt und damit eine allgemeine Bedrückung als wesentliche Ausreiseursache zurücktreten muß, oder ob die Strafverfolgung wegen krimineller Delikte dazu diente, den Betreffenden in erster Linie wegen seines Ausreisewillens oder anderer, vergleichbarer Gründe zu belangen.

5.4 Asylanträge

Asylanträge können der Annahme von Vertreibungsdruck entgegenstehen, wenn sich aus den Anträgen ergibt, daß der Betroffene nicht mehr im Bewußtsein ausgereist ist, deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger zu sein. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß im Asylverfahren nur die dort relevanten Tatsachen erfragt werden. Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob darüber hinaus annähernd vertreibungsbedingte Gründe für das Verlassen vorliegen. Dies gilt insbesondere mit Rücksicht auf die Assi-milierungspolitik des Herkunftsstaates.

6 Verhältnis von vertreibungsbedingten zu vertreibungsfremden Gründen

Kommt beim Vorliegen mehrerer Ausreisegründe den vertreibungsbedingten Gründen für die Ausreise nach Bedeutung und Tragweite annähernd das gleiche Gewicht zu wie den vertreibungsfremden Gründen, so sind auch die vertreibungsbedingten Gründe wesentliche Ursache für das Verlassen des Aussiedlungsgebietes (Relevanztheorie). Jedes wesentlich auf Vertreibungsgründen beruhende Verlassen des Aussiedlungsgebietes ist Vertreibung (Bundesverwaltungsgericht vom 11.2.1983 - BVerwG 8 C 178.81).

7 Verfahren

7.1 Da Vertreibungsdruck zu unterstellen ist, hat eine Prüfung im Regelfall nicht zu erfolgen. Dies „verbietet die Regelung des § l Abs. 2" Nr. 3 BVFG" (BVerwG 52, 167,177), so daß grundsätzlich von der dargelegten allgemeinen Bedrückung der Deutschen „auszugehen ist" (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 1981 - 8 C 4.80 - Buchholz 412.3 § l BVFG Nr. 25). Eine Prüfung, ob die allgemeine Bedrückung der deutschen Bevölkerung tatsächlich Ursache der Ausreise war, hat nur dort zu erfolgen, „wo eindeutige Anhaltspunkte" dafür bestehen, daß „vertreibungsfremde Ausreisegründe" vorliegen. Sie darf daher nur vorgenommen werden, wenn ein ganz besonders herausgehobener Sachverhalt die Annahme rechtfertigt, die allgemein unterstellte Bedrückung der deutschen Bevölkerung habe mit der Ausreise des Antragstellers nichts zu tun.

12 Der Sachverhalt ist von Amts wegen zu ermitteln. Auch die Beweislast für das Vorliegen vertreibungsfremder Gründe als wesentliche Ursache der Ausreise liegt bei der Behörde. Das Bundesverwaltungsgericht • hat nämlich in seiner Entscheidung vom 26. August 1981 - 8 C 9.80 - (Buchholz 412.3 § l BVFG Nr. 27) unter Bezugnahme auf BVerwG 60, 62, 67 mit weiterer Bezugnahme auf BVerwG 52, 167, 177 auf die Tendenz des Bundesvertriebenengesetzes hingewiesen, zugunsten der Vertriebenen an äußerliche Merkmale anzuknüpfen und dadurch die Behörde mit dem Beweis der wirklichen Sacherfordernisse zu belasten. Die Behörde hat demnach zu beweisen, daß der allgemein unterstellte Vertreibungsdruck nicht wesentliche Ursache (vgl. Nummer 5.2) war. Kann sie dies nicht, geht der Mangel der Nichtaufklärbarkeit zu ihren Lasten.

7.3 Die Prüfung von Vertreibungsdruck setzt in der Regel die Feststellung voraus, ob der Betroffene deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger ist. Deshalb sollte ein auf das Nichtvorliegen von Vertreibungsdruck gestützter ablehnender Bescheid regelmäßig auch nur ergehen, wenn zuvor .geklärt worden ist, ob der Bescheidempfänger Deutscher ist

7.4 Tatsachen im Sinne der Ziffer 5 für sich genommen widerlegen die Vermutung noch nicht, es läge Vertrei-

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bungsdruck vor. Es sind vielmehr alle Tatsachen, die 9 AI1 für und gegen eine Fortdauer des Vertreibungsdrucks U* • ' sprechen, zu ermitteln. Jedes wesentlich auf Vertreibungsgründen beruhende Verlassen des Aussiedlungsgebietes ist Vertreibung (Relevanztheorie -BVerwG vom 11.2.1983 - 8 C 178.81).

II.

Zu den Grundsätzen des Abschnitts I. gebe ich noch folgende ergänzende Weisungen:

l Zu Nr. l Abs. 2

Zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Praxis verweise ich auf den Gem. RdErl. d. Innenministers u. d. Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 10. 11. 1976 (n.v.) I B 3/13-11.41.2 und IV C l - 9300.

2ZuNr.lAbs.3

Zur Anwendung des § 6 BVFG verweise ich auf meinen RdErl. v. 20.2.1980 (MB1. NW. S. 1782/SMB1. NW 2411)

3 Zu Nr. 4.3

Ebenso sind Häufigkeit und Dauer von Besuchsreisen oder anderen vorübergehenden Aufenthalten im Bundesgebiet oder westlichen Ausland unbeachtlich.

4 Zu Nr. 4.5

Hierunter fallen auch Tätigkeiten, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium erfordern (z. B. Arzt, Rechtsanwalt, Richter, Lehrer, Ingenieur, Direktor eines Unternehmens, Professor usw.); von Bedeutung ist allein, daß die berufliche Position aufgrund der Qualifikation erworben wurde.

Die bloße Mitgliedschaft in der Partei oder einer ähnlichen politischen Organisation ist unschädlich.

5 Zu Nr. 5.1

Mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Herkunftsland kann eine Abwendung vom deutschen Volkstum nur dann geprüft werden, wenn es sich um ein schwerwiegendes, langdauerndes und nach außen eindeutig erkennbares Verhalten handelt

6 Zu Nr. 52

Ist feststellbar, daß die herausgehobene politische, gesellschaftspolitische oder berufliche Stellung durch zielgerichtetes eigenes Tun erreicht worden ist, so steht dies der Annahme von Vertreibungsdruck entgegen.

7 Zu Nr. 5.4

Die Unterlagen des Asylverfahrens sind beizuziehen. Zusätzlich ist zu prüfen, ob die Antragstellung von dritter Seite (Behörden oder Beratungsdiensten) angeregt oder gar gefordert worden ist, um damit vermeintlich eine Rechtsgrundlage für ein Bleiberecht oder Leistungen zum Lebensunterhalt zu begründen. Solche Anregungen können dem Antragsteller nicht angelastet werden.

Es ist darauf hinzuwirken, daß das Asylverfahren bis zur rechtsbeständigen Entscheidung über die Feststellung der Vertriebeneneigenschaf t ausgesetzt wird.

III.

Soweit ablehnende Entscheidungen wegen fehlenden Vertreibungsdrucks, die sich noch im Verwaltungs- oder gerichtlichen Streitverfahren befinden, im Widerspruch zu diesen Richtlinien stehen, sind sie von Amts wegen zu überprüfen und nach Maßgabe dieser Richtlinien ggf. neu zu bescheiden.

IV.

Meinen RdErl. v. 1. 2. 1984 (n.v.) - IV C l - 9010.1.20 -Vorläufige Richtlinien zur Anwendung des § l Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) - Vertreibungsdruck - hebe ich auf.