Historische SMBl. NRW.

 Aufgehobener Erlass: Obsolet.

 


Historisch: Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden Anwendungshinweise zu § 25a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 15 -39.08.01 -1- 11-354 (2603) vom 29.9.2011

 

Historisch:

Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden Anwendungshinweise zu § 25a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 15 -39.08.01 -1- 11-354 (2603) vom 29.9.2011

Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden
Anwendungshinweise zu § 25a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)

RdErl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales - 15 -39.08.01 -1- 11-354 (2603)
vom 29.9.2011

Am 1. Juli 2011 ist das Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften (BGBl I Nr. 33 vom 30. Juni 2011, S. 1266ff.) in Kraft getreten. Es beinhaltet in § 25a AufenthG eine Regelung zur „Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden“, zu der ich nachstehende Anwendungshinweise gebe. Diese ergehen mit dem Ziel, den gesetzlichen Spielraum im Rahmen einer einheitlichen Anwendungspraxis der Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen auszufüllen und damit dem Anliegen des Gesetzgebers, gut integrierten geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden mit mehrjährigem Aufenthalt unter bestimmten Bedingungen eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen, Rechnung zu tragen. Der Gedanke der Meistbegünstigung ist dabei Leitfaden für die Anwendung der Vorschrift. Im Hinblick auf den Vollzug der neuen gesetzlichen Vorgaben lenke ich das den Ausländerbehörden zustehende Ermessen in diesem Sinne.

I. Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG für geduldete gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende

1.         Satz 1 - Erteilungsvoraussetzungen

Die nachfolgenden Erteilungsvoraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

1.1              Geburt im Bundesgebiet oder Einreise ins Bundesgebiet

Der Ausländer muss entweder im Bundesgebiet geboren oder vor Vollendung des 14. Lebensjahres in das Bundesgebiet eingereist sein.

1.2              Voraufenthaltszeiten (Nr. 1)

Vom Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Antrag an rückwärts gerechnet muss sich der Ausländer im Bundesgebiet ununterbrochen sechs Jahre aufhalten. Ein abgeschlossener Zeitraum in der Vergangenheit genügt aufgrund des klaren Wortlauts der Regelung („seit“ und „aufhält“) indes nicht.

Bei der Berechnung der maßgeblichen sechsjährigen Aufenthaltsdauer werden die Zeiten, in denen sich der Ausländer erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, berücksichtigt.

Der Annahme eines ununterbrochenen Aufenthalts stehen kurzzeitige Ausreisen aus besonderem Grund nicht entgegen. In welchem Umfang Auslandsaufenthalte unschädlich sind, bedarf im Einzelfall einer wertenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. War der Ausländer im Besitz eines Aufenthaltsrechts, muss er während der Gültigkeitsdauer, spätestens jedoch innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist, wieder eingereist sein. Es darf sich seiner Natur nach nur um eine zeitlich begrenzte Unterbrechung des Aufenthalts handeln (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG). Der Zeitraum der Unterbrechung ist als Voraufenthaltszeit nicht anrechenbar. Die Heranziehung des Rechtsgedankens des § 85 AufenthG ist für die Berechnung der Voraufenthaltszeit nicht möglich, weil diese Vorschrift nur Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts betrifft. Bei Duldungsinhabern sind kurzzeitige Ausreisen, d.h. solche von insgesamt bis zu drei Monaten, aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grund (z. B. Transportbegleitungen oder Auslandsaufenthalte wegen eines Visumantrags), unschädlich, und zwar auch dann, wenn sie ohne vorherige Kenntnis der Ausländerbehörde erfolgten. Ausreise und Wiedereinreise müssen dabei von vornherein im Zusammenhang mit demselben Zweck stehen.

1.3              Erfolgreicher Schulbesuch oder Schul- bzw. Berufsabschluss (Nr. 2)

1.3.1        Erfolgreicher Schulbesuch

Als Nachweis reicht eine Bescheinigung der Schule über den tatsächlichen sechsjährigen Schulbesuch des Ausländers aus. Als Schulbesuch kommen sowohl der Besuch (staatlicher wie staatlich anerkannter privater) allgemeinbildender Schulen (einschl. Förderschulen), als auch der Besuch von berufsbildenden Schulen (z. B. Berufskollegien) oder vergleichbarer berufsqualifizierender Bildungseinrichtungen in Betracht.

Dagegen sind aufgrund der mit dem sechsjährigen Schulbesuch verbundenen Integrationserwartung zweckgebundene Ausbildungsaufenthalte bzw. Schulbesuche, die dem Erwerb spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten dienen, wie z. B. der Besuch einer Sprach- oder Musikschule, nicht berücksichtigungsfähig.

Maßgeblich ist der erfolgreiche Schulbesuch. Ein erfolgreicher Schulbesuch gilt in der Regel als nachgewiesen, wenn der Ausländer regelmäßig die Schule besucht und die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. das Erreichen des angestrebten Schulabschlusses wahrscheinlich erscheint.

Eine einmalige Nichtversetzung steht der Annahme eines erfolgreichen Schulbesuchs nicht entgegen, wenn eine Einstellungsänderung erkennbar ist und eine Gesamtschau der Umstände für die Annahme eines erfolgreichen Schulbesuchs spricht.

Bei der Frage, welcher Schulabschluss erreicht werden kann, ist zu berücksichtigen, ob die individuellen Erfolgsmöglichkeiten deshalb eingeschränkt sind, weil der Ausländer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einen anerkannten Schulabschluss nicht erreichen kann. Ein erfolgreicher Schulbesuch kann deshalb auch dann vorliegen, wenn am Ende der Schulbesuchszeit die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten bescheinigt werden (z. B. Abschlusszeugnis im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“).

Unerlaubtes Fernbleiben vom Unterricht ("Schulschwänzen") schadet, wenn es - auch unter ergänzender Berücksichtigung erlaubter Abwesenheitszeiten (z. B. infolge Krankheit), die an sich unschädlich sind - die aufgrund des Schulbesuchs erwartbare sprachliche wie soziale Integration und ggf. das Erreichen des angestrebten Schulabschlusses ausschließt oder ernsthaft in Frage stellt. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn deshalb Ordnungsmaßnahmen nach § 53 Abs. 3 Schulgesetz NRW ergriffen wurden.

Auch im Übrigen können schulische Ordnungsmaßnahmen wegen eines erheblichen Fehlverhaltens oder wiederholte Ordnungsmaßnahmen indizieren, dass kein auf einen Schulerfolg hinführender Schulbesuch stattfindet. Im Rahmen der von der Ausländerbehörde zu treffenden einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung ist aber auch zu berücksichtigen, wie lang diese Maßnahme zurückliegt und wie sich der Ausländer seitdem verhalten hat. 

Erreicht ein Ausländer die erforderliche sechsjährige Schulzeit nur durch das Zusammenzählen von einzelnen Schuljahren oder -halbjahren, ist von der Ausländerbehörde im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob der Schulbesuch gleichwohl erfolgreich war.

1.3.2        Schul- oder Berufsabschluss

Alternativ genügt auch ein in Deutschland erworbener anerkannter Schul- oder Berufsabschluss. Als anerkannter Schulabschluss ist der Abschluss der allgemeinbildenden (staatlichen oder staatlich anerkannten) Schule (einschließlich Förderschulen), der Volkshochschule oder Abendschule, der berufsbildenden Schule oder einer vergleichbaren berufsqualifizierenden Bildungseinrichtung anzusehen. Diesem steht eine anerkannte abgeschlossene Berufsausbildung gleich.

1.4              Antragsfrist (Nr. 3)

Der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt sein.

Noch nicht abschließend beschiedene Anträge auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sind grundsätzlich auch ohne neuen Antrag als Anträge nach § 25a AufenthG zu werten. In Fällen, in denen die Erteilung eines Aufenthaltstitels betreffende Rechtsstreitverfahren noch nicht abgeschlossen sind, ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG in Betracht kommt. Anträge von Ausländern, die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben, sind nicht berücksichtigungsfähig.

1.5              Positive Integrationsprognose

Die Aufenthaltserlaubnis kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur erteilt werden, wenn gewährleistet erscheint, dass sich der Ausländer in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Ob insoweit eine positive Integrationsprognose gerechtfertigt erscheint, ist im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch der bisherigen (Schul)Ausbildung und Lebensverhältnisse, festzustellen. Es müssen hinreichend aussagekräftige Faktoren festgestellt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer die persönlichen Eigenschaften hat, um sich in der Zukunft einzufügen. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, ob die individuellen Möglichkeiten wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung eingeschränkt sind.

In jedem Fall sind die Dauer des Aufenthalts, die Sprachkenntnisse, der Schulabschluss, das Bemühen um einen Arbeitsplatz und eine weitere Qualifizierung sowie die Einstellung zur Rechtsordnung gewichtige Punkte für die Integrationsprognose.

Sofern nachweislich eine berufliche Ausbildung oder eine Erwerbstätigkeit aus Rechtsgründen oder wegen der mit dem Duldungsstatus verbundenen Erschwernis nicht begonnen werden konnte, darf dies nicht zu Lasten des Ausländers gewertet werden.

Ein aufgenommenes Studium kann eine positive Integrationsprognose ebenfalls rechtfertigen, soweit nicht nach den zu § 16 AufenthG entwickelten Maßstäben ein Studienabschluss in einem angemessenen Zeitraum ausgeschlossen erscheint. Dies dürfte aufgrund der Antragsaltersgrenze insbesondere bei Verlängerungsentscheidungen relevant sein. 

Neben dem Erfordernis einer erfolgreichen Schulausbildung bzw. eines Berufsabschlusses ist auch von Bedeutung, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat. Ist er im Bundesgebiet wegen einer Straftat verurteilt worden, ist zu bewerten, ob die Bestrafung erhebliches Gewicht hat. Nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) verhängte Jugendstrafen (§ 17 JGG, jedoch nicht Erziehungsmaßregeln nach § 9 JGG und Zuchtmittel nach § 13 JGG) oder nach Erwachsenenstrafrecht verhängte Freiheitsstrafen stehen einer positiven Integrationsprognose entgegen. Bei Bestrafungen unterhalb dieser Relevanzschwelle ist zu bewerten, wie lange sie zurückliegen, ob wiederholte Bestrafungen erfolgt sind, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob sich der Ausländer seitdem erfolgreich um eine Integration bemüht hat, so dass ihnen ggf. zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung weniger Gewicht beizumessen ist. Zu beachten ist, dass der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Jugendliche und Heranwachsende nach Absatz 1 keine Anwendung findet.

2.         Satz 2 - Ausnahme von der Lebensunterhaltssicherung

Solange sich der Ausländer in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht aus.

In allen anderen Fällen setzt § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hiervon abgesehen werden (s. auch Nr. 5.3.2.1 AVwV-AufenthG). Bei dieser Entscheidung ist dem humanitären Sinn und Zweck der Regelung, gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen, Rechnung zu tragen. So kann z. B. auch eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn zwar zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist, weil z. B. der Ausländer die Schule gerade beendet hat oder nach dem Schulabschluss aufgrund des bisher eingeschränkten Arbeitsmarktzugangs keine Ausbildung beginnen konnte oder er sich noch in einer berufsvorbereitenden Maßnahme befindet, aber Tatsachen die Annahme sicher rechtfertigen, dass zukünftig der Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auf Dauer gesichert sein wird. Ferner ist nach erfolgreichen Schul-, Berufs- und Hochschulabschlüssen eine ausreichende Zeit zur Arbeitsplatzsuche zu gewähren.

Die Ausnahme von der Lebensunterhaltssicherung findet auch bei der Entscheidung über die Titelverlängerung Anwendung, sofern der Ausländer seit der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seine Ausbildung zügig weiter betrieben hat und zu erwarten ist, dass er diese in angemessener Zeit erfolgreich beenden wird. Die Nrn. 16.1.1.6.2 ff. AVwV-AufenthG finden entsprechend Anwendung. Für den Studiengangwechsel gilt Nr. 16.2.5 AVwV-AufenthG entsprechend.

Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 25a Abs. 1 AufenthG hat zur Folge, dass dieser Ausländer bei der Berechnung des Lebensunterhalts für die Gesamtfamilie außer Betracht bleibt (s. Ziffer II. 1.3).

3.         Satz 3 - besondere Versagungsgründe

Die Aufenthaltserlaubnis ist zu versagen, wenn zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des Ausländers oder aufgrund seiner Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist.

In der Vergangenheit liegende eigene Falschangaben und Täuschungshandlungen, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht (mehr) allein ursächlich für die Aussetzung der Abschiebung sind, werden im Rahmen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG bewertet (s. Ziffer I.5.3 des Erlasses).

Täuschungsrelevante Identitätsmerkmale sind Name, Vorname, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnorte des Ausländers sowie Angaben zur Abstammung. Die Angabe der Staatsangehörigkeit erstreckt sich auf sämtliche bestehende Staatsangehörigkeiten, sofern die Angabe sämtlicher Staatsangehörigkeiten ausdrücklich verlangt wird (Nr. 49.2.4 AVwV-AufenthG).

Angesichts der Zielsetzung des Gesetzgebers werden dem Ausländer nur eigene Falschangaben oder Täuschungshandlungen zugerechnet. Entsprechendes bzw. ausschließliches Fehlverhalten der Eltern oder anderer Bezugspersonen darf dem Ausländer nicht entgegengehalten werden.

Voraussetzung für die Titelerteilung ist entsprechend den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen aber, dass die Identität geklärt ist und die Passpflicht erfüllt wird (s. hierzu Ziffer I.5.2 des Erlasses). Der Ausländer ist daher verpflichtet, an der Feststellung seiner wahren Identität und auch an der Beschaffung von Passpapieren mitzuwirken (vgl. § 48 Abs. 3 AufenthG).

4.         Satz 4 - Ausnahme von der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG ist abweichend von § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in allen Fällen (d. h., bei beiden Alternativen) des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG zu erteilen.

5.         Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

Zu beachten ist, dass neben den in § 25a Abs. 1 AufenthG genannten Voraussetzungen grundsätzlich auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen müssen, soweit diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind oder § 25a Abs. 1 AufenthG abschließende Sonderregelungen enthält.

5.1              Lebensunterhaltssicherung

§ 25a Abs. 1 AufenthG enthält teilweise eigenständige, die Regelerteilungsgründe verdrängende Voraussetzungen. Dies gilt für das Lebensunterhaltserfordernis in Fällen von Schülern, Studenten und Auszubildenden. Zur Ausnahme von der Lebensunterhaltssicherung verweise ich auf die Ausführungen zu Ziffer I.2 dieses Erlasses.

5.2              Identität und Staatsangehörigkeit, Erfüllung der Passpflicht

Eine Titelerteilung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Identität und die Staatsangehörigkeit geklärt sind und die Passpflicht nach Maßgabe des § 3 AufenthG erfüllt ist.

Die in diesem Zusammenhang gebotenen Mitwirkungshandlungen zur Aufklärung der wahren Identität und die Mitwirkung bei der Passbeschaffung sind den Antragstellern grundsätzlich auch dann zumutbar, wenn damit eine Korrektur früherer Sachverhaltsdarstellungen - ggf. auch solcher der Eltern / Großeltern - verbunden ist. Zu berücksichtigen ist aber auch, ob die Antragsteller trotz ihrer Mitwirkungsbereitschaft und ihrer pflichtgemäßen Bemühungen um eine Identitätsklärung und Passbeschaffung insoweit nicht erfolgreich gewesen sind.

Ausländer, die über keinen gültigen Pass verfügen, sind aufzufordern, sich einen gültigen Pass zu beschaffen, soweit dies möglich und zumutbar ist (§ 48 AufenthG, § 5 AufenthV). Zur Behebung einer aktuellen Passlosigkeit bei Ausländern, die sonst die Voraussetzungen der Regelung erfüllen würden, kann es angezeigt sein, den Antragstellern eine Zusicherung zur Vorlage bei der Botschaft zu erteilen, nach der bei Vorlage eines Passes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt wird.

Sind die Antragsteller nicht im Besitz eines gültigen Passes und steht fest, dass sie diesen auch nicht in zumutbarer Weise erlangen können, so kann nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen ein Reiseausweis oder ein Ausweisersatz ausgestellt werden (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG i.V.m. §§ 5, 6, 55 AufenthV). Aber auch dann bleiben die Pflichten des Ausländers nach § 48 AufenthG weiter bestehen.

Zweifel in Bezug auf die Unmöglichkeit der Passbeschaffung gehen grds. zu Lasten des Ausländers, weil er für die ausschließlich in seinem Einflussbereich liegenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Ausländer alle ihm zumutbaren Mitwirkungspflichten erfüllt hat. Dann trägt die Ausländerbehörde die Darlegungslast für alle noch möglichen weiteren Handlungen.

Über eine Abweichung im Ermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung zu entscheiden, wobei ein Absehen von einer abschließenden Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers in Anbetracht des mit diesen Erteilungsvoraussetzungen verbundenen besonderen öffentlichen Interesses nur in solchen Fällen in Betracht kommt, in denen der jeweilige Ausländer seiner Mitwirkungspflicht nachweislich ernsthaft nachgekommen ist, seine Aufklärungsbemühungen letztlich jedoch erfolglos geblieben sind.

5.3              Fehlen von Ausweisungsgründen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt eine Titelerteilung in der Regel voraus, dass keine Ausweisungsgründe vorliegen. Von dieser Voraussetzung kann nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bei Titeln nach Kapitel 2 Abschnitt 5 abgesehen werden. Nach Nr. 5.3.2.2 AVwV-AufenthG können Ausweisungstatbestände - soweit sie nicht bereits im Rahmen der Integrationsprognose in Ansatz gebracht werden - bis zu einer Grenze außer Betracht bleiben, die auch eine Aufenthaltsverfestigung nicht verhindert (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG; Nrn. 9a.2.1.5.1.2 und 9a.2.1.5.2.1 AVwV-AufenthG).

Bei der Prüfung des Ausweisungsgrundes des § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG bedarf es stets einer wertenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalles, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen ist. Wie bei dem Ausschlussgrund des § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG kommt es auch hier auf das in der Person liegende eigene Verhalten an. Entsprechendes bzw. ausschließliches Fehlverhalten der Eltern oder anderer Bezugspersonen darf dem Ausländer nicht entgegengehalten werden. Voraussetzung für die Anwendung dieses Ausweisungsgrundes ist zudem, dass der Ausländer durch die Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertretung auf die Rechtsfolgen falscher oder unrichtiger Angaben hingewiesen wurde.

Das Verhalten muss darüber hinaus von einigem Gewicht gewesen sein. Dies ist von der Ausländerbehörde an Hand einer Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalles festzustellen. Dabei kann zugunsten des Ausländers zu berücksichtigen sein, dass die Täuschung bereits länger zurückliegt, der Ausländer später seine zunächst falschen Angaben korrigiert hat oder er sich erfolgreich um eine Integration bemüht hat, so dass der Vorwurf aus heutiger Sicht weniger schwer wiegt. Liegt die Täuschung in den Fällen, in denen sie ohne Mitwirkung des Ausländers aufgedeckt wurde, längere Zeit zurück und verhält der Ausländer sich seither kooperativ und rechtstreu, so sind diese Aspekte ebenfalls zu seinen Gunsten in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

In den Fällen des § 55 Abs. 2 Nr. 1a - 5 AufenthG bedarf es ebenfalls einer wertenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalles. Dabei sind insbesondere das Gewicht des dem Ausweisungstatbestand zu Grunde liegenden Rechtsverstoßes sowie die Frage, wie lange die Verwirklichung des Ausweisungstatbestandes schon zurückliegt, zu berücksichtigen.

Soweit die Sicherung des Lebensunterhalts zunächst nicht gefordert wird (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG), kann auch § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG nicht als Ausweisungsgrund entgegengehalten werden.

5.4              Visum

Die Aufenthaltserlaubnis ist abweichend von § 5 Abs. 2 AufenthG zu erteilen, d.h., es ist unschädlich, wenn der Antragsteller ohne erforderliches Visum eingereist ist.

5.5              Erteilungsverbot

Das Erteilungsverbot nach § 5 Abs. 4 AufenthG ist zu beachten.

6.         Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 25 a Abs. 1 AufenthG ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung. Sofern der Ausländer im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung die gesetzlich vorgeschriebene Altersgrenze (s. Ziffer I.1.4) überschritten hat, müssen sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für das Bleiberecht sowohl vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorgelegen haben als auch im Zeitpunkt der Behördenentscheidung noch gegeben sein. Daraus folgt, dass ab dem Zeitpunkt der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene Sachverhaltsveränderungen zu Gunsten des Antragstellers (z. B. etwa hinsichtlich des sechsjährigen Schulbesuchs) nicht berücksichtigt werden können.

7.         Ermessen

Die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Angesichts der Zielsetzung des Gesetzes, gut integrierten geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen, ist bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften regelmäßig von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen und der Aufenthaltstitel zu erteilen.

Soweit dies nicht bereits im Rahmen der anzustellenden Integrationsprognose berücksichtigt wurde, ist bereits bei Antragstellung zu prüfen, ob voraussichtlich die Verlängerungsvoraussetzungen vorliegen werden.

8. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

Die Aufenthaltserlaubnis ist rückwirkend - frühestens auf den Tag

der Antragstellung bezogen (jedoch nicht vor dem 01.07.2011) - zu er-

teilen, wenn festgestellt werden kann, dass zu diesem Zeitpunkt alle Erteilungsvoraussetzungen vorgelegen haben.

II. Abgeleitetes Aufenthaltsrecht für Eltern und Geschwister gem. § 25 a Abs. 2, 3 AufenthG

1.         Eltern oder der allein Personensorgeberechtigte

Die Gesetzesformulierung ermöglicht es, auch nicht personensorgeberechtigten, aber umgangsberechtigten Eltern(teilen), die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren, soweit dies im Hinblick auf Art. 6 GG unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - verfassungsrechtlich geboten ist. Die Darlegungs- und Beweislast liegt hierbei beim Ausländer.

1.1              Titelbesitz des minderjährigen Kindes

Begünstigt werden Eltern oder ein allein personensorgeberechtigter Elternteil eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt. Dem Erfordernis des Titelbesitzes ist auch genügt, wenn die Aufenthaltserlaubnisse an Kind und Eltern bzw. dem allein personensorgeberechtigten Elternteil gleichzeitig erteilt werden.

Der Titelinhaber nach § 25a Abs. 1 AufenthG, von dem das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird, muss zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig sein (bei Titelverlängerung s. Ziffer IV.2).

Eltern oder einem allein sorgeberechtigtem Elternteil eines inzwischen volljährig gewordenen Ausländers kann eine Aufenthaltserlaubnis auch dann erteilt werden, wenn diesem die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG rückwirkend ab einem Zeitpunkt erteilt worden ist, zu dem er noch minderjährig war. 

In Fällen, in denen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 25a Abs. 2 AufenthG aufgrund der Volljährigkeit des Kindes nicht erteilt werden kann, ist zu prüfen, ob nicht ein Ausnahmefall vorliegt, bei dem aufgrund besonderer Fallumstände wegen einer weiterhin bestehenden i.S.v. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK schutzwürdigen Eltern-Kind-Beziehung ein rechtliches Ausreisehindernis besteht und eine Duldung nach § 60a AufenthG bzw. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht kommt.

1.2              Ausschlussgrund nach § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG u.a. wegen Täuschung

Eine Titelerteilung ist ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung die Abschiebung

-    aufgrund falscher Angaben oder

-    aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder

-    mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen

verhindert oder verzögert wird. Hinsichtlich der Ausschlussgründe „Falschangaben“ und „Täuschungen“ gelten die Ausführungen in Ziffer I.3 entsprechend.

Darüber hinaus muss der Ausländer im Rahmen des Zumutbaren aktiv tätig werden, um Ausreisehindernisse zu beseitigen. Wann der Ausschlussgrund der „Nichterfüllung von zumutbaren Anforderungen“ anzunehmen ist, ergibt sich im Wesentlichen aus den Nrn. 25.5.4 und 25.5.4.2 AVwV-AufenthG und der zu § 25 Abs. 5 AufenthG ergangenen Rechtsprechung. Des Weiteren kann sich für die Ausländerbehörde infolge ihrer Sachkunde aufgrund der ihr nach § 82 Abs. 3 AufenthG obliegenden Hinweispflicht das Erfordernis ergeben, dem Ausländer konkrete Möglichkeiten für die von ihm erwarteten Nachforschungen aufzuzeigen.

In der Vergangenheit liegende eigene Falschangaben und Täuschungshandlungen, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht (mehr) allein ursächlich für die Aussetzung der Abschiebung sind, werden im Rahmen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG bewertet (s. Ziffer II.4 i.V.m. Ziffer I.5.3 des Erlasses).

1.3              Sicherung des Lebensunterhalts

Der Lebensunterhalt muss zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung vollständig aus eigener Erwerbstätigkeit - und ggf. ergänzend durch den Bezug von Rente - gesichert sein.

Erwerbstätigkeit umfasst sowohl eine selbständige Tätigkeit als auch eine unselbständige Beschäftigung (vgl. § 2 Abs. 2 AufenthG unter Beachtung der Nr. 2.2 AVwV-AufenthG).

Für die Berechnung des erforderlichen Einkommens zur Sicherung des Lebensunterhalts ist § 2 Abs. 3 AufenthG unter Beachtung der Nr. 2.3 AVwV-AufenthG maßgebend.

Demnach sind bei der Frage der Lebensunterhaltssicherung die Unterhaltspflichten des Ausländers gegenüber allen in Deutschland lebenden Familienangehörigen einzubeziehen. Der Lebensunterhalt eines Antragstellers ist daher nur gesichert, wenn dieser auch seine Verpflichtungen, insbesondere gegenüber den einzubeziehenden minderjährigen Kindern und ggf. dem Ehegatten, erfüllen kann. Ausgenommen hiervon ist das Kind, das einen Aufenthaltstitel nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt und bei dem die Ausnahmeregelung des § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG Anwendung findet.

Ferner ist es nicht erforderlich, dass beide Ehegatten ihren Lebensunterhalt - ungeachtet der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen - jeweils selbstständig durch eigene Erwerbstätigkeit und ggf. ergänzend durch Renteneinkünfte sichern müssen. Es reicht vielmehr aus, wenn unabhängig davon, wer die Einkünfte in welcher Höhe bezieht, der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft (ohne Kinder, die einen Aufenthaltstitel nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzen) insgesamt im erforderlichen Umfang gesichert wird.

Die Ermessensregelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG findet in den Fällen des § 25a Abs. 2 AufenthG keine Anwendung, weil die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts hier ein zwingendes spezifisches Erteilungskriterium und keine allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 AufenthG ist.

2.         Geschwister

Soweit eine dem Schutz des Artikel 6 GG unterfallende familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet besteht, erhalten minderjährige Kinder ein vom aufenthaltsberechtigten Elternteil abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Hierunter fallen nicht nur die Geschwister der minderjährigen Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzen, sondern auch weitere minderjährige Kinder des Vaters oder der Mutter aus anderen Beziehungen, sofern sie mit ihnen in häuslicher Lebensgemeinschaft leben.

3.         Versagungsgrund bei Straftaten

Ausländer, die vorsätzliche Straftaten begangen haben, sind von der Regelung in § 25a Abs. 2 AufenthG ausgeschlossen, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder Geldstrafen von bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, außer Betracht bleiben. Mehrere Geldstrafen sind danach zu addieren.

Die Tilgungsfrist und das Verwertungsverbot von Verurteilungen sind zu beachten (s. § 46 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 51 Absatz 1 BZRG). Nach § 47 Abs. 3 BZRG ist bei mehreren Verurteilungen eine Tilgung erst zulässig, wenn alle Verurteilungen tilgungsreif sind. Verurteilungen sind unbeachtlich, wenn sie vor Titelerteilung durch Zeitablauf oder aufgrund einer Anordnung des Generalbundesanwalts vorzeitig getilgt sind. Bei anhängigen Straf- (Ermittlungs-) verfahren ist § 79 Abs. 2 AufenthG zu beachten. Bei Zweifeln bzgl. der Tilgungsreife sollte eine entsprechende Anfrage an das Bundeszentralregister gestellt werden. Es ist jedoch nicht Angelegenheit der Ausländerbehörde zu prüfen, ob ausnahmsweise eine vorzeitige Tilgung der Straftaten nach § 49 BZRG in Frage kommt.

Ist der Antragsteller nicht nur wegen allgemeiner Straftaten, sondern  auch wegen Straftaten, die nach dem Ausländergesetz (§ 92), Aufenthaltsgesetz (§ 95)  oder dem Asylverfahrensgesetz (§ 85) nur von Ausländern begangen werden können, verurteilt worden und ist bei Addition der aus den allgemeinen Straftaten folgenden Geldstrafen die Summe von 50 Tagessätzen noch nicht überschritten, so sind die Straftaten insgesamt erst dann beachtlich, wenn die Summe aller Geldstrafen 90 Tagessätze übersteigt.

Im Gegensatz zur gesetzlichen Bleiberechtsregelung des § 104a AufenthG sieht das Gesetz in diesen Fällen keine wechselseitige Haftung der Familienmitglieder vor.

Der Versagungsgrund bezieht sich nur auf Titelerteilungen nach § 25a Abs. 2 AufenthG (Eltern und Geschwister - s. Ziffer II. dieses Erlasses). Das Bleiberecht des gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden nach § 25a Abs. 1 AufenthG ist hiervon nicht betroffen. Bei diesem sind Straftaten im Rahmen der von der Ausländerbehörde zu treffenden Integrationsprognose zu würdigen (s. Ziffer I.1.5 dieses Erlasses).

Scheidet die Erteilung eines Aufenthaltstitels an ein Familienmitglied aus, ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob es vorübergehend aus Gründen, die sich aus dem Schutzbereich des Art. 6 GG oder des Art. 8 EMRK ableiten lassen, zu dulden ist (vgl. § 60a Abs. 2b AufenthG, s. hierzu auch Ziffer III. dieses Erlasses)

4.         Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

Auch hier ist § 5 AufenthG mangels ausdrücklichen gesetzlichen Ausschlusses anwendbar. Allerdings wird die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Nichtvorliegen eines Ausweisungsgrundes) bei begangenen Straftaten durch den spezielleren Ausschlussgrund gem. § 25a Abs. 3 AufenthG verdrängt (vgl. dazu Ziffer II.3 dieses Erlasses). In den Fällen des § 55 Abs. 2 Nr. 1 - 5 AufenthG bedarf es gleichwohl einer wertenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalles. Dabei sind u.a. das Gewicht des dem Ausweisungstatbestand zu Grunde liegenden Rechtsverstoßes sowie die Frage, wie lange die Verwirklichung des Ausweisungstatbestandes schon zurückliegt, zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Ausweisungsgrundes gem. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG gelten die Ausführungen in Ziffer I.5.3 entsprechend.

Die Lebensunterhaltssicherung als zwingende Erteilungsvoraussetzung nach § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verdrängt insoweit die Ermessensregelung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (s. Ziffer II. 1.3 dieses Erlasses).

Die Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil sind verpflichtet, die Klärung der eigenen Identität und der ihrer minderjährigen Kinder durch Vorlage geeigneter Dokumente wie beispielsweise Personenstandsurkunden, Registerauszüge oder Staatsangehörigkeitsurkunden nachzuweisen sowie die Passpflicht nach § 3 AufenthG für sich selbst und weitere minderjährige Kinder zu erfüllen.

5.         Erteilungsverbot

Das Erteilungsverbot nach § 5 Abs. 4 AufenthG ist zu beachten.

6.         Ermessen

Die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG in Betracht, ist das von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eröffnete Erteilungsermessen regelmäßig zu Gunsten des Antragstellers auszuüben.

III. Duldung

Scheidet die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25a Abs. 2 AufenthG an die Eltern bzw. einen Elternteil oder die Geschwister aus, soll nach § 60a Abs. 2b AufenthG die Abschiebung solange ausgesetzt werden wie der Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt, minderjährig ist. Die „Soll-Regelung“ bedeutet, dass grundsätzlich eine Duldung zu erteilen ist, sofern nicht ein atypischer Ausnahmefall vorliegt. Ein atypischer Ausnahmefall liegt z. B. dann vor, wenn den Eltern das Sorgerecht entzogen wurde oder ein Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 AufenthG gegeben ist. Bei der Prüfung sind auf der einen Seite die familiären Bindungen, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (insbesondere das Ausmaß des strafrechtlich relevanten Verhaltens) zu berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls geboten.

IV. Allgemeine Hinweise

1.               Antragstellung

Ein Aufenthaltsrecht nach § 25a AufenthG wird nur auf Antrag erteilt. Die Ausländerbehörden sind gehalten, bei potenziell begünstigten Personen auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken (§ 82 Abs. 3 AufenthG) und dies aktenkundig zu machen. Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach anderen Rechtsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes, über die noch nicht abschließend entschieden wurde, sind auch als Anträge nach § 25a AufenthG zu werten.

Asyl- und Asylfolgeanträge müssen vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen bzw. entsprechende Verfahren müssen zum Abschluss gebracht werden. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse daran, zuvor über die Erfolgsaussichten seines Antrages nach § 25a AufenthG informiert zu werden. Anträge sind daher zunächst dahingehend zu prüfen, ob die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Wird dies festgestellt, ist der Antragsteller entsprechend schriftlich zu unterrichten - auch wenn noch ein asylrechtliches Verfahren anhängig ist - und darauf hinzuweisen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erst erfolgen kann, wenn der Asylantrag zurückgenommen worden ist. Es reicht für die weitere Bearbeitung aus, wenn der Ausländer zunächst die Rücknahme für den Fall erklärt, dass ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt wird (auflösende Bedingung). Seinen Antrag hat er erst zurückzunehmen, wenn ihm die Ausländerbehörde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugesichert hat.

2.               Titelverlängerung, Aufenthaltsverfestigung und Familiennachzug

Die Verlängerung richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen (§ 8 AufenthG). Danach gelten für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften wie für ihre Erteilung mit der Maßgabe, dass die Antragsaltersgrenze nach § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung nicht mehr erfüllt sein muss. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG ist vielmehr auch dann möglich, wenn das Kind, von dem die Eltern ihre Aufenthaltserlaubnis ableiten, mittlerweile volljährig geworden ist. Das Tatbestandsmerkmal „Eltern eines minderjährigen Ausländers“ ist nach seinem Sinn und Zweck nur bei der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG, nicht aber bei deren Verlängerung beachtlich.

Eine Aufenthaltsverfestigung ist unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG möglich. Der Familiennachzug zu Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG besitzen, ist ausgeschlossen (§ 29 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Nr. 33.0 Satz 5 AVwV-AufenthG ist bei Geburt eines Kindes im Bundesgebiet entsprechend anzuwenden.

3.               Verhältnis zu anderen Vorschriften des AufenthG

Die Regelung des § 25a AufenthG ist eine unter mehreren, den rechtmäßigen Aufenthalt begründenden Normen des Aufenthaltsgesetzes. Sie schließt die Anwendung der übrigen Vorschriften des Aufenthaltsrechts, insbesondere die des 5. Abschnitts des Aufenthaltsgesetzes, wie z. B. des § 25 Abs. 5 AufenthG, nicht aus.

4.               Ausländerzentralregister (AZR)

Die nach § 25a und § 60a Abs. 2b AufenthG getroffenen positiven Entscheidungen sind im AZR zu erfassen (vgl. Schreiben des Bundesverwaltungsamtes vom 12.07.2011, Az.: III 5 A - 20.101.1).

Im Auftrag

gez. Block

Anlagen:   

1.      Gesetzestext nebst Begründung (BT-Drs. 17/5093)


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