Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 17.4.2024


Richtlinien über die Abwicklung von Erbschaften des Landes RdErl. d. Finanzministeriums – VV 1260 – 1 – VI 3 v. 27.6.2013

 

Richtlinien über die Abwicklung von Erbschaften des Landes RdErl. d. Finanzministeriums – VV 1260 – 1 – VI 3 v. 27.6.2013

Richtlinien über die Abwicklung von Erbschaften des Landes

RdErl. d. Finanzministeriums – VV 1260 – 1 – VI 3
v. 27.6.2013

1
Allgemeines

Das gesetzliche Erbrecht des Fiskus wird in den §§ 1936, 1964 ff. BGB geregelt. Zur einheitlichen Abwicklung der dem Lande zufließenden Erbschaften ergehen folgende Richtlinien:

2
Zuständige Behörden

Die Übernahme und Abwicklung des Nachlasses obliegt der Bezirksregierung, in deren Bezirk die Erblasserin oder der Erblasser zur Zeit des Todes ihren oder seinen Wohnsitz hatte.

3
Übernahme des Nachlasses

3.1
Nachlassgerichte

Zwischen dem Tode der Erblasserin oder des Erblassers und der Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus des Landes nicht vorhanden ist (§ 1964 BGB), liegt in der Regel ein längerer Zeitraum. Er wird von den Nachlassgerichten vorwiegend benötigt, um etwaige andere Erben zu ermitteln und, wenn dies erfolglos geblieben ist, die Fristen des § 1965 BGB zu beachten. Da das Gericht selbst die unmittelbare Obhut über den Nachlass nicht auszuüben vermag, wird im Bedarfsfall für diesen Zeitraum zur Sicherung des Nachlasses eine Nachlasspflegerin oder ein Nachlasspfleger bestellt.

3.2
Nachlasspflegerinnen und Nachlasspfleger

Die Nachlasspflegerinnen und Nachlasspfleger haben u. a. ein Vermögensverzeichnis aufzustellen, das von dem Nachlassgericht geprüft wird. Außerdem müssen sie dem Gericht Rechnung legen (§§ 1915, 1802, 1837, 1840 BGB). Sie sind dem Lande als Erben Rechenschaft schuldig (§§ 1915, 1890 BGB); dieses kann daher, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht sind, von ihnen die Leistung der Versicherung an Eides statt fordern (§ 259 Abs. 2 BGB). Ferner unterliegen die Nachlasspflegerinnen und Nachlasspfleger der besonderen Strafvorschrift des § 266 StGB.

3.3
Vermögensverzeichnis

Das vom Gericht geprüfte Vermögensverzeichnis ist von der Bezirksregierung bei der Nachlasspflegerin oder dem Nachlasspfleger anzufordern. Das weitere Vorgehen hängt von dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses ab. Der Nachlass soll möglichst beschleunigt und endgültig abgewickelt werden.

4
Abwicklung des Nachlasses

4.1
Nachlassinsolvenz, Nachlassverwaltung

Ist der Nachlass bei der Übernahme durch das Land überschuldet, ist grundsätzlich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, außer die Beantragung eines Nachlassinsolvenzverfahrens ist mangels einer den Kosten entsprechenden Masse untunlich (§§ 1980, 1990 BGB).
In allen anderen Fällen kann die Anordnung der Nachlassverwaltung beantragt werden (§ 1981 BGB), um früh genug eine Haftungsbeschränkung zu erreichen. Nachstehender Abschnitt 4.3 ist zu beachten.

4.2
Verwertung von nicht überschuldeten Nachlässen

Nicht überschuldete Nachlässe sind durch die Bezirksregierungen selbst abzuwickeln und dabei das restliche Nachlassvermögen unter Abdeckung der Nachlassverbindlichkeiten zu verwerten. In besonders gelagerten Einzelfällen oder bei fehlendem Spezialwissen können geeignete Dritte gegen ein marktübliches Entgelt mit der Abwicklung beauftragt werden.
Die noch nicht abgedeckten Nachlassschulden sind nach Prüfung (bei der die Angaben der Nachlasspflegschaft im Allgemeinen als zuverlässig angesehen werden können) zu befriedigen. Je nach Lage des Falles ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die Bezirksregierungen bei der Verwertung des Restvermögens der zuständigen Gerichtsvollzieherin oder des zuständigen Gerichtsvollziehers, eines anderen Versteigerers oder der bisherigen Nachlasspflegerin oder des Nachlasspflegers bedienen. Dabei müssen jedoch die entstehenden Kosten zu dem zu erwartenden Verwertungserlös in einem angemessenen Verhältnis stehen.

4.3
Dürftigkeit des Nachlasses

Ist der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens oder Anordnung der Nachlassverwaltung mangels einer den Kosten entsprechenden Masse vom Gericht abgelehnt worden (§ 1990 BGB), so ist der Nachlass von den Bezirksregierungen abzuwickeln.

4.4
Nachlassgläubigerinnen und Nachlassgläubiger

Den Nachlassgläubigerinnen und Nachlassgläubigern gegenüber ist das Land als Erbe zwar nicht verpflichtet, den Erlös an sie anteilig auszuschütten; es darf ihr Vorgehen vielmehr abwarten und muss nur denjenigen, die einen vollstreckbaren Titel erlangt haben, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung herausgeben (§ 1990 BGB). Ein solches abwartendes Verhalten führt aber dazu, dass die Gläubigerinnen und Gläubiger unstreitiger Forderungen unnötige Kosten aufwenden müssen, um einen vollstreckbaren Titel zu erlangen, die dem ohnehin geringfügigen Nachlass zusätzlich zur Last fallen würden. Andererseits ist der Erbe nicht verpflichtet, ein Vorgehen der Gläubigerinnen und Gläubiger im Rechtswege abzuwarten. Er darf nur nicht, sobald er von der Überschuldung Kenntnis erlangt hat, die Eine oder den Einen vor der Anderen oder dem Anderen bevorzugen, sondern haftet der Gesamtheit der Gläubigerinnen und Gläubiger wie ein Beauftragter (§§ 1991 Abs. l, 1978, 1979 BGB). Es ist deshalb zweckmäßig und entspricht der Billigkeit, dass die Bezirksregierungen entsprechend den Grundsätzen der Insolvenzordnung zunächst die in den §§ 54, 55 und 324 InsO bezeichneten Masseverbindlichkeiten begleichen. Soweit darüber hinaus noch Nachlassmasse verbleibt, ist diese nach Aufstellung eines Planes an die aus dem Nachlassverzeichnis bekannten Gläubigerinnen und Gläubiger zu verteilen.
Um Ersatzansprüche aus § 1978 BGB zu vermeiden, ist zunächst ein Gläubigeraufgebot (§ 1970 BGB) zu beantragen und nach Ablauf der Aufgebotsfrist der Plan den Gläubigerinnen und Gläubigern mit der Aufforderung mitzuteilen, ihr Einverständnis zu erklären. Zugleich ist ihnen zu eröffnen, dass die Verteilung nicht stattfinden kann, wenn Eine oder Einer widerspricht. In diesem Falle ist der Nachlass gemäß § 1990 BGB denjenigen auszuhändigen, die zuerst ein rechtskräftiges Urteil erlangt haben. Je nach dem Erfolg muss entweder die Verteilung vorgenommen oder das Vorgehen der Gläubigerinnen und Gläubiger abgewartet werden. Später etwa auftretenden Gläubigerinnen oder Gläubigern ist die Einrede aus § 1990 BGB entgegenzuhalten.

4.5
Erbschaften als Hinterlegungssachen

Bei Herausgabe von Hinterlegungssachen durch die Hinterlegungsstellen der Amtsgerichte ist grundsätzlich auf die Erhebung von Hinterlegungszinsen (§ 8 Hinterlegungsordnung) zu verzichten.

5
Haushaltsmäßige Behandlung des Nachlasses

5.1
Allgemeines

Der Nachlass ist bis zur endgültigen Abwicklung grundsätzlich als einheitliches Ganzes (Haftungsmasse für etwaige Nachlassschulden) zu behandeln. Eine vorherige Aufteilung des Nachlasses oder eine Abgabe von einzelnen Vermögensteilen an andere Verwaltungszweige hat bis dahin zu unterbleiben.

5.2
Buchungsstellen im Haushalt

Die Einnahmen aus Erbschaften des Landes sind bei der im Landeshaushalt vorgesehenen Verbuchungsstelle — Kapitel 20 610 Titel 119 10 — zu buchen. Die entsprechenden Ausgaben zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten sind bei Kapitel 20 610 Titelgruppe 60 zu verbuchen.

5.3
Abschlussnachweisung

Mit Beendigung der Nachlassabwicklung ist entsprechend der haushaltsmäßigen Behandlung nach Abschnitt 5.2 eine Abschlussnachweisung aufzustellen. Diese soll alle Einnahmen und Ausgaben sowie gegebenenfalls eine Übersicht über die noch vorhandenen Nachlassgegenstände enthalten.

5.4
Nachlassgläubigerinnen und Nachlassgläubiger, die nach Aufstellung der Abschlussnachweisung auftreten

Treten noch Nachlassgläubigerinnen oder Nachlassgläubiger nach Aufstellung der Abschlussnachweisung auf, so sind deren Forderungsbeträge bis zur Höhe des vereinnahmten Nachlassüberschusses im Landeshaushalt bei Kapitel 20 610 Titelgruppe 60 zu verausgaben. Reicht der Überschuss nicht aus, ist gemäß §§ 1980, 1981, 1990 ff. BGB zu verfahren.

6
Vermögensmäßige Behandlung von Nachlassgegenständen

6.1
Übernahme von Gegenständen durch Dienststellen des Landes

Vor der Abwicklung eines Nachlasses ist in geeigneter Weise zu prüfen, ob das Land an der endgültigen Übernahme bestimmter Gegenstände interessiert sein könnte. Besteht ersichtlich kein Landesbedarf, kann die Abwicklung ohne weiteres vorgenommen werden. Andernfalls ist im Hinblick auf etwaige Nachlassverbindlichkeiten zu prüfen, in welcher Weise die in Frage kommenden Gegenstände aus der Nachlassmasse herauszulösen sind.

6.2
Wertausgleich

Bei überschuldeten Nachlässen ist der volle Wert des zu übernehmenden Gegenstandes aus Haushaltsmitteln an den Nachlass zu erstatten. Bei nicht überschuldeten Nachlässen ist lediglich der Teil des Verkehrswertes zu erstatten, der zur Erfüllung der ungedeckten Nachlassverbindlichkeiten erforderlich ist.

6.3
Grundstücke, die zu einem überschuldeten Nachlass gehören

Ist der Nachlass (einschl. des angefallenen Grundvermögens) überschuldet oder kann die Möglichkeit einer Überschuldung nicht ausgeschlossen werden, muss das Grundstück zunächst in der Nachlassmasse verbleiben. Erträge und Kosten sind Einnahmen und Ausgaben für den Nachlass.

6.4
Grundstücksverwertung, Grundstücksverwaltung

Grundstücke, Grundstücksteile und grundstücksgleiche Rechte, die aus einem Nachlass in den Besitz des Landes gelangen, werden durch die mit der Nachlassverwaltung beauftragten Stellen verwaltet und verwertet (i.d.R. verkauft). Dies gilt sowohl für einen nicht überschuldeten als auch für einen überschuldeten Nachlass.
Bei fehlendem Fachwissen kann gegen ein marktübliches Entgelt sowohl für die Verwaltung als auch für die Verwertung der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW (BLB NRW) oder ein geeignetes Unternehmen der Immobilienwirtschaft in Anspruch genommen werden.
Bei der Auswahl der Vermarktungsstrategie ist der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Gründe, die zur Auswahl einer bestimmten Vermarktungsstrategie geführt haben, sind schriftlich festzuhalten.
Einnahmen und Ausgaben sind bei den unter Abschnitt 5.2 genannten Haushaltsstellen zu buchen.

6.5
Landesgrundbesitzverzeichnis

Grundstücke, Grundstücksanteile und grundstücksgleiche Rechte sind jeweils zum 31.12. eines Haushaltsjahres mit Angabe von Flur, Flurstück, Lage, Größe und Art als Anlage V C im Landesgrundbesitzverzeichnis nachzuweisen.

6.6
Wertpapiere

Wertpapiere, Schuldbuchforderungen und dergleichen sind im Rahmen der Nachlassabwicklung bis zur Höhe der daraus zu befriedigenden Nachlassverbindlichkeiten zu verwerten. Dabei ist im Falle eines teilweisen Verkaufs den Wertpapieren mit dem jeweils höchsten Kurs der Vorzug zu geben. Wertpapiere, die für die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten nicht benötigt werden, sind an das Depot 4100902115 der Bezirksregierung Düsseldorf bei der Helaba in Düsseldorf (BLZ 300 500 00) zu übertragen. Die mit der Nachlassverwaltung beauftragten Stellen teilen den Übertrag der Bezirksregierung Düsseldorf mit und/oder verpflichten den beteiligten Dritten (i.d.R. ein Kreditinstitut), die Einlieferung in das Depot der Bezirksregierung Düsseldorf mitzuteilen. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat eine baldige Veräußerung der Wertpapiere anzustreben und den Erlös bei Kapitel 20 610 Titel 133 10 zu vereinnahmen.
Bei der Verwertung sind offensichtlich unwirtschaftliche Ergebnisse zu vermeiden.

7
Erweiterung des Anwendungsbereichs

7.1
Nachlässe auf Grund letztwilliger Verfügung

Diese Richtlinien finden sinngemäß Anwendung auf die Abwicklung von Nachlässen, die dem Land auf Grund letztwilliger Verfügung zufallen. Bei überschuldeten Nachlässen ist die Erbschaft auszuschlagen.

7.2
Anfall von Vereinsvermögen an den Fiskus

Diese Richtlinien finden sinngemäß Anwendung, sofern das Vermögen eines Vereins nach § 46 BGB an den Fiskus fällt. § 46 S.2 BGB bleibt davon unberührt.

Soweit förderrechtliche Belange betroffen sind, kann eine fachliche Zuarbeit von den jeweils zuständigen Stellen erfolgen, wenn dies von den Bezirksregierungen für erforderlich erachtet wird. Diese Stellen sollen den Bezirksregierungen auch bei der Verwendung eventuell noch vorhandenen Vereinsvermögens im Sinne des Vereinszwecks zuarbeiten.

8
Aufhebung von Erlassen

Folgende Erlasse sind nicht mehr anzuwenden:

1. FinMin NW vom 20.12.2000 — VV 1260 – 1 – III C 1,

2. FinMin NW vom 19.3.2001 — VV 1260 – 1 – III C 1.

3. FinMin NW vom 15.4.2011 — VV 1260 – 1.3 – III A 5

9
Schlussbemerkung

Im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Nachlassfälle ist eine Regelung, die alle Möglichkeiten berücksichtigt, weder möglich noch sinnvoll. Sollten sich auch bei sinngemäßer Anwendung dieser Richtlinien in der Abwicklung der Nachlässe und der Behandlung des Nachlassvermögens Unzuträglichkeiten oder Zweifel herausstellen, bitte ich, in eigener Verantwortung zu entscheiden. In Fällen von erheblicher Bedeutung ist mir zu berichten und meine Entscheidung einzuholen.

MBl. NRW. 2013 S. 257.