Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 17.4.2024


Anforderungen an die öffentliche Niederschlagsentwässerung im Mischverfahren RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - IV B 6 - 031001 2102 / IV B 5 - 673/4/2-32602 v. 3.1.1995

 

Anforderungen an die öffentliche Niederschlagsentwässerung im Mischverfahren RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - IV B 6 - 031001 2102 / IV B 5 - 673/4/2-32602 v. 3.1.1995

Anforderungen an die öffentliche
Niederschlagsentwässerung im Mischverfahren

RdErl. d. Ministeriums für Umwelt,
Raumordnung und Landwirtschaft
- IV B 6 - 031001 2102 / IV B 5 - 673/4/2-32602
v. 3.1.1995

Die nachstehenden Anforderungen an die Schadstoffrückhaltung bei der Niederschlagsentwässerung über öffentliche Kanalisationen im Mischverfahren werden hiermit nach § 57 Abs. 1 Landeswassergesetz (LWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.6.1995 (GV. NRW. S. 926) in der jeweils geltenden Fassung als allgemein anerkannte Regeln der Abwassertechnik eingeführt und bekannt gemacht.

Die Anforderungen sind als Mindestanforderungen anzusehen, die gegebenenfalls aus Gründen des Gewässerschutzes im Einzelfall zu erhöhen sind, namentlich wenn das abgeschlagene Mischwasser in ökologisch besonders schutzwürdige Gewässer oder in solche Gewässer eingeleitet wird, deren derzeitige oder künftige Nutzungen besondere Anforderungen an die Gewässergüte stellen.

1
Begriffsbestimmungen

1.1
Öffentliche Kanalisationen

Öffentliche Kanalisationen sind Einrichtungen, die der Abwasserentsorgung der Allgemeinheit dienen. Die Einrichtungen müssen in Erfüllung der nach § 51 Abs. 1 LWG bestehenden Abwasserbeseitigungspflicht dazu dienen, das Abwasser von Grundstücken eines festgelegten Gebietes zu sammeln und fortzuleiten, deren Eigentümer und Nutznießer jederzeit wechseln können.

1.2
Mischverfahren

Im Mischverfahren werden das häusliche, gewerbliche, industrielle und sonstige Schmutzwasser sowie das von befestigten Flächen abfließende Niederschlagswasser gemeinsam der Abwasserbehandlung zugeführt. Ein Teil des Mischwassers wird bei hohen hydraulischen Belastungen nach starken Niederschlägen über Entlastungsbauwerke in ein Gewässer eingeleitet.

1.3
Kanalisationsnetz

Das Kanalisationsnetz wird von der Gesamtheit der Kanäle und den mit diesen in funktionellem Zusammenhang stehenden Sonderbauwerken (wie z.B. Pumpwerke, Regenrückhaltebecken, Regenüberlaufbecken) gebildet. Es endet bei der letzten Regenentlastung vor Übergabe des Abwassers an die zentrale Abwasserbehandlung.

1.4
In der Kanalisation abfließender Niederschlag

Der in der Kanalisation abfließende Niederschlag errechnet sich aus
- der mittleren jährlichen Niederschlagshöhe hN30  der Jahresreihe 1951-1980 oder 1961-1990,
- der befestigten Fläche A red und
- dem Jahresabflussbeiwert ja

1.4.1
Die mittlere Niederschlagshöhe (hN30) ist vom deutschen Wetterdienst für das Einzugsgebiet der Kanalisation zu erfragen oder nach eigenen, mit dem Staatlichen Umweltamt abgestimmten Messungen und Auswerteverfahren zu ermitteln.

1.4.2
Die befestigte Fläche (A red) ist die Summe aller Teilflächen im Einzugsgebiet der Kanalisation, von denen Niederschlagswasser ganz oder teilweise den Kanälen zufließt.

1.4.3
Der Jahresabflussbeiwert (ja) berücksichtigt die Verluste, z.B. durch Versickerung und Verdunstung. Er entspricht dem Verhältnis der von den Teilflächen abfließenden Regenabflusssumme zum jährlichen Regenvolumen. Er wird durch Schätzung für die einzelnen Teilflächen mit gleichem Verlust ermittelt.

1.4.4
Der gesamte in der Kanalisation abfließende Niederschlag ergibt sich aus der Summe der von den Einzelflächen abfließenden Niederschläge. Der von jeder Einzelfläche abfließende Niederschlag errechnet sich nach folgender Formel: (siehe Anhang)

2
Behandlung des abfließenden Niederschlags

2.1
Anforderung

Gestaltung und Betrieb des Kanalisationsnetzes müssen sicherstellen, dass mindestens ein Anteil von (100 - eo) Prozent des abfließenden Niederschlags gem. 1.4 einer zentralen mechanisch-biologischen Abwasserbehandlung zugeführt wird. Der Prozentsatz eo errechnet sich nach Nummer 7.7 in Abschnitt 7.1 des Arbeitsblattes A 128 der Abwassertechnischen Vereinigung von April 1992. Bei der Einleitung des behandelten Abwassers sind die in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgelegten Anforderungen einzuhalten.

Besteht das verfügbare Speichervolumen eines Kanalnetzes nur aus Kanalstauräumen mit untenliegender Entlastung, ist der zu behandelnde Niederschlagsanteil auf (106 - eo) Prozent zu erhöhen. Bilden die Kanalstauräume mit untenliegender Entlastung nur einen Anteil am vorhandenen Speicherraum, ist zwischen den Prozentsätzen 100 und 106 entsprechend dem Anteil linear zu interpolieren.

Beträgt die Niederschlagshöhe in einem Jahr weniger als 90 % der mittleren jährlichen Niederschlagshöhe für den Zeitraum 1960-1990, so kann für den zu behandelnden Anteil des abfließenden Niederschlags die geringere Niederschlagshöhe zugrundegelegt werden.

Wird Niederschlagswasser aus überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebieten von der Mischkanalisation nicht erfasst, sondern in Einklang mit § 51 Abs. 2 Nr. 3 LWG getrennt von der Gemeinde oder Dritten beseitigt, kann der für die betroffenen Flächen nach Abschnitt 1.4.4 ermittelte Niederschlagsabfluss vom zu behandelnden Anteil abgesetzt werden. Dies gilt auch für Niederschlagswasser aus Gewerbe-, Industrie- und Mischgebieten, wenn der Betreiber nachweist, dass das Gebiet hinsichtlich seiner Verschmutzung einem Wohngebiet vergleichbar ist.

2.2
Überprüfung

Die zuständige Wasserbehörde hat im Rahmen der Gewässeraufsicht nach § 116 LWG in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob die Anforderung nach Nr. 2.1 eingehalten ist. Nach § 117 LWG sind die Gemeinden verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

2.2.1
Überprüfung durch Abflussmessungen

Der auf der Kläranlage behandelte Anteil des abfließenden Niederschlags nach Punkt 1.4 ergibt sich als Differenz der gemessenen Jahresabwassermenge und der aus Tageswerten ermittelten Jahresschmutzwassermenge für den gleichen Zeitraum. Die Messstelle zur Ermittlung der Tageswerte muss den Bedingungen, die im wasserrechtlichen Bescheid an die Abflussmessung der Kläranlage gestellt werden, entsprechen. Die Jahresschmutzwassermenge ist aus den Tageswerten entsprechend dem RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft v. 4.2.1991 - IV B 6 - 031 003 0101 / IV B 5 - 676/5-28728 - (MBl. NRW. 1991 S. 281 / SMBl. NRW. 772) zu ermitteln.

2.2.2
Überprüfung durch Langzeitsimulation

Die Bestimmung des behandelten Niederschlagswasseranteils kann auch mit Hilfe eines mit dem Landesumweltamt abgestimmten Langzeitsimulationsmodells für das Kanalnetz erfolgen. Die Berechnung soll eine Regenreihe von 10 Jahren umfassen.

Vor Einsatz des Modells ist dieses anhand von Messdaten, die an repräsentativen Stellen des Netzes, insbesondere an großen für das Einzugsgebiet repräsentativen Regenüberlaufbecken, gewonnen werden, in ausreichendem Umfang zu kalibrieren. Die Kalibrierung des Modells kann anhand von gemessenen Drosselwassermengen, gemessenen Beckenfüllständen und des zugehörigen Niederschlags für solche Niederschlags- und Abflussereignisse erfolgen, die aus dem Becken nicht entlastet (abgeschlagen) werden.

2.2.3
Übergangslösung

Bis zum 31.12.1996 gelten die Anforderungen nach Punkt 2 als eingehalten, wenn für das gesamte Netz eine Genehmigung gemäß § 58 Abs. 1 LWG nach dem 1.1.1988 und einer wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBl. I S. 3245), in der jeweils geltenden Fassung, für alle Einleitungen erteilt wurde und die in der Genehmigung und der Erlaubnis enthaltenen Auflagen und Bedingungen erfüllt sind.

3
Anforderungen an die konstruktive Ausbildung von Bauwerken

Bei der Gestaltung der Regenentlastungen, Regenüberlaufbecken und Stauraumkanäle sind die Anforderungen des Arbeitsblattes A 128 der Abwassertechnischen Vereinigung, Punkte 4, 9 und 10, zu berücksichtigen.

Für Regenüberläufe gelten folgende Mindestanforderungen:

Um einen übermäßigen Schmutzeintrag aus einzelnen Regenentlastungen in einen Gewässerabschnitt zu vermeiden, müssen Regenüberläufe mindestens bemessen werden auf ...(Formel siehe Anhang).

MBl. NRW. 1995 S. 254


Anlagen: