Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 3.4.2024


Ansteckende Blutarmut der Einhufer RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten –  I C 2 – 2146 – 7341 v. 7.11.1975

 

Ansteckende Blutarmut der Einhufer RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten –  I C 2 – 2146 – 7341 v. 7.11.1975

Ansteckende Blutarmut der Einhufer
RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten –
 I C 2 – 2146 – 7341

v. 7.11.1975

Bei der Durchführung der Einhufer-Blutarmut-Verordnung ist folgendes zu beachten:

1
Zu § 1

1.1
Ansteckende Blutarmut kann aufgrund pathologisch-anatomischer Untersuchungsverfahren festgestellt werden (vgl. Nummer 7). Dagegen reichen klinische, hämatologische und serologische Befunde jeweils allein zur Feststellung der Seuche nicht aus. Die ansteckende Blutarmut muss mindestens aufgrund von zwei der genannten Untersuchungsverfahren nachgewiesen sein.

1.2
Ein positiver serologischer Untersuchungsbefund allein begründet nur einen „Ansteckungsverdacht“ (vgl. zu § 10).

1.3
Werden mit einem Untersuchungsverfahren von den „Normalwerten“ abweichende, verdächtige oder positive Befunde festgestellt, sind stets auch die anderen für die Feststellung der ansteckenden Blutarmut vorgeschriebenen Untersuchungen – soweit bei den Tieren ausführbar – durchzuführen. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen klinischer Symptome. Epidemiologische Ermittlungen sind besonders zu berücksichtigen.

1.4
Die Feststellung klinischer, auf ansteckende Blutarmut hinweisende Symptome kann Schwierigkeiten bereiten, da die Seuche in den verschiedenen Verlaufsformen (akut; subakut; chronisch-inapparent) auftritt. In der Mehrzahl der Fälle wird die klinische Diagnose daher eine Ausschlussdiagnose sein. Das noch am auffälligsten klinische Krankheitssymptom ist das intermittierende Fieber, fieberfreie Tage und Tage mit Fieber wechseln in unregelmäßigen Abständen, die Körpertemperatur steigt im akuten Stadium auf über 40°C an, im subakuten und chronischen Stadium sind geringere Temperatursteigerungen bis zu 39°C häufig zu beobachten; in chronischen Fällen kann der fieberfreie Zustand mehrere Wochen oder Monate, sogar Jahre anhalten, bevor die Temperatur wieder ansteigt. Voraussetzung ist daher, dass die Körpertemperatur regelmäßig morgens und abends zuverlässig über einen längeren Zeitraum gemessen und aufgezeichnet wird. Konditions- und Gewichtsverlust treten bei den heutigen Haltungsbedingungen nur in akuten klinischen Fällen oder am Ende der Krankheit, subepitheliale Blutungen in den Kopfschleimhäuten und an der Zunge sowie anämische Erscheinungen an den sichtbaren Schleimhäuten, ferner Ödeme an Bauch und Unterbrust nur bei einem Teil der erkrankten Tiere und nicht selten nur im Endstadium der Krankheit auf. Belastungsproben mit Herz, Puls- und Atemfrequenzregistrierung vor und unmittelbar nach der Belastung zur Kontrolle der Herz- und Kreislauffunktion sind infolge des individuell unterschiedlichen „Trainingszustandes“ der Pferde in der Regel nur sehr bedingt aussagekräftig.

1.5
Bei der hämatologischen Untersuchung ist insbesondere die Gesamtzahl der Erythrozyten und der Leukozyten sowie der Hämoglobingehalt (Berechnung des Farbindex nach Marek und Möcsy) zu bestimmen und die Sedimentierprobe nach der Methode Westergreen durchzuführen.

Für die Beurteilung sind die in der Anlage aufgeführten Werte zugrunde zu legen. (Tabelle siehe Anhang)

Für die hämatologische Untersuchung sind nur nicht geronnene Blutproben geeignet, das Blut ist daher in Röhrchen, die mit einem Antikoagulans versetzt sind (z.B. 3,9 % Natrium citricum), einzubringen.

Zur Abklärung von Veränderungen des Blutbildes sind ggf. auch Kotproben (aus dem Rektum) zu entnehmen und parasitologisch auf das Vorhandensein von Magen-Darm-Würmern zu untersuchen.

1.6
Als serologisches Untersuchungsverfahren gilt der Agargel-Immunodiffusionstest. Dieser Test wird zentral für das Land Nordrhein-Westfalen im Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt Münster durchgeführt. Für die serologische Untersuchung ist eine Blutprobe von mindestens 10 ml ohne gerinnungshemmende Zusätze zu entnehmen. Um eine Übertragung von Einhufer zu Einhufer zu vermeiden, sind zur Entnahme der Probe sterile Einmalkanülen oder sterile Einmalspritzen zu verwenden; besonders geeignet sind Venülen.

1.7
Der pathologisch-anatomische Befund kann von ausgeprägten Organveränderungen bis zu einem fast negativen Ergebnis schwanken (Leber-, Milz- und Lymphknotenveränderungen, petechiale Blutungen). Die „pathologisch-anatomischen“ Untersuchungsverfahren schließen die histologische Untersuchung ein. Sofern nicht die zur Untersuchung erforderlichen Organe Leber, Milz, Niere, Herz, Lunge, Milzlymphknoten und ggf. andere Lymphknoten in gekühltem und frischem Zustand unmittelbar an das Untersuchungsinstitut gebracht werden, sind würfelförmige Stücke dieser Organe von ca. 1 bis 2 cm Kantenlänge, in einer Lösung, die etwa 10 % wirksames Formaldehyd enthält (1 Teil Formalin auf 3 Teile Wasser), eingelegt zu versenden. Finden sich bei der Zerlegung andere Veränderungen – wie geschwulstartige Wucherungen usw. – in den Organen, so sind auch von diesen Stellen Proben mit einzusenden. Die Formalinlösung muss so reichlich bemessen sein, dass die eingelegten Organstücke allseits von der Lösung umgeben sind.

1.8
Untersuchungsmaterial (Blut-, Organ- und Kotproben) ist – soweit es nicht unmittelbar untersucht wird – auf schnellstem Wege an das Staatliche Veterinäruntersuchungsamt einzusenden. Bei der Einsendung sind die für die Verpackung und den Versand von infektiösem und verdächtigem Material geltenden Vorschriften zu beachten. Die Einsendung von Proben ist mit dem Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt telefonisch vorher abzusprechen.

2
Zu § 2

2.1
Gegen Impfungen, Maßnahmen diagnostischer Art oder Heilversuche an seuchenkranken Einhufern werden im Rahmen wissenschaftlicher Versuche dann keine veterinärpolizeilichen Bedenken bestehen, wenn diese Versuche unter Leitung eines wissenschaftlichen Instituts in einem isolierten Stall oder sonstigen Standort mit Quarantäne-Charakter so durchgeführt wurden, dass eine Seuchenverschleppung nicht zu befürchten ist.

2.2
Auf die Gefahr einer Übertragung des Virus der ansteckenden Blutarmut mit dem Blut infizierter Tiere wird besonders hingewiesen.

2.3
Zur Durchführung der Desinfektion vergleiche Ausführungen zu § 11.

2.4
In verdächtigen Beständen sollte für jeden Einhufer ein gesondertes Thermometer verwendet und in den Ställen eine laufende intensive Insektenbekämpfung durchgeführt werden.

3
Zu § 3

Die Anordnung der Untersuchung von Einhuferbeständen wird in der Regel nur dann erforderlich sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Seuche in einem Gebiet oder in mehreren Einhuferbeständen bereits ausgebreitet hat. Hierbei ist stets die serologische Untersuchung auf Antikörper im Agargel-Immunodiffusionstest durchzuführen.

4
Zu § 4

Zur hämatologischen und serologischen Untersuchung auf ansteckende Blutarmut sowie zur Entnahme von Blutproben wird auf die Nummern 5 und 6 zu § 1 verwiesen.

5
Zu § 5

5.1
Wird die infektiöse Anämie bei Pferden anlässlich einer Pferdesportveranstaltung festgestellt, gelten als „sonstiger Standort“ nur die Räumlichkeiten zur Unterbringung der Tiere, nicht jedoch der Sattelplatz, der Abreiteplatz, der Vorführring, der Parcours, die Rennbahn, der Turnierplatz und die Geländestrecke.

5.2
Nach Feststellung der Seuche oder des Seuchenverdachtes in einem Bestand ist zu ermitteln, ob aus diesem Bestand in den letzten 60 Tagen Einhufer entfernt worden sind. Sind Einhufer während dieses Zeitraumes aus dem verseuchten oder verdächtigen Bestand abgegeben worden, ist die Kreisordnungsbehörde des neuen Standortes in Kenntnis zu setzen.

5.3
Eine Genehmigung zur Entfernung seuchenkranker Einhufer aus dem Gehöft oder sonstigen Standort darf nur zu sofortiger Tötung der Tiere erteilt werden.

5.4
Die Entfernung seuchenverdächtiger Einhufer ist zur sofortigen Tötung der Tiere oder nur aus zwingenden Gründen zu genehmigen und nur, wenn die Tiere an einem anderen Standort oder in einem anderen Gehöft, in dem keine Einhufer gehalten werden, abgesondert gehalten werden können. Zwingende Gründe sind z.B. bauliche Unzulänglichkeiten der Absonderungs- oder Unterbringungsräumlichkeiten oder – zur Verhütung unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Verluste – Freimachung eines sonstigen Standortes für regelmäßige Veranstaltungen (Pferdeturniere und ähnliches).

5.5
Für die Entfernung ansteckungsverdächtiger Einhufer gilt Nummer 3 entsprechend; abweichend darf jedoch ausnahmsweise gestattet werden, dass die Tiere in ein anderes Gehöft oder einen anderen Standort eingestellt werden, in dem Einhufer gehalten werden (z.B. Rückführung eines Turnierpferdes in den Herkunftsbestand). Eine Genehmigung zur Entfernung ansteckungsverdächtiger Einhufer zur Schlachtung darf regelmäßig erteilt werden.

5.6
Genehmigungen zur Entfernung von Einhufern sind mit der Auflage zu verbinden, das seuchenkranke, seuchenverdächtige und ansteckungsverdächtige Tiere nur in geschlossenen Fahrzeugen befördert werden, die so beschaffen sind, dass tierische Abgänge, Streu und Futter weder durchsickern noch herausfallen können.

5.7
Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung ist, dass die Sperrvorschriften in dem neuen Standort eingehalten werden können. Ferner ist in allen Fällen, in denen für den neuen Standort eine andere Behörde zuständig ist, vorher deren Zustimmung einzuholen.

5.8
Wird eine Genehmigung zum Verbringen von Einhufern in das Gehöft oder den sonstigen Standort erteilt, ist der Besitzer auf die Vorschrift des § 69 Abs. 2 des Tierseuchengesetzes (TierSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1991 (BGBl. I S. 482) hinzuweisen.

5.9
Der Bewuchs von Weideflächen, die der Nutzungsbeschränkung nach Absatz 2 unterliegen, darf an Einhufer nicht verfüttert werden.

6
Zu § 6

Genehmigungen nach § 6 können aufgrund der Beurteilung der Verhältnisse im Einzelfall erteilt werden, wenn ein dringendes wirtschaftliches Bedürfnis besteht oder eine länger dauernde Aufstallung zu erheblichen Schwierigkeiten oder zu unverhältnismäßigen Härten führt. Für die Genehmigung der Nutzung ansteckungsverdächtiger Reit- oder Rennpferde z.B. auf Reitplätzen oder im Trainingsgelände ist zu prüfen, ob diese als zu dem Gehöft oder sonstigen Standort dazugehörig anzusehen sind; auf Satz 2 und 3 des § 6 wird in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen. Eine Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn eine Seuchenübertragung durch blutsaugende Insekten auf andere Einhufer nicht anzunehmen ist.

7
Zu § 7

7.1
Auf das Schlachtverbot für ansteckender Blutarmut erkrankte oder seuchenverdächtige Einhufer wird hingewiesen [(Nummer 5.1 Anlage 1 der Fleischhygiene-Verordnung vom 30. Oktober 1986 (BGBl. I S. 1678), zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 1988 (BGBl. I S. 303)].

7.2
Die Tötung verdächtiger Einhufer ist nur im Einvernehmen mit der Bezirksregierung anzuordnen. Die Anordnung kann erforderlich sein, wenn keine für die Aufstallung und Absonderung oder nur völlig unzulängliche Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.

7.3
Zu Abs. 2 gelten die Hinweise in Nummer 1 zu § 2 sinngemäß.

8
Zu § 9

8.1
Bezüglich der Absonderung und amtlichen Beobachtung wird auf § 19 Abs. 3 TierSG verwiesen.

8.2
Für die Genehmigung zum Entfernen ansteckungsverdächtiger Einhufer aus dem Gehöft oder sonstigen Standort gelten die Hinweise zu den §§ 5 und 6 sinngemäß.

9
Zu § 10

9.1
Bei klinisch gesunden Einhufern weist ein positives Ergebenes der serologischen Untersuchung im Agargel-Immunodiffusionstest darauf hin, dass sich der Organismus zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Erreger der ansteckenden Blutarmut auseinandergesetzt hat. Ein solcher Befund gibt für die Behörde, sofern er ihr bekannt wird, Anlass zur Untersuchung des gesamten Bestandes. Werden bei den Tieren mit serologisch positiven Befunden nicht gleichzeitig andere Erscheinungen, die auf ansteckende Blutarmut hindeuten, festgestellt, so sagt der serologische Befund allein nichts darüber aus, ob das Tier das Virus ausscheidet, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt ausscheiden wird oder an der Seuche erkrankt. In Anbetracht der besonderen epizootologischen Verhältnisse und der bisherigen Erfahrungen bei der Bekämpfung der infektiösen Anämie der Einhufer sowie der begrenzten Aussagefähigkeit des Agargel-Immunodiffusionstestes bei klinisch und hämatologisch unverdächtigen Tieren ist es – unter Abwägung von Seuchenrisiko und Verhältnismäßigkeit der Mittel – vertretbar, den Bestand nach einmaliger bzw. zweimaliger serologischer, hämatologischer und klinischer Untersuchung aller Einhufer des Bestandes freizugeben. Dieses bedarf des Einvernehmens der Bezirksregierung.

9.2
Zur hämatologischen und serologischen Untersuchung sowie zur Blutprobenentnahme vergleiche Ausführungen bei den Nummern 5 und 6 zu § 1.

10
Zu § 11

Die Reinigung und Desinfektion ist nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes durchzuführen.

Zur Desinfektion sind besonders Desinfizierungsmittel geeignet, die auf der Grundlage von Formalin hergestellt sind.

Flüssige Abgänge sind, soweit sie nicht dem Dung beigegeben werden, durch Zusatz von Kalkstickstoff oder dicker Kalkmilch (20 kg Kalkstickstoff auf einen Kubikmeter Flüssigmist oder dicke Kalkmilch : Flüssigmist = 6 : 100) zu desinfizieren. Der eingebrachte Kalkstickstoff bzw. die dicke Kalkmilch sind durch intensives maschinelles Umrühren bzw. Umpumpen gut zu verteilen. Die Einwirkungszeit muss bei dicker Kalkmilch und bei Kalkstickstoff mindestens vier Tage betragen.

11
Zu § 12

Der Seuchenverdacht auf ansteckende Blutarmut hat sich in der Regel als unbegründet erwiesen, wenn

a) bei den seuchenverdächtigen Einhufern frühestens 21 Tage nach Feststellung des Verdachts zwei im Abstand von vier Wochen entnommene Blutproben hämatologisch und serologisch auf ansteckende Blutarmut mit negativem Ergebnis untersucht worden sind und weder bei den betreffenden Tieren noch den übrigen Einhufern des Bestandes für ansteckende Blutarmut verdächtige klinische, hämatologische, serologische oder pathologische Erscheinungen festgestellt worden sind, oder

b) bei den seuchenverdächtigen und den übrigen Einhufern des Bestandes innerhalb von 180 Tagen nach Feststellung des Seuchenverdachtes keine für ansteckende Blutarmut verdächtigen klinischen, hämatologischen oder pathologisch-anatomischen Erscheinungen festgestellt worden sind, oder

c) die seuchenverdächtigen Einhufer verendet, getötet oder entfernt worden sind und bei den übrigen Einhufern des Bestandes die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstabe b vorliegen.

Dieser RdErl. tritt am Tage der Veröffentlichung in Kraft.

MBl. NRW. 1975 S. 2129, geändert durch RdErl. v. 10.9.1980 (MBl. NRW. 1980 S. 2189), 4.9.1991 (MBl. NRW. 1991 S. 1417)


Anlagen: