Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 22.3.2024


Waldnutzung und Walderneuerung im Staatswald des Landes NRW RdErl. d. Ministeriums für Umwelt,  Raumordnung und Landwirtschaft - III A 2  31-10-00.00 - v. 27.10.1994

 

Waldnutzung und Walderneuerung im Staatswald des Landes NRW RdErl. d. Ministeriums für Umwelt,  Raumordnung und Landwirtschaft - III A 2  31-10-00.00 - v. 27.10.1994

Waldnutzung und Walderneuerung
im Staatswald des Landes NRW

RdErl. d. Ministeriums für Umwelt,  Raumordnung und Landwirtschaft
- III A 2  31-10-00.00 - v. 27.10.1994

Dieser Runderlass regelt waldbautechnische Fragen zur Waldnutzung und Walderneuerung im Staatswald des Landes NRW. Regionale standortbezogene Waldbehandlungsmodelle werden in "Regionalen Waldbaurichtlinien" festgelegt.

Grundlagen dieser Waldbaurichtlinie sind
- das Gesamtkonzept füreine ökologische Waldbewirtschaftung des Staatswaldes in Nordrhein- Westfalen "Wald 2000",
- die Vorschrift über die Bewirtschaftungsgrundsätze und mittelfristige Betriebsplanungen im Staats- und Gemeindewald des Landes NRW (BePla) und
- die gegenwärtigen Kenntnisse und Erfahrungen über naturnahe Waldwirtschaft.

Nachstehende Regelungen sind für den Staatswald verbindlich, dem Gemeinde- und Privatwald werden sie empfohlen. Abweichungen im Staatswald sind zu begründen.

Soweit in anderen Erlassen abweichende Regelungen getroffen wurden, ist bis zu deren Anpassung nach diesem Runderlass zu verfahren.

1
Bestandeserschließung
Naturnahe Waldbewirtschaftung mit einzelstammweiser Nutzung erfordert eine sorgfältige Bestandeserschließung durch ein dauerhaftes Erschließungsnetz.

Der Abstand der Erschließungswege richtet sich u.a. nach der Geländebeschaffenheit, der Bestandesstruktur und dem eingesetzten Holzernteverfahren.

Die Abstände sind so zu wählen, dass Schäden am Boden und Bestand minimiert werden.

Das Fahren in Beständen ist nur auf den dauerhaft festgelegten Erschließungswegen statthaft. Ausnahmsweise kann in begründeten Einzelfällen bei entsprechenden Boden- und Witterungsverhältnissen (z.B. auf tiefgefrorenen Böden, leichte Fahrzeuge auf trockenem Boden) von diesem Grundsatz abgewichen werden.

Vor jeder Hiebsmaßnahme ist zu prüfen, ob die bestehende Erschließung ausreicht. Soweit möglich werden vorhandene Erschließungen übernommen.

Das Befahren der Erschließungswege darf nicht zur dauerhaften Zerstörung des Bodens führen (§ 10 Abs. 1 LFoG). Gravierende Schäden sind zu beseitigen.

2
Vorratspflege
Durch Pflegehiebe wird der Zuwachs auf die Bäume mit dem höchsten laufenden Wertzuwachs verlagert und die Verjüngung der Bestände gesteuert.

Aus ökonomischen und ökologischen Gründen sollen Kahlschläge und kahlschlagähnlich wirkende Maßnahmen wie Schirm- und Saumschläge unterbleiben. Die Entnahme der zu nutzenden Massen erfolgt nach folgenden Kriterien:
- Im Vordergrund der Hiebsmaßnahmen steht die Stabilisierung des aufstockenden Bestandes durch Verselbständigung der Z-Bäume. Deshalb ist der Schlussgrad der Bestände zu verringern. Grundsätzlich sind nur wenige Z-Baumanwärter oder Z-Bäume je Hektar auszuwählen. Nur so ist langfristig Ungleichaltrigkeit und Stufigkeit zu erreichen. Dabei hat die regelmäßige Verteilung dieser Z-Bäume nach Baumarten und Bestand fallweise eine andere Bedeutung (z.B. Gruppendurchforstung).
- Vordringlich sind die Bedränger der Z-Bäume im notwendigen Umfang zu entnehmen.
- In nächster Dringlichkeit sind beschädigte Bäume zu entnehmen, wenn ihre Entnahme im Hinblick auf die Bestandessicherheit und ihre Funktion im Bestand vertretbar ist.
- Soweit notwendig können zugunsten der Verjüngung Bäume entnommen werden. Hier ist entscheidend, welcher Baum den höheren Wertzuwachs verspricht oder ob bestimmte Baumarten aus ökologischen Gründen gefördert werden sollen.
- Bei weiteren Holzentnahmen sind hiebsreife Bäume (Zielstärkennutzung) zu ernten, soweit die Stabilität des Bestandes dies zulässt.

Die Eingriffsstärke richtet sich in erster Linie nach der Notwendigkeit der Förderung der Z-Bäume. Je Eingriff sind im Regelfalle nicht mehr als 50 m3/f je Hektar zu entnehmen.

Häufige schwächere Eingriffe erleichtern die Förderung des Bestandes im gewünschten Sinne und führen wegen der besseren Übersichtlichkeit zu geringeren Schlag- und Rückeschäden.

Entsprechend der relativ geringen Eingriffsstärke sind die Eingriffe im Abstand von 3 bis 7 Jahren zu wiederholen.

3
Totholzstrategie
Unsere Wälder enthalten im Verhältnis zum Urwald nur wenige Elemente der Zerfallsphase. Durch die Erhöhung der Umtriebzeiten, das Liegenlassen des Kronenholzes und die Ausweisung von Naturwaldzellen, die zwar nur 1 % der Holzbodenfläche aber mehr als 6 % der Altbestandsfläche ausmachen, wurden die Bedingungen für die an Alt- und Totholz gebundenen Organismen verbessert. Darüber hinaus ist der Anteil abgestorbener und sterbender Biomasse insbesondere beim Laubholz als für die Lebensgemeinschaft Wald wichtiges Element zu erhöhen. Hierzu eignen sich besonders qualitativ schlechte und beschädigte Stämme wie Höhlenbäume, Wipfelbrüche und Blitzbäume. Außerdem sollen besonders schwierig zu bewirtschaftende Flächen, wie Steilhänge, felsige Partien und nasse Flächen, ganz aus der Nutzung genommen oder extensiviert werden (Buchenwaldkonzept NRW). Flächen, die aus der Nutzung ausscheiden, sind in der Forsteinrichtung festzulegen.

Besonders wichtig ist es, dort einer Verminderung der Totholzmasse entgegenzuwirken, wo es immer Totholz gegeben hat. Hier ist noch am ehesten mit spezialisierten Totholzbewohnern zu rechnen, die größere Entfernungen zwischen Waldbeständen nicht überwinden können. Die ubiquitären Arten dagegen bedürfen keiner besonderen Förderung.

4
Jungbestandspflege
Jungbestandspflegemaßnahmen (Läuterungen) werden grundsätzlich nach dem Ausleseprinzip durchgeführt, d.h. die Eingriffe sind auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Bei Naturverjüngungen, insbesondere wenn der Schirm zu früh geräumt wurde, kann es notwendig sein, vorher eine oder mehrere vorsichtige negative Auslesen durchzuführen (schlecht geformte Vorwüchse).

Vor jeder Läuterung ist die Notwendigkeit der Maßnahme zu prüfen.

Die Z-Baumanwärter sind vor dem Eingriff zu kennzeichnen.

Seltene Mischbaumarten werden grundsätzlich gefördert.

5
Ästung
Z-Bäume der Nadelbaumarten und der Kirsche sind grundsätzlich zu ästen.

Es ist anzustreben, dass bis zum Erreichen der Zielstärke an dem zu ästenden Stamm noch ein Mantel von mindestens 20 cm astfreiem Holz angelegt werden kann. Die Ästungshöhe beträgt in der Regel 6 m.

6
Verjüngung
Mit intensiven Eingriffen in die Bestände wird sich auf den meisten Flächen ein Verjüngungsvorrat einfinden. Durch Regulierung der Wildbestände (§1 Abs. 2 BJG) ist sicherzustellen, dass auch wildempfindlichere Baumarten an der Verjüngung beteiligt sind.

Die Begründung von Beständen hat grundsätzlich unter Ausnutzung und Einbeziehung der natürlichen Waldverjüngung zu erfolgen. Alle spontan ankommenden Baum- und Straucharten sind mit zu nutzen. Dies kann in verschiedener Form geschehen, z.B. als bestandesbildende Baumart, als Treib- und Füllholz, als Bestandes- und Bodenschutzholz oder als Vorwald.

Bei zufälligem Freiwerden von Flächen, z.B. durch Kalamitäten, ist in Abhängigkeit von den Standortverhältnissen zunächst abzuwarten, um das Verjüngungspotential der sich natürlich ansamenden Baumarten abschätzen und nutzen zu können.

Flächenräumung ist durch Zuwarten oder geeignete Arbeitsverfahren zu vermeiden.

Bei der Pflanzung sind Wildlinge sowie Pflanzen aus Anzuchtverträgen vorzuziehen.

7
Waldschutz
Durch waldbauliche Verfahren, wie Vorwald (auch mit Nadelbäumen), Voranbau, Einbringen von Großpflanzen und Einsatz sonstiger mechanischer Mittel, kann meistens auch bei zur Verwilderung neigenden Flächen auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet werden. Der Einsatz von Herbiziden ist grundsätzlich nur zulässig, wenn eine Fläche anders nicht wieder bewaldet werden kann. Er bedarf der Genehmigung durch die Höhere Forstbehörde. Bei der Genehmigung sind strenge Maßstäbe anzulegen.

Der Einsatz von Insektiziden ist nur bei bestandesbedrohendem Befall zulässig.

Durch entsprechende Organisation der Holzabfuhr und geeignete Lagerungsverfahren ist dafür Sorge zu tragen, dass auch auf den Einsatz von Insektiziden zum Holzschutz verzichtet werden kann.

Die naturnahe Waldwirtschaft schafft mit der Durchbrechung des Kronendaches auf der gesamten Waldfläche Verjüngungsmöglichkeiten sowie Entwicklungsmöglichkeiten für die Vegetation. Dadurch verbessern sich die Deckungs- und Äsungsverhältnisse für das Wild. Der Verbiss wird sich bei großflächiger naturnaher Waldwirtschaft unter Regulierung der Wildbestände verteilen und damit wirtschaftlich bedeutungslos.

Die Gatterung und der Einzelschutz sind kostenintensive Maßnahmen, auf die bei naturnaher Waldwirtschaft verzichtet werden muss. Gatter bedürfen der Genehmigung durch die Höhere Forstbehörde.

Zur Sicherung der Wertleistung sind bei der Baumart Fichte die Z-Baumanwärter in Rotwildgebieten gegen Schälen rechtzeitig z. B. durch Kratzen zu schützen.

Den RdErl. vom 14.2.1978 (SMBl. NRW. 79031) "Ästung zur Wertsteigerung von Nadelbäumen in den staatlichen Forstbetrieben des Landes Nordrhein-Westfalen" hebe ich hiermit auf.

MBl. NRW. 1994 S. 1355