Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 22.3.2024


Naturwaldzellen im Staatswald des Landes Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – IV A 2 – 3.1-07 - v. 20.11.1970

 

Naturwaldzellen im Staatswald des Landes Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – IV A 2 – 3.1-07 - v. 20.11.1970

Naturwaldzellen im Staatswald des Landes Nordrhein-Westfalen
RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
– IV A 2 – 3.1-07 - v. 20.11.1970

1
Die starke Einflussnahme des Menschen auf die Struktur der Wälder machen die Erhaltung und wissenschaftliche Beobachtung naturnaher Waldtypen erforderlich. Auf den hierfür ausgewählten Flächen, die künftig nicht mehr bewirtschaftet werden, soll die ungestörte Entwicklung des Bodens, der Vegetation und der Tierwelt sowie die natürliche Regeneration des Waldes Gegenstand forstwissenschaftlicher Untersuchungen sein.

2
Naturwaldzellen sind forstwissenschaftliche Beobachtungsflächen; sie sollen insbesondere für langfristige Untersuchungen zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, ein System von Naturwaldzellen zu schaffen, in dem, koordiniert mit entsprechenden Vorhaben anderer Bundesländer, die wichtigsten natürlichen Waldgesellschaften planmäßig erfasst werden.

2.1
Innerhalb der Naturwaldzellen wird nach § 49 Abs. 5 Landesforstgesetz der Waldbestand sich selbst überlassen. Bewirtschaftungsmaßnahmen sind nicht erlaubt; anfallendes Holz darf nicht entnommen werden. Ebenso hat die Neuanlage von Wirtschaftswegen, Gräben, Abgrabungen, Aufschüttungen, imkereilichen Einrichtungen und Jagdeinrichtungen wie Hochsitzen, Leitern, Schirmen, Pirschwegen, Futterplätzen und Hütten zu unterbleiben. Im Übrigen bleibt die rechtmäßige Ausübung der Jagd und der Fischerei unberührt. Unabdingbar erforderlich werdende Maßnahmen zur Bekämpfung von Waldschädlingen oder zur Abwehr von schädigenden Naturereignissen sowie die Anlage von Fußwegen sind im Benehmen mit der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden Landesanstalt genannt) durchzuführen.

2.2
Die höheren Forstbehörden haben für alle Naturwaldzellen im Staatswald, soweit diese nicht in Naturschutzgebieten liegen, ordnungsbehördliche Verordnungen nach § 49 Abs. 1 Landesforstgesetz zu erlassen und amtlich bekannt zu geben. Die Abgrenzung der Naturwaldzellen ist im Benehmen mit der Landesanstalt vorzunehmen.

Die Gliederung einer Naturwaldzelle in Unterabteilungen ist soweit wie möglich aufzuheben. Beeinträchtigungen durch Maßnahmen in angrenzenden Waldbeständen sind unbedingt zu vermeiden. Um dies sicherzustellen, kann eine Ausweisung der Nachbarbestände als Sonderwirtschaftswald gemäß Nr. 3.15 BePla 77 in Betracht kommen.

3
Die im Lande Nordrhein-Westfalen ausgewiesenen Naturwaldzellen sind unter www.loebf.nrw.de im Verzeichnis „Naturwaldzellen im Staatswald des Landes Nordrhein-Westfalen“ einsehbar. Über die Aufnahme weiterer Waldflächen in dieses Verzeichnis entscheidet das Ministerium.

4
Nach Ausweisung einer Waldfläche als Naturwaldzelle sind Aufnahmen des Waldbestandes, der Strauch- und Bodenvegetation, des Bodens sowie bestandesgeschichtliche Erhebungen erforderlich. Erstbeschreibung, Vermessung und Markierung der Naturwaldzellen sind Aufgabe der Landesanstalt. Sie beteiligt das Geologische Landesamt Nordrhein-Westfalen und die Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege an den bodenkundlichen bzw. pflanzensoziologischen Untersuchungen.

Naturwaldzellen sind in den Betriebsplänen zu kennzeichnen und auf den Forstbetriebskarten darzustellen.

5
Die Landesanstalt sammelt alle auf die Naturwaldzellen bezogenen Unterlagen - bestandesgeschichtliche Daten, Forschungsergebnisse, Veröffentlichungen -und stellt sie auf Antrag auch für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung.

Der Zustand der Naturwaldzellen ist von der Landesanstalt in fünfjährigen Zeitabständen zu überprüfen. Über das Ergebnis ist ein Bericht anzufertigen und dem Ministerium vorzulegen.

5.1
Die Überwachung der Naturwaldzellen obliegt der unteren Forstbehörde. Hierzu gehört auch die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht entlang der Waldstraßen und Waldwege, die Naturwaldzellen unmittelbar berühren. Sie hat die Landesanstalt bei den laufenden Untersuchungen tatkräftig zu unterstützen und über alle beobachteten Schäden wie Windwurf, Waldkrankheiten, Wildschäden, Waldbrand sowie über Veränderungen am Zustand der Grenzmale und Markierungen unverzüglich zu unterrichten.

5.2
Zur Unterrichtung der Waldbesucher sind an Wanderwegen und Lehrpfaden, die Naturwaldzellen berühren, Hinweistafeln mit folgender Aufschrift anzubringen: „Diese Waldfläche ist eine Naturwaldzelle. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sie für Forschungszwecke eingerichtet.

Naturwaldzellen repräsentieren typische Waldbestände mit annähernd natürlicher Artenzusammensetzung. Sie sollen sich ohne menschliche Eingriffe ungestört weiterentwickeln. Daher ruht jede forstliche Nutzung.

Das Sammeln von Pflanzen, Beeren, Pilzen und Leseholz ist hier untersagt.“

5.3
Wissenschaftliche Untersuchungen in den Naturwaldzellen sollen mit dem Institut für Waldbau der Universität Göttingen - Lehrstuhl für Naturwaldforschung -koordiniert werden. Jede Untersuchung bedarf der Genehmigung des Ministeriums.

6
Für jede Naturwaldzelle hat das Forstamt ein Vollzugskonto nach dem Vordruck BePla 14 zu führen. Im Vollzugsteil dieses Vordruckes sind auch Beobachtungen über bemerkenswerte Naturereignisse, z.B. Massenauftreten von Schadorganismen, Ablauf von Waldkrankheiten, Schäden durch Sturm, Schnee und Dürre stichwortartig festzuhalten.

7
Dieser Runderlass tritt mit Wirkung vom 1.12.1970 in Kraft.

MBl. NRW. 1971 S. 33, geändert durch RdErl. v. 25.7.1974 (MBl. NRW. 1974 S. 1063), 10.11.1975 (MBl. NRW. 1975 S. 2147), 7.10.1977 (MBl. NRW. 1977 S. 1594), 16.9.1980 (MBl. NRW. 1980 S. 2366)