Historische SGV. NRW.

 Aufgehobene Norm: (zur Aufhebung siehe unter (Fn 1))
 


Historisch: Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen (Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JStVollzG NRW)


Inhaltsverzeichnis:


Historisch:

Normüberschrift

Gesetz
zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen
(Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JStVollzG NRW)

Vom 20. November 2007 (Fn 1)

Inhaltsübersicht (Fn 4)

Erster Abschnitt

§ 1       Anwendungsbereich

Zweiter Abschnitt
Grundsätze des Jugendstrafvollzuges

§ 2       Vollzugsziel, Aufgaben

§ 3       Gestaltung des Vollzuges

§ 4       Pflicht zur Mitwirkung, Stellung der Gefangenen

§ 5       Leitlinien der Förderung und Erziehung

§ 6       Soziale Hilfe

§ 7       Einbeziehung Dritter

Dritter Abschnitt
Planung des Vollzuges

§ 8       Erstgespräch

§ 9       Hilfe zu Beginn des Vollzuges

§ 10     Aufnahmeverfahren

§ 11     Feststellung des Förderungs- und Erziehungsbedarfs, Mitwirkung der Gefangenen

§ 12     Vollzugsplan

§ 13     Verlegung, Überstellung, Ausantwortung

§ 14     Sozialtherapie

§ 14a    Besondere Vorschriften für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung

§ 15     Offener und geschlossener Vollzug, Vollzug in freien Formen

§ 16     Lockerungen des Vollzuges

§ 17     Urlaub aus dem Vollzug

§ 18     Weisungen für Lockerungen und Urlaub

§ 19     Urlaub, Ausgang und Ausführung aus wichtigem Anlass

§ 20     Gerichtliche Termine

§ 21     Entlassungsvorbereitung

§ 22     Hilfe zur Entlassung, Entlassungsbeihilfe, Nachsorge

§ 23     Entlassungszeitpunkt

§ 24     Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen und Unterbringung in der Anstalt auf freiwilliger Grundlage

Vierter Abschnitt
Unterbringung, Verpflegung, Einkauf

§ 25     Unterbringung der Gefangenen

§ 26     Kleidung

§ 27     Anstaltsverpflegung

§ 28     Einkauf

Fünfter Abschnitt
Besuche, Schriftwechsel, Telekommunikation, Pakete

§ 29     Kontakte mit der Außenwelt

§ 30     Recht auf Besuch

§ 31     Besuchsverbot

§ 32     Besuche von Verteidigerinnen oder Verteidigern, Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälten,
Notarinnen oder Notaren und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes

§ 33     Überwachung der Besuche

§ 34     Recht auf Schriftwechsel

§ 35     Überwachung des Schriftwechsels

§ 36     Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

§ 37     Anhalten von Schreiben

§ 38     Telekommunikation

§ 39     Pakete

Sechster Abschnitt
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit, Gelder

§ 40     Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

§ 41     Freistellung von der Arbeitspflicht

§ 42     Arbeitsentgelt, Arbeitsurlaub, Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt

§ 43     Ausbildungsbeihilfe

§ 44     Ermächtigung zur Rechtsverordnung

§ 45     Taschengeld

§ 46     Hausgeld

§ 47     Haftkostenbeitrag

§ 48     Ersatz von Aufwendungen

§ 49     Eigengeld

§ 50     Einbehaltung von Beitragsteilen

Siebter Abschnitt
Religionsausübung

§ 51        Seelsorge

§ 52        Religiöse Veranstaltungen

§ 53        Weltanschauungsgemeinschaften

Achter Abschnitt
Sport, Gestaltung der freien Zeit, Mitverantwortung der Gefangenen

§ 54        Sport

§ 55        Gestaltung der freien Zeit, Förderung der Kreativität

§ 56        Zeitungen, Zeitschriften

§ 57        Hörfunk, Fernsehen

§ 58        Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung

§ 59        Mitverantwortung der Gefangenen

Neunter Abschnitt
Gesundheitsfürsorge

§ 60        Gesundheitsfürsorge

§ 61        Aufenthalt im Freien

§ 62        Medizinische Vorsorgeuntersuchungen und Vorsorgeleistungen

§ 63        Krankenbehandlung

§ 64        Versorgung mit Hilfsmitteln

§ 65        Krankenbehandlung im Urlaub

§ 66        Art und Umfang der Leistungen, Kostenbeteiligung

§ 67        Ruhen der Ansprüche

§ 68        Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

§ 69        Unterbringung im Krankheitsfall

§ 70        Rechte der Personensorgeberechtigten, Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall

Zehnter Abschnitt
Sicherheit und Ordnung

§ 71        Grundsatz

§ 72        Verhaltensvorschriften

§ 73        Persönlicher Gewahrsam

§ 74        Durchsuchung

§ 75        Sichere Unterbringung

§ 76        Erkennungsdienstliche Maßnahmen

§ 77        Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum

§ 78        Festnahmerecht

§ 79        Besondere Sicherungsmaßnahmen

§ 80        Einzelhaft

§ 81        Fesselung

§ 82        Anordnungsbefugnis für besondere Sicherungsmaßnahmen

§ 83        Überwachung durch den ärztlichen und psychologischen Dienst

Elfter Abschnitt
Unmittelbarer Zwang

§ 84        Begriffsbestimmungen

§ 85        Allgemeine Voraussetzungen

§ 86        Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

§ 87        (aufgehoben)

§ 88        Androhung

§ 89        Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

§ 90        Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

§ 91        Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

Zwölfter Abschnitt
Erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung, Disziplinarmaßnahmen

§ 92        Pflichtverstöße, erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung

§ 93        Disziplinarmaßnahmen

§ 94        Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

§ 95        Disziplinarbefugnis

§ 96        Verfahren

Dreizehnter Abschnitt
Beschwerderecht

§ 97        Beschwerderecht, Ombudsperson

Vierzehnter Abschnitt
Datenschutz

§ 98        Datenerhebung

§ 99        Verarbeitung

§ 100      Zentrale Datei, Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren

§ 101      Zweckbindung

§ 102      Schutz besonderer Daten

§ 103      Schutz der Daten in Akten und Dateien

§ 104      Berichtigung, Löschung, Sperrung

§ 105      Auskunft an Betroffene, Akteneinsicht

§ 106      Übermittlung personenbezogener Informationen für wissenschaftliche Zwecke

§ 107      Anwendung des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen

Fünfzehnter Abschnitt

§ 108      Kriminologische Forschung

Sechzehnter Abschnitt
Beiräte

§ 109      Bildung und Aufgabe der Beiräte

§ 110      Befugnisse

§ 111      Pflicht zur Verschwiegenheit

Siebzehnter Abschnitt
Anstalten, Einrichtungen

§ 112      Anstalten und Einrichtungen

§ 113      Größe und Ausgestaltung der Räume

§ 114      Festsetzung der Belegungsfähigkeit

§ 115      Verbot der Überbelegung

§ 116      Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung

§ 117      Unterbringung von Gefangenen mit Kindern

Achtzehnter Abschnitt
Innerer Aufbau, Aufsicht über die Anstalten

§ 118      Anstaltsleitung

§ 119      Vollzugsbedienstete

§ 120      Seelsorge

§ 121      Medizinische Versorgung

§ 122      Zusammenarbeit, Konferenzen

§ 123      Hausordnung

§ 124      Aufsichtsbehörde

Neunzehnter Abschnitt
Schlussbestimmungen

§ 125      Strafvollstreckung und Untersuchungshaft

§ 126      Widerruf, Rücknahme

§ 127      Verhältnis zum Bundesrecht

§ 128      Übergangsvorschriften

§ 129      Einschränkung von Grundrechten

§ 130      Inkrafttreten, Befristung

Erster Abschnitt

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe. Es findet ferner Anwendung auf den Vollzug von Freiheitsstrafe, soweit diese in Einrichtungen des Jugendstrafvollzuges vollzogen wird.

Zweiter Abschnitt
Grundsätze des Jugendstrafvollzuges

§ 2
Vollzugsziel, Aufgaben

(1) Der Vollzug der Jugendstrafe dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

(2) Der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten ist bei der Gestaltung des Vollzuges zu gewährleisten.

§ 3
Gestaltung des Vollzuges

(1) Der Vollzug der Jugendstrafe ist erzieherisch zu gestalten. Zur Erreichung des Vollzugszieles sind bei allen Gefangenen die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer zu wecken und zu fördern.

(2) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Hierbei sind die Belange von Sicherheit und Ordnung der Anstalten zu beachten. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges wird entgegengewirkt. Der Vollzug wird von Beginn an darauf ausgerichtet, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.

(3) Bei der Ausgestaltung des Vollzuges und bei allen Einzelmaßnahmen werden die unterschiedlichen Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Gefangenen berücksichtigt.

(4) Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Einrichtungen des Jugendstrafvollzuges werden an dessen Zielsetzung und Aufgaben sowie den altersspezifischen besonderen Bedürfnissen der Gefangenen ausgerichtet.

§ 4
Pflicht zur Mitwirkung, Stellung der Gefangenen

(1) Die Gefangenen sind verpflichtet, an Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugszieles mitzuwirken.

(2) Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind.

(3) Vollzugsmaßnahmen sind den Gefangenen auf Verlangen zu erläutern.

§ 5
Leitlinien der Förderung und Erziehung

(1) Grundlage der Förderung und Erziehung im Vollzug der Jugendstrafe sind alle Maßnahmen und Programme, welche die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugszieles entwickeln und stärken.

(2) Durch differenzierte Angebote wird auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Förderungs- und Erziehungsbedarf der Gefangenen eingegangen.

(3) Die Förderung und Erziehung ist zukunftsorientiert auszugestalten und richtet sich insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten und ihren Folgen, schulische Bildung, berufliche Qualifizierung und arbeitstherapeutische Angebote, soziale Rehabilitation und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte.

(4) Die Bereitschaft der Gefangenen zur Mitwirkung ist durch Angebote und Maßnahmen, die dem jeweiligen Entwicklungsstand der Gefangenen entsprechen, zu wecken und zu fördern.

§ 6
Soziale Hilfe

Den Gefangenen wird geholfen, ihre persönlichen Schwierigkeiten zu bewältigen. Hierdurch sollen sie in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln, insbesondere den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen und eine Schuldenregulierung herbeizuführen.

§ 7
Einbeziehung Dritter

(1) Die Anstalten arbeiten zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben mit außervollzuglichen Behörden, Einrichtungen und Organisationen eng zusammen.

(2) Darüber hinaus arbeiten die Anstalten mit ehrenamtlich tätigen Personen und Vereinen zusammen, deren Tätigkeit geeignet ist, die Erreichung des Vollzugszieles zu fördern.

(3) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit möglich, in die Planung und Gestaltung des Vollzuges in angemessener Weise einzubeziehen.

Dritter Abschnitt
Planung des Vollzuges

§ 8
Erstgespräch

Unmittelbar nach der Annahme von Gefangenen ist mit ihnen ein Erstgespräch zu führen, das dazu dient, ihnen erste Informationen zu erteilen, einen Eindruck von ihrer aktuellen persönlichen Situation und Verfassung zu gewinnen und erforderliche Maßnahmen einzuleiten.

§ 9
Hilfe zu Beginn des Vollzuges

(1) Zu Beginn des Vollzuges wird den Gefangenen geholfen, ihre Habe außerhalb der Anstalt sicherzustellen, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige sowie sonstige dringend erforderliche Maßnahmen zu veranlassen.

(2) Die Gefangenen sind über die Aufrechterhaltung einer Sozialversicherung zu beraten.

§ 10
Aufnahmeverfahren

(1) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(2) Mit den Gefangenen wird alsbald ein Aufnahmegespräch geführt, in dem in einer ihnen verständlichen Sprache ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Ihnen ist die Hausordnung auszuhändigen. Der Text dieses Gesetzes und der von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie der Text der zur Ausführung erlassenen Verwaltungsvorschriften sind ihnen zugänglich zu machen.

(3) Die Gefangenen werden alsbald ärztlich untersucht und der Anstaltsleitung vorgestellt.

(4) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, das nach § 87 b des Achten Buches Sozialgesetzbuch für die Mitwirkung in dem Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz örtlich zuständig war, werden von der Aufnahme unverzüglich unterrichtet.

§ 11
Feststellung des Förderungs- und Erziehungsbedarfs,
Mitwirkung der Gefangenen

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren werden den Gefangenen das Ziel des Jugendstrafvollzuges, die Bedeutung des Vollzugsplans sowie die vorhandenen Unterrichts-, Bildungs-, Ausbildungs-, Behandlungs- und Freizeitangebote erläutert.

(2) Der Förderungs- und Erziehungsbedarf der Gefangenen wird, soweit nicht bereits in der Untersuchungshaft im Rahmen des Auswahlverfahrens geschehen, regelmäßig innerhalb der ersten vier Wochen nach der Aufnahme ermittelt. Die Feststellungen erstrecken sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Umstände, deren Kenntnis notwendig erscheint, um den Vollzug zielgerichtet zu gestalten und die Eingliederung nach der Entlassung zu unterstützen. Das Ergebnis und die diesem zugrunde liegenden Erkenntnisse sind schriftlich festzuhalten.

(3) Die Planung der Vollzugsgestaltung wird mit den Gefangenen erörtert. Hierbei werden sinnvolle Anregungen und Vorschläge der Gefangenen in die Überlegungen einbezogen.

§ 12
Vollzugsplan

(1) Auf der Grundlage des festgestellten Förderungs- und Erziehungsbedarfs wird unverzüglich ein verbindlicher Vollzugsplan erstellt. Die Entlassungsvorbereitung ist wesentlicher Bestandteil des Vollzugsplans.

(2) Sind verschiedene Maßnahmen der Förderung gleichermaßen geeignet, soll die Wahl im Einvernehmen mit den Gefangenen getroffen werden. Der Vollzugsplan wird in regelmäßigen Abständen, spätestens jedoch nach jeweils sechs Monaten, auf seine Umsetzung überprüft, mit den Gefangenen erörtert und fortgeschrieben. Bei der Fortschreibung sind die Entwicklung der Gefangenen und Erkenntnisse über Umstände im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 zu berücksichtigen.

(3) Der Vollzugsplan enthält - je nach Stand des Vollzuges - Angaben insbesondere zu folgenden Bereichen:

1. Festgestellter Förderungs- und Erziehungsbedarf,

2. Vollzugsform,

3. Art der Unterbringung im Vollzug, insbesondere die Zuordnung zu einer Wohngruppe oder Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung,

4. Art und Umfang der Teilnahme an schulischen, berufsorientierenden, berufsqualifizierenden oder arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder Zuweisung von Arbeit,

5. Art und Umfang der Teilnahme an therapeutischer Behandlung oder anderen Förderungs- und Erziehungsmaßnahmen,

6. Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge, und zwar auch unter Berücksichtigung etwaiger Drogenabhängigkeit,

7. Art und Umfang der Teilnahme an Sport- und Freizeitangeboten,

8. Eignung für sowie Planung von Lockerungen des Vollzuges und Urlaub,

9. Gestaltung der Außenkontakte und Art und Umfang der Förderungs- und Erziehungsmaßnahmen, insbesondere bei heimatferner Unterbringung,

10. Maßnahmen und Angebote zum Ausgleich von Tatfolgen,

11. Schuldenregulierung,

12. voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,

13. Maßnahmen zur arbeitsmarktorientierten Vorbereitung der Entlassung, insbesondere die Fortsetzung oder Aufnahme einer beruflichen oder schulischen Ausbildung oder einer beruflichen Tätigkeit nach der Entlassung sowie weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Lebensführung,

14. Bestimmung der für die Koordination der Entlassungsplanung verantwortlichen Person,

15. Fristen zur Überprüfung und Fortschreibung des Vollzugsplans.

(4) Die Personensorgeberechtigten erhalten Gelegenheit, Anregungen und Vorschläge einzubringen. Diese sollen, soweit mit dem Vollzugsziel und der Gestaltung des Vollzuges vereinbar, berücksichtigt werden.

(5) Der Vollzugsplan und seine Fortschreibungen werden den Gefangenen und der Vollstreckungsleitung und auf Verlangen den Personensorgeberechtigten schriftlich bekannt gegeben.

§ 13
Verlegung, Überstellung, Ausantwortung

(1) Gefangene können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn das Erreichen des Vollzugszieles oder die Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird oder wenn Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe eine Verlegung erforderlich machen.

(2) Die Personensorgeberechtigten, die Jugendämter und die Vollstreckungsleitungen werden von Verlegungen der Gefangenen unverzüglich unterrichtet.

(3) Gefangene dürfen aus wichtigem Grund in eine andere Anstalt überstellt werden.

(4) Gefangene dürfen befristet in den Gewahrsam einer Behörde außerhalb der Justiz überlassen werden, wenn diese Behörde ihrerseits befugt ist, die Gefangenen in amtlichem Gewahrsam zu halten (Ausantwortung).

§ 14
Sozialtherapie

(1) Geeignete und motivierte Gefangene, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder § 182 des Strafgesetzbuches oder wegen einer gefährlichen Gewalttat verurteilt worden sind, werden mit ihrer Zustimmung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung des Jugendstrafvollzuges untergebracht, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass der Gefahr einer Wiederholung aufgrund einer Störung ihrer sozialen und persönlichen Entwicklung mit den Mitteln der Sozialtherapie entgegengewirkt werden kann.

(2) Andere Gefangene sollen mit ihrer Zustimmung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung des Jugendstrafvollzuges untergebracht werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Einrichtung zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt sind.

(3) Die Gefangenen werden zurückverlegt, wenn

a) nach einem angemessenen Zeitraum festgestellt wird, dass die Gefangenen therapeutisch nicht erreichbar sind oder

b) sie die Sicherheit oder Ordnung in der sozialtherapeutischen Einrichtung schwerwiegend oder nachhaltig stören.

§ 14a (Fn 4)
Besondere Vorschriften für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung

(1) Ist bei Gefangenen im Vollzug der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, gelten §§ 91 und 92 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.

(2) § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes bleibt unberührt.

§ 15 (Fn 3)
Offener und geschlossener Vollzug,
Vollzug in freien Formen

(1) Der Jugendstrafvollzug wird in offenen oder geschlossenen Anstalten oder in Einrichtungen in freien Formen durchgeführt.

(2) Gefangene werden in einer Anstalt oder Abteilung einer Anstalt ohne oder mit verminderten Vorkehrungen gegen Entweichungen untergebracht, wenn sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügen, namentlich nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Strafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

(3) Für den offenen Vollzug geeignete Gefangene dürfen ausnahmsweise im geschlossenen Vollzug verbleiben, dorthin verlegt oder zurückverlegt werden, wenn dies für ihre Förderung oder Erziehung notwendig ist.

(4) Gefangene, die sich für den offenen Vollzug oder den Vollzug in freien Formen nicht eignen, werden im geschlossenen Vollzug untergebracht.

§ 16
Lockerungen des Vollzuges

(1) Als Lockerungen des Vollzuges können namentlich gewährt werden:

1. Regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten (Freigang),

2. Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten (Ausgang),

3. Aufenthalt außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten zur Durchführung von Förderungs- oder Erziehungsmaßnahmen ohne Beschränkung auf eine bestimmte Tageszeit.

(2) Durch Lockerungen nach Absatz 1 wird die Vollstreckung der Strafe nicht unterbrochen.

(3) Die Lockerungen dürfen mit Zustimmung der Gefangenen gewährt werden, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht nach § 4 nachkommen und namentlich nicht zu befürchten ist, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Strafe entziehen oder die Lockerungen zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

(4) Gefangene dürfen ohne ihre Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.

§ 17
Urlaub aus dem Vollzug

(1) Zur Förderung der Wiedereingliederung in das Leben in Freiheit, insbesondere zur Aufrechterhaltung sozialer Bindungen, kann nach Maßgabe des Vollzugsplans Urlaub gewährt werden. Der Urlaub darf 24 Tage in einem Vollstreckungsjahr nicht übersteigen.

(2) § 16 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Durch Urlaub wird die Vollstreckung der Strafe nicht unterbrochen.

§ 18
Weisungen für Lockerungen und Urlaub

Für Lockerungen und Urlaub können Weisungen erteilt werden. Soweit Freigang, Ausgang oder eine Maßnahme nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 von Dritten beaufsichtigt wird, kann die Weisung auch darin bestehen, dass von ihnen erteilte Anordnungen zu befolgen sind.

§ 19
Urlaub, Ausgang und Ausführung aus wichtigem Anlass

(1) Wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes von Angehörigen kann Ausgang oder Urlaub bis zu jeweils sieben Tagen gewährt werden. Der Ausgang oder Urlaub aus anderem wichtigen Anlass darf sieben Tage im Vollstreckungsjahr nicht übersteigen.

(2) Der Urlaub nach Absatz 1 wird nicht auf den Urlaub nach § 17 Abs. 1 angerechnet. § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 3 und § 18 gelten entsprechend.

(3) Kann Ausgang oder Urlaub aus den in § 16 Abs. 3 genannten Gründen nicht gewährt werden, können die Gefangenen mit ihrer Zustimmung ausgeführt werden, sofern nicht wegen Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr überwiegende Gründe entgegenstehen. Die Kosten hierfür können den Gefangenen auferlegt werden, wenn dies die Erreichung des Vollzugsziels nicht behindert.

§ 20
Gerichtliche Termine

(1) Zur Teilnahme an einem gerichtlichen Termin kann Gefangenen Ausgang oder Urlaub gewährt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Ladung gefolgt wird und keine Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr (§ 16 Abs. 3) besteht. § 17 Abs. 3 und § 18 gelten entsprechend.

(2) Wenn Gefangene zu einem gerichtlichen Termin geladen sind und Ausgang oder Urlaub nicht gewährt wird, sind sie mit ihrer Zustimmung zu dem Termin auszuführen, sofern wegen Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr (§ 16 Abs. 3) keine überwiegenden Gründe entgegenstehen. Auf Ersuchen eines Gerichts werden Gefangene vorgeführt, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt.

(3) Die Anstalt unterrichtet das Gericht über das Veranlasste.

§ 21
Entlassungsvorbereitung

(1) Die Anstalten bereiten gemeinsam mit den Gefangenen deren Entlassung vor. Frühzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungstermin arbeiten die Anstalten mit außervollzuglich tätigen Behörden, freien Trägern, Institutionen, Vereinen und Personen zusammen, um insbesondere zu erreichen, dass die Gefangenen über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle sowie erforderlichenfalls über Kontakte zu externen Ansprechpartnern oder Anlaufstellen verfügen. Gegebenenfalls sind die Personensorgeberechtigten, das Jugendamt, die Bewährungshilfe und die Führungsaufsichtsstelle von der bevorstehenden Entlassung zu unterrichten.

(2) Zur Vorbereitung der Entlassung soll der Vollzug gelockert werden (§ 16).

(3) Zur Vorbereitung der Entlassung können die Gefangenen zum Zweck der Teilnahme an gezielten Wiedereingliederungsmaßnahmen bis zu zwei Wochen Sonderurlaub erhalten. Diejenigen, die zum Freigang zugelassen sind, können innerhalb von neun Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat erhalten. § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 3 sowie § 18 gelten entsprechend.

§ 22
Hilfe zur Entlassung, Entlassungsbeihilfe, Nachsorge

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, sind Gefangene bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst auch die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen. Eine nachgehende Betreuung kann unter Mitwirkung von Bediensteten erfolgen.

(2) Gefangene erhalten, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, von der Anstalt eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung.

§ 23
Entlassungszeitpunkt

(1) Die Gefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.

(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 6. Januar, so können Gefangene an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tagen vorverlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, dass die Gefangenen zu ihrer Eingliederung hierauf angewiesen sind.

§ 24
Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen und Unterbringung
in der Anstalt auf freiwilliger Grundlage

(1) Nach der Entlassung aus der Anstalt kann ehemaligen Gefangenen auf ihren Antrag und mit Zustimmung der Personensorgeberechtigten gestattet werden, eine in der Anstalt begonnene Ausbildungs- oder Behandlungsmaßnahme abzuschließen. Hierfür oder aus fürsorgerischen Gründen können sie in Einzelfällen höchstens drei Monate über den Entlassungszeitpunkt hinaus in der Anstalt verbleiben. Der Antrag, die Zustimmung der Personensorgeberechtigten und die Gestattung sind jederzeit widerruflich.

(2) Zur Bewältigung einer Krisensituation können ehemalige Gefangene auf ihren Antrag und mit Zustimmung der Personensorgeberechtigten vorübergehend, längstens jedoch für drei Monate, wieder in die Anstalt aufgenommen werden, um die bislang erreichten Erfolge vollzuglicher Förderungs- und Erziehungsmaßnahmen nicht zu gefährden. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Nach dem Entlassungszeitpunkt oder der Wiederaufnahme sind die nach diesem Gesetz geltenden Vorschriften mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden dürfen.

Vierter Abschnitt
Unterbringung, Verpflegung, Einkauf

§ 25
Unterbringung der Gefangenen

(1) Die Gefangenen sind, soweit sie sich in Einrichtungen des geschlossenen Vollzuges befinden, in Einzelhafträumen unterzubringen.

(2) Eine gemeinschaftliche Unterbringung kann in Einrichtungen des geschlossenen Vollzuges dann erfolgen, wenn dies

a) wegen einer Gefahr für Leben oder Gesundheit,

b) wegen Hilfsbedürftigkeit,

c) aus Gründen der Förderung oder Erziehung oder

d) wegen eines unvorhersehbaren Ereignisses vorübergehend aus zwingenden Gründen

erforderlich ist. Ferner müssen die Gefangenen für die gemeinschaftliche Unterbringung geeignet sein, insbesondere dürfen weder körperliche Übergriffe noch Ausübung psychischen Zwangs zu befürchten sein.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Buchstabe b) und c) bedarf es der Zustimmung der beteiligten Gefangenen; in den Fällen des Absatzes 2 Buchstabe d) ist diese nicht erforderlich. Im Falle des Absatzes 2 Buchstabe a) bedarf es der Zustimmung der gefährdeten Gefangenen nicht.

(4) Geeignete Gefangene werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht.

(5) Weibliche Gefangene werden getrennt von männlichen Gefangenen untergebracht. Gemeinsame Förderungsangebote, insbesondere eine gemeinsame Schul- und Berufsausbildung, sind zulässig.

(6) Die Gefangenen dürfen ihre Hafträume in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Vorkehrungen und Gegenstände, die geeignet sind, das Erreichen des Vollzugsziels, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden, können ausgeschlossen werden.

§ 26
Kleidung

(1) Die Gefangenen tragen Anstaltskleidung. Für die Freizeit erhalten sie besondere Oberbekleidung.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter für die gesamte Anstalt oder einzelne Abteilungen das Tragen eigener Kleidung zulassen. Dies gilt insbesondere in Wohngruppen. Für die Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel der eigenen Kleidung haben die Gefangenen selbst zu sorgen.

§ 27
Anstaltsverpflegung

Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung entsprechen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. und werden ärztlich überwacht. Ernährungsberatung ist Bestandteil der allgemeinen Angebote für Gefangene. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

§ 28
Einkauf

(1) Gefangene können sich von ihrem Hausgeld (§ 46) oder von ihrem Taschengeld (§ 45) aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen. Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der jungen Gefangenen Rücksicht nimmt.

(2) Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können vom Einkauf ausgeschlossen werden. Auf ärztliche Anordnung kann den Gefangenen der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genussmittel ganz oder teilweise untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass sie ihre Gesundheit ernsthaft gefährden. Im Krankenhaus und in Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genussmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.

(3) Verfügen Gefangene ohne eigenes Verschulden nicht über Haus- oder Taschengeld, wird ihnen gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

Fünfter Abschnitt
Besuche, Schriftwechsel, Telekommunikation, Pakete

§ 29
Kontakte mit der Außenwelt

Die Gefangenen haben im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes das Recht auf Kontakte mit der Außenwelt. Kontakte mit Personen, von denen ein günstiger Einfluss erwartet werden kann, werden gefördert. Im geschlossenen Vollzug sind nach Möglichkeit Langzeitbesuchsräume vorzusehen.

§ 30
Recht auf Besuch

(1) Die Gefangenen dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer für Besuche beträgt mindestens vier Stunden im Monat. Besuchsmöglichkeiten sind auch an den Wochenenden vorzusehen. Das Weitere regelt die Hausordnung.

(2) Besuchskontakte zwischen Gefangenen und ihren Kindern werden besonders gefördert; diese Besuche werden nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet.

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung der Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von den Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung der Gefangenen aufgeschoben werden können.

(4) Aus Gründen der Sicherheit kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass die besuchenden Personen sich durchsuchen lassen.

§ 31
Besuchsverbot

Die Anstaltsleitung kann Besuche untersagen,

a) wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,

b) wenn bei besuchenden Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen haben oder ihre Eingliederung behindern würden oder

c) wenn bei minderjährigen Gefangenen Personensorgeberechtigte aus nachvollziehbaren Gründen mit dem Besuch nicht einverstanden sind.

§ 32
Besuche von Verteidigerinnen oder Verteidigern, Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälten,
Notarinnen oder Notaren und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes

(1) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten oder Notarinnen und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. § 30 Abs. 4 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigerinnen oder Verteidigern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig.

(2) Auf Besuche von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes findet Absatz 1 entsprechend Anwendung. Für Angehörige der Jugendgerichtshilfe, der Gerichtshilfe, der Führungsaufsichtsstellen und der Bewährungshilfe gelten Absatz 1 Satz 1 und § 30 Abs. 4 entsprechend.

§ 33
Überwachung der Besuche

(1) Die Besuche dürfen aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. Dies gilt nicht, wenn im Einzelfall Erkenntnisse dafür vorliegen, dass es der Überwachung nicht bedarf. Die Unterhaltung darf nur  überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(2) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern werden nicht überwacht.

(3) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn besuchende Personen oder Gefangene gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen. Der Besuch darf auch abgebrochen werden, wenn von besuchenden Personen ein schädlicher Einfluss auf die Gefangenen ausgeübt wird.

(4) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch der Verteidigerin oder des Verteidigers oder beim Besuch von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts oder einer Notarin oder eines Notars zur Erledigung einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen; bei dem Besuch einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts oder einer Notarin oder eines Notars kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis abhängig gemacht werden.

§ 34
Recht auf Schriftwechsel

(1) Gefangene haben das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) Die Anstaltsleitung kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen,

a) wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,

b) wenn bei Personen, die nicht Angehörige der betroffenen Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch) sind, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen haben oder ihre Eingliederung behindern würde,

c) wenn bei minderjährigen Gefangenen Personensorgeberechtigte aus nachvollziehbaren Gründen mit dem Schriftwechsel nicht einverstanden sind.

§ 35
Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel von Gefangenen mit ihren Verteidigerinnen oder Verteidigern sowie Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes wird nicht überwacht.

(2) Nicht überwacht werden ferner Schreiben von Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und die absendende Person zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, die nationale Stelle nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Schreiben der in den Sätzen 1 und 2 genannten Stellen, die an Gefangene gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität der absendenden Stelle zweifelsfrei feststeht.

(3) Der übrige Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. § 97 Abs. 2 Satz 4 und § 110 Abs. 2 Satz 2 bleiben unberührt.

§ 36
Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Gefangene haben die Absendung und den Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.

(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Gefangene haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird; sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 37
Anhalten von Schreiben

(1) Die Anstaltsleitung kann Schreiben anhalten,

a) wenn das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,

b) wenn die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,

c) wenn sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,

d) wenn sie grobe Beleidigungen enthalten,

e) wenn sie die Eingliederung von anderen Gefangenen gefährden können oder

f) wenn sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn Gefangene auf Absendung ihrer Schreiben bestehen.

(3) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird dies den betroffenen Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an die absendende Person zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt.

(4) Schreiben, deren Überwachung nach den §§ 35 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 2 Satz 4 oder 110 Abs. 2 Satz 2 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 38
Telekommunikation

Gefangenen können Kontakte im Wege der Telekommunikation gestattet werden. Im Übrigen gelten für die mündliche Telekommunikation die Vorschriften über den Besuch und für die schriftliche Telekommunikation die Vorschriften über den Schriftwechsel entsprechend. Ist die Überwachung der fernmündlichen Unterhaltung erforderlich, ist die beabsichtigte Überwachung der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner von Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Vollzugsbehörde oder die Gefangenen mitzuteilen. Gefangene sind rechtzeitig vor Beginn der fernmündlichen Unterhaltung über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten.

§ 39
Pakete

(1) Der Empfang von Paketen bedarf der Erlaubnis der Anstalt. Vom Empfang ausgeschlossen sind Inhalte, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden, sowie Nahrungs- und Genussmittel.

(2) Pakete sind in Gegenwart der Gefangenen zu öffnen, an die sie adressiert sind. Ausgeschlossene Gegenstände können zu ihrer Habe genommen, der absendenden Person zurückgesandt oder, falls der Aufbewahrung oder Rücksendung besondere Gründe entgegenstehen, vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden den Gefangenen eröffnet.

(3) Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Anstalt kann deren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen.

Sechster Abschnitt
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit, Gelder

§ 40
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

(1) Der Förderungs- und Erziehungsauftrag des Jugendstrafvollzuges wird insbesondere durch Bildung, Ausbildung und eine zielgerichtet qualifizierende Beschäftigung der Gefangenen verwirklicht.

(2) Die Gefangenen sind während der Arbeitszeit vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet, im Übrigen zu Arbeit, arbeitstherapeutischer oder sonstiger Beschäftigung, wenn und soweit sie dazu in der Lage sind. Die Gefangenen können außerdem jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit ihrer Zustimmung auch darüber hinaus. Bei der Zuweisung einer Tätigkeit nach Satz 1 und 2 sind die jeweiligen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen zu berücksichtigen. Die gesetzlichen Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter sowie die einschlägigen Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes finden Anwendung.

(3) Die in den Einrichtungen des Vollzuges Ausgebildeten werden zu den Abschlussprüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung zugelassen, wenn durch eine Bescheinigung der Anstalt oder des Ausbildungsträgers nachgewiesen wird, dass die Zulassung zur Prüfung gerechtfertigt ist. Aus dem Zeugnis über eine Bildungsmaßnahme darf die Inhaftierung nicht erkennbar sein.

(4) Den Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Umschulung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen oder sich innerhalb oder außerhalb des Vollzuges selbst zu beschäftigen, wenn sie hierfür geeignet sind. § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 sowie § 18 bleiben unberührt. Die Vollzugsbehörde kann verlangen, dass ihr das Entgelt zur Gutschrift für die Gefangenen überwiesen wird.

§ 41
Freistellung von der Arbeitspflicht

(1) Haben Gefangene nach § 40 Abs. 2 Satz 1 und 2 zugewiesene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit ein Jahr lang ausgeübt, so können sie beanspruchen, im darauf folgenden Jahr fünfzehn Arbeitstage hiervon freigestellt zu werden. Zeiten, in denen Gefangene infolge Krankheit unverschuldet an der Ausübung verhindert waren, werden auf das Jahr bis zu sechs Wochen jährlich angerechnet.

(2) Auf die Zeit der Freistellung wird Urlaub aus der Haft (§§ 17, 19) angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes von Angehörigen erteilt worden ist.

(3) Gefangene erhalten für die Zeit der Freistellung ihre zuletzt gezahlten Bezüge weiter.

(4) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Vollzuges bleiben unberührt.

§ 42
Arbeitsentgelt, Arbeitsurlaub und Anrechnung der
 Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt

(1) Üben Gefangene nach § 40 Abs. 2 Satz 1 und 2 eine zugewiesene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit aus, so erhalten sie ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind 9 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(2) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 Prozent der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen der Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen.

(3) Das Arbeitsentgelt ist den Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(4) Haben Gefangene eine nach § 40 Abs. 2 Satz 1 und 2 zugewiesene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit zwei Monate lang zusammenhängend ausgeübt, so werden sie auf ihren Antrag hin einen Werktag hiervon freigestellt. Die Regelung des § 41 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen Gefangene ohne ihr Verschulden durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Urlaub aus der Haft, Freistellung oder sonstige nicht von ihnen zu vertretende Gründe an der Ausübung gehindert sind, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt.

(5) Die Gefangenen können beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 4 in Form von Urlaub aus der Haft gewährt wird (Arbeitsurlaub). § 16 Abs. 2 und 3 sowie § 18 gelten entsprechend.

(6) Die Gefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihre zuletzt gezahlten Bezüge weiter.

(7) Stellen Gefangene keinen Antrag nach Absatz 4 Satz 1 oder Absatz 5 Satz 1
oder kann die Freistellung nach Maßgabe der Regelung des Absatzes 5 Satz 2 nicht gewährt werden, so wird die Freistellung nach Absatz 4 Satz 1 von der Anstalt auf den Entlassungszeitpunkt der Gefangenen angerechnet.

(8) Eine Anrechnung nach Absatz 7 ist ausgeschlossen, wenn

a) bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Strafe zur Bewährung wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,

b) dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Strafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse der Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,

c) nach § 2 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit § 456a Abs. 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird,

d) Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen werden.

(9) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 8 ausgeschlossen ist, erhalten die Gefangenen bei ihrer Entlassung für ihre Tätigkeit nach Absatz 1 als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 Prozent des ihnen nach den Absätzen 1 und 2 gewährten Entgelts. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung.

§ 43
Ausbildungsbeihilfe

(1) Gefangene, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung teilnehmen, erhalten hierfür eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die freien Personen aus solchem Anlass zustehen. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt.

(2) Für die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt § 42 Abs. 1 und 2 entsprechend. Die Regelungen für die Freistellung von der Arbeitspflicht nach § 41 und für die Freistellung von der Arbeit nach § 42 Abs. 4 bis 9 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Nehmen Gefangene während der Arbeitszeit stunden- oder tageweise an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme oder an speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 teil, so erhalten sie in Höhe des ihnen dadurch entgehenden Arbeitsentgelts eine Ausbildungsbeihilfe.

(4) Die Ausbildungsbeihilfe wird den Gefangenen schriftlich bekannt gegeben.

§ 44
Ermächtigung zur Rechtsverordnung

Das Justizministerium wird ermächtigt, zur Durchführung der §§ 42 und 43 eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen zu erlassen.

§ 45
Taschengeld

(1) Erhalten Gefangene ohne ihr Verschulden weder Arbeitsentgelt noch Ausbildungsbeihilfe, wird ihnen auf Antrag ein angemessenes Taschengeld gewährt, soweit ihnen für den Antragszeitraum aus Hausgeld (§ 46) und Eigengeld (§ 49) nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung gestanden hat. Bei der Berechnung werden Hausgeld und Eigengeld berücksichtigt; Hausgeld bleibt jedoch insoweit unberücksichtigt, als es aus nicht verbrauchtem Taschengeld besteht.

(2) Die Höhe des Taschengeldes beträgt pro Arbeitstag 14 Prozent des Tagessatzes der Eckvergütung nach § 42 Abs. 1 Satz 2.

(3) In Ausnahmefällen, namentlich zur Überbrückung des Zeitraums bis zu einer erstmaligen Gewährung von Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Taschengeld, kann die Anstaltsleitung auf Antrag vorschussweise ein Taschengeld in Höhe von bis zu 50 Prozent des üblichen Taschengeldes gewähren. Der Vorschuss ist mit dem ersten Arbeitsentgelt, der ersten Ausbildungsbeihilfe oder der ersten nachfolgenden Gewährung von Taschengeld zu verrechnen.

§ 46
Hausgeld

(1) Gefangene dürfen von ihren in diesem Gesetz geregelten Bezügen drei Siebtel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 45) für den Einkauf (§ 28) oder anderweitig verwenden.

(2) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 40 Abs. 4 Satz 1 erste Alternative) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 40 Abs. 4 Satz 1 zweite Alternative), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

§ 47
Haftkostenbeitrag

(1) Als Teil der Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolgen einer Tat (§ 464a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung) erhebt die Anstalt von den Gefangenen einen Haftkostenbeitrag.

(2) Ein Haftkostenbeitrag wird nicht erhoben, wenn die Gefangenen

a) Bezüge nach diesem Gesetz erhalten,

b) ohne ihr Verschulden nicht arbeiten können oder

c) nicht arbeiten, weil sie nicht zur Arbeit verpflichtet sind.

(3) Von der Erhebung eines Haftkostenbeitrags kann ganz oder teilweise aus besonderen Gründen, insbesondere im Hinblick auf Unterhaltszahlungen, Schadenswiedergutmachung, sonstige Schuldenregulierung oder besondere Aufwendungen zur Wiedereingliederung, abgesehen werden.

(4) Der Haftkostenbeitrag wird in Höhe des Betrages erhoben, der nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Das Justizministerium stellt den Betrag jährlich fest.

(5) Die Selbstbeschäftigung (§ 40 Abs. 4 Satz 1 zweite Alternative) kann davon abhängig gemacht werden, dass die Gefangenen einen Haftkostenbeitrag bis zur Höhe des in Absatz 4 genannten Satzes monatlich im Voraus entrichten.

§ 48
Ersatz von Aufwendungen

(1) Die Gefangenen sind verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder die Verletzung von anderen Gefangenen verursacht haben. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Die Aufrechnung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen kann sich auch auf einen den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 42 Abs. 1 übersteigenden Teil des Hausgeldes (§ 46) erstrecken.

(3) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen ist abzusehen, soweit hierdurch die Förderung oder Erziehung der Gefangenen oder ihre Eingliederung behindert würde.

§ 49
Eigengeld

(1) Bezüge der Gefangenen, die nicht als Hausgeld (§ 46), Haftkostenbeitrag (§ 47) oder Überbrückungsgeld (§§ 176 Abs. 4, 51 des Strafvollzugsgesetzes in Verbindung mit § 127 Satz 2) in Anspruch genommen werden, sind den Gefangenen zum Eigengeld gutzuschreiben.

(2) Von Gefangenen in die Anstalt eingebrachte Gelder und Gelder, die für sie überwiesen oder bei der Anstalt eingezahlt werden, sind ebenfalls dem Eigengeld gutzuschreiben.

(3) Die Gefangenen können über ihr Eigengeld verfügen, soweit dieses nicht wie Überbrückungsgeld zu behandeln ist.

§ 50
Einbehaltung von Beitragsteilen

Soweit die Anstalt Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit zu entrichten hat, kann die Anstalt von dem Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe einen Betrag einbehalten, der dem Anteil der Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielten.

Siebter Abschnitt
Religionsausübung

§ 51
Seelsorge

(1) Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch der Gefangenen ist ihnen zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Gefangene dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(3) Den Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 52
Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Gefangenen haben das Recht, in der Anstalt am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Gefangene werden zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft in der Anstalt zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt.

(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger wird vorher gehört.

§ 53
Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 51 und 52 entsprechend.

Achter Abschnitt
Sport, Gestaltung der freien Zeit, Mitverantwortung der Gefangenen

§ 54
Sport

Der sportlichen Betätigung kommt besondere Bedeutung zu. Es sind ausreichende und namentlich unter freizeitpädagogischen Aspekten gezielte Sportangebote vorzuhalten, und zwar auch an den Wochenenden und Feiertagen. Den Gefangenen ist mindestens drei Stunden wöchentlich eine Teilnahme an diesen Angeboten zu ermöglichen.

§ 55
Gestaltung der freien Zeit, Förderung der Kreativität

(1) Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Vollzugsziel. Ausreichende Freizeitangebote sind vorzuhalten, und zwar auch an den Wochenenden und Feiertagen sowie in den frühen Abendstunden.

(2) Angebote zur Förderung der Kreativität im Rahmen kultureller Formen sind zu entwickeln. Hierfür können Freizeitgruppen in ästhetischen Bereichen, namentlich in denen der Literatur, des Theaters, der Musik und des Malens, eingerichtet werden.

(3) Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung, insbesondere auch an Gruppenveranstaltungen, zu motivieren und anzuleiten. Sie sollen auch Gelegenheit erhalten, den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen und auszuüben sowie eine Bücherei zu benutzen.

§ 56
Zeitungen, Zeitschriften

(1) Gefangene dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen.

(2) Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Soweit einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden, können sie den Gefangenen vorenthalten werden.

§ 57
Hörfunk, Fernsehen

(1) Gefangene können am Hörfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden unter den Voraussetzungen des § 58 zugelassen.

§ 58
Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung

(1) Gefangene dürfen in angemessenem Umfang Bücher, andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung sowie Geräte der Unterhaltungselektronik besitzen.

(2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes

a) mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre,

b) die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden oder

c) dem Ziel des Vollzuges zuwiderlaufen würde.

(3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

§ 59
Mitverantwortung der Gefangenen

(1) Die Anstaltsleitung hat sicherzustellen, dass die Gefangenen angeregt und unterstützt werden, Angelegenheiten, die von gemeinsamem Interesse sind und die sich nach ihrer Art für eine Mitwirkung eignen, in differenzierten und gestuften Formen der Mitwirkung und Selbstverwaltung wahrzunehmen. Eine weitgehende Übernahme der Mitverantwortung für die alltäglichen Abläufe wird angestrebt.

(2) Die Einrichtung von Gremien der Selbstverwaltung und aktiven Mitwirkung ist von der Anstaltsleitung zu fördern und zu begleiten. Die Gefangenen werden zur Mitarbeit ermutigt.

Neunter Abschnitt
Gesundheitsfürsorge

§ 60
Gesundheitsfürsorge

(1) Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen ist zu sorgen. § 91 bleibt unberührt.

(2) Die Bedeutung einer gesunden Lebensführung ist den Gefangenen in geeigneter Form zu vermitteln. Dabei wird die besondere Gefährdung Jugendlicher und Heranwachsender durch Infektionsrisiken, illegale Drogen, aber auch durch Tabak und Alkohol berücksichtigt, und es werden speziell auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppe zugeschnittene Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsangebote unterbreitet.

(3) Die Gefangenen haben die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen.

§ 61
Aufenthalt im Freien

Den Gefangenen wird täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dies zu der festgesetzten Zeit zulässt.

§ 62
Medizinische Vorsorgeuntersuchungen und Vorsorgeleistungen

Die Gefangenen haben Anspruch auf medizinische Vorsorgeuntersuchungen und Vorsorgeleistungen, wie sie gesetzlich Versicherten zustehen.

§ 63
Krankenbehandlung

Gefangene haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst insbesondere

1. ärztliche Behandlung,

2. zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz,

3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,

4. medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sowie Belastungserprobung und Arbeitstherapie, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen.

§ 64
Versorgung mit Hilfsmitteln

Gefangene haben Anspruch auf Versorgung mit solchen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, sofern dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzugs ungerechtfertigt ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen. Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen besteht nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien. Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen.

§ 65
Krankenbehandlung im Urlaub

Während eines Urlaubs oder einer Vollzugslockerung besteht ein Anspruch auf vollzugsseitige Krankenbehandlung nur in der für die betroffenen Gefangenen zuständigen Anstalt.

§ 66
Art und Umfang der Leistungen, Kostenbeteiligung

Für die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen sowie für den Umfang dieser Leistungen und der Leistungen zur Krankenbehandlung einschließlich der Versorgung mit Hilfsmitteln gelten die einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuches und die aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen entsprechend. Volljährige Gefangene können an den Kosten der Gesundheitsfürsorge in angemessener Weise beteiligt werden. Näheres wird durch Verwaltungsvorschriften geregelt.

§ 67
Ruhen der Ansprüche

Der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 62 bis 65 ruht, solange die Gefangenen aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses (§ 40 Abs. 4 Satz 1 erste Alternative) krankenversichert sind.

§ 68
Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der Gefangenen soll die Anstalt ärztliche Behandlungen, namentlich Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die eine soziale Eingliederung fördern. Sie sind an den Kosten zu beteiligen, wenn dies nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt ist und der Zweck der Behandlung dadurch nicht in Frage gestellt wird.

§ 69
Unterbringung im Krankheitsfall

(1) Kranke Gefangene können in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung ihrer Krankheit besser geeignete Anstalt verlegt werden.

(2) Können Krankheiten von Gefangenen in einer Anstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, die Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu verlegen, sind diese in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

§ 70
Rechte der Personensorgeberechtigten, Benachrichtigung
bei Erkrankung oder Todesfall

(1) Vor ärztlichen Eingriffen bei minderjährigen Gefangenen sind die Rechte der Personensorgeberechtigten zu beachten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf deren Aufklärung und Einwilligung.

(2) Die Personensorgeberechtigten sind im Falle einer schweren Erkrankung oder des Todes von Gefangenen stets zu unterrichten.

Zehnter Abschnitt
Sicherheit und Ordnung

§ 71
Grundsatz

(1) Durch die Beachtung der Belange von Sicherheit und Ordnung der Anstalt ist das Funktionieren des auf die Förderung und Erziehung aller Gefangenen ausgerichteten Anstaltslebens zu gewährleisten.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

(3) Erfolgt der Vollzug der Strafe an weiblichen Gefangenen nicht in einer eigenständigen Anstalt, richtet sich der innere Sicherheitsstandard des Bereichs, in dem sie untergebracht sind, nach ihrem Gefährlichkeitsgrad und dem erforderlichen Sicherungsbedarf.

§ 72
Verhaltensvorschriften

(1) Die Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören. Das Verantwortungsbewusstsein der Gefangenen für ein entsprechendes Verhalten ist zu wecken und zu fördern. Hierbei ist ihnen auch zu verdeutlichen, dass Verstöße gegen Verhaltensvorschriften nicht geduldet werden und auf strafbares Verhalten, insbesondere bei Delikten im Gewalt- oder Drogenbereich, entschieden reagiert wird.

(2) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich dadurch beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen haben die Gefangenen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 73
Persönlicher Gewahrsam

(1) Gefangene dürfen nur Sachen im Gewahrsam haben oder annehmen, die ihnen von der Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Ohne Zustimmung dürfen sie Sachen von geringem Wert von anderen Gefangenen annehmen oder an andere Gefangene abgeben; die Anstalt kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen.

(2) Eingebrachte Sachen, die die Gefangenen nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für sie aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Den Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Sachen, die sie während des Vollzuges und für ihre Entlassung nicht benötigen, abzusenden.

(3) Weigern sich Gefangene, eingebrachtes Gut, dessen Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, aus der Anstalt zu verbringen, so ist die Anstalt berechtigt, diese Gegenstände auf Kosten der Gefangenen aus der Anstalt entfernen zu lassen.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, dürfen von der Anstalt vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 74
Durchsuchung

(1) Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung der Anstaltsleitung ist es im Einzelfall zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Annahme, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 75
Sichere Unterbringung

(1) Gefangene können in eine Anstalt verlegt werden, die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt.

(2) § 13 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 76
Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzuges, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind als erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig

1. die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken sowie die elektronische Erfassung sonstiger biometrischer Merkmale,

2. die Aufnahme von Lichtbildern mit Kenntnis der Gefangenen,

3. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale und

4. Messungen.

(2) Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen. Lichtbilder und biometrische Merkmale können zusammen mit den Namen der Gefangenen sowie deren Geburtsdatum und Geburtsort von der Anstalt zudem in einer Datei elektronisch gespeichert werden.

(3) Die nach Absatz 1 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen dürfen nur für die in Absatz 1, § 78 Abs. 2 und § 99 Abs. 2 Buchstabe d)genannten Zwecke verarbeitet und verwendet werden; ferner ist eine Übermittlung an Polizeibehörden des Bundes und der Länder zulässig, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für erhebliche Rechtsgüter innerhalb der Anstalt erforderlich ist.

(4) Gefangene, die aufgrund des Absatzes 1 erkennungsdienstlich behandelt worden sind, können nach der Entlassung aus dem Vollzug verlangen, dass die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen mit Ausnahme der in den Gefangenenpersonalakten aufbewahrten Lichtbilder und der Beschreibung von körperlichen Merkmalen vernichtet oder gelöscht werden, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist. Sie sind über dieses Recht bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der Entlassung aufzuklären.

§ 77
Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Missbrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Wird Suchtmittelmissbrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahme den betroffenen Gefangenen auferlegt werden.

§ 78
Festnahmerecht

(1) Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und zurückgebracht werden.

(2) Nach § 76 Abs. 1 gewonnene erkennungsdienstliche Unterlagen und nach § 98 erhobene und zur Identifizierung oder Festnahme erforderliche Daten dürfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme der entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist.

§ 79
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig

1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,

2. die Beobachtung der Gefangenen, und zwar auch mit technischen Hilfsmitteln,

3. die Absonderung von anderen Gefangenen,

4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,

5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und

6. die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 eine Fluchtgefahr besteht.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert.

(6) Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrecht erhalten werden.

§ 80
Einzelhaft

Die unausgesetzte Absonderung von Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in ihrer Person liegen, unerlässlich ist. Der ärztliche und der psychologische Dienst der Anstalt sind unverzüglich zu beteiligen. Ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde darf Einzelhaft innerhalb von zwölf Monaten eine Gesamtdauer von zwei Monaten nicht überschreiten. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass die Gefangenen am Gottesdienst oder an der Freistunde teilnehmen. Während des Vollzuges der Einzelhaft sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen; hierzu gehört auch, dass der ärztliche und der psychologische Dienst der Anstalt die Gefangenen regelmäßig aufsuchen.

§ 81
Fesselung

In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Gefangenen kann die Anstaltsleitung eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

§ 82
Anordnungsbefugnis für besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzuge können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.

(2) Werden Gefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der Maßnahme, ist vorher der ärztliche Dienst der Anstalt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, wird seine Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

§ 83
Überwachung durch den ärztlichen und psychologischen Dienst

(1) Sind Gefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt (§ 79 Abs. 2 Nr. 5 und 6), so suchen sie der ärztliche und der psychologische Dienst der Anstalt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes (§ 79 Abs. 4).

(2) Der ärztliche Dienst ist regelmäßig zu hören, solange Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird.

Elfter Abschnitt
Unmittelbarer Zwang

§ 84
Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

§ 85
Allgemeine Voraussetzungen

(1) Bedienstete der Justizvollzugsanstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 86
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 87 (Fn 2)
(aufgehoben)

§ 88
Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 89
Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 90
Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

a) wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,

b) wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen oder

c) um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen.

Um die Flucht aus einer offenen Anstalt zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.

(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

§ 91
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der Gefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Anstalt nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung der Gefangenen ausgegangen werden kann.

(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Falle des Absatzes 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

(3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

Zwölfter Abschnitt
Erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung, Disziplinarmaßnahmen

§ 92
Pflichtverstöße, erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung

(1) Verstoßen Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, wird versucht, diese Pflichtverstöße zeitnah im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Verbleibende, schwerwiegende oder wiederholte Konflikte sollen im Wege der Konfliktregelung geschlichtet werden. Dabei können ausgleichende Maßnahmen, insbesondere eine Entschuldigung, Schadensbeseitigung oder -wiedergutmachung, vereinbart werden. Zudem können erzieherische Maßnahmen, namentlich die Erteilung von Weisungen und Auflagen, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer von einer Woche, angeordnet werden.

(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

§ 93
Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn Maßnahmen nach § 92 nicht ausreichen, um den Gefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen. Zu berücksichtigen ist ferner eine aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme.

(2) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

1. der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu zwei Monaten,

2. die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- oder Fernsehempfangs bis zu zwei Monaten,

3. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit bis zu zwei Monaten,

4. die Beschränkung der Verfügung über das Hausgeld bis zu 75 Prozent des monatlich zur Verfügung stehenden Betrages bis zu zwei Monaten,

5. die getrennte Unterbringung in der Freizeit bis zu vier Wochen,

6. Arrest bis zu zwei Wochen.

(4) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

§ 94
Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.

(3) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.

(4) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Er ist erzieherisch auszugestalten. Die Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen aus den §§ 25 Abs. 6, 26, 28, 40, 54 bis 58.

§ 95
Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Leiterin oder der Leiter derjenigen Anstalt an, der die Gefangenen zum Zeitpunkt der Verfehlung angehören. Bei einer Verfehlung auf dem Wege in eine andere Anstalt zum Zwecke der Verlegung ist die Leiterin oder der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung von Gefangenen gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen Gefangene in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 94 Abs. 2 bleibt unberührt.

§ 96
Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Die Gefangenen werden gehört. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Gefangenen wird vermerkt.

(2) Bei schweren Verstößen soll die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter sich vor der Entscheidung in einer Konferenz mit Personen besprechen, die bei der Behandlung der Gefangenen mitwirken.

(3) Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen Gefangene, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist der ärztliche Dienst der Anstalt zu hören.

(4) Die Entscheidung wird den Gefangenen von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(5) Bevor Arrest vollzogen wird, ist der ärztliche Dienst der Anstalt zu hören. Während des Arrestes stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug des Arrestes unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.

Dreizehnter Abschnitt
Beschwerderecht

§ 97
Beschwerderecht, Ombudsperson

(1) Die Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleitung zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

(2) Die Möglichkeit, sich in allen vollzuglichen Angelegenheiten an die Ombudsperson für den Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen zu wenden, bleibt unberührt. Die Ombudsperson kann die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Die Aussprache mit ihr wird nicht überwacht. Für die Überwachung des Schriftwechsels mit der Ombudsperson gilt § 35 Abs. 2 Satz 1 und 3 entsprechend.

(3) Besichtigt eine Vertreterin oder ein Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass Gefangene sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.

(4) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Vierzehnter Abschnitt
Datenschutz

§ 98
Datenerhebung

(1) Die Vollzugsbehörde darf personenbezogene Daten erheben, soweit deren Kenntnis für den ihr nach diesem Gesetz aufgegebenen Vollzug der Strafe erforderlich ist.

(2) Personenbezogene Daten sind bei den Betroffenen zu erheben. Für die Erhebung ohne Kenntnis der Betroffenen, die Erhebung bei anderen Stellen oder Personen und für die Hinweis- und Aufklärungspflichten gilt § 12 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen.

(3) Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, dürfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Vollzugsbehörde nur erhoben werden, wenn sie für die Behandlung der Gefangenen, die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des Vollzuges einer Strafe unerlässlich sind und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.

(4) Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten werden die Betroffenen unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in Absatz 1 genannte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden, kann die Unterrichtung unterbleiben, wenn

a) die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden berechtigten Interesses Dritter, geheim gehalten werden müssen oder

b) der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.

§ 99
Verarbeitung

(1) Die Vollzugsbehörde darf personenbezogene Daten verarbeiten, soweit dies für den ihr nach diesem Gesetz aufgegebenen Vollzug der Strafe erforderlich ist. Die Vollzugsbehörde kann Gefangene verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(2) Die Verarbeitung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist zulässig, soweit dies

a) zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen

aa) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,

bb) eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder

cc) auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

b) zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,

c) zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person,

d) zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet werden, oder

e) für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen

erforderlich ist.

(3) Eine Verarbeitung für andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz oder den in § 13 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen genannten Zwecken dient.

(4) Über die in den Absätzen 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus dürfen zuständigen öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für

a) Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,

b) Entscheidungen in Gnadensachen,

c) gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege,

d) die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs) der Gefangenen,

e) dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldatinnen und Soldaten,

f) ausländerrechtliche Maßnahmen oder

g) die Durchführung der Besteuerung

erforderlich ist. Eine Übermittlung für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf personenbezogene Daten über Gefangene bezieht.

(5) Erhält die Vollzugsbehörde davon Kenntnis, dass Gefangene von öffentlichen Stellen Leistungen beziehen oder bei öffentlichen Stellen Leistungen beantragt haben, die für die Dauer des Vollzuges entfallen oder sich mindern, hat sie die Leistungsträger unverzüglich darüber zu unterrichten, dass und seit wann die betroffenen Gefangenen sich im Vollzug befinden. Den betroffenen Gefangenen ist eine Abschrift der Mitteilung auszuhändigen.

(6) Öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen darf die Vollzugsbehörde auf schriftlichen Antrag mitteilen, ob sich eine Person in Haft befindet sowie ob und wann ihre Entlassung voraussichtlich innerhalb eines Jahres bevorsteht, soweit

a) die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder

b) von nicht-öffentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegt wird und die Gefangenen kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung haben.

Verletzten einer Straftat können darüber hinaus auf schriftlichen Antrag Auskünfte über die Entlassungsadresse oder die Vermögensverhältnisse Gefangener erteilt werden, wenn die Erteilung zur Feststellung oder Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich ist. Die betroffenen Gefangenen werden vor der Mitteilung gehört, es sei denn, es ist zu besorgen, dass dadurch die Verfolgung des Interesses der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde, und eine Abwägung ergibt, dass dieses Interesse der Antragsteller das Interesse der Gefangenen an ihrer vorherigen Anhörung überwiegt. Ist die Anhörung unterblieben, werden die betroffenen Gefangenen über die Mitteilung der Vollzugsbehörde nachträglich unterrichtet.

(7) Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nur anderen Vollzugsbehörden, den zur Dienst- oder Fachaufsicht oder zu dienstlichen Weisungen befugten Stellen, den für strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden überlassen werden; die Überlassung an andere öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der Akteneinsicht begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Akten an die von der Vollzugsbehörde mit Gutachten beauftragten Stellen.

(8) Sind mit personenbezogenen Daten, die nach den Absätzen 1, 2 oder 4 übermittelt werden dürfen, weitere personenbezogene Daten der Betroffenen oder Dritter in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, so ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig, soweit nicht berechtigte Interessen der Betroffenen oder Dritter an deren Geheimhaltung offensichtlich überwiegen. Eine Verarbeitung dieser Daten durch die Empfänger ist unzulässig; hierauf muss bei der Übermittlung der Daten hingewiesen werden.

(9) Bei der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels sowie bei der Überwachung des Inhaltes von Paketen bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen nur für die in Absatz 2 aufgeführten Zwecke, für den gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz, zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder nach Anhörung der Gefangenen für Zwecke der Behandlung verarbeitet werden.

(10) Personenbezogene Daten, die gemäß § 98 Abs. 3 über Personen, die nicht Gefangene sind, erhoben worden sind, dürfen nur zur Erfüllung des Erhebungszweckes, für die in Absatz 2 Buchstabe a) bis b) geregelten Zwecke oder zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung verarbeitet werden.

(11) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 102 Abs. 2, § 104 Abs. 2 und 5 geregelten Einschränkungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(12) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die Vollzugsbehörde. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle, trägt diese die Verantwortung. In diesem Fall prüft die Vollzugsbehörde nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt und die Absätze 9 bis 11 der Übermittlung nicht entgegenstehen, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

§ 100
Zentrale Datei, Einrichtung automatisierter
Übermittlungs- und Abrufverfahren

(1) Die gemäß § 98 erhobenen Daten können für die Vollzugsbehörden im Geltungsbereich dieses Gesetzes in einer zentralen Datei gespeichert werden.

(2) Die Einrichtung und Verwendung eines automatisierten Verfahrens, das die Übermittlung oder den Abruf personenbezogener Daten aus der zentralen Datei gemäß § 99 Abs. 2 und 4 ermöglicht, ist zulässig, soweit diese Form der Datenübermittlung oder des Datenabrufs unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der betroffenen Personen und der Erfüllung des Zwecks der Übermittlung angemessen ist. Die automatisierte Übermittlung der in § 13 Abs. 1 Satz 3 des Bundeskriminalamtgesetzes angeführten personenbezogenen Daten kann auch ohne die in Satz 1 genannten Voraussetzungen erfolgen.

(3) Die speichernde Stelle hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung und der Abruf zumindest durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden kann.

(4) Die Landesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist vorher zu hören. Die Rechtsverordnung hat den Datenempfänger, die Datenart und den Zweck des Abrufs festzulegen. Sie hat Maßnahmen zur Datensicherung und zur Kontrolle vorzusehen. Die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung kann auf das Justizministerium übertragen werden.

(5) Bei der Übermittlung gilt die in § 99 Abs. 12 getroffene Regelung zur Verantwortung für die Zulässigkeit entsprechend; beim Abruf trägt die abrufende Stelle die Verantwortung.

(6) Das Justizministerium kann mit anderen Ländern und dem Bund einen Datenverbund vereinbaren, der eine automatisierte Datenübermittlung ermöglicht.

§ 101
Zweckbindung

Von der Vollzugsbehörde übermittelte personenbezogene Daten dürfen nur zu dem Zweck verarbeitet werden, zu dessen Erfüllung sie übermittelt worden sind. Die Empfänger dürfen die Daten für andere Zwecke nur verarbeiten, soweit sie ihnen auch für diese Zwecke hätten übermittelt werden dürfen, und wenn im Falle einer Übermittlung an nicht-öffentliche Stellen die übermittelnde Vollzugsbehörde zugestimmt hat. Die Vollzugsbehörde hat die nicht-öffentlichen Empfänger auf die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen.

§ 102
Schutz besonderer Daten

(1) Das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis Gefangener und personenbezogene Daten, die anlässlich ärztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. Andere personenbezogene Daten über die Gefangenen dürfen innerhalb der Anstalt allgemein kenntlich gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist; § 99 Abs. 9 bis 11 bleibt unberührt.

(2) Personenbezogene Daten, die den in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuchs genannten Personen von Gefangenen als Geheimnis anvertraut oder über Gefangene sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber der Vollzugsbehörde der Schweigepflicht. Die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuchs genannten Personen haben sich gegenüber der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter zu offenbaren, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörde oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben Gefangener oder Dritter erforderlich ist. Die Ärztin oder der Arzt ist zur Offenbarung ihr oder ihm im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge bekannt gewordener Geheimnisse befugt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörde unerlässlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben Gefangener oder Dritter erforderlich ist. Sonstige Offenbarungsbefugnisse bleiben unberührt. Die Gefangenen sind vor der Erhebung über die nach den Sätzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten.

(3) Die nach Absatz 2 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet werden, unter denen eine in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuches genannte Person selbst hierzu befugt wäre. Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Anstaltsbediensteten allgemein zulassen.

(4) Sofern Ärztinnen oder Ärzte oder Psychologinnen oder Psychologen außerhalb des Vollzuges mit der Untersuchung oder Behandlung Gefangener beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die beauftragte Person auch zur Unterrichtung des ärztlichen Dienstes der Anstalt oder der in der Anstalt mit der Behandlung der betroffenen Gefangenen betrauten Person des psychologischen Dienstes befugt ist.

§ 103
Schutz der Daten in Akten und Dateien

(1) Einzelne Vollzugsbedienstete dürfen sich von personenbezogenen Daten nur Kenntnis verschaffen, soweit dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe oder für die Zusammenarbeit nach § 122 Abs. 1 erforderlich ist.

(2) Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind durch die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch zu schützen. Gesundheitsakten und Krankenblätter sind getrennt von anderen Unterlagen zu führen und besonders zu sichern. Im Übrigen gilt für die Art und den Umfang der Schutzvorkehrungen § 10 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen.

§ 104
Berichtigung, Löschung, Sperrung

(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind spätestens zehn Jahre nach der Entlassung der Gefangenen oder der Verlegung der Gefangenen in eine andere Anstalt zu löschen.

(2) Personenbezogene Daten in Dateien dürfen nach Ablauf von zwei Jahren seit der Entlassung der Gefangenen nur übermittelt oder genutzt werden, soweit dies

a) für das Auffinden der Gefangenenpersonalakte oder

b) für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben gemäß §§ 106 und 108

erforderlich ist.

(3) Personenbezogene Daten in Akten dürfen nach Ablauf von zwei Jahren seit der Entlassung der Gefangenen nur übermittelt oder genutzt werden, soweit dies

a) für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben gemäß §§ 106 und 108 erforderlich oder

b) zur Verfolgung von Straftaten oder

c) zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder

d) zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Strafe

unerlässlich ist.

(4) Die Verwendungsbeschränkungen nach Absatz 2 und 3 enden, wenn Gefangene erneut zum Vollzug einer Strafe aufgenommen werden oder die Betroffenen eingewilligt haben.

(5) Bei der Aufbewahrung von Akten mit nach Absatz 3 gesperrten Daten dürfen folgende Fristen nicht überschritten werden:

a) Gefangenenpersonalakten und Gefangenenbücher zehn Jahre,

b) Gesundheitsakten und Krankenblätter 20 Jahre.

Dies gilt nicht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Aufbewahrung für die in Absatz 3 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmäßigen Weglegung folgenden Kalenderjahr.

(6) Wird festgestellt, dass unrichtige Daten übermittelt worden sind, ist dies den Empfängern mitzuteilen, wenn dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen erforderlich ist.

(7) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten § 19 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen.

(8) Die archivrechtlichen Vorschriften des Bundes und des Landes bleiben unberührt.

§ 105
Auskunft an Betroffene, Akteneinsicht

Die Betroffenen erhalten nach Maßgabe der §§ 18, 35 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen Auskunft und, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen sind, Akteneinsicht.

§ 106
Übermittlung personenbezogener Informationen für wissenschaftliche Zwecke

(1) Die Übermittlung personenbezogener Informationen in Akten und Dateien an Hochschulen, andere Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, und öffentliche Stellen ist zulässig, soweit

1. dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Forschungsarbeiten erforderlich ist,

2. eine Nutzung anonymisierter Daten zu diesem Zweck nicht möglich oder die Anonymisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist und

3. das öffentliche Interesse an der Forschungsarbeit das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung erheblich überwiegt.

Bei der Abwägung nach Satz 1 Nr. 3 ist im Rahmen des öffentlichen Interesses das wissenschaftliche Interesse an dem Forschungsvorhaben besonders zu berücksichtigen.

(2) Die Übermittlung der Informationen erfolgt durch Erteilung von Auskünften, wenn hierdurch der Zweck der Forschungsarbeit erreicht werden kann und die Erteilung keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Andernfalls kann auch Einsichtnahme in Akten und Dateien gewährt werden. Die Akten und Dateien können zur Einsichtnahme übersandt werden.

(3) Personenbezogene Informationen werden nur an solche Personen übermittelt, die Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sind oder die zur Geheimhaltung verpflichtet worden sind. § 1 Abs. 2, 3 und 4 Nr. 2 des Verpflichtungsgesetzes findet auf die Verpflichtung zur Geheimhaltung entsprechende Anwendung.

(4) Die personenbezogenen Informationen dürfen nur für die Forschungsarbeit verwendet werden, für die sie übermittelt worden sind. Die Verwendung für andere Forschungsarbeiten oder die Weitergabe richtet sich nach den Absätzen 1 bis 3 und bedarf der Zustimmung der Stelle, die die Übermittlung der Daten angeordnet hat.

(5) Die Informationen sind gegen unbefugte Kenntnisnahme durch Dritte zu schützen. Die wissenschaftliche Forschung betreibende Stelle hat dafür zu sorgen, dass die Verwendung der personenbezogenen Daten räumlich und organisatorisch getrennt von der Erfüllung solcher Verwaltungsaufgaben oder Geschäftszwecke erfolgt, für die diese Informationen gleichfalls von Bedeutung sein können.

(6) Sobald der Forschungszweck es erlaubt, sind die personenbezogenen Daten zu anonymisieren. Solange dies noch nicht möglich ist, sind die Merkmale gesondert aufzubewahren, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der Forschungszweck dies erfordert.

(7) Wer nach den Absätzen 1 bis 3 personenbezogene Informationen erhalten hat, darf diese nur veröffentlichen, wenn dies für die Darstellung von Forschungsergebnissen über Ereignisse der Zeitgeschichte unerlässlich ist. Die Veröffentlichung bedarf der Zustimmung der Stelle, die die Informationen übermittelt hat.

(8) Sind die Empfänger nicht-öffentliche Stellen, finden die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes auch Anwendung, wenn die Informationen nicht in oder aus Dateien verarbeitet werden.

§ 107
Anwendung des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen

Die Definition öffentlicher Stellen in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen sowie die Regelungen des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen betreffend Begriffsbestimmungen (§ 3), die Einwilligung der Betroffenen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 bis 5), das Datengeheimnis (§ 6), Rechte der Betroffenen (§ 5), das Verfahrensverzeichnis (§ 8), den Schadensersatz (§ 20), die Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 33, 34) sowie die Bestimmungen über die Kontrolle durch den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (§§ 22 bis 25) finden Anwendung.

Fünfzehnter Abschnitt
Kriminologische Forschung

§ 108
Kriminologische Forschung

Im Interesse einer Erfolgskontrolle und wissenschaftlichen Fortentwicklung lassen die Vollzugsbehörden den Jugendstrafvollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, seine Behandlungsmethoden, die Umsetzung seiner Leitlinien und die Förderungs- und Erziehungsmaßnahmen für die Gefangenen sowie deren Wirkungen auf das Vollzugsziel regelmäßig unter Berücksichtigung empirisch messbarer Leistungsstandards und Ergebnisindikatoren durch den kriminologischen Dienst, durch Hochschulen oder durch andere Stellen wissenschaftlich begleiten, erforschen und bewerten.

Sechzehnter Abschnitt
Beiräte

§ 109
Bildung und Aufgabe der Beiräte

(1) Bei den Anstalten sind Beiräte zu bilden. Vollzugsbedienstete dürfen nicht Mitglieder der Beiräte sein.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzuges und bei der Betreuung der Gefangenen mit. Sie unterstützen die Anstaltsleitung durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge und helfen bei der Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung.

§ 110
Befugnisse

(1) Die Mitglieder des Beirats können namentlich Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt und ihre Einrichtungen besichtigen.

(2) Die Mitglieder des Beirats können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Aussprache und Schriftwechsel mit ihnen werden nicht überwacht.

§ 111
Pflicht zur Verschwiegenheit

Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Siebzehnter Abschnitt (Fn 3)
Anstalten, Einrichtungen

§ 112 (Fn 3)
Anstalten und Einrichtungen

(1) Die Jugendstrafe wird in hierfür bestimmten, selbständigen Anstalten der Landesjustizverwaltung vollzogen. Sie kann auch in anderen Einrichtungen in freien Formen vollzogen werden.

(2) Weibliche Gefangene können in getrennten Abteilungen des Strafvollzuges für erwachsene Frauen untergebracht werden; einer Unterbringung in getrennten Abteilungen bedarf es nicht, wenn es sich um eine Einrichtung des offenen Frauenvollzuges handelt. In den Fällen des Satzes 1 erfolgt der Vollzug nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

(3) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten wird im Vollstreckungsplan durch die Aufsichtsbehörde nach allgemeinen Merkmalen geregelt.

(4) Bauliche Gestaltung und äußere Umgebung der Vollzugseinrichtung müssen in Einklang mit dem Ziel der Wiedereingliederung durch anstaltsinterne Förderung und Erziehung stehen. Hierzu sollen die Abteilungen in Wohngruppen gegliedert sein, zu denen neben den Hafträumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören.

(5) Im Jugendstrafvollzug werden, soweit hierfür Bedarf besteht, sozialtherapeutische Einrichtungen vorgehalten. Diese erfüllen organisatorische, personelle und bauliche Mindeststandards, die auf die jugendspezifischen Besonderheiten zugeschnitten sind.

(6) Die Anstalten können eigene Schulabteilungen unterhalten. Diese sollen in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendberufshilfe, Schulen, Sonderschulen, Volkshochschulen, Einrichtungen der Jugendkulturarbeit und des Sports sowie mit Fachhochschulen und Universitäten ein differenziertes Lern- und Betätigungsangebot bereitstellen. Sie sollen ferner mit den örtlichen Arbeitgebern und Einrichtungen, die Gefangene beschäftigen, Beschäftigung vermitteln oder berufliche Eingliederung fördern können, eng zusammenarbeiten.

(7) Ein bedarfsgerechtes Angebot an Arbeitsplätzen für zugewiesene Tätigkeiten, an Plätzen für Schul- und Berufsschulunterricht und an Plätzen für berufliche Ausbildung sowie für arbeitstherapeutische Maßnahmen wird vorgehalten.

§ 113
Größe und Ausgestaltung der Räume

Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich oder sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten. Sie müssen hinreichenden Rauminhalt haben und für eine gesunde Lebensführung ausreichend mit Heizung und Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sein.

§ 114
Festsetzung der Belegungsfähigkeit

Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit für jede Anstalt unter Berücksichtigung von § 25 Abs. 1 und 2 fest. Die Festsetzung der Belegungsfähigkeit berücksichtigt ferner das vorhandene Angebot für Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung sowie das Erfordernis von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche.

§ 115
Verbot der Überbelegung

Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden. Ausnahmen von Satz 1 sind nur zulässig, wenn dies wegen eines unvorhersehbaren Ereignisses vorübergehend aus zwingenden Gründen erforderlich ist, und bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

§ 116 (Fn 3)
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung

(1) Die in § 112 Abs. 7 genannten Betriebe und sonstigen Einrichtungen sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. Die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.

(2) Bildung und Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen von privaten Unternehmen erfolgen. In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden.

§ 117
Unterbringung von Gefangenen mit Kindern

(1) Ist das Kind einer Gefangenen oder eines Gefangenen noch nicht schulpflichtig, so kann es mit Zustimmung des Inhabers des Aufenthaltsbestimmungsrechts in der Vollzugsanstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung gefährdet würde.

Achtzehnter Abschnitt
Innerer Aufbau, Aufsicht über die Anstalten

§ 118 (Fn 5)
Anstaltsleitung

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter vertritt die Anstalt nach außen und trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug. Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann die Verantwortung für bestimmte Aufgabenbereiche auf andere Vollzugsbedienstete übertragen.

(2) Für jede Anstalt ist eine Beamtin oder ein Beamter zur hauptamtlichen Leiterin oder zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen, die oder der die Voraussetzungen der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, erfüllt.

§ 119
Vollzugsbedienstete

(1) Den Anstalten werden für die Erfüllung ihrer Aufgaben in dem erforderlichen Umfang geeignete Bedienstete zur Verfügung gestellt. Die Bediensteten sollen mit der Behandlung von jungen Gefangenen nur betraut werden, wenn sie für den Umgang mit jungen Menschen besonders geeignet sind und über pädagogische Kenntnisse für die Arbeit im Jugendstrafvollzug verfügen. Gezielte Fortbildung sowie Praxisberatung und Praxisbegleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

(2) Die Aufgaben der Anstalten werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Anstaltsbediensteten sowie nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(3) Die Bediensteten sollen den einzelnen Abteilungen und Wohngruppen, der Schulabteilung und den Arbeits- und Ausbildungsstätten fest zugeordnet werden. Sie sollen dort alle dem jeweiligen Aufgabenbereich obliegenden Vollzugsaufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen und ihre Diensteinteilung möglichst selbständig regeln.

(4) Bei der Diensteinteilung im Übrigen hat die Anstalt auch darauf zu achten, dass eine Beeinträchtigung der in § 40 Abs. 2 genannten Maßnahmen und Tätigkeiten durch zeitliche Überschneidungen mit anderen Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden wird.

§ 120
Seelsorge

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung der Anstaltsleitung darf die Anstaltsseelsorge sich freier Seelsorgehelferinnen oder Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen diese von außen hinzuziehen.

§ 121
Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärztinnen oder Ärzte sicherzustellen. Sie kann nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Ärztinnen oder Ärzten übertragen werden, soweit vollzugliche Gründe nicht entgegenstehen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Soweit Personen im Sinne von Satz 1 nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 122
Zusammenarbeit, Konferenzen

(1) Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, die Aufgaben des Vollzuges zu erfüllen.

(2) Zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug, namentlich der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplanes, und zur Entwicklung und Wahrung einheitlicher Qualitätsstandards führt die Anstaltsleitung Konferenzen mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten durch.

§ 123
Hausordnung

Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Die Hausordnung enthält namentlich Regelungen zu den Besuchszeiten, zur Häufigkeit und Dauer der Besuche und zur Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie Hinweise zu den Möglichkeiten, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an eine Vertreterin oder einen Vertreter der Aufsichtsbehörde, den Petitionsausschuss und die Ombudsperson zu wenden.

§ 124 (Fn 3)
Aufsichtsbehörde

(1) Das Justizministerium führt die Aufsicht über die Anstalten. Die Aufsicht über die Einrichtungen im Vollzug in freien Formen wird im Einvernehmen mit der für die Jugendhilfe zuständigen obersten Aufsichtsbehörde geregelt.

(2) Zusammen mit den Anstalten sichert die Aufsichtsbehörde die Qualität des Vollzuges.

Neunzehnter Abschnitt
Schlussbestimmungen

§ 125
Strafvollstreckung und Untersuchungshaft

Wird Untersuchungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung unterbrochen oder wird gegen Gefangene in anderer Sache Untersuchungshaft angeordnet, so unterliegen die betroffenen Gefangenen abweichend von § 4 Abs. 2 auch denjenigen Beschränkungen ihrer Freiheit, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert. Hierzu getroffene richterliche Entscheidungen sind zu beachten.

§ 126
Widerruf, Rücknahme

(1) Soweit in diesem Gesetz nicht besonders geregelt, kann die Gewährung von begünstigenden Maßnahmen widerrufen werden, wenn

a) die Maßnahmen aufgrund nachträglich eingetretener Umstände versagt werden könnten oder bei nachträglichem Bekanntwerden hätten versagt werden können,

b) die Maßnahmen missbraucht oder

c) mit den Maßnahmen verbundene Anordnungen oder Weisungen nicht befolgt werden.

(2) Soweit in diesem Gesetz nicht besonders geregelt, kann die Gewährung von begünstigenden Maßnahmen mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht vorgelegen haben.

§ 127
Verhältnis zum Bundesrecht

Dieses Gesetz tritt an die Stelle bundesrechtlicher Regelungen für den Bereich des Jugendstrafvollzuges. §§ 23 bis 30, 33, 34a Abs. 5 Satz 2 und 37 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz, § 176 Abs. 4 des Strafvollzugsgesetzes in Verbindung mit § 51 des Strafvollzugsgesetzes und §§ 92 Abs. 2 und 3, 114 des Jugendgerichtsgesetzes sowie ganz oder teilweise an die Stelle dieser Bestimmungen tretende bundesrechtliche Regelungen bleiben unberührt.

§ 128
Übergangsvorschriften

(1) Abweichend von § 25 Abs. 1 und 2 dürfen Gefangene auch gemeinsam untergebracht werden, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern, jedoch längstens bis zum 31. Dezember 2010. § 25 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Abweichend von § 112 Abs. 1 Satz 1 dürfen männliche Gefangene in besonderen Häusern oder abgetrennten Abteilungen von Anstalten des Erwachsenenstrafvollzuges untergebracht werden, solange die räumliche Situation des Strafvollzuges in Nordrhein-Westfalen dies erfordert, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2010.

(3) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 44 gilt die Verordnung über die Vergütungsstufen des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe nach dem Strafvollzugsgesetz (Strafvollzugsvergütungsordnung) vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57) für die Anwendung der §§ 42, 43 dieses Gesetzes fort.

§ 129
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ 130
Inkrafttreten, Befristung

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.

(2) Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum Ablauf des Jahres 2012 über die aufgrund dieses Gesetzes gemachten Erfahrungen.

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Der Finanzminister

Der Innenminister

Der Minister
für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Die Justizministerin

Der Minister
für Generationen, Familie,
Frauen und Integration

Fn 1

GV. NRW. S. 539, in Kraft getreten am 1. Januar 2008; geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 21. April 2009 (GV. NRW. S. 224), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. April 2009; Gesetz vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 762), in Kraft getreten am 16. Dezember 2009; Artikel 2 des Gesetzes vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76), in Kraft getreten am 27. Januar 2015; Artikel 6 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310), in Kraft getreten am 1. Juli 2016.

Aufgehoben durch Artikel 1 § 76 des Gesetzes vom 7. April 2017 (GV. NRW. S. 511), in Kraft getreten am 1. September 2017.

Fn 2

§ 87 aufgehoben durch Artikel 17 des Gesetzes vom 21. April 2009 (GV. NRW. S. 224), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. April 2009.

Fn 3

§ 15, Überschrift des 17. Abschnitts, § 112, § 116 und § 124 geändert durch Gesetz vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 762), in Kraft getreten am 16. Dezember 2009.

Fn 4

Inhaltsverzeichnis zuletzt geändert und § 14a eingefügt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 13. Januar 2015 (GV. NRW. S. 76), in Kraft getreten am 27. Januar 2015.

Fn 5

§ 118 Absatz 2 neu gefasst durch Artikel 6 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310), in Kraft getreten am 1. Juli 2016.



Normverlauf ab 2000: