Geltende Erlasse (SMBl. NRW.)  mit Stand vom 6.12.2024

 

Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (VVPolG NRW) RdErl. d. Innenministeriums v. 19.12.03 – 44.1-2001

Verwaltungsvorschrift
zum Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen
(VVPolG NRW)
RdErl. d. Innenministeriums v. 19.12.03 – 44.1-2001


Aufgrund von § 68 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW. S. 441 ergeht folgende Verwaltungsvorschrift:

Hinweise zur Darstellung:
Die Hauptnummern beziehen sich auf die jeweiligen Paragraphen des Gesetzes. Bei den ausgelassenen Hauptnummern bestehen zu den betreffenden Paragraphen keine Verwaltungsvorschriften.

1
Aufgaben der Polizei (zu § 1)
1.1 (zu Absatz 1)
1.11
Nach dem Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ist es Aufgabe der Polizei, Gefahren sowohl für die öffentliche Sicherheit als auch für die öffentliche Ordnung abzuwehren.

Die öffentliche Sicherheit bezieht sich auf die Unversehrtheit der gesamten materiellen Rechtsordnung, von Rechten und Rechtsgütern des Einzelnen und von Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates.

Unter öffentlicher Ordnung ist die Gesamtheit jener ungeschriebener Regeln für das Verhalten der Einzelnen in der Öffentlichkeit anzusehen, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird.

In Bezug auf die öffentliche Ordnung ist die Polizei legitimiert, im Einzelfall gegen belästigendes Verhalten in der Öffentlichkeit, das noch unter der Schwelle einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 116 ff. OWiG bleibt, einzuschreiten. Sie kann - ebenso wie die Ordnungsbehörden -  Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, die geeignet sind das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, unterbinden.

Die vorrangige Zuständigkeit der Ordnungsbehörden, Gefahren für die öffentliche Ordnung abzuwehren, bleibt erhalten.

1.12
§ 1 Abs. 1 stellt auf die abstrakte Gefahr ab und umfasst damit auch alle Fälle, in denen bereits eine konkrete Gefahr vorliegt.

1.13
Die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten wurde aus dem Aufgabenkatalog der Polizei entfernt, da sie systematisch zu den Regelungen des gerichtlichen Verfahrens zählt, und damit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegt.

2
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zu § 2)
2.0
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat Verfassungsrang. Er ist bei jeder Maßnahme zu beachten.

4
Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen (zu § 4)
4.0
Wird eine Gefahr durch die hoheitliche Tätigkeit einer Behörde verursacht, hat die Polizei die Behörde oder deren Aufsichtsbehörde zu unterrichten. Führt dies nicht zum Ziel, kann die Polizei ihre Aufsichtsbehörde unterrichten mit der Bitte, auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken. Eingriffsmaßnahmen gegen Behörden sind unzulässig; allerdings kann bei Gefahr im Verzug, wenn die Behörde nicht sofort erreichbar ist, die Polizei zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr vorläufige Maßnahmen treffen.

4.2 (zu Absatz 2)
Da durch § 4 Abs. 2 Satz 2 sämtliche Fälle der Betreuung erfasst werden, braucht bei einer Inanspruchnahme nach § 4 Abs. 2 Satz 1 nicht geprüft zu werden, für welche Aufgabenbereiche die Betreuung gilt.

5
Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen (zu § 5)
5.0
Wird im hoheitlichen Tätigkeitsbereich einer Behörde eine Gefahr durch eine Sache verursacht, hat die Polizei die Behörde oder deren Aufsichtsbehörde zu unterrichten. RdNr. 4.0 Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

5.1 (zu Absatz 1)
Wirken sich Maßnahmen auf Tiere aus (z.B. bei Sicherstellung, Ersatzvornahme oder Anwendung unmittelbaren Zwanges), sind insbesondere die Vorschriften des Tierschutzgesetzes (TierSchG) zu beachten. Der Schutz von Menschen hat Vorrang vor dem Schutz des Tieres.

6
Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen (zu § 6)
6.2 (zu Absatz 2)
Eine Maßnahme gegen eine nicht verantwortliche Person darf nur für den Zeitraum getroffen werden, bis die Polizei mit eigenen oder anderen Kräften und Mitteln die Gefahr beseitigen kann. Hat die Anordnung Dauerwirkung, muss die Polizei das Geschehen fortlaufend überwachen, damit die Inanspruchnahme des Nichtstörers zum frühest möglichen Zeitpunkt beendet werden kann.

8
Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung (zu § 8)
8.0
Auf die Generalklausel des § 8 Abs. 1 darf nicht zurückgegriffen werden, wenn es sich um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nach den §§ 9 bis 46 handelt. Die Voraussetzungen für diese Maßnahmen sowie deren Art und Umfang sind in den genannten Vorschriften abschließend geregelt.

8.1 (zuAbsatz 1)
8.11
Zur konkreten Gefahr gehört auch die Anscheinsgefahr, also eine Sachlage, die bei verständiger Würdigung eines objektiven Betrachters den Anschein einer konkreten Gefahr erweckt.
8.12
Die Polizei kann auch die zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn von der Störung eine fortwirkende Gefährdung ausgeht (z.B. bei Dauerdelikten).

8.2 (zu Absatz 2)
Von den Vorschriften dieses Gesetzes haben im Bereich der Strafverfolgung nur die Bestimmungen über die Anwendung unmittelbaren Zwanges Gültigkeit, soweit keine speziellen Regelungen in der StPO enthalten sind.

8.3(zu Absatz 3)
Hierzu können auch andere Straftaten zählen, soweit sie gewerbs- oder bandenmäßig oder in anderer Weise organisiert begangen werden und dementsprechend einen erheblichen materiellen oder immateriellen (Gesamt-)Schaden verursachen.

9
Befragung, Auskunftspflicht, allgemeine Regeln der Datenerhebung (zu § 9)
9.0
§ 9 gilt für die Erhebung von Daten durch die Polizei für die in § 1 genannten Aufgaben, falls nicht bereichsspezifische Regelungen bestehen. Die in § 9 geregelten Grundsätze wirken sich auch auf die §§ 11 bis 21 aus, soweit sich aus den letztgenannten Vorschriften keine Besonderheiten ergeben. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) ist unter Datenerhebung das Beschaffen von Daten über die betroffene Person zu verstehen. Nach § 3 Abs. 1 DSG NRW sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (betroffene Person).

9.1 (zu Absatz 1)
9.11
Eine Person kann unabhängig davon befragt werden, ob die Voraussetzungen der §§ 4 bis 6 vorliegen. Eine Befragung ist für die Erfüllung der Aufgabe erforderlich, wenn ohne Kenntnisse der zu erhebenden Daten die Aufgabe nicht oder zumindest nicht mehr zeit- oder sachgerecht wahrgenommen werden kann.
9.12
Die Dauer der Befragung ist auf das notwendige Maß zu beschränken.

9.2 (zu Absatz 2)
9.21
Angaben zur Person sollten nur erfragt werden, wenn Gründe vorliegen, die eine spätere erneute Kontaktaufnahme möglich erscheinen lassen. Aus dem Sinn des § 9 Abs. 2 Satz 1 ergibt sich, dass unter den Begriff „Namen“ nicht nur Familiennamen fallen, sondern auch Geburtsnamen, Künstlernamen und sonstige Namen. Da § 9 Abs. 2 Satz 1 nicht auf eine Identitätsfeststellung abzielt, sind Maßnahmen nach § 12 Abs. 2 und § 14 nicht zulässig. Verweigert die betroffene Person die Angaben, bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob der Verstoß gegen § 111 OWiG verfolgt werden soll und deshalb eine Identitätsfeststellung gemäß § 46 OWiG in Verbindung mit § 163 StPO notwendig ist.
9.22
Gesetzliche Handlungspflichten i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 sind nur Offenbarungspflichten, die sich direkt aus einem Gesetz ergeben (z.B. § 138 StGB). Aus § 8 in Verbindung mit den §§ 4 bis 6 lassen sich keine Handlungspflichten i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 herleiten.

9.3 (zu Absatz 3)
Eine Datenerhebung kann ohne Kenntnis der betroffenen Person u.a. bei öffentlichen Stellen oder Dritten sowie aus allgemein zugänglichen Quellen erfolgen. Eine Datenerhebung durch Befragung Dritter oder durch Auskunftsersuchen bei einer anderen Behörde ist nicht schon deshalb eine verdeckte Maßnahme, weil sie ohne Kenntnis der betroffenen Person erfolgt.

9.4 (zu Absatz 4)
Eine verdeckte Datenerhebung liegt vor, wenn getarnte Maßnahmen zur Datenerhebung vorgenommen werden, insbesondere die Zugehörigkeit zur Polizei bewusst verschleiert wird. Um ein verdecktes Vorgehen handelt es sich nicht schon, wenn Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamte Dienst in Zivilkleidung verrichten oder ein äußerlich nicht als solches zu erkennendes Dienstfahrzeug benutzen.

9.5 (zu Absatz 5)
Für die Datenerhebung gilt der Zweckbindungsgrundsatz. Eine Datenerhebung auf Vorrat ist unzulässig, soweit sie nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Erhebung der abschließend in Satz 2 aufgezählten Daten ist nur ausnahmsweise zulässig.

9.6 (zu Absatz 6)
Der Hinweis auf die Rechtsvorschriften sowie über die Freiwilligkeit oder Auskunftspflicht bzw. auf ein eventuell bestehendes Aussage- oder Auskunftsverweigerungsrecht ist nur dann verzichtbar, wenn die Aufklärung im Einzelfall aufgrund bestimmter Umstände offenkundig entbehrlich ist (z.B. Befragung eines Spaziergängers nach einem vermissten Kind) oder dadurch die polizeiliche Aufgabenerfüllung erheblich erschwert oder gefährdet wird.

10
Vorladung (zu § 10)
10.0
§ 10 regelt die Vorladung zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Die Vorladung durch die Polizei in Straf- oder Bußgeldverfahren richtet sich nach § 163 a StPO.

10.1 (zu Absatz 1)
Die Vorladung ist unzulässig, wenn die erforderliche Aufklärung auf anderem Wege ohne unverhältnismäßigen Aufwand rechtzeitig erreicht werden kann oder die Personalien der betroffenen Person bekannt sind und nach den Umständen zu erwarten ist, dass sie zur Sache keine Angaben macht.

10.3 (zu Absatz 3)
Mittel zur Durchsetzung der Vorladung sind das Zwangsgeld und die Vorführung. Soweit zur Durchsetzung der Vorführung unmittelbarer Zwang angewendet werden soll, ist eine richterliche Entscheidung im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 2 erforderlich. Unmittelbarer Zwang zur Abgabe einer Erklärung ist gemäß § 55 Abs. 2 ausgeschlossen.

10.5 (zu Absatz 5)
Eine Entschädigung gemäß § 10 Abs. 5 PolG NRW bzw. § 59 OWiG oder § 26 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in Verbindung mit dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) darf nur gezahlt werden, wenn die Zeugin oder der Zeuge auf Vorladung bei der Polizei erscheint. Bei einer Anhörung an Ort und Stelle (z.B. bei Verkehrsverstößen) und bei einer schriftlichen Anhörung kommt die Zahlung einer Entschädigung grundsätzlich nicht in Betracht.

11
Erhebung von Personaldaten zur Vorbereitung für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen (zu § 11)
11.01
Die Polizei soll auf die freiwillige Mitarbeit der betroffenen Personen und damit auf das Einverständnis zur Speicherung der in § 11 genannten Daten hinwirken. § 4 DSG NRW ist zu beachten.
11.02
Die Anwendung des § 11 ist auf die Fälle beschränkt, in denen das Einverständnis der betroffenen Person zur Datenerhebung nicht oder nicht rechtzeitig erlangt werden kann. § 11 begründet keine Auskunftspflicht für die Betroffenen. Ggf. ist darauf hinzuweisen, dass die Daten auch ohne ihre Einwilligung erhoben werden können. Die §§ 23 Abs. 1 und 27 Abs. 1 sind zu beachten.

12
Identitätsfeststellung (zu § 12)
12.0
§ 12 regelt die Identitätsfeststellung zur Gefahrenabwehr. Die Identitätsfeststellung in Straf- oder Bußgeldverfahren richtet sich nach den §§ 163 b f. StPO.

12.1 (zu Absatz 1)
12.11
§ 12 Abs. 1 Nr. 1 setzt eine konkrete Gefahr i.S.d. § 8 Abs. 1 voraus.
12.12
Identitätsfeststellungen nach § 12 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 sind bei Personen, die offensichtlich in keiner Beziehung zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck stehen, nicht vorzunehmen.
12.13
In § 12 Abs. 1 Nr. 2a) ist der Kreis der Anlassstraftaten auf solche von „erheblicher Bedeutung“ i.S.d. § 8 Abs. 3 begrenzt, so dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jetzt unmittelbar zum Ausdruck kommt.
12.14
§ 12 Abs. 1 Nr. 2c) setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich an dem Ort Personen verbergen, die wegen einer Straftat verurteilt wurden und aus diesem Grunde zur Strafvollstreckung gesucht werden.
12.15
§ 12 Abs. 1 Nr. 4 regelt die Einrichtung von Kontrollstellen zur Gefahrenabwehr. Für den Bereich der Strafverfolgung gilt § 111 StPO. Kontrollstellen nach Nummer 4 sind auf das notwendige Maß zu beschränken. Sie sollen nur eingerichtet werden, wenn eine durch hinreichende Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit besteht, dass die genannten Straftaten durch die Identitätsfeststellung, evtl. in Verbindung mit sonstigen polizeilichen Maßnahmen, verhütet werden können.
12.16
Beauftragte Stelle i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ist das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD). Bei Gefahr im Verzug können Kreispolizeibehörden Kontrollstellen ohne Zustimmung einrichten; hierüber haben sie dem LZPD unverzüglich zu berichten.

12.2 (zu Absatz 2)
12.21
Bei der Entscheidung, ob die betroffene Person zur Dienststelle gebracht werden soll, ist zu prüfen, ob dies zu dem beabsichtigten Erfolg nicht außer Verhältnis steht.
12.22
Die Durchsuchung nach § 12 Abs. 2 Satz 4 hat sich darauf zu beschränken, die Identität einer Person festzustellen; liegen jedoch die Voraussetzungen des § 39 oder des § 40 vor, kann sich die Durchsuchung auch auf die dort angegebenen Zwecke erstrecken.

13
Prüfung von Berechtigungsscheinen (zu § 13)
13.01
Die betroffene Person darf für die erforderliche Dauer der Überprüfung angehalten werden.
13.02
Eine Anordnung nach § 13 setzt voraus, dass die betroffene Person die Tätigkeit, für deren Ausübung der Berechtigungsschein erforderlich ist, ausübt oder nach den Umständen erkennbar ist, dass sie diese beginnen wird oder beendet hat.
13.03
Regelungen im Bundes- und Landesrecht, nach denen Berechtigungsscheine zur Prüfung auszuhändigen bzw. vorzulegen sind, gehen als Spezialvorschriften § 13 vor. Wenn das Bundesrecht nur ein Mitführen oder Vorzeigen vorschreibt, ist § 13 ebenfalls nicht anzuwenden. Eine Aushändigung von Berechtigungsscheinen aufgrund des § 13 kann nur verlangt werden, soweit sich eine Pflicht zum Aushändigen nicht schon aus den Regelungen des Landesrechts ergibt, die zum Mitführen des Berechtigungsscheines verpflichten.

14
Erkennungsdienstliche Maßnahmen (zu § 14)
14.0
§ 14 regelt die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen für den Bereich der Gefahrenabwehr. § 81 b, 2. Alternative StPO bleibt unberührt und geht als Bundesrecht § 14 Abs. 1 Nr. 2 vor.

14.1 (zu Absatz 1)
Erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 sind nur vorzunehmen, wenn andere Möglichkeiten der Identitätsfeststellung mit zumutbarem Aufwand nicht bestehen. Auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 kann nur zurückgegriffen werden, wenn § 81 b, 2. Alternative StPO nicht anwendbar ist.

14.2 (zu Absatz 2)
Die Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen (KpS-RL) sind zu beachten.

14.3 (zu Absatz 3)
Die Belehrung über den Anspruch auf Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach Wegfall der Voraussetzungen hat in allen Fällen - auch in denen des § 81 b StPO - zu erfolgen.

14.4 (zu Absatz 4)
Andere Maßnahmen sind nur zulässig, wenn und soweit sie hinsichtlich der Beeinträchtigung der betroffenen Person den Maßnahmen des § 14 Abs. 4 vergleichbar sind.

14a
Molekulargenetische Untersuchungen zur Identitätsfeststellung (zu § 14a)

14a.1 (zu Absatz 1)
Zur sicheren Identifizierung kann eine Gewinnung von Körperzellen sowie die Sicherstellung und molekulargenetische Untersuchung von DNA-Material erfolgen. Insbesondere bei unbekannten Toten mit längerer Liegezeit ist häufig eine Identifizierung mit anderen Methoden (z.B. anhand von Fotos, Fingerabdrücken oder Gebissbefunden) nicht möglich. Die DNA bleibt dagegen theoretisch unbegrenzt haltbar und bietet zudem die Möglichkeit, auch Leichenteile sicher zuzuordnen.  Nicht identifizierbare, hilflose Personen sind solche, die sich aufgrund eines Unglücksfalls (Großschadensereignis, Naturkatastrophe) oder einer schweren Erkrankung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befinden. Die Speicherung der DNA-Identifizierungsmusters lässt den Datenabgleich mit anderen Proben zu. Die enge Zweckbindung und die Pflicht zur unverzüglichen Löschung der Daten, wenn diese zur Identitätsfeststellung nicht mehr benötigt werden, sind zu beachten.

14a.2 (zu Absatz 2)
Die Durchführung der molekulargenetischen Untersuchungen ist einem Richtervorbehalt unterstellt. Die Anordnung kann nur auf Antrag der Polizei erfolgen. Durch Verweis auf § 81f Abs. 2 der Strafprozessordnung werden besondere Anforderungen an die Untersuchungsinstitute gestellt und datenschutzrechtliche Vorkehrungen zur Einhaltung der Anforderungen dieses Absatzes getroffen.

15
Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen (zu § 15)
15.1(zu Absatz 1)
15.11
Die Datenerhebung über teilnehmende Personen bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen richtet sich nach den §§ 12 a und 19 a VersammlG. Bis zum Erlass eines Versammlungsgesetzes des Landes NRW gilt das Versammlungsgesetz des Bundes fort.
15.12
Öffentliche Veranstaltungen i.S.d.§ 15 Abs. 1 sind beispielsweise Volksfeste, Sport- oder Kulturveranstaltungen. Eine Ansammlung liegt vor, wenn Menschen zufällig zusammentreffen, denen das gemeinsame Wollen des Zusammenseins und damit ein verbindender Zweck der Zusammenkunft fehlt.
15.13
Das BVerfG hat in einer Entscheidung zum Versammlungsrecht (Beschluss vom 17.02.2009, 1BvR 2492/08) festgestellt, dass aufgrund der heutigen Technik auch Übersichtsaufnahmen einen Grundrechtseingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Insofern bedarf es auch für diese einer Rechtsgrundlage.
15.14
§ 15 Abs. 1 Satz 3 ist eine Bestimmung i.S.d. § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. Personenbezogene Daten, die zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten benötigt werden, sind in die Ermittlungsvorgänge zu übernehmen. Daten aus solchen Strafverfahren können auch nach § 24 Abs. 2 verarbeitet werden.

15 a
Datenerhebung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel (zu § 15 a)
15a.0
Die Videoüberwachung ist an Kriminalitätsbrennpunkten im Sinne des § 15 a zulässig, das heißt an einzelnen öffentlich zugänglichen Orten, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt. Durch diese Maßnahme können Straftaten verhütet, die Aufklärung von Straftaten gesteigert und das Sicherheitsgefühl verbessert werden. Die Videoüberwachung ist im Rahmen eines Gesamtkonzepts einzusetzen, das auf die spezifischen Gegebenheiten abgestimmt ist und ergänzende Maßnahmen vorsieht. Vor einem Einsatz dieser Maßnahme ist zu prüfen, ob die Videoüberwachung aller Wahrscheinlichkeit nach nur zu einem Verdrängungseffekt führt; in diesem Fall ist die Videoüberwachung unzulässig. Im Übrigen ist § 10 DSG NRW zu beachten.

15a.1 (zu Absatz 1)
15a.11
Die Norm stellt auf Straftaten ab, um die an Kriminalitätsbrennpunkten typischen Delikte der Straßenkriminalität wie z.B. Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung besser bekämpfen zu können.
15a.12
Die Videoüberwachung ist auf  Kriminalitätsbrennpunkte beschränkt. Eine flächendeckende Videoüberwachung aller  öffentlich zugänglichen Orte ist unzulässig.
15a.13
Die Beschaffenheit der Örtlichkeit muss günstige Tatgelegenheiten bieten und somit für potentielle Straftäter als attraktiver Tatort nicht ohne Weiteres austauschbar sein. Das kann neben den baulichen Gegebenheiten der Fall sein durch die Tätererwartung eines erhöhten Aufkommens geeigneter Opfer, schwach ausgeprägter Anzeigebereitschaft der Opfer oder einer verspäteten Erstattung der Strafanzeige odereines geringen Entdeckungsrisikos. Damit soll eine Videoüberwachung an Orten verhindert werden, an denen ausschließlich mit Verdrängungseffekten zu rechnen ist.
15a.14
Grundsätzlich sind die übertragenen Bilder zur Ermöglichung der Rekonstruktion von Geschehensabläufen aufzuzeichnen.
15a.15
Durch ausreichende und eindeutige Beschilderung ist gut sichtbar auf die Videoüberwachung hinzuweisen.

15a.2 (zu Absatz 2)
Absatz 2 regelt die Speicherungsdauer der Daten. Die Zulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten richtet sich nach den dafür geltenden Vorschriften im PolG NRW oder in der StPO.

15a.3 (zu Absatz 3)
Die Anordnung obliegt stets der Behördenleiterin oder dem Behördenleiter. Bei deren Abwesenheit oder Verhinderung nimmt die ständige/allgemeine Vertreterin oder der ständige/allgemeine Vertreter die Behördenleitungsfunktion wahr.

15a.4 (zu Absatz 4)
15a.41
Die Maßnahmen sind zu dokumentieren. Die Dokumentation dient als Grundlage für die Entscheidung über die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Maßnahme. Sie sollte dazu folgende Angaben enthalten: Ort, soziale Umstände, Kriminalität, Gesamtkonzept, Veränderungen während und ggf. nach der Maßnahme. Den Abschluss der Dokumentation bildet eine Bewertung über Geeignetheit und Erfolg der Maßnahme.
15a.42
Die Überprüfung nach Fristablauf von jeweils einem Jahr bezweckt eine in regelmäßigen Abständen durchzuführende Bewertung der Erforderlichkeit der Maßnahme. Die Voraussetzungen für eine Fortsetzung entfallen nicht allein durch einen Rückgang der registrierten Kriminalität. Die Bewertung muss vielmehr auch eine begründete Prognose umfassen, ob ein Fortfall der Videoüberwachung zu einem erneuten Kriminalitätsanstieg führen wird. Die Prüfung ist so zeitgerecht vorzunehmen, dass eine Fortsetzung der Maßnahme nach Ablauf der Jahresfrist ohne Unterbrechung möglich ist.
15a.5 (zu Absatz 5)
Die Verlängerung und erneute Befristung der Norm erfolgte durch Artikel 1 des Gesetzes v. 10. Juni 2008 (GV. NRW. S. 473).

15 b
Datenerhebung zur Eigensicherung (zu § 15 b)
15b.0
Mein RdErl. zur Datenerhebung zur Eigensicherung ist zu beachten.

15c
Datenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener Aufnahmegeräte (zu § 15c)

15c.0
§ 15c regelt sowohl eine Datenerhebung im öffentlichen Raum als auch in Wohnungen. Der zu beachtende Kernbereichsschutz ergibt sich aus Absatz 5.

15c.1 (zu Absatz 1)

15c.11

Der Einsatz eines körpernah getragenen Aufnahmegerätes, sog. Bodycam, setzt ein konkretes Tatsachengeschehen voraus, welches den Schluss darauf zulässt, dass Bild- und Tonaufzeichnungen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben erforderlich sind. Erforderlich ist das Vorliegen von Informationen, die sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen. Allgemeines Erfahrungswissen reicht nicht aus.

15c 12

§ 15 c Abs. 1 erfordert zudem das Vorliegen einer konkreten Gefahr i. S. d. § 8 Absatz 1 PolG NRW.

Diese setzt voraus, dass auf Grund der Gesamtumstände in Bezug auf Ort, Zeit, Personen, Verhalten im Einzelfall ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist (Tegtmeyer/Vahle, 11. überarbeitete Auflage 2014, § 8 Rdn. 8).

15c.2 (zu Absatz 2)

15c.21

Der Einsatz in Wohnungen setzt eine erhöhte Gefahrenschwelle voraus. Er dient der Verhütung einer dringenden Gefahr.

Als Wohnung sind alle Räume einzustufen, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind, also auch zur Wohnung gehörende Nebenräume, Gastzimmer, Krankenzimmer, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume; nicht hierunter fallen der Öffentlichkeit zugängliche Räume, wie Verkaufsräume oder Sportstadien soweit und solange sie öffentlich zugänglich sind ( Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 14. Auflage, 2016, Artikel 13, Rdn. 4,5).

15c.22

Eine dringende Gefahr ist dann zu bejahen, wenn eine Gefahr für ein wichtiges Rechtsgut, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in allernächster Zukunft eintreten wird (Gornig in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, 6. Auflage 2010, Artikel 13 Absatz 7, Rdn. 159).

Auf Grund der häufig eingeschränkten Einschätzbarkeit der Gesamtumstände kommt dem zeitlichen Aspekt ein besonderes Gewicht zu.

15c.23

Werden am Einsatzort mehrere Streifen gemeinsam tätig, so gilt als den Einsatz leitende Person, solange Vorgesetzte nicht anwesend sind bzw. eine Einsatzleiterin oder ein Einsatzleiter vor Ort nicht bestimmt ist, die oder der mit dem Einsatz zuerst befasste Streifenführerin oder Streifenführer.

15c.3 (zu Absatz 3)

15c.31

Die Erkennbarkeit ist bereits durch das eingeschaltete Display des Aufnahmegeräts gewährleistet. Eine zusätzliche Mitteilung gegenüber der von der Aufnahme betroffenen Person ist grundsätzlich erforderlich. Eine Ausnahme bilden Fälle, bei denen Gefahr im Verzug droht.

15c.32

Unter die Bereiche nach Satz 3 fallen Räumlichkeiten, die der regelmäßigen Tätigkeit von Berufsgeheimnisträgern im Sinne der §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung dienen (Kanzleien, Praxen, Beratungsstellen, Abgeordnetenbüros). Hiervon zu unterscheiden sind Örtlichkeiten, die der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträgern dienen könnten (Bsp.: Wohnung eines Rechtsanwalts) und in denen eine Aufzeichnung zulässig ist.

15c.4 (zu Absatz 4)

15c.41

Vorgesetzte beziehungsweise Vorgesetzter ist grundsätzlich die Dienstgruppenleiterin oder der Dienstgruppenleiter und bei Nichterreichbarkeit dieser Personen zumindest die Wachdienstführerin oder der Wachdienstführer.

15c.5 (zu Absatz 5)

15c.51

Absatz 5 gewährt den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

Geschützt werden Lebenssachverhalte höchstpersönlicher Art, deren optische Dokumentation geeignet wäre, ein besonderes Gefühl der Schamverletzung hervorzurufen.

Dabei kann es sich beispielsweise um

- sexuelle Handlungen,

- Handlungen von Personen in hilfloser Lage

handeln.

Ergänzend wird auf die Ausführungen in der VV zu § 16 PolG NRW verwiesen.

Der Kernbereichsschutz gilt absolut und kann nicht vom Verhalten des Betroffenen vor und während des Einsatzes abhängig gemacht werden.

Bei Maßnahmen außerhalb der Wohnung besteht generell eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass der Kernbereich betroffen sein kann, da die betroffene Person sich grundsätzlich in der Öffentlichkeit bewegt und davon ausgehen muss, beobachtet zu werden.

15c.52

Satz 3 verlangt eine unverzügliche Löschung der Daten. Gemäß § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB beinhaltet dies eine Löschung ohne schuldhafte Verzögerung.

15c.8 (zu Absatz 8)

15c.81

Die Dokumentation erfolgt mindestens im elektronischen Streifenbeleg.

15c.82

Maßnahme im Sinne des Absatzes 8 bezeichnet eine oder mehrere durch ein Einsatzmittel im Rahmen eines Einsatzes gefertigte Aufnahmen. Unerheblich ist, ob beide Beamten Aufnahmen getätigt haben, weitere Einsatzmittel dazu gestoßen sind und ob es mehrere Adressaten der Maßnahme gab.

16
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei der Datenerhebung mit besonderen Mitteln (zu § 16)

16.0
§ 16 enthält eine allgemeine Kernbereichsschutzregelung, die auf die besonderen Mittel der Datenerhebung durch verdeckte polizeiliche Maßnahmen  (§§ 16a bis 20 PolG NRW) Anwendung findet.

Bei allen verdeckten Überwachungsmaßnahmen staatlicher Stellen muss ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt werden, dessen Schutz sich aus Artikel 1 Abs. 1 GG ergibt.

Zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art ohne Angst vor staatlicher Überwachung zum Ausdruck zu bringen; vom Schutz umfasst sind auch Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Ausdrucksformen der Sexualität (s. BVerfG, 1 BvR 2378/98, 1084/99,  vom 3.3.2004, Absatz-Nr. 120, http://www.bverfg.de). Ob es sich um eine Offenbarung der innersten Vorgänge einer Person handelt, ist situationsbedingt und im Einzelfall anhand von Kommunikationsinhalten und -umständen (besonderes Vertrauensverhältnis der kommunizierenden Personen, Ort, erkennbarer Geheimhaltungswille) zu beurteilen.

Kommunikationsinhalte höchstpersönlicher Art können insbesondere sein

- Gespräche mit Vertrauenspersonen bzw. engsten Familienangehörigen  über existenzielle Fragen (z. B. Todesangst, Suizidgedanken), über schwere physische oder psychische Erkrankungen sowie über privateste familiäre Angelegenheiten (z. B. Abtreibung, Enterbung) sowie die Äußerung tief empfundener Emotionen;

- verbale und nonverbale Äußerungen des Intimlebens (intensive Liebesbezeugungen und Ausdrucksformen der Sexualität);

- vertrauliche Gespräche mit Berufsgeheimnisträgern (s. 16.5).

Die Norm setzt das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „zweistufige Schutzkonzept“ (s. BVerfG, 1 BvR 370/07, 595/07,  Urt. vom 27.2.2008, Absatz-Nr. 280 ff., http://www.bverfg.de) um.

§ 16 setzt zunächst voraus, dass eine rechtmäßige Erhebung personenbezogener Daten auf Grundlage der polizeilichen Standardbefugnisse gemäß §§ 16a ff. PolG erfolgt. Die Absätze 1 und 2 des § 16 befassen sich mit der Umsetzung der ersten Stufe des Schutzkonzepts, der Vermeidung der Erhebung kernbereichsrelevanter Daten. Dazu stellt  Absatz 1 den Grundsatz der Datenvermeidung auf, der in Absatz 2 konkretisiert wird. Absatz 2 regelt, dass eine zunächst zulässige Erhebung personenbezogener Daten zu unterbrechen ist, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Erfassung von Kernbereichsinhalten bestehen. Allerdings  darf - innerhalb des angeordneten Zeitraums der verdeckten Maßnahme - die Datenerhebung fortgesetzt werden, wenn neue Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Unterbrechungsgründe nicht mehr vorliegen.

16.1 (zu Absatz 1)
16.11
Bei den Maßnahmen außerhalb der Wohnung besteht generell eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass der Kernbereich betroffen sein kann, da die von der Überwachung betroffene Person sich grundsätzlich in der Öffentlichkeit bewegt bzw. in der Öffentlichkeit mit anderen Personen kommuniziert und damit ein Sozialbezug gegeben ist. Gleichwohl kann der Kernbereich privater Lebensgestaltung auch durch das verdeckte Erheben von Daten außerhalb von Wohnungen berührt werden, wenn die Person nicht damit rechnen muss, von anderen wahrgenommen zu werden, z.B. an abgelegenen Orten oder in einem Fahrzeug. Sollte eine Situation eintreten, in der mit der heimlichen Erfassung innerer Zustände oder gegenüber engsten Vertrauten geäußerten Gefühlsregungen zu rechnen ist, ist daher die Datenerhebung gemäß Abs. 2 Satz 1 unverzüglich zu unterbrechen.

16.12
Gespräche mit engsten Vertrauten, die Angaben über polizeilich abzuwehrende Gefahren enthalten, gehören schon ihrem Inhalt nach nicht zu dem unantastbaren Kernbereich  privater Lebensgestaltung, und führen daher nicht zur Unterbrechung. Zwar reicht nicht jede Verknüpfung zwischen einer Gefahr und den Äußerungen der betroffenen Person zur Bejahung des Sozialbezugs aus. Ein hinreichender Sozialbezug besteht aber jedenfalls bei Äußerungen, die sich unmittelbar auf eine konkrete Gefahr beziehen, insbesondere wenn die kommunizierenden Personen für die Gefahren nach Absatz 1 verantwortlich sind.

Wird erkennbar, dass Kernbereichsdaten betroffen sind und bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Daten gerade dem Zweck der Herbeiführung eines Erhebungsverbots bzw. einer Unterbrechung dienen sollen, bleibt die Datenerhebung insoweit zulässig.

16.2 (zu Absatz 2)
16.21
In Abs. 2 Satz 1 wird im letzten Halbsatz geregelt, dass die Pflicht zur Unterbrechung der Datenerhebung nicht besteht, soweit dies aus informations- oder ermittlungstechnischen Gründen nicht möglich ist. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass z.B. bei verdeckten Maßnahmen außerhalb des Wohnraums auch automatisierte Aufzeichnungen zulässig sind; bei diesen Maßnahmen kann - je nach eingesetzter Technik - eine Unterbrechung nicht zu jedem Zeitpunkt erfolgen. Andere Gründe, die gegen eine sofortige Unterbrechung sprechen, können gegenwärtige Gefahren für Leib und Leben verdeckt eingesetzter Personen sein. Mit dieser eng auszulegenden Ausnahmeregelung wird anerkannt, dass es unter bestimmten Umständen praktisch unvermeidbar ist, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, bevor ihr Kernbereichsbezug bewertet werden kann. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Kernbereichsschutz leerläuft, sondern dass er auf die zweite Stufe des Schutzkonzepts (abgesichert durch ein Datenverwendungsverbot und ein -löschungsgebot) verlagert wird.

16.22
Absatz 2 Satz 2 bestimmt, dass die Datenerhebung fortgesetzt werden kann, wenn zu erwarten ist, dass die Unterbrechungsgründe nicht mehr vorliegen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen z.B., wenn Erkenntnisse vorliegen, dass andere Personenkonstellationen eintreten (Familienangehörige entfernen sich, andere Personen, mit denen die Zielperson ausschließlich geschäftlich verkehrt, kommen hinzu), so dass im Weiteren von einem Sozialbezug der Kommunikation auszugehen ist.

16.3 (zu Absatz 3)
Zur Absicherung des Kernbereichsschutzes auf der zweiten Stufe wird das Verfahren näher geregelt. Die qualifizierte Bewertung der erhobenen Daten wird mittels einer Durchsicht nach dem Vier-Augen-Prinzip durch besonders geeignete bzw. geschulte Bedienstete der zuständigen Polizeibehörde gewährleistet. Die Vorlage hat unverzüglich, d.h. ohne schuldhafte Verzögerung zu erfolgen. Besonders beauftragte Leitungsperson des höheren Polizeivollzugsdienstes ist der zuständige Abteilungsleiter bzw. Direktionsleiter (oder der Vertreter im Amt). Für die Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten gilt § 32a DSG NRW; insbesondere wird auf die Weisungsfreiheit und auf das Benachteiligungsverbot hingewiesen. Im Falle des Abhörens oder der Aufzeichnung des gesprochenen Wortes außerhalb der Wohnung obliegt gemäß Satz 2 dem anordnenden Richter die Durchsicht. Die bereichsspezifischen Verfahrensvorschriften zur Wohnraumüberwachung bleiben gemäß Satz 3 unberührt.

16.4 (zu Absatz 4)
Absatz 4 regelt den Kernbereichsschutz auf der zweiten Stufe. Wurden im Ausnahmefall entgegen den Geboten in den Absätzen 1 und 2 unbeabsichtigt Kernbereichsdaten erfasst, so dürfen diese gemäß Absatz 4 Satz 1 nicht verwendet werden. Alle Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Zusätzlich ist die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung zu dokumentieren.

16.5 (zu Absatz 5)
Über das Verhältnis zu engsten Vertrauten (Ehegatte, Partner, Verwandten, Freunden) hinaus gehört auch das durch ein Berufsgeheimnis geschützte Vertrauensverhältnis zu Berufsgeheimnisträgern im Sinne der §§ 53 und 53 a StPO zum geschützten Kernbereich. Abweichend von § 160a StPO genießen alle Berufsgeheimnisträger denselben rechtlichen Status.

16a
Datenerhebung durch Observation (zu § 16)
16a.0
Soweit Belange der Strafverfolgung berührt sein können, sind nach Möglichkeit Observationen gemäß § 16a mit der Staatsanwaltschaft abzustimmen.

16a.1 (zu Absatz 1)
16a.11
Erfasst werden von der Legaldefinition in § 16a Abs. 1 Satz 1 Maßnahmen (verdeckte und offene Observationen) mit größerer Eingriffsintensität, die einen nicht unerheblichen organisatorischen, personellen und sachlichen Aufwand erfordern.
16a.12
Bei der suchfähigen Speicherung der Daten von Kontakt- und Begleitpersonen in Dateien ist § 24 Abs. 4 zu beachten. Als Kontaktpersonen können nur die Personen angesehen werden, die enge persönliche, dienstliche oder geschäftliche Beziehungen zu der Zielperson unterhalten. Begleitpersonen sind Personen, die - ohne enge persönliche, dienstliche oder geschäftliche Beziehungen zu der Zielperson zu unterhalten - nicht nur kurzfristig mit ihr angetroffen werden. Daher dürften z.B. Verkäufer, Bedienungspersonal oder (Taxi-)Fahrer in der Regel keine Begleitpersonen, sondern allenfalls andere Personen i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 2 sein.

16a.13
Keine Begleitpersonen, sondern allenfalls andere Personen i. S. d. Abs.1 Satz 2, sind z.B. Verkäufer, Bedienungspersonal oder Taxifahrer, da sie nur kurzfristig mit Zielpersonen zusammentreffen.

16a.2(zu Absatz 2)
16a.21
Die Anordnungskompetenz geht bei Abwesenheit oder Verhinderung der Behördenleiterin oder des Behördenleiters auf denjenigen über, der in diesen Fällen die Behördenleitungsfunktion wahrnimmt.
16a.22
Die Anordnung der längerfristigen Observationen gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 wird grundsätzlich durch die Leiterin oder den Leiter der nach § 7 Abs. 1 POG NRW zuständigen Polizeibehörde getroffen. Soweit das zur Kriminalhauptstelle bestimmte Polizeipräsidium seine Aufgaben (Zuständigkeit) gemäß Kriminalhauptstellenverordnung (KHSt-VO) wahrnimmt, obliegt die Anordnung dessen Behördenleiterin oder Behördenleiter. Eine zuvor von der örtlich zuständigen Behördenleiterin oder dem Behördenleiter getroffene Anordnung wirkt bei Übernahme durch das zur Kriminalhauptstelle bestimmte Polizeipräsidium solange fort, bis sie von dessen Behördenleiterin oder Behördenleiter bestätigt oder aufgehoben wird.
16a.23
In den Fällen des § 9 Abs. 1 POG NRW trifft die Behördenleiterin oder der Behördenleiter der für die überörtliche Observation zuständigen Kriminalhauptstelle, in deren Zuständigkeitsbereich die längerfristige Observation in Nordrhein-Westfalen zuerst beginnt, die Anordnung nach § 16a Abs. 2.
16a.24
Die RdNrn. 16a.21 bis 16a.23 gelten für das Landeskriminalamt entsprechend.
16a.25
In Satz 2 ist geregelt, dass die gemäß Absatz 1 erlangten Daten zur Gewährleistung der strengen Zweckbindung der gewonnenen Informationen besonders zu kennzeichnen sind. Dies gilt auch bei einer Weiterübermittlung der Daten.

16a.3 (zu Absatz 3)
16a.31
Zur Unterrichtungspflicht wird auf die Nummern 17.51 ff. verwiesen.
16a.32
Unterrichtungspflichtig ist grundsätzlich die sachbearbeitende Polizeibehörde. Die Unterrichtungspflicht bezieht sich auf die Mitteilung, dass gegen die zu informierende Person eine Maßnahme durchgeführt worden ist, auf Beginn und Ende der Maßnahme sowie deren Rechtsgrundlage. Eine weitergehende Auskunft kann nach Einzelfallprüfung auf Antrag gemäß § 18 DSG NRW erteilt werden. Die sachbearbeitende Polizeibehörde kann erweiterte Auskünfte, die sich auf die ausführende Polizeibehörde beziehen, nur mit deren Zustimmung geben.

16a.4 (zu Absatz 4)
Eine kurzfristige Observation ist abzubrechen, sobald sie die in § 16a Abs. 1 vorgegebenen Zeitkriterien überschreitet und nicht zwischenzeitlich die materiellen und formellen Voraussetzungen für die längerfristige Observation erfüllt werden.

17
Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel (zu § 17)

17.0
§ 17 erfasst sowohl die optische als auch die akustische Erhebung personenbezogener Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen. Die Eingriffsvoraussetzungen haben sich gegenüber der Altfassung von § 17 nicht geändert. Der bei Maßnahmen gemäß § 17 zu beachtende Kernbereichsschutz ergibt sich aus § 16.

17.1 (zu Absatz 1)
Hinsichtlich der Kontakt- und Begleitpersonen gelten gemäß § 17 Abs.1 S.2 die Regelungen in § 16a Abs.1 Sätze 3 bis 5 entsprechend.

17.2 (zu Absatz 2)
Die Anordnungsbefugnis bei der akustischen Überwachung ist wegen des schwerwiegenderen Eingriffs dem Amtsgericht übertragen. Wie bei der Wohnraumüberwachung kann in Eilfällen die Behördenleitung entscheiden. Die Entscheidung bedarf dann der richterlichen Bestätigung. Satz 4 verweist bezüglich des Verfahrens des Gerichts auf die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Gemäß Art. 112 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586) ist das Gesetz über die Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) außer Kraft getreten; gleichzeitig ist das FamFG in Kraft getreten.

17.3 (zu Absatz 3)
Zur Gewährleistung der Zweckbindung der erhobenen Daten verweist Abs. 3 auf das Datenkennzeichnungsgebot gemäß § 16a Abs. 2 Sätze 2 und 3.

17.4 (zu Absatz 4)
17.41
Der personen- und funktionsbezogene Auftrag an Polizeivollzugsbeamte, über den Einsatz der technischen Geräte gemäß § 17 Abs. 4 zu entscheiden, bedarf der Schriftform. Der Auftrag ist auf höchstens zwei Jahre zu befristen; Verlängerungen sind zulässig.
17.42
Eine Maßnahme nach § 17 Abs. 4 setzt eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung der eingesetzten Person voraus.
17.43
Die Zulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten richtet sich nach den dafür geltenden Vorschriften im PolG NRW oder in der StPO.
17.5 (zu Absatz 5)
17.51
Grundregel ist gemäß Absatz 5 Satz 1, dass die Unterrichtung zu erfolgen hat, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann.
17.52
Die Unterrichtungspflicht entfällt gemäß Satz 2 dann, wenn zur Unterrichtung zunächst weitere Daten (z.B. Identität und Anschrift) erhoben werden müssten und der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dadurch noch vertieft würde (s. Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2378/98, 1084/99,  Urt. vom 3.3.2004, Nr. 297, http://www.bverfg.de). In der Praxis wird sich dieser Ausnahmetatbestand im Zweifel nur auf die Unterrichtung Dritter, also nicht auf die bereits bekannte Zielperson beziehen.
17.53
Bei jeder Unterrichtung ist auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes hinzuweisen; je nach Charakter der Anordnung zur Datenerhebung kommt dabei der verwaltungsgerichtliche (behördliche Anordnung)  oder der ordentliche Rechtsweg (bei richterlicher Anordnung) in Betracht.
17.54
Wenn aufgrund desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die betroffene Person eingeleitet worden ist, ist gemäß Satz 4 die Unterrichtung, anders als nach bisherigem Recht, in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft durchzuführen, sobald dies der Stand des Ermittlungsverfahrens zulässt.
17.55
Satz 5 regelt die weiteren Fälle, in denen aus Gründen der Gefahrenabwehr oder wegen schutzwürdiger Belange anderer Personen eine Unterrichtung zurückgestellt wird.

17.6 (zu Absatz 6)
17.61
Im Hinblick auf die Gewährleistung des nachträglichen Rechtsschutzes wird die grundsätzliche Verpflichtung zur Unterrichtung durch weitere Verfahrensregelungen ausgestaltet: Wird die Unterrichtung länger als sechs Monate aufgeschoben, bedarf die weitere Zurückstellung gemäß Absatz 6 Satz 1 der richterlichen Zustimmung. Gemäß Satz 2 muss bei weiterem Aufschub jeweils nach einem Jahr erneut eine richterliche Überprüfung erfolgen.
17.62
Zur zusätzlichen Absicherung der Überprüfung der Zurückstellungsgründe wird in Satz 5 geregelt, dass nach zweimaliger Verlängerung der Zurückstellungsentscheidung eine Entscheidung durch das für die Einlegung einer Beschwerde zuständige Gericht erfolgt. Gemäß Satz 6 ist eine Übertragung dieser Entscheidung auf den Einzelrichter (§ 68 Abs.4 FamFG) nicht zulässig. Ein endgültiges Absehen von der Benachrichtigung ist nicht möglich.

Satz 7 trifft eine besondere Regelung hinsichtlich des Zurückstellungsgrundes der Gefährdung des weiteren Einsatzes einer Vertrauensperson oder eines Verdeckten Ermittlers (§§ 19 Abs. 3 bzw. § 20 Abs. 5). Im Hinblick auf den erheblichen Aufwand, der erforderlich ist, um eine Legende aufzubauen und aufrechtzuerhalten (§ 20 Abs. 2 PolG NRW), und um eine Person in eine kriminelle Szene einzuschleusen, als auch wegen der im Regelfall sehr langen Zeitdauer, die erforderlich, ist um kriminelle Strukturen aufzudecken, wird eine Sonderregelung getroffen. Sie ermöglicht einerseits eine längerfristige Zurückstellung, andererseits bestimmt sie zur Gewährleistung der Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG einen Endzeitpunkt, zu dem die Benachrichtigung erfolgen muss. Dieser Zeitpunkt darf nur überschritten werden, wenn die zusätzlichen Zurückstellungsgründe der Gefährdung von Leib und Leben dieser Personen nachweisbar vorliegen.

17.7 (zu Absatz 7)
Absatz 7 enthält die bisherigen Regelungen der §§ 17 Abs. 6 und 18 Abs. 6 zur Löschung von Bild- und Tonaufzeichnungen; anders als bisher gilt die Regelung nicht nur für automatisierte Aufzeichnungen. Der einschränkende Zusatz im letzten Halbsatz betrifft lediglich den Fall, dass die unbeteiligte Person als Zeuge einer Straftat der Person, gegen die sich die Maßnahme richtete (Zielperson), in Betracht kommen kann.

18
Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen (zu § 18)

18.0
§ 18 enthält die speziellen Vorschriften für die präventive Wohnraumüberwachung, die bisher in den §§ 17 und 18 (a. F.) jeweils in den Absätzen 2 und 3 enthalten waren.
18.1 (zu Absatz 1)
18.11
Absatz 1 entspricht, abgesehen von der Zusammenfassung der Datenerhebung (Bild- und Tonaufzeichnungen), im Wesentlichen den bisherigen Regelungen (§ 17 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 sowie § 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1).

Die Maßnahme der präventiven Wohnraumüberwachung ist wie bisher nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässig. Die Änderung des 2. Halbsatzes trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wohnraumüberwachung einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt, der aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur als äußerste Möglichkeit der Gefahrenabwehr in Betracht kommt.

Mit Satz 2 wird klargestellt, dass die Wohnraumüberwachung jedoch nicht dadurch unzulässig wird, dass sich dort unbeteiligte Dritte aufhalten.

18.12
Um zu gewährleisten, dass der Schutz des Kernbereichs nach dem zweistufigen Schutzkonzept primär bereits auf der ersten Stufe greift, erfolgt die Wohnraumüberwachung gemäß Satz 4 grundsätzlich im Wege der unmittelbaren Wahrnehmung (durch Live-Mithören/Schauen), eine parallele technische Aufzeichnung ist zulässig. Dies ist bei der Wohnraumüberwachung der mildere Eingriff, da dadurch ein sofortiges Unterbrechen bei Auftreten kernbereichsrelevanter Inhalte gewährleistet ist (s. BVerfG, 1 BvR 2378/98, 1084/99,  Urt. vom 3.3.2004, Absatz-Nr. 151, http://www.bverfg.de).

18.2 (zu Absatz 2)
18.21
Die Datenerhebung bedarf gemäß Satz 1 einer richterlichen Anordnung durch die in § 74a Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Diese Kammer ist auch zuständig für die Anordnung und sonstige Entscheidungen bei der strafprozessualen Wohnraumüberwachung gemäß §§ 100c, 100d StPO. Wegen der besonderen Schwere des Eingriffs wird die Entscheidung durch ein richterliches Kollegialorgan getroffen. Die Geltung der richterlichen Anordnung ist gemäß Satz 2 auf einen Monat befristet. Soweit die Voraussetzungen nach Abs. 1 und 2 vorliegen, können gemäß Satz 4 Verlängerungen um jeweils ebenfalls nicht mehr als einen Monat angeordnet werden.
18.22
Gerade bei der Anordnung von Überwachungsmaßnamen zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben ist eine Regelung für Eilanordnungen bei Gefahr im Verzug notwendig: Deshalb enthält Satz 5 eine Eilanordnungskompetenz für die Behördenleitung. Die Eilanordnung muss unverzüglich richterlich bestätigt werden. Erfolgt die Bestätigung nicht binnen drei Tagen, tritt sie gemäß Satz 7 außer Kraft und die bereits erhobenen Daten dürfen nicht verwendet werden; sie sind unverzüglich zu löschen.

18.3 (zu Absatz 3)
18.31
Absatz 3 Satz 1 sieht vor, dass eine Datenerhebung in und aus Wohnungen nur dann angeordnet werden darf, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung keine Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Hinsichtlich der zulässigen Typisierung wird in Absatz 3 Satz 2 ausgeführt, dass dabei insbesondere auf die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen abzustellen ist. Allerdings dürfen Daten von Gesprächen mit Sozialbezug, insbesondere wenn die Inhalte die nach Abs. 1 abzuwehrenden Gefahren oder andere geplante Straftaten betreffen, erhoben werden (so auch BVerfG, 1 BvR 2378/98, 1084/99,  Urt. vom 3.3.2004, Abs.-Nr. 137, http://www.bverfg.de).
18.32
Gemäß Satz 3 umfasst die Schutzwirkung des Kernbereichs die Kommunikation innerhalb des besonders geschützten Vertrauensverhältnisses mit den in §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung genannten Berufsgeheimnisträgern. Bei Gesprächen in Betriebs- und Geschäftsräumen spricht die Regelvermutung des Satzes 4 gegen eine Kernbereichszurechnung, soweit es sich nicht um solche der vorgenannten Berufsgeheimnisträger handelt.

18.4 (zu Absatz 4)
18.41
Gemäß dem Grundsatz der Datenvermeidung ist die  Datenerhebung unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich während der laufenden Maßnahme herausstellt, dass die überwachten Gespräche oder die aufgenommenen Situationen entgegen der ursprünglichen Prognose dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind.

Während der angeordneten Dauer einer verdeckten Datenerhebungsmaßnahme kann lageangepasst sowohl eine Unterbrechung gemäß Satz 1 als auch das „Umschalten“ auf eine automatisierte Aufzeichnung gemäß Satz 2 erfolgen. Satz 3 verdeutlicht, dass eine Fortsetzung der Datenerhebung ohne erneute richterliche Anordnung zulässig ist, wenn aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände (z.B. Veränderung der Personenkonstellation in der überwachten Wohnung) eine Erfassung kernbereichsrelevanter Inhalte nicht mehr zu erwarten ist. Außerdem wird dadurch die jederzeitige Möglichkeit zur „Rückkehr“ zum Live-Mithören als weniger schwerwiegendem Eingriff geklärt.

18.42
Sobald Zweifelsfälle auftreten, darf nur noch automatisiert aufgezeichnet werden. Im Rahmen des zweistufigen Schutzkonzepts ist die Aufzeichnung unverzüglich dem Gericht, das die Anordnung getroffen hat, zur Bewertung der Daten und zur Entscheidung über die Verwertbarkeit und Löschung der erhobenen Daten vorzulegen. Der Umgang des Gerichts mit dem sog. Richterband ist in den weiteren Sätzen 5 und 6 geregelt.

18.5 (zu Absatz 5)
Die Maßnahme eines Einsatzes technischer Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem polizeilichen Einsatz in Wohnungen tätigen Personen wird durch die Behördenleitung angeordnet.

18.6 (zu Absatz 6)
Die gemäß Absatz 1 oder 5 erlangten Daten zur Gewährleistung der strengen Zweckbindung der gewonnenen Informationen sind besonders zu kennzeichnen. Dies gilt gemäß Satz 2 auch bei einer Weiterübermittlung der Daten. 

18.7 (zu Absatz 7)
Aufgrund der Verweisung kommen die Regeln über die Unterrichtungsverpflichtung (§ 17 Abs. 5), die besonderen Verfahrensvorschriften hinsichtlich der richterlichen Überprüfung bei einer längerfristigen Zurückstellung (§ 17 Abs. 6) und die Datenlöschung nichtbetroffener Personen (§ 17 Abs. 7) zur Anwendung.

19
Datenerhebung durch den Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist (zu § 19)
19.01
RdNr. 16a.0 gilt entsprechend.
19.02
Mit „Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist“, werden die V-Personen begrifflich umschrieben. Maßgeblich ist, dass die Zusammenarbeit von V-Personen und Polizei Dritten nicht bekannt werden soll.
19.03
Für die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung durch die Polizei gilt der RdErl. d. Justizministeriums u. d. Innenministeriums v. 17.2.1986 (MBl. NRW. S. 203), geändert durch RdErl. v. 15.8.1996 (MBl. NRW. S. 1562), entsprechend.

19.1 (zu Absatz 1)
19.11
Die Polizei muss der V-Person den speziellen Auftrag erteilen, gezielt Daten über bestimmte oder bestimmbare Personen zu beschaffen.
19.12
V-Personen haben und erhalten keine hoheitlichen Befugnisse. In Ausnahmefällen kann es notwendig sein, ihnen einen Personenschutzsender oder entsprechende andere Geräte zum Schutz nach Maßgabe der §§ 17 und 18 mitzugeben.
19.13
Die RdNrn. 16a.13 bis 17.7 gelten entsprechend.

19.2 (zu Absatz 2)
19.21
Der personenbezogene und funktionsbezogene Auftrag an Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamte, über den Einsatz von V-Personen zu entscheiden, bedarf der Schriftform. Der Auftrag ist auf höchstens zwei Jahre zu befristen; Verlängerungen sind zulässig. Wer eine V-Person führt, ist einer strengen Aufsicht zu unterwerfen.
19.22
Der Einsatz einer V-Person, die gewerbsmäßig Nachforschungen betreibt, ist der Behördenleiterin oder dem Behördenleiter unverzüglich anzuzeigen. Ihr Einsatz darf für den Einzelfall über den Zeitraum von drei Monaten hinaus nur mit Genehmigung der Behördenleiterin oder des Behördenleiters erfolgen.
19.23
RdNr. 16a.25 gilt entsprechend.

19.3 (zu Absatz 3)
Die RdNrn. 16a.3, 17.51 ff. und 17.6 gelten entsprechend.

20
Datenerhebung durch den Einsatz Verdeckter Ermittler (zu § 20)
20.01
RdNr. 16.0 gilt entsprechend.
20.02
Als Verdeckte Ermittler dürfen nur für diese Funktion ausgebildete und bestimmte Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte eingesetzt werden.

20.1 (zu Absatz 1)
20.11
§ 20 Abs. 1 enthält die Legaldefinition für Verdeckte Ermittler. Voraussetzung für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers ist, dass die Aufgabenerfüllung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 ohne seinen Einsatz wesentlich erschwert oder entscheidend verzögert würde.
20.12
Der Verdeckte Ermittler unterliegt dem Legalitätsprinzip. Erhält er im Rahmen seiner Tätigkeit Kenntnis von Straftaten, hat er unverzüglich seine Dienststelle zu unterrichten. Die Dienststelle hat sodann - ggf. im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft - die erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung zu treffen. Dabei ist die Gefährdung des Verdeckten Ermittlers zu berücksichtigen. Im Einzelfall hat der Verdeckte Ermittler im Wege der Rechtsgüterabwägung und unter Berücksichtigung seiner Gefährdung zu entscheiden, ob er unter Preisgabe seiner Legende notwendige Sofortmaßnahmen vornimmt.

20.2 (zu Absatz 2)
20.21
Nach § 20 Abs. 2 ist es zulässig, dass andere Behörden auf Ersuchen der Polizeibehörde entsprechende Urkunden verändern oder ausstellen, die für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Legende des Verdeckten Ermittlers unerlässlich sind. Die Ersuchen sind an die Leiterin oder den Leiter der ersuchten Behörden unter Hinweis auf § 20 Abs. 2 zu richten.
20.22
Der Verdeckte Ermittler darf zur Erfüllung seines Auftrages unter der Legende bei öffentlichen Stellen auftreten und privatrechtliche Vereinbarungen treffen. Durch die unter der Legende erfolgte Teilnahme am Rechtsverkehr darf den Vertragspartnern kein wirtschaftlicher Schaden entstehen.

20.3 (zu Absatz 3)
Das Betretungsrecht des § 20 Abs. 3 Satz 1 beinhaltet keine Befugnis zur Durchsuchung der Wohnung.

20.4 (zu Absatz 4)
20.41
RdNr. 15a.3 gilt entsprechend.
20.42
Die RdNrn. 16a.13 und 17.7. gelten entsprechend.

20.5 (zu Absatz 5)
Die RdNrn. 16a.3, 17.51 ff., 17.6 gelten entsprechend.

21
Polizeiliche Beobachtung (zu § 21)
21.1 (zu Absatz 1)
21.11
Bei Kraftfahrzeugen hat die ausschreibende Polizeibehörde vierteljährlich zu prüfen, ob das zur Polizeilichen Beobachtung ausgeschriebene Kraftfahrzeug noch für den bisherigen Halter zugelassen ist.
21.12
Bei der Gesamtwürdigung i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 sind insbesondere die in Planung, Ausführung oder zeitlicher Folge gezeigte kriminelle Energie bei früheren Straftaten, die rücksichtslose Durchsetzung des verbrecherischen Willens oder die offensichtliche Wirkungslosigkeit von Straf- und Resozialisierungsmaßnahmen zu berücksichtigen.

21.2 (zu Absatz 2)
Die feststellende Behörde darf keine Ergänzungen in der Datei vornehmen, in der die Ausschreibung erfolgt ist. Die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung stellt keine Ermächtigung für sonstige Maßnahmen gegen Personen dar.

21.3 (zu Absatz 3)
Das Gericht, das die Anordnung getroffen hat, braucht nicht unterrichtet zu werden, wenn die Dauer der Ausschreibung nicht voll ausgeschöpft wird.

21.4 (zu Absatz 4)
Auf RdNr. 16a.3 wird verwiesen.

22
Allgemeine Regeln über die Dauer der Datenspeicherung (zu § 22)
22.0
Prüfungstermine und Aufbewahrungsfristen sind festzulegen, wenn sie sich nicht bereits aus dem Gesetz ergeben (vgl. z.B. § 15 Abs. 1, § 15a Abs. 2, § 15b Satz 3, § 22 Satz 5 sowie § 24 Abs. 2 und 4). Soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen, gelten die KpS-RL, die AktOPol sowie einschlägige andere Runderlasse und regionale oder örtliche Verfügungen weiter. Eine kalendermäßige Wiedervorlage ist einzurichten. Ist die suchfähige Speicherung (vgl. RdNr. 32.22) von Daten weiterhin erforderlich, ist das Prüfungsergebnis aktenkundig zu machen.

23
Zweckbindung bei der Datenspeicherung, Datenveränderung und Datennutzung (zu § 23)
23.0
Speichern ist das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Daten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 DSG NRW). Verändern ist das inhaltliche Umgestalten gespeicherter Daten (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 DSG NRW). Nutzung ist jede sonstige Verwendung personenbezogener Daten i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 7 DSG NRW, die nicht Erhebung, Speicherung, Veränderung, Übermittlung, Berichtigung, Sperrung, Löschung oder Vernichtung ist.

23.1 (zu Absatz 1)
23.11
§ 23 Abs. 1 geht als Spezialvorschrift dem § 13 DSG NRW vor. § 14 Abs. 4 DSG NRW ist nicht anzuwenden. Bei den Bezirksregierungen gilt § 23 Abs. 1 nur für den Polizeibereich (Dezernate 25 und 26 sowie Autobahnpolizei).
23.12
§ 23 Abs. 1 Satz 1 bildet keine rechtliche Grundlage für die Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Daten, sondern schreibt das aus der Verfassung abgeleitete Gebot der Zweckbindung fest. Die Rechtsgrundlage für die Speicherung, Veränderung und Nutzung ist § 24. § 23 Abs. 1 Satz 2 bietet nur eine Rechtsgrundlage für die Zweckänderung bei der Übernahme von gespeicherten Daten innerhalb der Polizeibehörde, soweit die Voraussetzungen für die erneute Erhebung gegeben wären.

23.2 (zu Absatz 2)
Wertende Angaben beinhalten eine auf Tatsachen basierende Einschätzung und geben somit auch in Zukunft erwartete Verhaltensweisen oder bestimmte Charaktereigenschaften der betroffenen Person wieder.

24
Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten (zu § 24)
24.01
Eine Akte ist jede der Aufgabenerfüllung dienende Unterlage, die nicht Teil der automatisierten Datenverarbeitung ist (§ 3 Abs. 6 DSG NRW). Polizeiliche Notizbücher, Einsatzbefehle und sonstige Einsatzunterlagen sind Akten im Sinne dieser Definition.
24.02
Datei ist eine Sammlung von Daten, die ohne Rücksicht auf die Art der Speicherung durch automatisierte Verfahren ausgewertet werden kann, oder eine gleichartig aufgebaute Sammlung von Daten, die nach bestimmten Merkmalen geordnet und ausgewertet werden kann.

24.1 (zu Absatz 1)
24.11
Voraussetzung für die Verarbeitung von Daten in den unter RdNr. 23.0 genannten Phasen ist, dass die Daten rechtmäßig erlangt wurden, und zwar unabhängig davon, ob die Polizei die Daten selbst erhoben hat oder ob sie ihr übermittelt worden sind. § 24 ist also nur die Rechtsgrundlage für die weitere Speicherung, Veränderung und Nutzung der bereits erhobenen Daten. Für die Datenerhebung ist eine eigenständige Rechtsgrundlage erforderlich, z.B. §§ 8 ff., § 27, § 30 oder eine Eingriffsnorm aus einem Spezialgesetz (StPO).


24.12
Er bietet lediglich die Möglichkeit, die aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften erhobenen Daten zur Dokumentation zu verwenden. Die Verwendung dieser Daten für eine Dokumentation ist nur zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das polizeiliche Handeln in einem bestimmten Fall auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit überprüft werden wird. Die Dokumentation ist zu vernichten, sobald die Überprüfung abgeschlossen ist oder sobald feststeht, dass eine Überprüfung nicht stattfinden wird. § 24 Abs. 7 bleibt unberührt.

24.2 (zu Absatz 2)
24.21
Hinsichtlich des Begriffes „suchfähig“ vgl. RdNr. 32.22.
24.22
Der Verdacht der Straftat gegen eine Person ist i.S.d. § 24 Abs. 2 Satz 5 insbesondere entfallen, wenn keine Straftat vorlag, der Beschuldigte nicht als Täter in Betracht kommt bzw. unter den Voraussetzungen der §§ 32 bis 37 StGB gehandelt hat oder eine Einstellung nach § 206b StPO erfolgte. In den Fällen einer Einstellung nach den §§ 153 ff., 205 oder 206a StPO sowie bei Vorliegen der §§ 24 und 31 StGB oder tätiger Reue entfällt der Verdacht in der Regel nicht.
24.23
Rechtsgrundlage für die Speicherung und Nutzung der nach § 81 b, 2. Alternative StPO erhobenen erkennungsdienstlichen Daten ist § 24 Abs. 2.

24.4 (zu Absatz 4)
Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 ist es nicht zulässig, über die dort genannten Personengruppen personenbezogene Daten in Dateien, welche nicht zur Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich sind, suchfähig zu verarbeiten. Durch Satz 1 wird die Verarbeitung der Daten dieser Personengruppe in Akten und in nicht suchfähiger Form in Dateien nicht beschränkt.

24.6 (zu Absatz 6)
§ 24 Abs. 6 ist eine gesetzliche Regelung zur Nutzungsänderung, die im Verhältnis zu besonderen Regelungen im Bundes- und Landesrecht nachrangig ist.

24.7 (zu Absatz 7)
RdNr. 24.6 gilt entsprechend.

25
Datenabgleich (zu § 25)
25.0
§ 25 ist keine Rechtsgrundlage zur Erhebung der Daten, die abgeglichen werden sollen. Obwohl nur § 25 Abs. 1 Satz 3 von rechtmäßig erlangten Daten spricht, kann auch der Datenabgleich nach § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 gemäß § 24 Abs. 1 nur mit rechtmäßig erlangten Daten vorgenommen werden.

25.1 (zu Absatz1)
25.11
Es muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass durch den Abgleich nach § 25 Abs. 1  Satz 1 sachdienliche Hinweise zu erhalten sind, die zur Abwehr der Gefahr genutzt werden können.
25.12
Die Voraussetzungen für den Datenabgleich nach § 25 Abs. 1 Satz 2 sind enger als die für die Befragung nach § 9.

25.2 (zu Absatz 2)
§ 25 Abs. 2 gibt nicht die Befugnis, eine betroffene Person, die bisher nicht angehalten worden ist, zum Zwecke der Durchführung des Datenabgleichs anzuhalten.

26
Allgemeine Regeln der Datenübermittlung (zu § 26)
26.0
Durch § 26 wird die verfassungsrechtlich gebotene Zweckidentität der gespeicherten personenbezogenen Daten im Hinblick auf ihre Übermittlung sichergestellt. Die Befugnis zur Datenübermittlung richtet sich nach §§ 27 bis 29. Übermitteln ist das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Daten an Dritte in der Weise, dass die Daten durch die verantwortliche Stelle weitergegeben oder zur Einsichtnahme bereitgehalten werden oder dass Dritte zum Abruf in einem automatisierten Verfahren bereitgehaltene Daten abrufen (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 DSG NRW).

26.2 (zu Absatz 2)
Dem Berufsgeheimnis unterliegen diejenigen Informationen, die insbesondere über § 203 Abs. 1 StGB geschützt sind oder für die die Träger von Berufsgeheimnissen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 53 und 53 a StPO geltend machen können. Besondere Amtsgeheimnisse sind
z.B. das Sozial- oder Steuergeheimnis; nicht hierunter fällt die allgemeine beamten- und verwaltungsverfahrensrechtliche Geheimhaltungspflicht.

26.3 (zu Absatz 3)
Unter den Begriff „Ersuchen des Empfängers“ i.S.d. § 26 Abs. 3 Satz 3 fällt auch ein Antrag nach § 29 Abs. 2. Ob eine Datenübermittlung im Einzelfall zulässig ist, richtet sich nach den §§ 27 bis 29. In den Fällen des § 26 Abs. 3 Satz 5 ist § 33 Abs. 5 und 6 zu beachten.

27
Datenübermittlung zwischen Polizeibehörden (zu § 27)
27.1 (zu Absatz 1)
§ 27 Abs. 1 Satz 1 lässt die Datenübermittlung von einer Polizeibehörde an eine andere des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bundes oder eines anderen Bundeslandes zu. Datenübermittlungen an eine Polizeieinrichtung  sind ebenfalls nach Satz 1 zulässig, wenn diese die Polizeibehörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt. Daneben können nach Satz 1 Datenübermittlungen an Polizeieinrichtungen im Einzelfall erfolgen, soweit deren Polizeivollzugsbeamte Maßnahmen im ersten Zugriff nach § 7 Abs. 3 POG NRW getroffen haben. Im Übrigen können Datenübermittlungen von einer Polizeibehörde an Polizeieinrichtungen unter den Voraussetzungen des§ 28 erfolgen.

27.2 (zu Absatz 2)
Mit der Verordnung über die Zulassung der Datenübermittlung von der Polizei an ausländische Polizeibehörden (PolDÜV) hat das Innenministerium von der Verordnungsermächtigung in Absatz 2 Gebrauch gemacht. Die Neufassung der PolDÜV ist seit dem 19. Dezember 2008 (SGV. NRW. 205) in Kraft. Die Vorgaben der PolDÜV sind bei der Übermittlung personenbezogener Daten an Polizeibehörden innerhalb der Europäischen Union sowie im Schengenraum vorrangig anzuwenden.

28
Datenübermittlung an öffentliche Stellen, an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen (zu § 28)
28.0
Datenübermittlungen der Polizei an andere Behörden aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen gehen der Datenübermittlung nach § 28 vor.

28.1 (zu Absatz 1)
Die Aufgaben der Polizei ergeben sich aus § 1. Durch § 28 Abs. 1 wird die Polizei auch ermächtigt, im Zusammenhang mit ihrem Auskunftsersuchen an öffentliche Stellen gemäß § 30 Abs. 2 eine Datenübermittlung vorzunehmen, soweit dies zum Zwecke der Datenerhebung erforderlich ist.

28.2 (zu Absatz 2)
§ 28 Abs. 2 gibt der Polizei die Befugnis, in Fällen, in denen die Kenntnis von personenbezogenen Daten für ein Tätigwerden einer öffentlichen Stelle der Gefahrenabwehr Voraussetzung ist, die Daten zu übermitteln. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Polizei die konkrete Gefahr nicht (endgültig) beseitigen kann und die öffentliche Stelle noch tätig werden muss. Da die Datenübermittlung durch die Polizei ohne Ersuchen einer anderen Behörde erfolgt, genügt es, dass die Übermittlung aus der Sicht der Polizei erforderlich erscheint.

28.3 (zu Absatz 3)
Die Datenübermittlung nach § 28 Abs. 3 Nr. 2 ist nicht vom Bestehen einer konkreten Gefahr abhängig. Die Vorschrift zielt vorrangig auf eine Datenübermittlung an Erlaubnisbehörden auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr ab. Bei der Entscheidungsvorbereitung benutzen die Erlaubnisbehörden die ihnen zugänglichen Informationsquellen. Die Übermittlung der Daten ist in Nummer 2 deshalb auf besonders gelagerte Einzelfälle begrenzt, deren Besonderheiten von der anfragenden Stelle darzulegen sind. Entsprechende Umstände können sich aus der Person, die die Erlaubnis beantragt, oder aus der besonderen Gefährdung ergeben, die insbesondere von der Lage des Objekts, in oder an dem die erlaubnispflichtige Tätigkeit ausgeübt werden soll, herrühren kann.

29
Datenübermittlung an Personen oder an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (zu § 29)
29.01
Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs sind natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts.
29.02
Bei Ausübung des Ermessens ist zu berücksichtigen, ob personenbezogene Daten in das In- oder Ausland übermittelt werden sollen oder ob der Polizei bekannt ist, dass die Empfängerin oder der Empfänger mit früher übermittelten Daten nicht rechtmäßig verfahren ist.

29.1 (zu Absatz 1)
Für die in § 1 Abs. 4 angesprochenen Aufgaben ist § 8 Abs. 2 zu beachten. Die Ausführungen zu RdNr. 28.1 gelten sinngemäß. § 29 Abs. 1 Nr. 1 findet auch Anwendung, wenn die Polizei zum Schutz privater Rechte i.S.d. § 1 Abs. 2 Daten erhoben hat und diese Geschädigten oder Gläubigern mitteilt.

29.2 (zu Absatz 2)
29.21
Auskunftsersuchen über die zur eigenen Person gespeicherten Daten richten sich nach § 18 DSG NRW.
29.22
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet, dass vor jeder Auskunftserteilung nach § 29 Abs. 2 geprüft wird, ob Auskunftsbegehrende die erbetenen Daten von einer anderen Stelle erhalten können, die von ihrer Aufgabenstellung her zu einer Auskunftserteilung befugt ist.
29.23
Ein rechtliches Interesse der Auskunftsbegehrenden i.S.d. § 29 Abs. 2 Nr. 1 ist gegeben, wenn sie die Daten des Dritten zur eigenen Rechtswahrung brauchen. Dies ist glaubhaft gemacht, wenn ein objektiver Betrachter nach Würdigung der vorzulegenden Beweismittel davon ausgehen kann, dass durch die Datenübermittlung die Rechtswahrung überwiegend wahrscheinlich wird.
29.24
Zielt das Auskunftsbegehren i.S.d. § 29 Abs. 2 Nr. 1 darauf ab, zur Wahrung rechtlicher Interessen den Aufenthalt einer Person zu erfahren, die sich nach den Angaben der Auskunftsbegehrenden in Untersuchungshaft oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt befindet oder befinden soll, sind die Auskunftsbegehrenden an die Justizbehörden zu verweisen.
29.25
§ 29 Abs. 2 Nr. 2 setzt voraus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die betroffene Person mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden wäre.

30
Datenübermittlung an die Polizei (zu § 30)
30.0
§ 30 findet Anwendung, soweit keine bereichsspezifischen Regelungen vorliegen.

30.1 (zu Absatz 1)
§ 30 Abs. 1 schränkt nicht die Möglichkeit ein, Strafanzeigen und Strafanträge zu stellen.

30.2 (zu Absatz 2)
Normadressaten des § 30 Abs. 2 Satz 5 können unmittelbar nur öffentliche Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen sein. Eine Durchsetzung des Ersuchens mit Zwangsmitteln ist unzulässig. Das Verfahren nach § 5 Abs. 5 VwVfG NRW findet Anwendung. Führt dies nicht zum Erfolg, kann in wichtigen Fällen dem Innenministerium berichtet werden, damit dieses ggf. mit den betroffenen Bundes- oder Landesressorts Kontakt aufnehmen kann.

31
Rasterfahndung (zu § 31)
31.1 (zu Absatz 1)
31.11
Die Vorschrift regelt die Rasterfahndung im präventiven Bereich. Der Befugnis der Polizei, die Übermittlung der Datenbestände zu verlangen, entspricht die Verpflichtung der Stelle zur Übergabe der geforderten Daten. Für die Anordnung der Maßnahme ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die im Gesetzeswortlaut genannten hochrangigen Rechtsgüter erforderlich. Die Übermittlung erfolgt in der Regel entweder durch die Herausgabe von magnetischen, magneto-optischen oder optischen Datenträgern oder durch Überspielen der Daten an die Polizei mittels technischer Einrichtungen zur Datenfernübertragung. Der Datenabgleich ist sowohl mit polizeieigenen Datenbeständen als auch mit denjenigen möglich, die von weiteren Stellen angefordert wurden. Eine Differenzierung zwischen Verdächtigen und Nichtverdächtigen bzw. Störern und Nichtstörern findet nicht statt.
31.12
Gegenüber privaten Stellen kann die Polizei die Verfügung zur Datenübermittlung auf der Grundlage der richterlichen Anordnung nach § 31 Abs. 4 notfalls im Wege des Verwaltungszwanges nach den §§ 50 ff. durchsetzen. Für öffentliche Stellen folgt die Verpflichtung zur Übermittlung aus bereichsspezifischen Regelungen oder aus § 30.
31.13
Die Rasterfahndung ist unter Beachtung des § 7 Abs. 1 Satz 2 POG NRW auch dann zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts räumlich auf ein anderes Land oder einen anderen Staat begrenzt oder geografisch nicht einzugrenzen ist, sofern der Schaden vorhersehbar durch dortige Stellen nicht mit vergleichbarer Wirksamkeit abgewendet werden kann.

31.2 (zu Absatz 2)
Das Übermittlungsersuchen darf sich nur auf die Daten beziehen, die notwendig sind, um durch die Rasterfahndung der im Einzelfall vorliegenden Gefahr begegnen zu können. Werden Daten i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 2 übergeben, ist die ersuchte Stelle darauf hinzuweisen, dass die von den Ermittlungsersuchen nicht erfassten Daten von der Polizei nicht genutzt werden.

31.3 (zu Absatz 3)
Die Löschungsverpflichtungen sind gesetzliche Bestimmungen i.S.d. § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr.1. RdNr. 16a.25 gilt entsprechend. Soweit die Übermittlung durch Herausgabe von Datenträgern erfolgt ist, sind diese zurückzugeben.

31.4 (zu Absatz 4)
31.41
Der Antrag auf richterliche Anordnung muss erkennen lassen, dass die Anzahl der zu erhebenden Daten auf das für die Rasterfahndung erforderliche Maß beschränkt wird. Dazu ist nach Möglichkeit vorher zu ermitteln, welche Daten bei welcher der um Auskunft zu ersuchenden Stellen erfasst sind.
31.42
RdNr. 15a.3 gilt entsprechend.
31.5 (zu Absatz 5)
Die RdNrn. 17.51 ff. gelten entsprechend.

32
Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (zu § 32)
32.1 (zu Absatz 1)
32.11
Berichtigung i.S.d. § 32 Abs. 1 bedeutet, dass die gespeicherten personenbezogenen Daten mit den Tatsachen in Übereinstimmung gebracht werden. Besteht der Verdacht der unrichtigen Datenspeicherung, müssen Ermittlungen in angemessenem Umfang von Amts wegen durchgeführt werden. Bis zum Abschluss der Ermittlungen sind die im Verdacht der Unrichtigkeit stehenden Daten mit einem Sperrvermerk zu versehen.
32.12
Die Berichtigungsbedürftigkeit der gespeicherten Daten kann auf Verarbeitungs-, Eingabe- oder Rechtschreibfehlern beruhen.
32.13
Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte können dazu führen, dass auch bei nichtautomatisierten Dateien entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 2 vorgegangen wird. In automatisierten Dateien kann erforderlichenfalls vermerkt werden, wann und aus welchem Grund eine Berichtigung erfolgte.

32.2 (zu Absatz 2)
32.21
Löschung ist das Unkenntlichmachen gespeicherter Daten (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 DSG NRW), wobei der Datenträger zur weiteren Verwendung erhalten bleibt. Vernichtung i.S.d. Gesetzes liegt vor, wenn eine weitere Verwendung des Datenträgers wegen seiner Unbrauchbarmachung nicht mehr möglich ist.
32.22
Suchfähigkeit i.S.d. § 32 Abs. 2 Satz 1 liegt vor, wenn anhand bestimmter Suchkriterien gezielt Daten aus Dateien oder Akten aufgefunden werden können.
32.23
Gesetzliche Bestimmungen i.S.d. § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 sind § 15 Abs. 1 Satz 3, § 21 Abs. 3, § 24 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 4 sowie § 31 Abs. 3.
32.24
Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sind gegeben, wenn die Speicherung nach § 24 Abs. 2 nicht zulässig war oder die weitere Datenspeicherung aufgrund einer Änderung der Sach- und Rechtslage nicht länger erfolgen darf.
32.25
Bei § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 sind § 21 Abs. 3 Satz 5, § 22 und § 24 zu beachten.
32.26
Aus § 32 Abs. 2 Satz 3 ergibt sich, dass in Fällen des § 32 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 die Akten jeweils vollständig zu vernichten sind. § 32 Abs. 2 Satz 3 ermöglicht, nur Teile der Akte zu vernichten, soweit durch die Herausnahme einzelner Blätter oder durch das Fehlen ganzer Unterordner die verbleibende Akte zur Aufgabenerfüllung ausreicht.
32.27
Sperrung ist das Verhindern weiterer Verarbeitung gespeicherter Daten (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 DSG NRW).

32.5 (zu Absatz 5)
32.51
Die Frist für die weitere Aufbewahrung ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles.
32.52
Schutzwürdige Belange i.S.d. § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 sind insbesondere gegeben, wenn die betroffene Person den Nachweis der Speicherung zur Rechtswahrung benötigt.
32.53
Eine Einwilligung i.S.d. § 32 Abs. 5 Satz 3 muss die Voraussetzung des § 4 DSG NRW erfüllen.

33
Errichtung von Dateien, Umfang des Verfahrensverzeichnisses, Freigabe von Programmen, automatisiertes Abrufverfahren (zu § 33)
33.2 (zu Absatz 2)
§ 33Abs. 2 trifft bereichsspezifische Ergänzungen zu § 8 DSG NRW. Im Übrigen ist § 32 a DSG NRW zu beachten. Für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Auftrag gilt § 11 DSG NRW.

33.4 (zu Absatz 4)
Die Programmfreigabe besteht aus der Anwendungsfreigabe sowie aus der system- und programmtechnischen Freigabe. Meine Erlassregelungen zur Planung und Verwirklichung von IT-Verfahren sowie zur Beschaffung von IT-Technik im Bereich der Polizei sind zu beachten.

33.5 (zu Absatz 5)
Abs. 5 regelt die Befugnis zur Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens im Sinne von § 9 Abs. 1 DSG NRW. Das automatisierte Abrufverfahren ist eine spezielle Form der Datenübermittlung. Die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens ermöglicht Datenübermittlungen in modifizierter Form zwischen der Polizeibehörde, die personenbezogene Daten als verantwortliche Stelle in einer Datei gespeichert hat, und dem Empfänger der Daten. Beim automatisierten Abrufverfahren entscheidet der Empfänger über die Auslösung des Übermittlungsvorgangs, ohne dass es vor der Übermittlung noch zu einem rechtlichen Prüfungsvorgang seitens der übermittelnden Stelle kommt. Ein nicht automatisierter Abruf ist in der heutigen Praxis eher selten. In Abgrenzung zu Absatz 6 befasst sich die Vorschrift nur mit dem einseitigen Abruf eines Dritten (vgl. Definition § 3 Abs. 4 DSG NRW), der an der Datei selbst nicht beteiligt ist. Ansonsten würde eine Verbunddatei nach Absatz 6 in Betracht kommen. Soweit es sich umgekehrt um einen Abruf der Polizei aus einer Datei einer anderen Stelle handelt, muss sich die Befugnis zur Einrichtung eines Abrufverfahrens aus dem für diese Stelle geltenden Fachgesetz ergeben (z.B. § 7 MeldDÜV NRW, § 30a StVG).

33.6 (zu Absatz 6)
Im Gegensatz zu Absatz 5, der nur das einseitige Abrufverfahren aus einer fremden Datei regelt, befasst sich Absatz 6 mit Verbunddateien, in denen mehrere Stellen personenbezogene Daten speichern und auch gegenseitig abrufen können. Es handelt sich dabei um eine Ergänzung zu § 4a DSG NRW. Soweit eine Verbunddatei mit anderen Ländern und/oder dem Bund eingerichtet werden soll, ist der Abschluss des Verwaltungsabkommens dem Innenministerium als oberster Landesbehörde vorbehalten. Die Rechtsnatur des Verwaltungsabkommens hängt von deren Inhalt im Einzelfall ab. Grundsätzlich ist nur die Teilnahme an einer Verbunddatei mit anderen Polizeibehörden zugelassen. Eine Ausnahme besteht nach Satz 3 für die Antiterrordatei und die Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz.

34
Platzverweisung (zu § 34)
34.1 (zu Absatz 1)
34.11
Die Platzverweisung ist erforderlichenfalls mit der Anordnung zu verbinden, mitgeführte Sachen (insbesondere Fahrzeuge) oder Tiere zu entfernen. Soll im Zusammenhang mit einer Platzverweisung eine Wohnung betreten oder durchsucht werden, müssen die Voraussetzungen des § 41 erfüllt sein.
34.12
Eine Platzverweisung kann auch gegen Schaulustige angeordnet werden, wenn allein deren Anwesenheit den Einsatz von Feuerwehr, Hilfs- und Rettungsdiensten behindert, insbesondere die Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge hierdurch versperrt ist.

34.2 (zu Absatz 2)
34.21
Die Verfügung erfordert eine Prognoseentscheidung, nach der Tatsachen die Annahme rechtfertigen müssen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat verüben oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Bloße Vermutungen reichen nicht aus.
34.22
Die Aufenthaltsuntersagung darf nicht den Bereich betreffen, in dem die Person ihre Wohnung hat oder in dem sie andere berechtigte Interessen (beispielsweise gerichtliche Ladungen) wahrnimmt.
34.23
§ 34 Abs. 2 ist nicht gegenüber potenziellen Versammlungsteilnehmern anzuwenden, da insoweit die Vorschriften des VersammlG (als fortgeltendes Bundesrecht) vorgehen.

34 a
Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt (zu § 34 a)
34a.0
Die Broschüre „Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln – Information für die Polizei und andere Beteiligte“ ist als verbindliche Handlungsanweisung zu beachten (RdErl. vom 21.3.2002 – 42.1-2761).

35
Gewahrsam (zu § 35)
35.0
§ 35 regelt den Entzug der Freiheit zur Gefahrenabwehr. Eine Freiheitsentziehung liegt außerdem in den Fällen der Durchsetzung einer Vorladung gemäß § 10 Abs. 3 oder Durchführung einer Identitätsfeststellung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 vor. Die Vorschriften über die Freiheitsentziehung in Strafverfahren (Verhaftung und vorläufige Festnahme, insbesondere nach den §§ 112 ff., 127 und 163b StPO) bleiben unberührt.

35.1 (zu Absatz 1)
35.11
Bevor eine hilflose Person in Gewahrsam genommen wird, ist zu prüfen, ob sie - ggf. unter Einschaltung des Rettungsdienstes - unmittelbar einem Angehörigen oder einer anderen geeigneten Stelle (Krankenhaus, Heim o. ä.) übergeben werden kann. Ebenso ist zu verfahren, wenn eine hilflose Person in Gewahrsam genommen worden ist. Soll eine hilflose Person in das Polizeigewahrsam eingeliefert werden, ist zuvor die Gewahrsamsfähigkeit durch einen Arzt feststellen zu lassen. Hilflosigkeit liegt insbesondere vor, wenn bei einer Person tiefgreifende Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Wahrnehmung, der Auffassung oder auch des Denkens einzeln oder in Kombination auftreten.
35.12
Wird aufgrund des § 35Abs. 1 Nr. 4 eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 36 herbeigeführt, ist die berechtigte Person unverzüglich zu unterrichten und darauf hinzuweisen, dass sie die Möglichkeit hat, gemäß § 918 ZPO einen über die Gewahrsamnahme hinausgehenden Sicherheitsarrest beim Arrestgericht (§ 919 ZPO) zu beantragen. Die verpflichtete Person ist im Falle eines Sicherheitsarrestantrages der berechtigten Person durch die Polizei dem Arrestgericht vorzuführen.

35.2 (zu Absatz 2)
Nicht erforderlich ist, dass von den Minderjährigen eine konkrete Gefahr ausgeht oder ihnen eine solche droht.

35.3 (zu Absatz 3)
Die Ingewahrsamnahme ist zulässig, wenn noch kein Vollstreckungshaftbefehl oder noch kein Ersuchen der Justizvollzugsanstalt vorliegt. Die Justizvollzugsanstalt ist unverzüglich zu unterrichten. Für die Zurückbeförderung der betroffenen Person sind möglichst die Sammeltransporteinrichtungen der Justizbehörden in Anspruch zu nehmen.

36
Richterliche Entscheidung (zu § 36)
36.1 (zu Absatz 1)
36.11
Die richterliche Entscheidung ist bereits vor der Freiheitsentziehung herbeizuführen, wenn dadurch der Erfolg der Maßnahme nicht gefährdet wird.
36.12
Eine schuldhafte Verzögerung liegt dann nicht vor, wenn der Richter aus Gründen, die nicht von der Polizei zu vertreten sind, nicht tätig werden kann.

37
Behandlung festgehaltener Personen (zu § 37)
37.0
Der Vollzug der Freiheitsentziehung im Polizeigewahrsam ist im Einzelnen in der Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (RdErl. d. Innenministeriums v. 20.3.2009, MBl. NRW. S. 254) geregelt.

37.2 (zu Absatz 2)
Auf RdNr. 4.2 wird verwiesen.

37.3 (zu Absatz 3)
Diese Norm regelt die offene Beobachtung mit technischen Mitteln zur Bild- und Tonübertragung von im Polizeigewahrsam befindlichen Personen. Die Datenaufzeichnung ist nicht zugelassen. Die Beobachtung dient zum Schutz der im Polizeigewahrsam befindlichen Personen (z.B. bei Suizidgefahr, Gefahr von Verletzungen oder Notfällen bei alkoholisierten Personen oder Drogenkonsumenten), soweit zuvor die Gewahrsamsfähigkeit ärztlich festgestellt wurde. Dazu wird auf die mit RdErl. des Innenministeriums vom 6.8.2009 bekanntgegebene Druckschrift „Ärztliche Beurteilung der Gewahrsamsfähigkeit - Handlungsempfehlungen für von der nordrhein-westfälischen Polizei beauftragte (Polizei-)Ärztinnen und (Polizei-)Ärzte“ verwiesen.

38
Dauer der Freiheitsentziehung (zu § 38)
38.1 (zu Absatz 1)
Die Polizei hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung entfallen sind. Sie hat von sich aus darauf hinzuwirken, dass die betroffene Person so bald wie möglich entlassen werden kann.

39
Durchsuchung von Personen (zu § 39)
39.01
§ 39 regelt die Durchsuchung von Personen zur Gefahrenabwehr. Die Durchsuchung von Personen in Straf- oder Bußgeldverfahren richtet sich nach den §§ 102 ff. StPO.
39.02
Die Durchsuchung von Personen beschränkt sich auf die Suche nach Sachen, die sich in den Kleidern der Person oder an ihrem Körper befinden können. Zu diesem Zweck kann von der Person ggf. verlangt werden, Kleidungsstücke abzulegen. Auch in der Mundhöhle und in den Ohren kann erforderlichenfalls nachgesehen werden. Die Suche nach Gegenständen im Innern des Körpers einschließlich der nicht ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen stellt eine körperliche Untersuchung dar (vgl. die §§ 81a und 81c StPO) und fällt deshalb nicht unter § 39.
39.03
Bei einer Durchsuchung aufgefundene Gegenstände sind der betroffenen Person zu belassen, wenn sie weder nach § 43 sichergestellt noch nach den §§ 94 ff. StPO sichergestellt oder beschlagnahmt oder nach § 37 Abs. 3 Satz 3 einbehalten werden dürfen.

39.1 (zu Absatz 1)
39.11
Die Durchsuchung nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 dient der Suche nach Sachen, die zum Angriff auf Personen oder Sachen, zur Flucht oder Selbstgefährdung geeignet sind.
39.12
§ 39 Abs. 1 Nr. 2 dient dem Auffinden von Gegenständen, die nach § 43 sichergestellt werden dürfen. Voraussetzung ist, dass entsprechende Tatsachen vorliegen; bloße Vermutungen reichen nicht aus.
39.13
Die Durchsuchung hilfloser Personen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 beschränkt sich auf die Suche nach Identitätspapieren, nach „Unfallausweisen“ sowie nach Hinweisen für den Grund der Hilflosigkeit, um Beistand leisten zu können. Vom Zweck der Vorschrift werden auch Durchsuchungen getragen, die dem Auffinden von Gegenständen dienen, durch die eine Gefährdung der Person eintreten kann.

39.2 (zu Absatz 2)
Die Durchsuchung nach § 39 Abs. 2 dient der Eigensicherung und dem Schutz Dritter (z.B. bei gemeinschaftlicher Unterbringung im Gewahrsam).

40
Durchsuchung von Sachen (zu § 40)
40.01
§ 40 regelt die Durchsuchung von Sachen zur Gefahrenabwehr. Die Durchsuchung von Sachen in Straf- oder Bußgeldverfahren richtet sich nach den §§ 102 ff. StPO.
40.02
Bei der Durchsuchung der am Körper befindlichen Kleidungsstücke und deren Inhalt handelt es sich nicht um eine Durchsuchung von Sachen i.S.d. Vorschrift, sondern um eine Durchsuchung von Personen (RdNr. 39.02).
40.03
Für die Durchsuchung von Sachen im befriedeten Besitztum gelten die §§ 41 und 42.
40.04
RdNr. 39.03 gilt entsprechend.

40.1 (zu Absatz 1)
40.11
Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 kann sich unter den Voraussetzungen des § 39 die Durchsuchung der Person auch auf die Sachen erstrecken, die die Person mitführt, d. h. die in ihrem unmittelbaren und sofortigen Zugriff stehen.
40.12
Sollen bewegliche Sachen, die Wohnungen sind (vgl. RdNr. 41.11), betreten oder durchsucht werden, richten sich die Maßnahmen nach § 41.

40.2 (zu Absatz 2)
Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist auf sein Recht hinzuweisen, bei der Durchsuchung anwesend sein zu können. Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte kommen als Zeuginnen und Zeugen nur in Betracht, wenn andere Personen zu diesem Zwecke nicht hinzugezogen werden können.

41
Betreten und Durchsuchung von Wohnungen (zu § 41)
41.0
§ 41 regelt das Betreten und die Durchsuchung von Wohnungen zur Gefahrenabwehr. Die Durchsuchung von Wohnungen in Straf- oder Bußgeldverfahren richtet sich nach den §§ 102 ff. StPO.

41.1 (zu Absatz 1)
41.11
Es ist zu beachten: Wohnungen i.S.d. § 41 Abs. 1 Satz 2 sind auch die zu Wohnzwecken genutzten beweglichen Sachen wie Schiffe, Wohnwagen, Wohnmobile und Zelte. Inhaber einer Wohnung ist, wer rechtmäßig die tatsächliche Gewalt über die Räumlichkeit ausübt, somit z.B. auch Mieter, Untermieter oder Hotelgast. Bei Gemeinschaftsunterkünften, Internaten und Obdachlosenasylen sind nur die Leiterinnen und Leiter Inhaber. Die Befugnis zum Betreten einer Wohnung schließt die Befugnis ein, von Personen, Sachen und Zuständen, die ohne weiteres wahrgenommen werden können, Kenntnis zu nehmen. Soweit es für die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erforderlich ist, umfasst das Betretungsrecht bei Grundstücken auch das Recht zum Befahren mit Fahrzeugen.
41.12
§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 setzt keine Gefahr i.S.d. in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 genannten Schutzgüter voraus und dient insbesondere dem wirksamen Schutz der Nachtruhe vor erheblichen Ruhestörungen und zur Beendigung einer Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 17 Abs. 1 d des Landes-Immissionsschutzgesetzes (LImSchG). Von einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft ist in der Regel nur auszugehen, wenn die Polizei um Hilfe gerufen wird und nach Würdigung aller Umstände die Immissionen nicht zumutbar sind.
41.13
Die Durchsuchung einer Wohnung hat sich auf Anlass und Zweck der Durchsuchung zu beschränken. Befinden sich in der Wohnung Personen, die durchsucht werden sollen, ist hierfür § 39 maßgebend. Sollen in einer Wohnung Sachen durchsucht werden, die nicht den Wohnungsinhabern gehören, ist § 40 einschlägig.

41.3 (zu Absatz 3)
Unter den Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 können Wohnungen auch zur Verhütung von Straftaten betreten werden, ohne dass bereits eine konkrete Gefahr vorzuliegen braucht. Die Hinweise in den RdNrn. 12.13 und 12.14 sind zu beachten.

42
Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen (zu § 42)
42.0
§ 42 regelt das Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen zur Gefahrenabwehr. Das Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen in Straf- oder Bußgeldverfahren richtet sich nach den §§ 102 ff. StPO.

42.2 (zu Absatz 2)
Wohnungsinhaber sind auf das Recht hinzuweisen, bei der Durchsuchung anwesend sein zu können.

43
Sicherstellung (zu § 43)
43.01
§ 43 regelt die Sicherstellung zur Gefahrenabwehr. Die Sicherstellung von Gegenständen, die als Beweismittel in Straf- oder Bußgeldverfahren von Bedeutung sein können, richtet sich nach den §§ 94 ff. StPO. Für die Sicherstellung von Gegenständen, die der Einziehung unterliegen, gelten die §§ 111b ff. StPO.
43.02
Unter § 43 Nr. 1 fällt auch die Sicherstellung von Fahrzeugen. Einzelheiten über die Durchführung ergeben sich aus dem RdErl. v. 25.6.1979 (SMBl. NRW. 20510) „Sicherstellung von Fahrzeugen durch die Polizei“ in der aktuellen Fassung.
43.03
Die Durchführung der Sicherstellung von Sachen, die von in Gewahrsam genommenen Personen mitgeführt werden, richtet sich nach der Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (RdErl. d. Innenministeriums v. 20.3.2009, MBl. NRW. S. 254).

44
Verwahrung (zu § 44)
44.0
Verwahrung i.S.d. § 44 ist die Aufbewahrung einer Sache oder eines Tieres bei der Polizei oder bei Dritten im Auftrag der Polizei. Als Verwahrung gilt auch die Sicherstellung einer Sache auf andere Art (z.B. durch Versiegelung). Ist die Sicherstellung im Straf- oder Bußgeldverfahren erfolgt, richtet sich die Verwahrung nach § 109 StPO. Einzelheiten ergeben sich aus dem RdErl. v. 24.10.1983 (SMBl. NRW. 20510) Behandlung von Verwahrstücken im Bereich der Polizei.

44.1 (zu Absatz 1)
44.11
Die Beschaffenheit einer Sache lässt deren Aufbewahrung bei der Polizei insbesondere dann nicht zu, wenn wegen der Größe oder des Gewichts des Gegenstandes ein Transport undurchführbar ist oder wenn die Sache nur unter besonderen technischen Sicherungsmaßnahmen, die der Polizei nicht möglich sind, gelagert werden kann.
44.12
Die Aufbewahrung von Sachen oder Tieren bei der Polizei ist unzweckmäßig, wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass die erforderliche Art und Weise der Aufbewahrung und die notwendigen Maßnahmen zu deren Erhaltung Dritten ohne Gefährdung des Sicherstellungszweckes eher möglich sind als der Polizei. Dies gilt insbesondere für die Verwahrung von Kraftfahrzeugen.

44.3 (zu Absatz 3)
Die Sorgfaltspflicht nach § 44 Abs. 3 Satz 1 gilt auch dann, wenn die Polizei eine dritte Peron mit der Verwahrung beauftragt, es sei denn, dass diese von der berechtigten Person gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 benannt wird. Die Pflicht, Wertminderungen vorzubeugen, erstreckt sich insbesondere auf sachgerechte Lagerung, Wartung und nötige Pflege sowie auf den Schutz gegen Beeinträchtigungen durch Dritte. Außergewöhnliche Schutzmaßnahmen und Maßnahmen, deren Kosten den Wert der Sache übersteigen, sind nicht erforderlich. Die Pflege der Sache oder des Tieres kann der betroffenen Person selbst oder einer von ihr beauftragten Person überlassen werden, wenn der Zweck der Sicherstellung dadurch nicht gefährdet wird.

45
Verwertung, Vernichtung (zu § 45)
45.0
Ist die Sicherstellung im Straf- oder Bußgeldverfahren erfolgt, richtet sich die Verwertung der Sache nach § 111l StPO oder nach Maßgabe eines Gerichtsbeschlusses.

45.1 (zu Absatz 1)
45.11
Unverhältnismäßig hoch sind Kosten, die den Wert der Sache übersteigen. Übernimmt die betroffene Person die Kosten, kommt eine Verwertung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 nicht in Betracht. Unverhältnismäßig hohe Schwierigkeiten können sich aus dem Umfang oder der Beschaffenheit der Sache ergeben, so z.B. bei Sachen, für die sich kein Aufbewahrungsort oder keine Betreuung finden lässt.
45.12
Berechtigte Person i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 4 ist außer dem Eigentümer jede Person, die ein Recht zum Besitz der Sache hat (z.B. als Mieter, Pächter, Entleiher, Pfandgläubiger). Die Jahresfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der Sicherstellung.
45.13
§ 45 Abs. 1 Nr. 5 setzt voraus, dass die Sicherstellungsgründe endgültig entfallen sind und die berechtigte Person und deren Aufenthaltsort der Polizei bekannt sind. Der Begriff der berechtigten Person stimmt mit dem in § 45 Abs. 1 Nr. 4 überein. Sind der Polizei mehrere berechtigte Personen bekannt, soll die Mitteilung jeder dieser Personen zugestellt werden. Die Frist ist so zu bemessen, dass die berechtigte Person in der Lage ist der Aufforderung nachzukommen. Dabei ist vor allem auf die Entfernung zwischen dem Wohnort der berechtigten Person und dem Verwahrungsort und auf sonst bekannte Umstände (z.B. Krankheit, Urlaub) Rücksicht zu nehmen. Werden solche Umstände später bekannt, ist die Frist ggf. neu zu bemessen. Kann die berechtigte Person nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden, ist eine Verwertung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 zulässig.

45.2 (zu Absatz 2)
Die Anhörung kann schriftlich oder mündlich durchgeführt werden. Sie kann unterbleiben, wenn sich die berechtigte Person nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln lässt.

45.3 (zu Absatz 3)
Die Anordnung des freihändigen Verkaufs sowie dessen Zeit und Ort sind der berechtigten Person mitzuteilen, soweit Umstände und Zweck der Maßnahme es erlauben.

45.4 (zu Absatz 4)
Nach der Unbrauchbarmachung ist die Sache gemäß § 46 Abs. 1 an die Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden ist.

46
Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten (zu § 46)
46.0
Ist die Sicherstellung im Straf- oder Bußgeldverfahren erfolgt, richtet sich die Herausgabe der Sache nach § 111k StPO oder nach Maßgabe eines Gerichtsbeschlusses.

46.1 (zu Absatz 1)
Die Herausgabe nach § 46 Abs. 1 Satz 1 ist dann nicht möglich, wenn die Sache nicht bei einer bestimmten Person sichergestellt worden ist und weder die berechtigte Person noch ihr Aufenthaltsort mit angemessenem Aufwand zu ermitteln sind. Machen mehrere Personen ihre Berechtigung i.S.d. § 46 Abs. 1 Satz 2 glaubhaft, ist die Sache unter Benachrichtigung der übrigen Personen an diejenige herauszugeben, deren Recht am stärksten erscheint.

46.4 (zu Absatz 4)
Ist die berechtigte Person i.S.d. § 46 Abs. 1 oder ihr Aufenthaltsort nicht bekannt oder nicht mit angemessenem Aufwand zu ermitteln, kommt eine Verwertung nur über § 983 BGB in Betracht.

47
Vollzugshilfe (zu § 47)
47.1 (zu Absatz 1)
47.11
Behörden i.S.d. § 47 Abs. 1 sind insbesondere
a) alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen,
b) Gerichte,
c) Parlamentspräsidentinnen und Parlamentspräsidenten.
47.12
Vollzugshilfe liegt nicht vor, wenn
die Polizei innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe leistet,
die Hilfeleistung in einer Handlung besteht, die der Polizei als eigene Aufgabe obliegt,
die Hilfeleistung in einer Handlung besteht, durch die nicht in die Rechte von Personen eingegriffen wird.

47.2 (zu Absatz 2)
47.21
Die Zulässigkeit der Maßnahme, die durch die Vollzugshilfe verwirklicht werden soll, richtet sich nach dem für die ersuchende Behörde geltenden Recht. Diese Behörde trägt daherdie Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der durchzusetzenden Maßnahme. Deshalb ist die Polizei grundsätzlich nicht verpflichtet, die Rechtsmäßigkeit dieser Maßnahme zu prüfen (vgl. aber die RdNrn. 49.2 und 49.3).
47.22
Hält die Polizei ein an sie gerichtetes Ersuchen für nicht zulässig, teilt sie das der ersuchenden Behörde mit. Besteht diese auf der Vollzugshilfe, entscheidet über die Verpflichtung zur Vollzugshilfe die gemeinsame Aufsichtsbehörde oder, sofern eine solche nicht besteht, die für die Polizei zuständige Aufsichtsbehörde. Dulden die Gesamtumstände nach Auffassung der ersuchenden Behörde keinen Aufschub bis zur Entscheidung der Aufsichtsbehörde, hat die Polizei dem Ersuchen zu entsprechen und unverzüglich ihrer Aufsichtsbehörde zu berichten.
47.23
Die Polizei darf die Vollzugshilfe nicht deshalb verweigern, weil sie die beabsichtigte Maßnahme für unzweckmäßig hält.
47.24
Die Durchführung der Vollzugshilfe richtet sich nach dem für die Polizei geltenden Recht. Die Polizei trägt die Verantwortung für die Art und Weise der Anwendung des unmittelbaren Zwanges. Im übrigen sind Beanstandungen an die ersuchende Behörde weiterzuleiten; hiervon ist die betroffene Person zu unterrichten.
47.25
Wird die Polizei aufgrund eines Vollzugshilfeersuchens tätig, soll sie das nach außen zu erkennen geben, sofern es nicht offensichtlich ist.

47.3 (zu Absatz 3)
Die Verpflichtung zur Amtshilfe ergibt sich aus Artikel 35 Abs. 1 GG und den §§ 4 ff. VwVfG NRW. Wegen der Gewährung des erforderlichen persönlichen Schutzes anderer Vollzugsdienstkräfte und des Schutzes ihrer Vollstreckungsmaßnahmen vgl. § 65 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Vergleichbare Regelungen enthalten z.B. die §§ 758 Abs. 3 und 759 ZPO.

49
Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung (zu § 49)
49.1 (zu Absatz 1)
Die ersuchende Behörde trägt gegenüber der Polizei die Verantwortung für die Zulässigkeit der in Vollzugshilfe durchgeführten Freiheitsentziehung. Daher hat die ersuchende Behörde grundsätzlich die richterliche Entscheidung herbeizuführen.

49.2 (zu Absatz 2)
Übersendet die ersuchende Behörde die richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung nicht oder bezeichnet sie den Rechtsgrund für diese Freiheitsentziehung nicht im Vollzugshilfeersuchen, hat die Polizei die Vollzugshilfe zu verweigern. Das gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde darlegt, dass eine Freiheitsentziehung ohne vorherige richterliche Entscheidung zulässig ist und diese wegen der Dringlichkeit der Maßnahmen sofort durchgeführt werden muss.

49.3 (zu Absatz 3)
Die Prüfung nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 obliegt der ersuchenden Behörde. Die Polizei hat der ersuchenden Behörde unverzüglich alle Anhaltspunkte mitzuteilen, die für einen Wegfall des Grundes der Freiheitsentziehung sprechen. Erhält die Polizei sichere Kenntnis vom Wegfall des Grundes und ist die ersuchende Behörde nicht erreichbar, hat die Polizei die festgehaltene Person zu entlassen.

50
Zulässigkeit des Verwaltungszwanges (zu § 50)
50.1 (zu Absatz 1)
Rechtsmittel gegen Verwaltungsakte haben u. a. keine aufschiebende Wirkung, wenn es sich um unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) handelt und das Verwaltungsgericht nicht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels angeordnet hat.

50.2 (zu Absatz 2)
Die Anwendung des Verwaltungszwanges ohne vorausgehenden Verwaltungsakt (sofortiger Vollzug) ist nur zulässig, wenn ein fiktiver Verwaltungsakt rechtmäßig wäre.

51
Zwangsmittel (zu § 51)
51.1 (zu Absatz 1)
Die zulässigen Zwangsmittel sind in § 51 Abs. 1 abschließend aufgezählt. Mit anderen Zwangsmaßnahmen dürfen Verwaltungsakte nicht durchgesetzt werden.

52
Ersatzvornahme (zu § 52)
52.1 (zu Absatz 1)
Eine Ersatzvornahme liegt auch vor, wenn die Polizei die vertretbare Handlung selbst ausführt. Vertretbar ist eine Handlung, wenn sie nicht nur von der betroffenen Person persönlich (z.B. durch Abgabe einer Erklärung), sondern ohne Änderung ihres Inhalts auch von einer anderen vorgenommen werden kann. Die Vorschrift ermächtigt die Polizei nicht, eine andere Person hoheitlich zur Ausführung der Ersatzvornahme zu verpflichten; eine solche Befugnis kann sich im Ausnahmefall aus § 8 in Verbindung mit § 6 ergeben.

53
Zwangsgeld (zu § 53)
53.0
Die Festsetzung eines Zwangsgeldes durch die Polizei kommt, außer zur Durchsetzung eines Rückkehrverbotes gemäß § 34 a und ggf. zur Durchsetzung einer Platzverweisung gemäß § 34 Abs. 2, nur in seltenen Fällen in Betracht, da mit diesem Zwangsmittel die Gefahr von der Polizei in aller Regel nicht rechtzeitig abgewehrt werden kann.

53.1 (zu Absatz 1)
Das Zwangsgeld muss in bestimmter Höhe festgesetzt werden (also nicht z.B. „bis zu 300 Euro“). Dabei sind Dauer und Umfang des pflichtwidrigen Verhaltens (erster Verstoß oder Wiederholungsfall), die finanzielle Leistungsfähigkeit der betroffenen Person und die Bedeutung der Angelegenheit zu berücksichtigen.

53.3 (zu Absatz 3)
§ 53 Abs. 3 Satz 3 verdeutlicht die einschränkende Auslegung des Grundsatzes des Satzes 2 in Anlehnung an § 60 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW, so dass eine nachträgliche Beitreibung des Zwangsgeldes bei dem Zuwiderhandeln gegen eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht durchführbar ist.

54
Ersatzzwangshaft (zu § 54)
54.1 (zu Absatz 1)
Das Zwangsgeld ist dann uneinbringlich, wenn die Beitreibung ohne Erfolg versucht worden ist oder wenn offensichtlich ist, dass sie keinen Erfolg haben wird.

55
Unmittelbarer Zwang (zu § 55)
55.1 (zu Absatz 1)
55.11
Der Begriff des unmittelbaren Zwanges ist in § 58 definiert. Unmittelbarer Zwang kommt vor allem zur Durchsetzung unvertretbarer Handlungen, Duldungen und Unterlassungen in Betracht, erforderlichenfalls auch zum Anhalten von Personen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 12 Abs. 2 Satz 2 oder § 25 Abs. 2.
55.12
Andere Zwangsmittel sind auch dann unzweckmäßig, wenn sie der betroffenen Person einen größeren Nachteil verursachen würden als die Anwendung unmittelbaren Zwanges.

55.2 (zu Absatz 2)
Für die Erzwingung von Angaben kommt nur ein Zwangsgeld in Betracht (vgl. RdNr. 10.3).

56
Androhung der Zwangsmittel (zu § 56)
56.1 (zu Absatz 1)
Eine schriftliche Androhung ist z.B. dann nicht möglich, wenn durch die dadurch bewirkte Verzögerung der Anwendung des Zwangsmittels die Gefahr nicht rechtzeitig abgewehrt würde.

56.5 (zu Absatz 5)
Bei der Androhung des Zwangsgeldes ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht auf Antrag der Polizei Ersatzzwangshaft anordnen kann, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist.

57
Rechtliche Grundlagen (zu § 57)
57.0
Die §§ 57 bis 66 gelten sowohl für die Gefahrenabwehr als auch für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, soweit die StPO keine Regelung über unmittelbaren Zwang enthält.

57.1 (zu Absatz 1)
Der Hinweis auf die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes gilt insbesondere für die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens (vgl. die §§ 2 und 3).

58
Begriffsbestimmungen, zugelassene Waffen (zu § 58)
58.1 (zu Absatz 1)
Die drei Formen des unmittelbaren Zwanges sind abschließend aufgeführt (vgl. RdNr. 51.1).

58.2 (zu Absatz 2)
Unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen ist z.B. die Anwendung entsprechender Eingriffstechniken. Auf Sachen wird unmittelbar körperlich eingewirkt z.B. bei dem Eintreten einer Tür oder dem Einschlagen einer Fensterscheibe.

58.3 (zu Absatz 3)
58.31
Die Aufzählung ist beispielhaft. Auch andere Gegenstände können als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt in Betracht kommen, jedoch muss ihre Wirkung in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen.
58.32
Sprengmittel dürfen gemäß § 66 Abs. 4 nur gegen Sachen angewendet werden. Zur Ablenkung von Störern bestimmte pyrotechnische Mittel (Irritationsmittel) sind keine Sprengmittel.
58.33
Wegen der Anwendung von Fesseln vgl. § 62.
58.34
Als technische Sperren zum Absperren von Straßen, Plätzen oder anderem Gelände kommen z.B. Fahrzeuge, Container, Sperrgitter, Sperrzäune, Seile, Stacheldraht und Nagelböden in Betracht.
58.35
Diensthunde müssen für ihre Verwendung besonders abgerichtet sein. Der Einsatz darf nur durch dafür ausgebildete Polizeivollzugsbeamtinnen oder –beamte erfolgen.
58.36
Reiz- und Betäubungsstoffe dürfen nur gebraucht werden, wenn der Einsatz körperlicher Gewalt oder anderer Hilfsmittel keinen Erfolg verspricht und wenn durch den Einsatz dieser Stoffe die Anwendung von Waffen vermieden werden kann. Zu dem Gebrauch von Reiz- und Betäubungsstoffen gehört auch die Verwendung von Tränengas- und Nebelkörpern. Der Einsatz barrikadebrechender Reizstoffwurfkörper oder barrikadebrechender pyrotechnischer Mittel i.S.d. RdNr. 58.32 Satz 2 ist nur unter den Voraussetzungen des Gebrauchs von Schusswaffen gegen Personen zulässig.

58.4 (zu Absatz 4)
58.41
Die Aufzählung der zugelassenen Waffen ist abschließend.
58.42
Schläge mit Schlagstöcken sollen gegen Arme oder Beine gerichtet werden, um schwerwiegende Verletzungen zu vermeiden.
58.43
Wegen des Gebrauchs von Schusswaffen vgl. § 61 und die §§ 63 ff.

59
Handeln auf Anordnung (zu § 59)
59.0
Die Vorschrift ist eine Sonderregelung gegenüber § 59 des Landesbeamtengesetzes (LBG). Die Verpflichtung, die Anordnung zu befolgen, wird nur eingeschränkt durch § 59 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2. Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der Anordnung berühren die Gehorsamspflicht nicht. Diese Regelung wird nun durch § 36 Abs. 2 und 3 Beamtenstatusgesetz getroffen.

59.1 (zu Absatz 1)
59.11
Bei einem Einsatz von mehreren Polizeivollzugsbeamten und -beamtinnen ist  die Einsatzleiterin oder der Einsatzleiter befugt, unmittelbaren Zwang anzuordnen, einzuschränken oder zu untersagen. Ist nicht bestimmt, wer den Einsatz leitet, oder fällt die Einsatzleitung aus, ohne dass eine Vertretung bestellt ist, tritt die anwesende Polizeivollzugsbeamtin oder der anwesende Polizeivollzugsbeamte mit dem höchsten Dienstrang an seine Stelle. Ist nicht sofort feststellbar, wer das ist, darf jede anwesende Polizeivollzugsbeamtin und jeder anwesende Polizeivollzugsbeamte die Führung einstweilen übernehmen. Dies ist bekannt zu geben.
59.12
Vor Beginn eines Einsatzes sind die Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten über die sie betreffenden Weisungsverhältnisse zu unterrichten. Insbesondere muss jeder eingesetzten Polizeivollzugsbeamtin und jedem –beamten bekannt sein, wer den Einsatz leitet, wer die Vertretung ausübt und wer sonst zu Weisungen befugt ist.
59.13
Die Befugnis höherer Vorgesetzter oder einer sonst dazu berechtigten Person (z.B. eines Staatsanwalts), die Anwendung unmittelbaren Zwanges anzuordnen, einzuschränken oder zu untersagen, bleibt unberührt. Hinsichtlich der Anordnung unmittelbaren Zwanges durch die Staatsanwaltschaft sind die Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts (RiStBV Anlage A) zu beachten.
59.14
Befinden sich die Anordnenden nicht am Ort des Vollzugs, dürfen sie unmittelbaren Zwang nur anordnen, wenn sie sich ein so genaues Bild von den am Ort des Vollzugs herrschenden Verhältnissen verschafft haben, dass ein Irrtum über die Voraussetzungen der Anwendung unmittelbaren Zwanges nicht zu befürchten ist. Ändern sich zwischen der Anordnung und ihrer Ausführung die tatsächlichen Verhältnisse und können die Anordnenden vor der Ausführung nicht mehr verständigt werden, entscheiden die am Ort leitenden Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten über die Anwendung unmittelbaren Zwanges. Die Anordnenden sind unverzüglich hierüber zu verständigen.

60
Hilfeleistung für Verletzte (zu § 60)
60.0
Die Verpflichtung, Verletzten Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen, ist vordringlicher als die Beweissicherung und geht auch Berichtspflichten vor.

61
Androhung unmittelbaren Zwanges (zu § 61)
61.1 (zu Absatz 1)
61.11
Unmittelbarer Zwang darf nur angedroht werden, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen für seine Anwendung gegeben sind. Die Androhung kann grundsätzlich in jeder Form erfolgen; sie muss unmissverständlich sein. Die im Leitfaden 371 (Eigensicherung) empfohlenen Sicherungshaltungen reichen allein nicht aus.
61.12
Der Schusswaffengebrauch wird in der Regel mündlich angedroht durch den vernehmlichen Ruf: „Polizei! Keine Bewegung - oder ich schieße!“ oder vor allem gegenüber Fliehenden: „Polizei! Halt! - oder ich schieße!“ oder eine ähnliche Aufforderung. Das Wort „Polizei“ kann im Anruf unterbleiben, wenn ohneweiteres erkennbar ist, dass es sich um den Einsatz von Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten handelt. Wenn die Umstände es zulassen oder wenn Zweifel bestehen, ob die Person den Anruf verstanden hat, ist er zu wiederholen. Der Schusswaffengebrauch kann auch durch Lautsprecher angedroht werden.
61.13
Ist eine mündliche Androhung des Schusswaffengebrauchs nicht möglich, weil z.B. die Entfernung zu groß ist oder weil aus sonstigen Gründen anzunehmen ist, dass der Anruf nicht verstanden wird oder verstanden worden ist, können ein oder mehrere Warnschüsse abgegeben werden.  Warnschüsse sind so abzugeben, dass eine Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist.
61.14
Zwischen der Androhung der Zwangsmaßnahme und ihrer Anwendung soll eine den Umständen nach angemessene Zeitspanne liegen.
61.15
Personen, gegen die nach Begründung des amtlichen Gewahrsams unter den in § 64 Abs. 1 Nr. 4 genannten Voraussetzungen von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden darf, sollen zu Beginn des Gewahrsams darauf hingewiesen werden. Um einen Schusswaffengebrauch zu vermeiden, ist auf eine sorgfältige Sicherung dieser Personen zu achten. Das gilt vor allem bei Transporten. Die Belehrung ersetzt nicht die Androhung des Schusswaffengebrauchs im Einzelfall.

61.3 (zu Absatz 3)
61.31
Zwischen der wiederholten Androhung des Schusswaffengebrauchs gegen Personen in einer Menschenmenge und dem Gebrauch der Schusswaffe soll so viel Zeit verstreichen, dass sich insbesondere Unbeteiligte aus der Menge entfernen können; vgl. auch RdNr. 65.2.
61.32
Die Androhung hat grundsätzlich durch Lautsprecher zu erfolgen. Ihr soll alsdann durch Warnschüsse oder auf andere unmissverständliche Weise Nachdruck mit dem Ziel verliehen werden, letztlich den Schusswaffengebrauch auf Personen in der Menschenmenge zu vermeiden.

62
Fesselung von Personen (zu § 62)
62.01
Widerstand leistet i.S.d. § 62 Satz 1 Nr. 1, wer sich einer polizeilichen Anordnung aktiv widersetzt; passives Verhalten (z.B. Stehenbleiben, Fallenlassen) reicht hierfür nicht aus.
62.02
Für die Fesselung sollen die hierfür vorgesehenen Hilfsmittel der körperlichen Gewalt verwendet werden. Sind diese nicht vorhanden oder reichen sie nicht aus, sind andere Maßnahmen zu treffen, die eine ähnliche Behinderung wie Fesseln gewährleisten. Es ist darauf zu achten, dass gesundheitliche Schäden (z.B. durch Blutstauung oder extreme Temperaturen) nicht eintreten.
62.03
Mehrere Personen sollen nicht zusammengeschlossen werden, wenn ein Nachteil für Ermittlungen in einer Strafsache zu befürchten ist, durch die Zusammenschließung die Gesundheit eines der Betroffenen gefährdet wird oder dies eine erniedrigende Behandlung bedeutet. Männer und Frauen sind möglichst nicht zusammenzuschließen.

63
Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (zu § 63)
63.1 (zu Absatz 1)
63.11
Der Schusswaffengebrauch gegen Personen ist die schwerwiegendste Maßnahme des unmittelbaren Zwanges. Dahersind vorher Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältig zu prüfen. Bestehen rechtliche oder tatsächliche Zweifel, ob die Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch vorliegen, ist von der Schusswaffe kein Gebrauch zu machen.
63.12
Auch der Schusswaffengebrauch gegen Sachen ist auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Ein Schusswaffengebrauch gegen Sachen liegt nicht vor, wenn mit Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass hierdurch Personen verletzt werden. Der Schusswaffengebrauch gegen Kraftfahrzeuge ist daher in der Regel nur unter den Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs gegen Personen zulässig. Diese müssen gegenüber jeder im Fahrzeug befindlichen Person vorliegen, es sei denn, dass ein Fall des § 63 Abs. 4 Satz 2 vorliegt. Beim Schusswaffengebrauch gegen ein Kraftfahrzeug ist anzustreben, das Fahrzeug fahrunfähig zu machen, weil hierdurch in der Regel der Zweck der Maßnahme erreicht werden kann. Vom Schusswaffengebrauch ist abzusehen, wenn das Fahrzeug erkennbar explosive oder ähnliche gefährliche Güter befördert oder nach seiner Kennzeichnung zur Beförderung solcher Güter bestimmt ist. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn durch die Weiterfahrt größere Gefahren zu entstehen drohen als durch den Schusswaffengebrauch.

63.13
Der Schusswaffengebrauch gegen Tiere ist zulässig, wenn von ihnen eine Gefahr ausgeht (sie insbesondere Menschen bedrohen) und die Gefahr nicht auf andere Weise zu beseitigen ist. Verletzte oder kranke Tiere dürfen nur getötet werden, wenn die Befürchtung besteht, dass sie sonst unter Qualen verenden würden, und weder Eigentümer bzw. Tierhalter noch ein Tierarzt oder Jagdausübungsberechtigte kurzfristig zu erreichen sind.

63.2 (zu Absatz 2)
63.21
Um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen, ist, wenn die Umstände es zulassen, auf die Beine zu zielen, vor allem bei Fliehenden.
63.22
Absatz 2 Satz 2 regelt den finalen Rettungsschuss. Ein derartiger Schuss ist bei unmittelbar drohender Gewaltanwendung nur bei Lebensgefahr oder der Gefahr schwerwiegender körperlicher Verletzungen zulässig; eine geringfügige Körperverletzung berechtigt keinesfalls zur Abgabe eines Rettungsschusses.

63.3 (zu Absatz 3)
Bestehen Zweifel, ob jemand noch im Kindesalter ist, ist davon auszugehen, dass es sich um ein Kind handelt.

63.4 (zu Absatz 4)
Der Schusswaffengebrauch ist grundsätzlich verboten, wenn durch ihn eine unbeteiligte Person mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet wird. Es ist nicht nur auf Fußgänger, sondern auch auf fahrende und haltende Fahrzeuge mit Insassen sowie auf Wohnungen und Geschäfte zu achten. Kann die Schussrichtung wegen der örtlichen Verhältnisse (insbesondere Dunkelheit oder sonstige Sichtbehinderungen) nicht überblickt werden, sind besondere Vorsicht und Zurückhaltung geboten.

64
Schusswaffengebrauch gegen Personen (zu § 64)
64.01
Soweit es für den Schusswaffengebrauch nach § 64 darauf ankommt, ob eine rechtswidrige Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen darstellt, richtet sich dies gemäß § 12 StGB nach der für die Straftat angedrohten Mindeststrafe. Hierbei ist nur der Regelstrafrahmen maßgebend. Schärfungen und Milderungen nach dem Allgemeinen Teil des StGB (z.B. bei Versuch, Beihilfe, verminderter Schuldfähigkeit) oder für besonders schwere (vgl. die §§ 243, 263 Abs. 3 oder 266 Abs. 2 StGB) oder minder schwere Fälle (vgl. § 225 Abs. 4 oder § 226 Abs. 3 StGB) bleiben außer Betracht.
64.02
Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zur Verdeckung einer Straftat gemäß § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 StGB stellt ein Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 und Abs. 3 StGB dar. Von einer Verdeckungstat kann im Rahmen einer Flucht vor der Polizei in der Regel nur ausgegangen werden, wenn der Verdacht besteht, dass die Person vor der Flucht eine andere Straftat begangen hat. Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 b StGB im Rahmen einer Flucht vor der Polizei stellt regelmäßig keine „andere Straftat“ i.S.d. § 315 Abs. 3 StGB dar, es sei denn, es ist zwischen mehreren Eingriffen in den Straßenverkehr zu einer deutlichen zeitlichen Zäsur gekommen.

64.1 (zu Absatz 1)
64.11
Die Berechtigung zum Schusswaffengebrauch nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 setzt mindestens die Gefahr einer schwerwiegenden Körperverletzung voraus.
64.12
Die zu verhindernde Straftat i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 muss unmittelbar bevorstehen. Insoweit genügt das bloße Bestehen einer Gefahr i.S.d. § 8 Abs. 1 nicht. Die Verhinderung der Fortsetzung bedeutet insbesondere die Verhinderung weiterer Tathandlungen oder bei Dauerdelikten die Beendigung des strafbaren Zustandes. Die Handlung muss sich den Umständen nach als Verbrechen oder als ein Vergehen der genannten Art darstellen. Es kommt also darauf an, wie die Polizeivollzugsbeamtin oder der Polizeivollzugsbeamte die Situation unter Berücksichtigung aller im Augenblick gegebenen Erkenntnismöglichkeiten beurteilt. Hierbei ist - obwohl die Notwendigkeit zum schnellen Handeln gegeben ist - besonders sorgfältig vorzugehen.
64.13
Auch in § 64 Abs. 1 Nr. 4b), 1. Alternative, müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt.

65
Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge (zu § 65)
65.1 (zu Absatz 1)
Schwerwiegende Gewalttaten sind Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt begangen werden und besonders hochwertige Rechtsgüter verletzen oder für die Allgemeinheit lebensnotwendige Einrichtungen zerstören. Hierunter fallen insbesondere Tötungsdelikte (§§ 211 und 212 StGB), gefährliche oder schwere Körperverletzungen (§§ 224 und 226 StGB), gemeingefährliche Straftaten (§§ 306 ff. StGB) oder Nötigung von Verfassungsorganen unter Gewaltanwendung (§§ 105 und 106 StGB).

65.2 (zu Absatz 2)
In der Androhung (vgl. RdNr. 61.3) soll darauf hingewiesen werden, dass nicht Unbeteiligter ist, wer sich nicht aus der Menschenmenge entfernt, obwohl ihm das möglich ist.

66
Besondere Waffen, Sprengmittel (zu § 66)
66.4 (zu Absatz 4)
Sprengmittel sind gemäß § 58 Abs. 3 Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und kommen nur als Mittel der Zwangsanwendung gegen Sachen in Betracht, z.B. zur Beseitigung von Hindernissen bei schweren Unglücksfällen.

Meinen RdErl. v. 19.4.1991 - IV A 2/A 5 - 2001 hebe ich auf.

MBl. NRW. 2004 S. 82, geändert d. RdErl. v. 17.11.2010 (MBl. NRW. 2011 S. 22), 4.4.2017 (MBl. NRW. 2017 S. 165).