Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 11.9.2024
Berücksichtigung der Lebensraumansprüche des Wildes bei der Bewirtschaftung des Waldes RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - III B 6 - 77-10-00.70 / III A 2 – 72-02-00.10
Berücksichtigung der
Lebensraumansprüche des Wildes
bei der Bewirtschaftung des Waldes
RdErl. d. Ministeriums
für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft
- III B 6 - 77-10-00.70 / III A 2 – 72-02-00.10
v. 18.10.1999
Nach § 1 Abs. 2 Bundesjagdgesetz (BJG) hat die Hege die Erhaltung eines den
landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnisse angepassten artenreichen
und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner
Lebensgrundlagen zum Ziel. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass
Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und
fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst
vermieden werden.
Verbiss, Schälen, Schlagen und Fegen sind natürliche Lebensäußerungen der
wiederkäuenden Schalenwildarten. Sie sind damit natürliche Begleiterscheinungen
der Waldentwicklung. Wildeinflüsse sind dann als Wildschäden anzusprechen, wenn
durch Zuwachs-, Wert-, Diversitäts- oder Stabilitätsverluste das Produktions-
oder Betriebsziel gefährdet wird.
Die
Ursachen für Wildschäden sind nicht nur in überhöhten Schalenwildbeständen,
sondern auch in Störungen zu suchen (z.B. Jagdbetrieb, Erholungsverkehr oder
Forstbetrieb). Günstige Äsungs- und Deckungsverhältnisse tragen zur Entspannung
des Problems bei. Hinweise zur Vermeidung von Störungen durch den Jagdbetrieb
(Jagddruck) enthalten die von der Forschungsstelle für Jagdkunde und
Wildschadensverhütung herausgegebenen Hinweise zur Hege und Bejagung der
einzelnen Schalenwildarten im Lande Nordrhein-Westfalen.
Wald und
Wild stellen eine Einheit dar. Lokale oder regionale Wald/Wild-Konflikte müssen
daher ganzheitlich betrachtet und behandelt werden. Dauerhafte Lösungen werden
nur dann möglich sein, wenn neben der Reduktion überhöhter Schalenwildbestände
auch eine Minderung der Störungen (z.B. Einführung störungsarmer, effektiver
Jagdmethoden; Lenkung des Erholungsverkehrs), eine Verbesserung der natürlichen
Äsungsverhältnisse und eine Zusammenführung von Äsung und Deckung erreicht
wird.
Eine Verbesserung des Äsungs- und Deckungsangebotes im Walde kann durch eine
naturnahe Waldwirtschaft, im Rahmen forstlicher Betriebsmaßnahmen und durch
Anlage geeigneter Äsungsflächen erreicht werden.
Durch den Übergang zur naturnahen Waldwirtschaft kann die Verjüngungsfläche
vergrößert werden. Der Wald soll möglichst über die ganze Fläche und in langen
Zeiträumen verjüngt werden. Diese Art der Bewirtschaftung bringt differenzierte
Lichtverhältnisse auf den Boden und regt das Wachstum der Baum-, Strauch- und
Krautvegetation an. Der Verbiss konzentriert sich dann nicht mehr auf wenige
Kulturflächen, sondern verteilt sich infolge des Nahrungsangebotes auf der
ganzen Revierfläche.
Der Verbesserung des Nahrungsangebotes im Rahmen von forstlichen Betriebsmaßnahmen
kommt besondere Bedeutung zu, da hier mit verhältnismäßig geringem
Mittelaufwand - oft nur durch ein Unterlassen oder durch entsprechende
Rücksichtnahme - die erwünschte Verbesserung erreicht werden kann. Die
Aufzählung der nachfolgenden Maßnahmen ist nicht erschöpfend:
Wildäsungsflächen dienen der Steigerung und Verbesserung des natürlichen
Nahrungsangebotes. Sie können dem Wild hochwertige und artgerechte Äsung
bieten. Sie tragen zur jagdlichen Aufschließung großer, zusammenhängender
Waldkomplexe bei und schaffen günstige Beobachtungs- und Kontrollmöglichkeiten.
Unter schwierigen jagdlichen Verhältnissen erleichtern sie auch die Erfüllung
der notwendigen Abschüsse. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bei ständiger
Beunruhigung durch die Jagdausübung der Wert solcher Äsungsflächen erheblich
gemindert wird, da das Wild sie dann meidet. Es ist deshalb notwendig, nach
kurzen Zeiten intensiver Bejagung örtlich längere Jagdpausen einzulegen. In
reinen Waldrevieren mit Hochwild sollten 1 bis 2 % der Fläche als Äsungsflächen
gestaltet werden. Viele kleine, über das Revier verteilte Äsungsflächen (ca.
0,3 ha) sind wenigen größeren vorzuziehen.
Die
Anlage von Wildäsungsflächen darf nur auf der Grundlage der mittelfristigen
Betriebsplanung erfolgen. Die Pflege dieser Flächen ist unter Beachtung der
Belange des Naturschutzes extensiv durchzuführen.
Zur
Förderung der Artenvielfalt und zur Erhaltung der Äsungsqualität müssen Wald-
und Talwiesen jährlich gemäht werden.
Hinweise
zur Anlage von Äsungsflächen gibt der von der Forschungsstelle für Jagdkunde
und Wildschadenverhütung herausgegebene Umdruck "Verhütung von Wildschäden
im Walde".
Vorstehende Grundsätze sind bei der Bewirtschaftung des Staatswaldes zu
beachten.
Im
Privat- und Körperschaftswald wirken die Forstbehörden auf die Berücksichtigung
der o.a. Grundsätze hin.