Anhang zum RdErl. vom 12.3.1991

 

Richtlinie für die Rohwasserüberwachung von
Grundwasser, Quellwasser, Uferfiltrat und angereichertem Grundwasser
nach § 50 des Landeswassergesetzes NRW
(Rohwasserüberwachungsrichtlinie)

 

Hinweise und Vorbemerkungen

Vielfältige Umwelteinflüsse wirken verstärkt auch auf das Grundwasser ein. Das Wissen über die Bedeutung von störenden Inhalts- und Schadstoffen im Wasser ist in den letzten Jahren gestiegen. Erst die Kenntnis der Rohwasserbeschaffenheit ermöglicht das Feststellen von Qualitätsänderungen und schafft die Voraussetzung, eventuell notwendige Maßnahmen zu planen und durchzuführen.

Seit Inkrafttreten des novellierten Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeswassergesetz -LWG) in der Neufassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV. NRW. S. 926) sind die Unternehmen der öffentlichen Trinkwasserversorgung verpflichtet, auf ihre Kosten die Beschaffenheit des zur Trinkwasserversorgung gewonnenen Wassers (Rohwasser) durch eine von der oberen Wasserbehörde zugelassene Stelle untersuchen zu lassen (§ 50 LWG); die oberste Wasserbehörde wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen über
- Häufigkeit, Art, Ort und Umfang der Probeentnahmen,
- Behandlung und Untersuchung der entnommenen Proben, insbesondere welche Merkmale des Rohwassers zu untersuchen und wie diese Merkmale zu ermitteln sind.

 

Die Rohwasserüberwachungsrichtlinie gilt für Grundwasser, Quellwasser, Uferfiltrat und angereichertes Grundwasser, nicht dagegen für Oberflächenwasser, das unmittelbar und nach entsprechender Aufbereitung zur Trinkwasserversorgung verwendet wird. Für letzteres ist die „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten - Abl. EG Nr. L 194 S. 34 - sowie der Richtlinie 79/869/EWG des Rates vom 9. Oktober 1979 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probeentnahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten - Abl. EG Nr. 271 S. 44 - (QOTV)“ vom 29. April 1997 (GV. NRW. 1997 S. 92) anzuwenden; die Verordnung gilt nicht für das Uferfiltrat und für die Entnahmen zum Zwecke der künstlichen Grundwasseranreicherung (angereichertes Grundwasser).

 

Um negative Veränderungen der Rohwasserbeschaffenheit frühzeitig zu erkennen, können gezielte Untersuchungen auf potentielle Gefahrenquellen durch das Wasserversorgungsunternehmen (WVU) hilfreich sein. Dies kann beispielsweise geschehen durch die Beobachtung an Vorfeldmessstellen, Anlage und Fortschreibung eines Gefährdungskatasters, regelmäßige Begehung oder Befliegung des Schutzgebietes einschl. entsprechender Auswertung und Beratung der im Einzugsgebiet tätigen Landwirte, Kleingärtner oder Gewerbetreibenden, die mit wassergefährdenden Stoffen umgehen.

Im Hinblick auf eine vorausschauende Überwachung der Rohwasserqualität (siehe dazu auch DVGW, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., Hinweis W 254, Grundsätze für Rohwasseruntersuchungen, April 1988) kommt der Einbeziehung von Vorfeldmessstellen eine besondere Bedeutung zu.

 

Der nach dieser Richtlinie vorgesehene Umfang der Rohwasserüberwachung nach § 50 LWG wurde entsprechend der Gefährdung der Trinkwasserversorgung durch Verunreinigungen im Rohwasser so bemessen, dass eine sachgerechte Beurteilung der Wasserbeschaffenheit unter Berücksichtigung der hydrogeologischen und nutzungsbezogenen Verhältnisse möglich ist, die Wasserversorgungsunternehmen nicht unnötig und unverhältnismäßig belastet werden, aber auch Freiräume für eigenverantwortliche, freiwillige Initiativen erhalten bleiben. Die Richtlinie steckt einen Mindestrahmen für die Rohwasseruntersuchungen ab; sie darf nicht Veranlassung sein, einen von den Wasserversorgungsunternehmen für erforderlich gehaltenen und eventuell derzeit größeren Untersuchungsumfang zu reduzieren. Ggf. sind Untersuchungsumfang und -häufigkeit zu erweitern, falls besondere Vorkommnisse, Belastungen oder Veränderungen im Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage hierzu Anlass geben.

 

In jedem Fall sind Lösungen zu wählen, die auf die Verhältnisse vor Ort abgestimmt sind. Das kann im Einzelfall auch eine Reduzierung des Untersuchungsumfangs und der Untersuchungshäufigkeit bedeuten. Abweichungen dieser Art sind insbesondere mit den nach der Trinkwasserverordnung zu treffenden Regelungen zu harmonisieren.

Die Ergebnisse der Rohwasserüberwachung müssen ggf. eine unverzügliche Überprüfung der Anlagen für die öffentliche Wasserversorgung auslösen, damit festgestellt werden kann, ob Grenzwertüberschreitungen nach der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TrinkwV 2001) vom 21. Mai 2001 (BGBl. I S. 959), in der jeweils geltenden Fassung, vorliegen oder befürchtet werden müssen und ob die Anlagen (noch) den technischen Anforderungen entsprechen; ggf. sind Zustand und Betrieb der Anlagen diesen Anforderungen anzupassen (§ 48 LWG), damit Maßnahmen nach § 47 Abs. 2 LWG vermieden werden können.

 

1
Probenahmestellen

In der Regel sind Rohwasserproben von allen Einzelbrunnen (Quellfassungen, Stollen sinngemäß) zu entnehmen, da aus Sammelleitungen entnommene Rohwassermischproben lokale Veränderungen im Grundwasser nicht deutlich anzeigen. Zur Bewertung der Daten ist eine genaue Beschreibung jeder Entnahmestelle / Messstelle unumgänglich (siehe Anlage 1).

Bei Brunnen bzw. Brunnengalerien in einem nachweislich hydrogeologisch homogenen und einheitlich genutzten Einzugsgebiet kann im Einzelfall die Analyse
- auf wenige repräsentative Brunnen, die bei jeder Untersuchung zu berücksichtigen sind, und
- auf wechselnde Brunnen und
- auf das Mischwasser der Sammelleitung
beschränkt werden. Bei Hinweisen auf Verunreinigungen müssen gezielte Beprobungen weiterer Brunnen durchgeführt werden. Für Trenduntersuchungen sind die repräsentativen, nach Möglichkeit gleichmäßig fördernden Brunnen auszuwählen.

 

2
Untersuchungsumfang und -häufigkeit (Untersuchungsprogramm)

 

2.1
Untersuchungsumfang

Die Parameter des Untersuchungsprogramms sind so gewählt, dass aus der ermittelten Rohwasserqualität die erforderlichen Aufbereitungsmaßnahmen hergeleitet werden können.

Das die Parametergruppen I, II und PBSM (Pflanzen-behandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel) umfassende Messprogramm erlaubt eine Anpassung an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten.

 

2.1.1
Parametergruppe I

Ziel der Untersuchungen nach Parametergruppe I ist die
- physikalisch-chemische Beschreibung des Rohwassers
- Erkennen anthropogener Veränderungen im Rohwasser
- Plausibilitätskontrolle (z.B. Ionenbilanz)

Die Parameter der Parametergruppe I mit Angabe zur Feld- oder Labormessung sind in Tabelle 1 dargestellt

In begründeten Einzelfällen kann der Untersuchungsumfang der Parametergruppe I reduziert werden (I red). Der Minimalumfang (I min) ist jedoch in keinem Fall zu unterschreiten (siehe auch Untersuchungshäufigkeit). Die Parametergruppe I min ist in Tabelle 2 zusammengestellt.

Eine differenzierte, d.h. parameterbezogene Reduzierung des Untersuchungsumfangs der Parametergruppe I ist im Einzelfall nur möglich, wenn
- mindestens die Ergebnisse der Parametergruppen I und II vorliegen (Basisuntersuchung) und
- besondere Rohwasserbelastungen bei den zu streichenden Parametern nicht nachgewiesen wurden und nicht zu erwarten sind und
- das Einzugsgebiet der betreffenden Wassergewinnungsanlage hinsichtlich der Nutzung und eventueller Gefährdung durch Unfälle überschaubar ist.

 

2.1.2
Parametergruppe II

Ziel der Untersuchung nach Parametergruppe II ist die
- chemische Beschreibung des Rohwassers
- Erkennung geogen oder anthropogen bedingter Zustandsveränderungen im Rohwasser.

Eine Zusammenstellung der üblicherweise zu untersuchenden Parameter enthält Tabelle 3.

 

2.1.3
Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel (PBSM)

Die Untersuchung erstreckt sich auf diejenigen Wirkstoffe und deren toxische Hauptabbauprodukte, die nach Angaben der Landwirtschaft oder nach Angaben anderer potentieller Anwender (z.B. Bundesbahn, Straßenmeistereien, Betreiber von Sportanlagen) in größeren Mengen und/oder über längere Zeiträume im Einzugsgebiet eingesetzt wurden oder auf Grund der Nutzung vermutet werden.

Die PBSM, mit deren Auftreten in Rohwässern aus Grundwasser, Quellwasser, Uferfiltrat und angereichertem Grundwasser gerechnet werden muss, sind im Sinn einer orientierenden PBSM-Untersuchungsliste in Tabelle 4 aufgelistet.

Auf die als relevant eingestuften PBSM sollte dann untersucht werden, wenn keine Informationen über die Anwendung bestimmter PBSM in dem jeweiligen Einzugsgebiet vorliegen.

 

2.2
Untersuchungshäufigkeit

Um jahreszeitliche und nutzungsbedingte Schwankungen der Wasserbeschaffenheit zu erfassen, sind zweimal jährlich im Abstand von etwa 6 Monaten, nach Möglichkeit in den Monaten April/Mai und Oktober/November, die Rohwasseruntersuchungen für die Parametergruppe I, im Abstand von 3 Jahren zusätzlich einmal in den Monaten April/Mai die Untersuchungen für die Parametergruppe II durchzuführen. Im ersten Kalenderjahr nach Einführung dieser Richtlinie sind die vollständigen Parametergruppen I und II in den Monaten April/Mai zu untersuchen (Basisuntersuchung).

In begründeten Einzelfällen kann die Untersuchungshäufigkeit ebenso wie der Untersuchungsumfang der Parametergruppe I reduziert werden, wobei jährlich jedoch mindestens einmal zu untersuchen ist.

Erweist es sich als notwendig, auf Stoffe der Parametergruppe II häufiger als im Abstand von 3 Jahren zu untersuchen, kann der Untersuchungsumfang auf die relevanten Parameter (II red) beschränkt werden.

Nach der mindestens im Abstand von 3 Jahren durchzuführenden Gesamtuntersuchung auf alle Parameter der Gruppen I und II ist erneut über den Umfang des Untersuchungsprogramms zu entscheiden.

Weiterhin sind innerhalb von 3 Jahren nach Einführung dieser Richtlinie Rohwasseruntersuchungen auf PBSM unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten durchzuführen. Nach Vorliegen der PBSM-Ergebnisse ist über den Folgeturnus zu entscheiden.

Wird Rohwasser aus nur einem Brunnen, einer Quelle oder einem Stollen ohne Aufbereitung als Trinkwasser an Verbraucher abgegeben, können alle nach der Trinkwasserverordnung durchgeführten Untersuchungen auf die nach dieser Richtlinie vorzunehmenden Untersuchungen angerechnet werden.

 

3
Analytik

Grundsätzlich wird der Gesamtgehalt der einzelnen . Komponenten in der Probe bestimmt.

Bei Eisen und Mangan werden zusätzlich zu den Gesamtgehalten auch die gelösten Anteile bestimmt.

Bei den Parametern Aluminium, DOC, Fluorid und ortho-Phosphat werden nur die gelösten Anteile bestimmt.

Weist das Rohwasser Feststoffgehalte auf, so sind bei den Metallen der Parametergruppe II zusätzlich zu den Gesamtgehalten die gelösten Anteile zu bestimmen.

Die Probenbehandlung zur Bestimmung der gelösten Anteile bzw. der Gesamtgehalte ist den entsprechenden DIN-Vorschriften bzw. den Deutschen Einheitsverfahren (DEV) zu entnehmen.

Die Analysenverfahren (DIN-Verfahren, DEV), die zur Rohwasseruntersuchung anzuwenden sind, sind in Anlage 2 zusammengestellt.

Andere als die genannten Untersuchungsverfahren können nach Zustimmung des Landesumweltamtes NRW (LUA) eingesetzt werden, wenn sie mindestens die gleiche Bestimmungsgrenze aufweisen.

Voraussetzung für reproduzierbare und richtige Untersuchungsergebnisse sind Maßnahmen zur analytischen Qualitätssicherung gemäß Merkblatt des Landesumweltamtes NRW „Analytische Qualitätssicherung (AQS) für die Wasseranalytik in NRW; Essen: LUA 2001“ (Artikel-Nr. 328).

 

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Untersuchungsergebnisse

Die Ergebnisse der Feld- und Labormessungen sowie die sonstigen geforderten Angaben sind in Anlage 2 einzutragen.

Die getroffenen Regelungen sind im Interesse der Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen unbedingt zu beachten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der Rohwasserüberwachung vergleichend ausgewertet werden können.