Anlage 1

 

Massenorganisationen/gesellschaftliche Organisationen
in der DDR bis 1989/90

 

1.
Die M./g.O. waren vorrangig Herrschaftsinstrumente der SED zwecks Kontrolle und Integration der Gesellschaft und - dem deutlich nachgeordnet - auch Interessenvertretung der Mitglieder. Sie dienten der SED dazu, alle sozialen Gruppen und Schichten der Gesellschaft, anknüpfend an deren spezifische soziale Situationen, Berufe, Interessen und Aktivitäten, zu organisieren. Die M./g.O. sollten die Mitglieder sowohl für das Erreichen der von der Partei in deren Beschlüssen und in den Volkswirtschaftsplänen gesetzten Zielen mobilisieren, als auch diesen die Möglichkeit bieten, ihre spezifischen Interessen organisiert und kontrolliert vertreten zu können.

 

2.
Kraft des von ihr grundsätzlich beanspruchten Organisationsmonopols ließ die SED nur solche Verbände zu, deren Gründung ihr erwünscht, deren Programmatiken und Satzungen den Führungsanspruch der SED ausdrücklich anerkannten und in denen die entscheidenden Führungspositionen von Parteimitgliedern besetzt waren.

 

3.
Die politisch wichtigsten M./g.O. - FDGB, FDJ, DFD, KB und VdgA - waren in der Volkskammer bzw. in den regionalen und örtlichen Volksvertretungen mit je eigenen „Fraktionen” vertreten, durch deren der Parteidisziplin unterworfene Mitglieder die absolute Mehrheit der SED gesichert wurde.

 

4.
Die Mitgliedschaft in den M./g.O. war grundsätzlich freiwillig, sie war jedoch eine Voraussetzung für sozialen und beruflichen Aufstieg. Zusätzlicher Anreiz zum Eintritt in die M./g.O. waren Vergünstigungen wie z. B. Ferienreisen. Auch gab es vielfach keine andere Möglichkeit, bestimmten sozialen Interessen (Sport, Briefmarkensammeln, Heimatforschung usw.) nachzugehen, als sich der zu diesem Zweck in den M./g.O. organisatorisch vorgegebenen Formen zu bedienen.

 

5.
Die bloße Mitgliedschaft in einer M./g.O. oder in mehreren kann schwerlich als „belastend” angesehen werden. Es dürfte nur verschwindend wenige DDR-Bürger geben, die im Laufe ihres Lebens zum Ausweis ihrer „gesellschaftlichen” Aktivität nicht zumindest einer M./g.O. angehört haben. Die Mitgliedschaft im FDGB war für alle Werktätigen nahezu obligatorisch, die Mitgliedschaft in der DSF (6,2 Mio Mitglieder) besonders beliebt, da am wenigsten verpflichtend.

Entscheidend für die Beurteilung im Einzelfall ist die jeweils ausgeübte Funktion innerhalb einer M./g.O. in Verbindung mit der Mitgliedschaft in der SED oder - abgeschwächt - in einer der Blockparteien (hier wiederum geknüpft an die „Höhe” der Parteifunktion).

 

6.
Liste der wichtigsten M./g.O. in der
Anlage.

 

 

Anlage

   (zu Anlage 1)

Die wichtigsten Massenorganisationen
gesellschaftlichen Organisationen in der DDR bis 1989/90
(Mitgliederzahlen 1986)*)

 

Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)                                   9,4 Mio
Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF)                6,2 Mio
Deutscher Turn- und Sportbund (DTSB)                                             3,6 Mio
Freie Deutsche Jugend (FDJ)                                                  2,3 Mio
Volkssolidarität (VS)                                                                          2,1 Mio
Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD)                              l ,5 Mio
Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK)       1,4 Mio
Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB)                            0,6 Mio
Gesellschaft für Sport und Technik (GST)                                          0,6 Mio
Kammer der Technik (KDT)                                                               0,28 Mio
Kulturbund der DDR (KB)                                                                  0,27 Mio

 

 

*) Das „Handbuch gesellschaftlicher Organisationen in der DDR”, hrsg. von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in der DDR, Berlin (Ost) 1985, gibt insgesamt 76 Adressen gesellschaftlicher Organisationen an.