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Hinweise für den Abschluß von Verträgen auf dem Geb.iet der Energiewirtschaft durch Gemeinden

Inhaltsübersicht:

l Allgemeine Gesichtspunkte für Energieversorgungsverträge

1.1 Wirtschaftlichkeitsberechnungen

1.2 Mitwirkungsrechte der Gemeinde

1.3 Freistellungsbefristung

1.4 Vertragsdauer bei zusammenwirkenden Energieversorgungsverträgen

1.5 Laufzeit- und Freistellungsbegrenzung bei Altverträgen

1.6 Unzulässige Vertragsklauseln bzw. Behinderungen

1.6.1 Wegerechtsvereinbarungen (gespaltenes Wegerecht, einfaches Wegerecht)

1.6.2 Eintritts- und Optionsklauseln

1.6.3 Verlängerungsklauseln

1.6.4 Sonderabnehmervorbehalte

1.6.5 Herbeiführungsklauseln

1.6.6 Energieerzeugungsverbqte

1.6.7 Endschaftsbestimmungen, insbesondere zur Netzübernahme

1.6.8 Behinderung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Netzaufnahmen

1.6.9 Wesentliche Anlageänderungen vor Vertragsablauf

1.7 Pflichten des EVU bei Straßenverlegungen pp.

1.8 Durchgangsleitungen

1.9 Unterhaltungs- und Erneuerungsaufwand

1.10 Zusatzverträge

1.11 Dispositionen für die Zeit nach Vertragsablauf

2 Konzessionsverträge

2.1 Rechtsnatur des Konzessionsvertrages

2.2 Mitwirkung bei örtlichen Energiekonzepten

2.3 Spartenverträge

2.4 Verkaufsverträge ;

2.5 Zusätzliche Vereinbarungen bei Fremdversorgung

2.6 Vereinbarungen über die Übernahme von Verteilungsanlagen

2.7 Auskunftspflichten über örtliche Versorgungsverhältnisse

2.8 Unzulässige Klauseln

3 Energiebezugsverträge

3.1 Wirtschaftliche Nutzung der Verteilungsanlagen

3.2 Preisänderungsklauseln

4 Betriebsführungs-, Anlageüberlassungs- und Verpachtungsverträge, Gesellschaftsverträge

4.1' Rechtsnatur

4.2 Vorrang kommunaler Kooperationen

4.3 Vereinbarungen über die Erhaltung der Anlagen entsprechend dem Stand der Technik

4.4 Übergabeverzeichnisse

4.5 Gegenstände wirtschaftlicher Vertragsgestaltung

Anlage l Allgemeine Gesichtspunkte für Energieversorgungsverträge

1.1 Wirtschaftlichkeitsberechnungen

Rechtzeitig vor dem Abschluß von Energieverträgen • aller Art sollten die aufgrund der örtlichen Verhältnisse als realistisch anzusehenden Möglichkeiten der Energieversorgung in einem Gesamtplan einschließlich Wirtschaftlichkeitsberechnung dargestellt werden. Es empfiehlt sich, Sachverständige mit der Prüfung - auch vorliegender Vertragsentwürfe -zu beauftragen oder um eine gutachtliche Stellungnahme zu bitten.

1.2 Mitwirkungsrechte der Gemeinde

Energieversorgungsverträge sind Instrumente kommunaler Daseinsvorsorge. Sie legen die Versorgung für lange Zeit fest. Für die Vertragsdauer sollte die Mitwirkung der Gemeinde deshalb so weit wie möglich sichergestellt werden.

1.3 Freistellungsbefristung

Hinsichtlich der Vertragsdauer gilt folgendes: Mit Inkrafttreten der Vierten Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB - sog. 4. Kartellgesetznovelle vom 6. 4. 1980 (BGB1. I S. 548) am 1.5.1980 ist § 103 a GWB eingeführt worden. Damit sind die Gemeinden in die Lage versetzt worden, nach Ablauf von längstens zwanzig Jahren über die Regelung der versorgungswirtschaftlichen Verhältnisse für Strom und Gas in ihren Gebieten neu zu disponieren und zu entscheiden. Sinn der Befristung ist es, die volle rechtliche, wirtschaftliche und faktische Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner über die Beendigung oder Fortführung des Gebietsschutzvertrages auf der Grundlage der in dem 20-Jahreszeit-raum gewonnenen Erfahrungen zu sichern, um die günstigste Regelung für die Versorgungsverhältnisse wählen zu können. Daraus folgt, daß alles, was die Zeitbegrenzung unterlaufen und damit die Freiheit der Entscheidung einschränken würde, dem Sinngehalt des § 103 a GWB zuwiderläuft.

Energieversorgungsverträge sind zivilrechtlich nur wirksam, wenn sie beim Minister für-Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (Landeskartellbehörde) angemeldet wurden (§ 9 GWB). Die Anmeldung ist auch bei Änderungen und Ergänzungen notwendig. Es empfiehlt sich, die Verträge sowie Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungeh mit dem vollständigen Wortlaut anzumelden, da nur dann eine umfassende kartellbehördliche Überprüfung möglich und die Gewähr für eine wettbewerbsrechtlich einwandfreie Vertragsgestaltung gegeben ist.

1.4 Vertragsdauer bei zusammenwirkenden Energieversorgungsverträgen

Nach § 103 a Abs. l GWB gilt die Freistellung von Verträgen über die Versorgung mit Elektrizität und Gas nur unter der Voraussetzung, daß die vereinbarte Laufzeit des Vertrages 20 Jahre nicht überschreitet Die Dauer der Verträge, insbesondere bei Vertragsverlängerung, kann kürzer sein. Eine kürzere Laufzeit kann z.B. dem Ziel dienen, das Vertragsende eines Energieversorgungsvertrages in Übereinstimmung zu bringen mit dem (früheren) Vertragsende eines anderen Energieversorgungsvertrages. Nach Möglichkeit sollen zusammenwirkende Energieversorgungsverträge einer Gemeinde annähernd gleichzeitig ablaufen. Gemeinden innerhalb eines Kreises sowie Gemeinden, die zum Belieferungsgebiet desselben Lieferers (Vertragspartners) gehören, sollten prüfen, ob eine Abstimmung im Hinblick auf die .Laufzeit der Energieversorgungsverträge möglich ist. Bei Überlegungen, Versorgungsverträge mit kürzerer Laufzeit abzuschließen, ist zu berücksichtigen, daß im Interesse einer sicheren und preisgünstigen Versorr gung Investitionsplanungen der Versorgungsunternehmen in der Regel langfristig vorgenommen werden müssen.

1.5 Laufzeit- und Freistellungsbegrenzung bei Altverträgen

Die Befristungsregelung des § 103 a Abs. 4 GWB er-

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faßt nicht nur die nach dem Inkrafttreten (1. 5. 1980) der Vierten Kartellgesetznovelle abgeschlossenen Verträge, sondern auch die sog. Altverträge. Die Freistellung dieser Verträge endet gemäß Absatz 4 zu dem Zeitpunkt, der von den Vertragschließenden am 1. 1. 1979 für den Ablauf des Vertrages festgelegt war, spätestens jedoch zum 1. 1. 1995. Sind am 1. 1. 1995 noch nicht 20 Vertragsjahre abgelaufen, dann verlängert sich der Freistellungszeitraum auf höchstens 20 Jahre.

1.6 Unzulässige Vertragsklauseln bzw. Behinderungen

1.6.1 Wegerechtsvereinbarungen (gespaltenes Wegerecht, einfaches Wegerecht)

Unter einem „gespaltenen Wegerecht" wird eine Vereinbarung verstanden, die das ausschließliche Wegebenutzungsrecht auf höchstens 20 Jahre befristet und für die darüber hinausgehende Laufzeit des Vertrages ein einfaches Wegerecht enthält. Nach dem Beschluß des BGH vom 15. April 1986 - KVR 6/85 („Wegebenutzungsrecht") - WuW/E BGH 2247 - ist die Vereinbarung eines „gespaltenen Wegerechts" mit der Befristungsregelung des § 103 a Abs. l Satz l GWB nicht vereinbar. Die Verträge dürfen nach ihren tatsächlichen Auswirkungen nicht dazu führen, daß eine 20 Jahre überdauernde Bindung herbeigeführt wird. Dies gilt nach Auffassung der Kartellbehörden auch für die sog. Altverträge.

Nach Auffassung der Kartellbehörden entspricht auch ein flächendeckend erteiltes einfaches Wege-recht in seinen faktischen wettbewerblichen Auswirkungen, insbesondere für den Marktzutritt potentieller Wettbewerber, den Wettbewerbswirkungen eines ausschließlichen Wegerechts und fällt daher in aller Regel unter das Kartellverbot des § l GWB. Auf die förmliche Bezeichnung unter Verzicht auf das Wort „ausschließlich" in der vertraglichen Abrede zur Einräumung eines Wegebenutzungsrechts kann es bei der höchstrichterlich gebotenen Gesamtbeurteilung aller rechtlichen und tatsächlichen wettbewerblichen Auswirkungen nicht ankommen, (vgl. Bundeskartell-amt, Tätigkeitsbericht 1985/1986, Bundestagsdrucksache 11/544, S. 99).

1.6.2 Eintritts- und Optionsklauseln

Unter der „Eintrittsklausel" wird eine Vereinbarung verstanden, die dem bisherigen Energieversorgungsunternehmen auch nach Ablauf des Vertrages ein Vorrecht für den Vertragsabschluß über die Versorgung des Gemeindegebietes vor konkurrierenden Versorgungsunternehmen einräumt, sofern es nur gleiche Preise und Bedingungen bietet., Nach der Rechtsauffassung der Kartellbehörden ist die Eintrittsklausel unvereinbar mit § 103 a Abs. l Satz l GWB (vgl. Beschluß des BGH vom 15. April 1986 - KVR 5/85 - sowie Beschluß des OLG München vom 28. 2. 1985 - Kart. 2/84 „Eintrittsklausel" WUW/W LG 3437).

Als weitere kartellrechtlich unzulässige Klausel ist die sog. Optionsklausel anzusehen, die besagt, daß der kommunale Vertragspartner zusagt, im Falle der Aufnahme einer zukünftigen Gasversorgung dem Stromversorgungsunternehmen Vorzugsrechte für diese Gasversorgung einzuräumen. Es ist nicht Sinn und Zweck der Freistellung elektrizitätswirtschaftlicher Ausschließlichkeitsbindungen, sich aufgrund der Marktstellur.g bei der Stromversorgung Vorteile im Bereich der Gasversorgung zu verschaffen. Angebote der Regional-EVU auf Realisierung regionaler oder örtlicher Energiekonzepte sollten ebenfalls geprüft werden.

1.6.3 Verlängerungsklauseln

Die sogenannte „automatische Verlängerungsklausel" bestimmt, daß sich der Vertrag nach der 20jährigen Grundlaufzeit jeweils ohne weiteres um einen bestimmten Zeitraum verlängert, wenn er nicht vorher gekündigt wird. Auch diese Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 103 a Abs. l Satz l GWB als unwirksam zu betrachten (vgl. MWMT, Kartellbericht 1986/87, S. 228ff.).

1.6.4 Sonderabnehmervorbehalte

Sonderabnehmervorbehalte, d.h. Regelungen, die dem bisherigen Vertragspartner der Gemeinde oder Vorlieferanten das Recht vorbehalten, auch nach Ablauf des Versorgungsvertrages einzelne Sonderabnehmer weiterhin unbefristet oder zeitlich eingeschränkt versorgen zu können, sind kartellrechtlich bedenklich. Das fehlende Recht zur Versorgung einzelner oder mehrerer, regelmäßig wirtschaftlich interessanter Sonderabnehmer kann die freie Entscheidung der Gemeinde über eine Aufnahme der Eigenversorgung oder Übertragung der Versorgung auf ein anderes Versorgungunternehmen unvertretbar erschweren und auf eine Umgehung der kartellrechtlichen Laufzeitbegrenzungen hinauslaufen.

1.6.5 Herbeiführungsklauseln

Aus den gleichen Gründen sind sogenannte Herbeiführungsklauseln kartellrechtlich bedenklich, die den kommunalen Vertragspartner verpflichten, alles Notwendige zu unternehmen, um nach Ablauf des Vertrages den Vertrag ganz oder in einzelnen Vertragsteilen fortzusetzen. Kartellrechtlich nicht zu beanstanden sind demgegenüber sogenannte Sprechklauseln, durch die sich die Vertragspartner verpflichten, rechtzeitig vor Vertragsablauf Gespräche darüber zu führen, ob der Vertrag verlängert oder die Anlage der Gemeinde übergeben werden soll.

1.6.6 Energieerzeugungsverbote

Als i „Energieerzeugungsverbote" werden Bestimmungen verstanden, die der Gemeinde im Konzessionsvertrag, einem nicht gemeindeeigenen EVU oder dem gemeindeeigenen EVU im Energiebezugsvertrag mit den vorgelagerten Versorgungsunternehmen verbieten, selbst eine Energieerzeugungsanlage zu errichten oder zu betreiben. Nach Ansicht der Kartellbehörden des Bundes und der Länder sind solche Vertragsregelungen wegen Verstoßes gegen § l GWB unzulässig. Sie beschränken nämlich die Gemeinde in der Möglichkeit, nach Ablauf des Versorgungsvertrages die Versorgung selbst zu übernehmen. Der Gesetzgeber hat Wert darauf gelegt, daß es den Vertragspartnern spätestens nach 20 Jahren ermöglicht werden soll, über die weitere Energieversorgung neu zu entscheiden. Ein Errichtungsverbot für eigene Erzeugungsanlagen während der Vertragslaufzeit würde die freie Entscheidung aushöhlen, da sich die bisher fremdversorgten EVU bzw. Gemeinden keine Eigenversorgung aufbauen könnten und somit keine Alternative zur Fremdversorgung gegeben wäre. Derartige Vereinbarungen können nach Auffassung der Kartellbehörden nur dann freigestellt werden, wenn

- das Erzeugungsverbot nur die Durchführung der öffentlichen Versorgung im Konzessionsgebiet betrifft, nicht aber die Erzeugung für eigenen Bedarf und

- das Errichtungsverbot sich nicht auf Erzeugungsanlagen im Hinblick auf eine zukünftige Übernahme der öffentlichen Versorgung durch die Gemeinde bezieht

(vgl. MWMT, Kartellbericht 1986/87, S. 200 ff.).

Der so verstandenen Unwirksamkeit von Energieerzeugungsverboten kann in der Praxis nicht nur bei den Überlegungen zum Aufbau eines gemeindeeigenen Energieversorgungsunternehmens Bedeutung zukommen, sondern auch beim Abschluß künftiger Energieversorgungsverträge unter dem Gesichtspunkt rationeller Energieverwendung bzw. dem Einsatz unerschöpflicher Energien. Die Gemeinde ist nicht gehindert, Energieerzeugungsanlagen auf der Grundlage der Müllverbrennung, Deponiegasverwendung, des Wasser- und Sonnenenergieeinsatzes oder sonst durch rationelle Energienutzung (insbesondere Kraft-Wärme-Kopplung) zum Zwecke der Eigenversorgung einzusetzen. Gleichzeitig ist anzustreben, daß sich das EVU verpflichtet, ggf. Überschußenergie zu angemessenen Entgelten in sein öffentliches Netz zu übernehmen. Selbst wenn örtlich aus heutiger Sicht solche Überlegungen nicht aktuell erscheinen, sollte auf eine entsprechende Vertragsgestaltung Wert gelegt werden, weil die technologische Entwick-

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lung während der langen Laufzeit der Verträge Fortschritte machen kann, die eine entsprechende Energienutzung schon während der Vertragslaufzeit sinnvoll erscheinen lassen.

1.6.7 Endschaftsbestimmungen, insbesondere zur Netzübernahme

Eine vertragliche Regelung, die der Gemeinde das Recht zur Übernahme der Versorgungsanlagen versagt, ist kartellrechtswidrig. Aber auch Bestimmungen, die der Gemeinde das Recht auf Übernahme der Versorgungsanlagen vom bisher versorgenden Unternehmen innerhalb des Gemeindegebiets einräumen (Heimfallrecht), können kartellrechtlich unzulässig sein, wenn sie die Gemeinde in ihrer Entscheidungsfreiheit (z.B. wegen zu hoher Kaufpreisforderung) wesentlich behindern (vgl. im übrigen Ziffer 2.6).

1.6.8 Behinderung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Netzaufnahmen

Übernahmeüberlegungen sollten stets Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen mit einbeziehen. Sie sollten auf einer Aufnahme und Bewertung der Versor-guhgsanlagen durch einen unabhängigen Sachverständigen und einer aufgegliederten Darstellung der nutzbaren Abgabe aufbauen. Dabei sollte der genaue Stand aller einzelner Anlagenkonten nach Anschaffungswerten, Zugängen, Abgängen, Normalabschreibungen, Sonderabschreibungen usw. ermittelt werden. Der Vertragspartner ist auch dort, wo dies nicht ausdrücklich im Vertrag festgelegt ist, aus vertraglicher Nebenpflicht rechtlich verpflichtet, die für die Wirtschaftlichkeitsberechnung und Netzaufnahme erforderlichen Angaben zu machen. Ohne solche Angaben ist die freie Willensentscheidung der Gemeinde über die Ausübung ihres Übernahmerechts nach Vertragsablauf nicht gewährleistet. Die Konzes-sionsabgabenzahlungen lassen keine Rückschlüsse auf die versorgungswirtschaftlichen Verhältnisse eines Versorgungsgebietes zu.

1.6.9 Wesentliche Anlageänderungen vor Vertragsablauf Im Hinblick auf einen evtl. gegebenen Endtermin für bestehende Verträge zum 1. Januar 1995 sollten die Gemeinden - auch wenn dies noch nicht Vertragsgegenstand des laufenden Vertrages ist - eine Übereinkunft mit dem Versorgungsunternehmen über die Erforderlichkeit wesentlicher Investitionen in der Restlaufzeit des Vertrages anstreben (vgl. Ziffer 2.5,, dritter Spiegelstrich). Kommt eine derartige Übereinkunft nicht zustande, sollte die Gemeinde aus ihrer Sicht nicht erforderliche Investitionen schriftlich beanstanden und den Vertragspartner rechtzeitig davon in Kenntnis setzen, daß diese Investitionen bei der Bestimmung des Kaufpreises nicht berücksichtigt werden können. Erforderlichenfalls kann die Energieaufsicht gehört werden.

Um die eventuelle Übernahme eines Versorgungsnetzes nicht dadurch zu erschweren, daß es - über das notwendige Maß hinaus - mit den Anlagen des bisher versorgenden EVU verflochten oder überdimensioniert wird, empfiehlt es sich, daß der Gemeinde in Neuverträgen (auch bei Vertragsverlängerungen) Mitwirkungs- und Informationsrechte über Netzausbaumaßnahmen der EVU eingeräumt werden (vgl. Ziffer 2.5).

1.7 Pflichten des EVU bei Straßeriverlegungen pp.

Der Vertragspartner der Gemeinde sollte vertraglich verpflichtet werden, bei Änderung der öffentlichen Verkehrsräume mit den Eigenanlagen zu folgen (Fol-. gepflicht) und öffentliche Verkehrsräume nach Benutzung nachzubessern oder wieder herzustellen. Hierüber ist eine angemessene Folgekostenregelung zu vereinbaren. Ferner sollten Mitteilungspflichten des Versorgungsunternehmens und Mitwirkungsrechte der Gemeinde bei Planungen und Arbeiten am Straßenkörper vorgesehen werden.

Für die Benutzung sonstiger Grundstücke der Gemeinde, die nicht Verkehrsräume sind, sollten auf den Einzelfall abgestellte Folgekostenregelungen getroffen werden.

1.8 Durchgangsleitungen

In bezug auf Durchgangsleitungen des Vertragspartners durch das Gebiet der Gemeinde sollte vereinbart werden, daß die Gemeinde über die Linien-, führung und die Art solcher Anlagen vor dem Baubeginn rechtzeitig durch den Vertragspartner benachrichtigt wird.'Alle bei dem Bau, dem Betrieb und der Veränderung von Durchgangsleitungen sowie durch Schädigung des Eigentums Dritter entstehenden Kosten sollte der Vertragspartner tragen; er sollte sich außerdem verpflichten, die Gemeinde von etwaigen Ansprüchen Dritter freizustellen. Es sollte vereinbart werden, daß die Gemeinde der vom Vertragspartner geplanten Linienführung und der Art der Anlage widersprechen kann, wenn öffentliche Belange entgegenstehen. Mit Rücksicht auf die Geschlossenheit des gemeindlichen Versorgungsgebietes bedarf die Versorgung aus Durchgangsleitungen durch den bisherigen Vertragspartner innerhalb des Gemeindegebietes ggf. einer besonderen Vereinbarung mit der Gemeinde. Entsprechendes gilt, wenn nach Ablauf des Energieversorgungsvertrages noch Wegerechte für Durchgangsleitungen bestehen bleiben sollen.

1.9 Unterhaltungs- und Erneuerungsaufwand

Bei allen Verträgen ist unbeschadet der Eigentumsrechte eindeutig zu bestimmen, wer den Unterhaltungs- und Erneuerungsaufwand für die Versorgungsanlagen zu tragen hat.

1.10 Zusatzverträge

• Soll der Vertragspartner eine Verpflichtung zum Betrieb, zur Unterhaltung oder Erweiterung von Anlagen zur Beleuchtung der Straßen, öffentlichen Zwecken dienenden Gebäuden u.a. übernehmen, so empfiehlt es sich, diese Verpflichtung in einem Zusatzvertrag zum Hauptvertrag gesondert zu regeln.

1.11 Dispositionen für die Zeit nach Vertragsablauf

Dispositionen zur Übernahme des Versorgungsnetzes oder zur Fortführung des Hauptvertrages über den Vertragsablauf hinaus sollten so rechtzeitig eingeleitet werden, d_aß ein vertragsloser Zustand vermieden wird.

2 Konzessionsverträge

2.1 Rechtsnatur des Konzessionsvertrages

Durch Konzessionsvertrag wird dem Vertragspartner das ausschließliche Wegebenutzungsrecht, verbunden mit der Möglichkeit zur Energieabgabe im Gemeindegebiet aus eigenen Verteilungsanlagen bei in der Regel gleichzeitigem Verzicht der Gemeinde auf eine anderweitige Regelung der Versorgung eingeräumt. Grundlage für das Versorgungsrecht ist somit das Eigentum der Gemeinde an den öffentlichen Verkehrsräumen, die für die Versorgung benötigt werden (Wegerecht). Das Versorgungsrecht erlischt grundsätzlich mit dem Wegerecht. Die sonstigen Grundstücke der Gemeinde sollten nicht in das Wegerecht einbezogen werden.

Als Gegenleistung für den Verzicht auf eigene und anderweitige Versorgung sowie für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsräume soll die Gemeinde einen angemessenen finanziellen Ausgleich von dem Konzessionsträger erhalten (Konzessionsabgabe).

2.2 Mitwirkung bei örtlichen Energiekonzepten

Im Konzessionsvertrag sollte das EVU verpflichtet werden, an der Aufstellung und Fortschreibung des örtlichen Energiekonzeptes und dessen Vollzug mitzuwirken, insbesondere auch die erforderlichen Informationen der Gemeinde zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise wird der Ausbau und die Abstimmung der Planung der leitungsgebundenen Energieversorgung mit der kommunalen Entwicklurigs- und Umweltschutzplanung nach Maßgabe des örtlichen Energiekonzeptes sichergestellt.

2.3 Spartenverträge

Konzessionsverträge sollten grundsätzlich jeweils gesondert für die Versorgung mit einer Energieart abgeschlossen werden. Durch die gesonderte Ver-

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tragsgestaltung soll erreicht werden, daß Verträge unbeschadet der Vorteile einer Querverbundversorgung mit dem für die jeweilige Energieart optimalen Versorgungspartner geschlossen werden.

2.4 Verkaufsverträge

Verkaufsverträge sollen eine genaue Beschreibung der Art, des Umfangs und des Zubehörs der zu übergebenden Anlagen enthalten. Bei größeren Anlagen ist dem Vertrag ein Übergabeverzeichnis beizufügen, in dem die einzelnen Teile des Ortsnetzes nach Art und Zahl genau aufgeführt sind.

2.5 Zusätzliche Vereinbarungen bei Fremdversorgung Um nach Ablauf des Konzessionsvertrages die nötigen Unterlagen für die Auseinandersetzung zu besitzen, sollte vertraglich geregelt werden, daß

- die Anlagen technisch und wirtschaftlich auf der Höhe zu halten und bei Bedarf in dem für die Versorgung der Gemeinde notwendigen Umfang zu erweitern sind,

- der Gemeinde rechtzeitig, wenigstens fünf Jahre vor Vertragsablauf, der genaue Stand aller einzelnen Anlagekonten nach Anschaffungswerten, Zugängen, Abgängen, Normalabschreibungen, Sonderabschreibungen usw. bekanntzugeben ist,

- wesentliche Änderungen (z.B. neue Einspeisung auf Hoch- oder Mittelspannungsebene in das Gemeindegebiet, weitere Netzverflechtungen im Umland) während der letzten 5 Jahre vor dem Vertragsablauf im Benehmen mit der Gemeinde vorgenommen werden. Damit soll erreicht werden, daß Investitionen, die aus der Sicht einer künftigen kommunalen Versorgung nicht erforderlich sind, die spätere Übernahme nicht unzulässig erschweren (vgl. Ziffer 1.6.7). Aufmerksamkeit verdient insoweit auch das Problem der Netzverflechtung, also bei Verknüpfung des zu übernehmenden Netzes mit den Anlagen des bisher versorgenden Unternehmens,

- über alle Anlagen technische Aufschreibungen und Zeichnungen anzufertigen und in einwandfreiem Zustand zu erhalten sind, damit die reibungslose Übernahme aller Anlagen und ihre weitere sichere Betriebsführung nach Vertragsende ggf. möglich ist.

2.6 Vereinbarungen über die Übernahme von Verteilungsanlagen

Die Gemeinde soll nach dem Vertrag berechtigt sein, die Verteilungsanlagen vom Energieversorgungsunternehmen zu übernehmen, die zur Versorgung ihres Gebietes erforderlich sind. Eine Verpflichtung der Gemeinde, mehr Anlagen zu erwerben, als sie für eine rationelle örtliche Versorgung braucht, sollte hingegen abgelehnt werden. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß Energieversorgungsunternehmen und Gemeinde die jeweils in ihrem Bereich entstehenden Netzentflechtungs- und Einbindungskosten selbst zu tragen haben. Sind Mittel- und Hochspannungsleitungen zur örtlichen Versorgung erforderlich, aber verbietet sich aus wirtschaftlichen Gründen eine getrennte Haltung von innerörtlichen und überörtlichen Leitungen dieser Art (wenn das die Verteilungsanlagen abgebende EVU weiterhin überörtlich tätig bleibt), so sollte für diesen Fall in den Verträgen ein - ggf. zeitlich befristetes - Mitbenutzungsrecht der Gemeinde angestrebt werden.

Bei der Kaufpreisermittlung ist ein angemessener Interessenausgleich zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Versorgungsunternehmen anzustreben. Der Kaufpreis darf insbesondere keine prohibitive Wirkung für den vom Bundesgesetzgeber gewollten Wettbewerb um Versorgungsgebiete entfalten. Ferner ist es im öffentlichen Interesse zur Erhaltung einer sicheren und preisgünstigen'Energieversorgung geboten, daß der Erwerb des Netzes in bezug auf die Energiepreise möglichst kostenneutral gestaltet wird.

Als Kaufpreis soll der von zwei Sachverständigen oder von einem von beiden Parteien gemeinsam benannten Sachverständigen zu ermittelnde Sachzeit-

wert vereinbart werden, sofern nicht in den End- R411 Schaftsbestimmungen des Konzessionsvertrages eine andere Festlegung getroffen ist In Anlehnung an die „Begriffsbestimmungen in der Energiewirtschaft" (VDEW, 1986) ist der Sachzeitwert der „auf der Grundlage des Tagesneuwertes unter Berücksichtigung seines Alters und seines Zustands ermittelte Restwert eines Wirtschaftsgutes". Dabei versteht man unter dem Tagesneuwert den „unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung maßgeblichen Anschaffungswert für ein neues Wirtschaftsgut im jeweiligen Bewertungszeitpunkt".

Bei der Bemessung des Restwertes sollte für die Abschreibung in Anlehnung an die Bewertung im Preisgenehmigungsverfahren von den dort zugrundegelegten Nutzungsdauern ausgegangen werden. Der für Stromtarifgenehmigungen zuständige Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie geht bei Stromtarifprüfungen von einer Nutzungsdauer für Fortleitungs- und Verteilungsanlagen aus, die zur Zeit in der Regel 24 Jahre beträgt.

Eine Kaufpreisermittlung für Verteilungsanlagen, die über den vorgenannten Sachzeitwert hinaus Ertragswerte zugrunde legt, ist betriebswirtschaftlich nicht geboten und im Regelfall mit der Aufgabenstellung der öffentlichen Energieversorgung nicht vereinbar.

Der noch nicht aufgelöste Teil der Baukostenzuschüsse beim abgebenden Versorgungsunternehmen mindert den Kaufpreis. Ebenso ist mit den öffentlichen Finanzierungsmitteln zu verfahren, soweit sie nicht bereits den buchmäßigen Anschaffungswert gemindert haben.

2.7 Auskunftspflichten über örtliche Versorgungsverhältnisse

Der Konzessionsträger sollte verpflichtet werden, der Gemeinde hinreichende Auskünfte über die örtlichen Versorgungsverhältnisse, gegliedert nach Verwendungsarten und Abnehmergruppen, zu liefern und sie damit über die spezifischen Energieverbräuche im Gemeindegebiet zu unterrichten.

2.8 Unzulässige Klauseln

Klauseln, die die Freiheit zum Wechsel des Energie-versorgers oder zur Übernahme der Energieversorgung in kommunale Trägerschaft erschweren könnten, sollten auf keinen Fall akzeptiert werden (z.B. Geheimhaltungsklauseln, Errichtungs- und Betreibungsverbote, automatische Verlängerungsklauseln, Eintrittsklauseln, Sonderabnehmervorbehalte, Optionsklauseln, Herbeiführungsklauseln, Vereinbarung gespaltener Wegerechte - vgl. Ziffer 1.6 -).

3 Energiebezugsverträge

3.1 Wirtschaftliche Nutzung der Verteilungsanlagen

Die wirtschaftliche Ausnutzung vorhandener und neuzuerstellender technischer Anlagen der Gemeinde ist zu gewährleisten. Deshalb hat die Gemeinde anzustreben, daß sie in einem geschlossenen Versorgungsgebiet grundsätzlich alle Abnehmer (auch Sonderabnehmer) versorgen kann.

3.2' Preisänderungsklauseln

Bestimmungen, die einem Vertragspartner das Recht zur einseitigen Änderung der Preise einräumen, sollten die Preisänderung an konkrete sachliche Kriterien knüpfen und eine Nachweispflicht für die Erforderlichkeit und Angemessenheit regeln.

4 Betriebsführungs-, Anlageüberlassungs- und Verpachtungsverträge, Gesellschaftsverträge

4.1 Rechtsnatur

Betriebsführungs-, Anlageüberlassungs- und Verpachtungsverträge beinhalten Elemente des Bezugsvertrages und des Konzessionsvertrages.

4.2 Vorrang kommunaler Kooperationen

Vor dem Abschluß von Betriebsführungs-, Anlageüberlassungs- und Verpachtungsverträgen mit Drit-

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ten und vor der Bildung gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften ist zu prüfen, ob größere kommunale Lösungen (Zusammenarbeit mit benachbarten Stadtwerken) unter dem Gesichtspunkt rationeller Energieversorgung möglich und zweckmäßig sind. Soweit eine Bildung gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften in Betracht kommt, ist von der Gemeinde die Kapitalmehrheit und im Gesellschaftsvertrag ein bestimmender Einfluß anzustreben.

4.3 Vereinbarungen über die Erhaltung der Anlagen entsprechend dem Stand der Technik Bei Überlassung der Verteilungsanlagen ist grundsätzlich zu beachten, daß der Betriebsführer (Übernehmer oder Pächter) die Anlagen auf seine Kosten so sorgfältig instandzuhalten und in Anpassung an den Stand der Technik in bester Weise und nach den Erfordernissen der Wirtschaftlichkeit und Sicherheit so zu erhalten hat, wie dies für einen ordnungsgemäß geführten Betrieb erforderlich ist

4.4 Übergabeverzeichnisse

Den Verträgen sind Übergabeverzeichnisse beizufügen, in denen die zu überlassenden Anlageteile einzeln nach Art, Zahl und Wert genau aufgeführt sind.

4.5 Gegenstände wirtschaftlicher Vertragsgestaltung

Die Verträge müssen der Gemeinde. ausreichende Einnahmen für die Abschreibung und Verzinsung der zur Verfügung gestellten Anlagen sichern. Von einer Abschreibungsabgabe, nicht aber von einer Zinsabgabe, kann abgesehen werden, wenn z.B. die volle Werterhaltung der Anlagen vertragliche Aufgabe des Pächters usw. ist.

Es ist anzustreben, daß nicht nur das bei Vertragsabschluß überlassene Eigentum (Alteigentum) der Gemeinde in seinem vollen Wert erhalten bleibt, sondern daß auch werterhöhende Umbauten, An-

lageerweiterungen (Vergrößerungen oder Verstärkungen) und Neubauten - zusammen Neueigentum genannt - mit Fertigstellung in das alleinige Eigentum der Gemeinde übergehen. Ein Miteigentum oder Sondereigentum des Pächters oder Dritter ist grundsätzlich zu vermeiden. Die Angemessenheit des Wertes des Neueigentums, das ebenso wie das Alteigentum bei Ablauf des Vertrages wieder in die Verwaltung und auch in den Besitz der Gemeinde selbst übergehen, ist dadurch zu sichern, daß mit den Bauplänen auch die zugehörigen Investitionspläne und Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorher von der Gemeinde genehmigt und die Baudurchführung und Abrechnung während oder unmittelbar nach der Fertigstellung von der Gemeinde nachgeprüft werden kann.

Der Preis für die Übernahme des Neueigentums auf die Gemeinde ist unabhängig vom Eigentumsübergang zu regeln. Soüdie Gemeinde das Neueigentum schon während der Vertragsdauer bezahlen, so sind für das Neueigentum ebenso wie für das Alteigentum an die Gemeinde regelmäßig angemessene Zinsen und ggf. Abschreibungen auf die Anlagewerte zu zahlen, da die Nutzung beim Pächter oder Übernehmer liegt.

Die Abschreibungen auf Alt- und Neueigentum müssen in ihrer Höhe angemessen sein und den in dem in Betracht kommenden Wirtschaftszweig allgemein üblichen Sätzen entsprechen. Die Vereinbarung nicht ausreichender Abschreibungssätze führt dazu, daß die Gemeinde Wertverluste, am Alteigentum erleidet und u.U. für das Neueigentum einen zu hohen Preis zahlt.

Bei der Bemessung etwaiger Vergütungen für die Betriebsführung ist darauf zu achten, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Betriebsführers stehen.