Anlage
z. RdErl. d. IM v. 24.8.2004
Einsatz von unmittelbarem Zwang im Rahmen
von Identifizierungsmaßnahmen
- Rechtliche Hinweise und Musterordnungsverfügung -
1.
Feststellung der Zuständigkeit und der rechtlichen Zulässigkeit von Maßnahmen:
Nach § 63 Abs. 1 AuslG sind die
Ausländerbehörden für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und
Entscheidungen nach diesem Gesetz zuständig. Dies umfasst auch die
Zuständigkeit für Identitätsfeststellungen nach § 41 AuslG und die in diesem
Zusammenhang ggf. notwendigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Der mögliche
Umfang erkennungs-dienstlicher Maßnahmen wird in § 41 Abs. 2 durch die
Verweisung auf die in § 81 b StPO bezeichneten Maßnahmen angegeben. § 81 b StPO
gestattet auch gegen den Willen der Betroffenen u.a. die Aufnahme von
Lichtbildern und Fingerabdrücken. Der Verweis bezeichnet allerdings nur den
Umfang möglicher Maßnahmen. § 81 b StPO ist für die Ausländerbehörden selbst
keine unmittelbare Rechtsgrundlage für die Durchführung derartiger Maßnahmen.
Der in der StPO zulässige Verzicht auf eine Androhung gilt demnach nicht.
Daneben ist entscheidend, dass gemäß § 40
Abs. 1 AuslG bzw. gemäß § 15 AsylVfG die Ausländer verpflichtet sind, auf
Verlangen ihren Pass oder Passersatz vorzulegen bzw. an der Beschaffung
mitzuwirken. Geschieht dies nicht, gibt § 70 Abs. 4 AuslG die Grundlage dafür,
eine persönliche Vorsprache bei der Heimatvertretung anzuordnen. Leistet der
Betroffene dieser Anordnung nicht Folge, kann grundsätzlich eine Vorführung mit
unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
In allen Fällen der beabsichtigten
Anwendung von unmittelbarem Zwang sind für das weitere Verfahren einer
Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen mangels eigener
Regelungen im Ausländergesetz die Vorschriften des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW)
als Rechtsgrundlage heranzuziehen. Die §§ 55 ff VwVG NRW sehen ein bestimmtes
Verfahren für den Verwaltungszwang vor. Neben einem vollziehbaren
Grundverwaltungsakt, mit dem ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlangt
wird, setzt dieses Verfahren grundsätzlich die Androhung, die Festsetzung und
die Anwendung des Zwangsmittels voraus. Eine Ausnahme vom Erlass eines
vorausgehenden Verwaltungsaktes ist nur bei der Abwehr einer gegenwärtigen
Gefahr (§ 55 Abs. 2 VwVG NRW) vertretbar.
Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und § 68 Abs. 1
Nr. 2 VwVG NRW sind Vollzugsdienstkräfte der Ordnungsbehörden i.S.d. § 13 OBG
zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt.
2.
Musterordnungsverfügung
2.1
Sie sind gemäß § 40 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) vom 09.07.1990 (BGBl. I S.
1354) in der zur Zeit gültigen Fassung bzw. gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 Asylverfahrensgesetz
(AsylVfG) in der Fassung vom 27. Juni 1993 (BGBl. I S. 1361) verpflichtet, der
Ausländerbehörde ........... einen gültigen Pass bzw. Passersatz vorzulegen.
Sie werden hiermit aufgefordert, dieser Vorlagepflicht bis zum
............nachzukommen.
2.2
Sollten Sie über ein solches Dokument nicht verfügen, wird hiermit gemäß § 70
Abs. 4 Satz 1 AuslG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG bzw. § 40 Abs.
2 AuslG in Verbindung mit § 25 Nr. 2 und Nr. 3 DVAuslG angeordnet, dass Sie unverzüglich nach Zustellung dieser
Verfügung bei der zuständigen konsularischen Vertretung Ihres Heimatstaates
(genaue Bezeichnung mit Anschrift) während der Geschäftszeiten persönlich
vorsprechen und einen zur Rückkehr in Ihre Heimat berechtigenden Pass bzw.
Passersatz (Heimreisedokument) beantragen. Das ausgestellte Heimreisedokument
ist noch in der zu 1. genannten Frist der Ausländerbehörde vorzulegen.
2.3
Für den Fall, dass Sie binnen der genannten Frist der Ausländerbehörde weder
ein Heimreisedokument noch einen von der Botschaft bestätigten Nachweis
beibringen, dass Sie dort persönlich vorgesprochen und ein Heimreisedokument
beantragt haben, wird Ihnen gemäß § 70 Nr. 4 Satz 2 AuslG die zwangsweise
Vorführung bei der Botschaft bzw. dem Konsulat Ihres angegebenen Heimatstaates
angedroht.
Die
Vorführungsandrohung erstreckt sich örtlich auch auf die Möglichkeit, mit den
diplomatischen Vertretern Ihres Heimatstaates außerhalb des Vertretungssitzes
einen Termin an anderen Orten in Nordrhein-Westfalen oder in anderen
Bundesländern wahrzunehmen.
2.4
Sollten Sie den aus Ziffern 1 oder 2 resultierenden Pflichten nicht nachkommen,
wird Ihnen auferlegt, bei der Ausländerbehörde .................... alle von
der konsularischen Vertretung Ihres Heimatstaates geforderten Unterlagen und
Prüfungsmittel für die Ausstellung eines Reisedokumentes bis zum ............
vorzulegen. Die Beschaffung eines Heimreisedokumentes wird andernfalls von Amts
wegen betrieben.
In diesem
Zusammenhang wird Ihnen die Duldung ggf. notwendiger Maßnahmen
erkennungsdienstlicher Art (z.B. Fotos in der von der ausländischen Mission
geforderten Form, Fingerabdrücke) auferlegt, die zu einer Identifizierung und
Passbeschaffung notwendig sind oder hierzu beitragen können. Bei nicht freiwilliger
Erfüllung oder fristgerecht erklärter Duldung der Maßnahmen wird Ihnen nach
Ablauf der o.g. Frist die zwangsweise Durchführung der erforderlichen Maßnahmen
angedroht.
2.5
Für den Fall, dass die Vertretung Ihres angeblichen Heimatstaates die
Ausstellung eines Heimreisedokumentes ablehnt, weil Sie nicht dessen
Staatsangehörigkeit besitzen, oder die Staatsangehörigkeit zumindest nicht
zweifellos angenommen werden kann, wird Ihnen die zwangsweise Vorführung bei
Vertretungen weiterer Staaten - auch in Außenterminen -, deren
Staatsangehörigkeit Sie vermutlich besitzen können, angedroht.
Ziffer 4 dieser
Verfügung gilt entsprechend auch für die Beweiserhebung und -führung im
Verhältnis zu anderen Staaten.
2.6
Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21.01.1960 i.d.F.
der Bekanntgabe vom 19.03.1991 (BGBl I S. 686) wird die sofortige Vollziehung
der Verfügung zu Ziffer 1 bis 5 angeordnet. (Hinweis: Für diese Vollzugsanordnung sieht § 80 Abs. 3 VwGO eine
besondere schriftliche Begründungspflicht vor, vgl. deshalb auch Hinweis zum
Textteil 'Begründung', die über die Vorgaben des Mustertextes hinaus eine
Güterabwägung der Ausländerbehörde im Einzelfall erfordert)
Kostenentscheidung:
Begründung:
Sie sind seit.......... vollziehbar zur
Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet. Da Sie in der Ihnen
gesetzten Ausreisefrist nicht
freiwillig ausgereist sind, muss Ihre Ausreiseverpflichtung gemäß § 49 AuslG
zwangsweise durchgesetzt werden (Abschiebung). Zur Durchführung der Abschiebung
wird ein Pass oder Passersatz Ihres Heimatstaates benötigt. Dieser liegt trotz
Ihrer Pass- und Mitwirkungspflicht nicht vor. Unterlagen oder Dokumente, aus
der sich Ihre Staatsangehörigkeit zweifelsfrei ergibt oder abzuleiten wäre,
haben Sie bisher ebenfalls nicht beigebracht. Sollten Sie die erforderlichen Dokumente
weiterhin nicht vorlegen oder vorlegen können, ist zur Feststellung Ihrer
Identität und Staatsangehörigkeit neben eventuellen erkennungsdienstlichen
Maßnahmen auch die Vorführung bei der Botschaft/dem Konsulat Ihres angeblichen
Heimatstaates erforderlich. Dies vermittelt den Vollzugsbehörden die
Möglichkeit, über Ihr Gespräch mit Vertretern des vorgetragenen
Herkunftsstaates den bisher unbelegten Vortrag prüfen zu lassen und ggf. ohne
weitere Beweismittel eine Rückübernahmeverpflichtung herzuleiten. Eine weniger
belastende Maßnahme zur Beschaffung eines Heimreisedokumentes ist nicht ersichtlich,
solange Sie nicht Willens oder in der Lage sind, geeignete Nachweise zu Ihrer
Identität und Staatsangehörigkeit vorzulegen. Die Vorsprache bei der
diplomatischen Heimatvertretung ist mit Blick auf die Tatsache, dass Sie
vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind, und somit keine politische
Verfolgung oder Gefahren für Leib und Leben im Heimatland angenommen werden
können, auch zumutbar.
Bei dem zu Ziffer 3 dieser Verfügung
geforderten Nachweis Ihrer Bemühungen um einen Pass oder Passersatz bei Ihrer
konsularischen Vertretung reicht die Bescheinigung Ihrer Vorsprache nicht aus,
sondern es muss aus der Bescheinigung hinreichend deutlich werden, dass Sie
sich aktiv um die Ausstellung eines Heimreisedokumentes bemühen.
Für den Fall, dass in der festgesetzten
Frist weder ein Heimreisedokument noch ein Nachweis ernsthafter Bemühungen
darum vorliegen, müssen ausstehende Maßnahmen zur Identifizierung und
Passersatzbeschaffung mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Mildere
Mittel kommen nicht in Betracht. Ersatzvornahmen scheiden wegen fehlender
Vertretbarkeit der Handlung aus. Die Verhängung von Zwangsgeldern ist wegen
mangelnder Erfolgsaussichten sowie nicht hinnehmbarer Dauer des Vollstreckungsverfahrens
nicht sachgerecht.
Vorsorglich wird darauf verwiesen, dass
Sie zur Vorbereitung und Durchführung zwangsweiser Vorführungen nach
richterlicher Anordnung auch vorübergehend in Haft genommen werden können (§ 70
Abs. 4 Satz 3 AuslG in Verbindung mit §§ 40 Abs. 1 und 2, 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 Bundesgrenzschutzgesetz).
Die in Ziffer 6 getroffene Anordnung des
Sofortvollzugs ist im öffentlichen Interesse gerechtfertigt.
Das Gesetz verlangt, den Aufenthalt
ausreisepflichtiger Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zu
beenden. In diesem Zusammenhang muss bei Passlosigkeit und fehlenden Nachweisen
zur Identität und Herkunft alles getan werden, um eventuell auch selbst
gesetzte Vollstreckungshindernisse zu prüfen und ggf. zu beseitigen.
Bei Einlegung von Rechtsmitteln mit
aufschiebender Wirkung könnten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung
notwendige Maßnahmen zur Identifizierung nicht durchgeführt werden und damit
eine nicht sachgerechte Verlängerung des Aufenthaltes ohne Prüfung der Vorträge
und der konkreten Vollzugsmöglichkeiten mit sich bringen, die der Gesetzgeber
nach ausländerrechtlichen Vorschriften nicht vorgesehen hat.
Hinweis: Die bisherige Begründung bezieht sich im
Wesentlichen darauf, dass die Behörde der missbräuchlichen Ausnutzung des
Suspensiveffektes entgegen wirken will. Diese reicht zum Nachweis, dass der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde, allerdings allein nicht aus.
Deshalb muss an dieser Stelle die Begründung um eine Güterabwägung im konkreten
Einzelfall ergänzt werden. Darzulegen ist, dass im Einzelfall (z.B. erklärte
oder belegbare Nichtmitwirkung) das besondere öffentliche Interesse an der
sofortigen Vollziehbarkeit das Interesse des Betroffenen übersteigt. Es muss
jedenfalls gewährleistet sein, dass neben gruppentypischen Begründungen auch
die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund ist die Anordnung des
Sofortvollzugs gerechtfertigt.
Rechtsbehelfsbelehrung