Anlage
zum RdErl. v. 24.3.1993
Zusammenfassung der Ergebnisse der interministeriellen
Arbeitsgruppe
„Gleichbehandlung von Frau und Mann
in der Rechts- und Amtssprache"
1
Eine gleichstellungsgerechte Gesellschaft erfordert auch eine
gleichstellungsgerechte Rechtssprache.
2
Die durchgängige Verwendung der männlichen Form zur abstrakten Bezeichnung von
weiblichen und männlichen Personen (sog. generisches Maskulinum) trägt der
Forderung nach sprachlicher Gleichstellung nicht angemessen Rechnung. Eine
psychologisch wirksame Benachteiligung von Frauen durch Verwendung des
generischen Maskulinums kann nicht ausgeschlossen werden.
3
Im Bereich der Amtssprache vermittelt das allgemeine Persönlichkeitsrecht einen
Anspruch auf eine geschlechtsbezogene Anrede.
4
Sprachliche Gleichbehandlung sowie eine klare und verständliche Rechtssprache
müssen in Übereinstimmung gebracht werden.
5
Die Rechtssprache muss auf anerkannten Normen des allgemeinen Sprachsystems
basieren.
6
Sprachliche Gleichstellung kann in der Vorschriftensprache am
erfolgversprechendsten durch Verwendung von
- geschlechtsneutralen Umformulierungen
- Paarformeln
erreicht werden.
7
Geschlechtsneutrale Umformulierungen sind der Verwendung von Paarformeln
grundsätzlich vorzuziehen, weil sie Vorschriften im allgemeinen nicht wesentlich
länger oder komplizierter machen.
8
Praktische Hinweise zur Umformulierung:
- Verzicht auf ständige Wiederholung von Personenbezeichnungen, wenn klar ist,
welche Personen durch die Norm erfasst werden.
- Definition des betroffenen Personenkreises und Bezugnahme in den späteren
Vorschriften (z.B.: „ ... durch die in § ... genannten Personen ...").
- Verwendung von passivischen Konstruktionen, wenn eindeutig ist, wer welche
Rechte oder Pflichten nach der betreffenden Rechtsvorschrift hat (z.B.: „Bei
der Zulassung zur Prüfung ist nachzuweisen ...").
- Verzicht auf parallele Possessivpronomen.
- Vermeidung von Relativsätzen, die als Bezugswort eine Personenbezeichnung im
Singular haben.
- Verwendung von Satzkonstruktionen mit dem verallgemeinernden Relativpronomen
„wer" (z.B.: „Wer ... beantragt, hat ... vorzulegen.").
- Ersetzung generischer Maskulina durch geschlechtsindifferent verwendete
Substantive.
Beispiele:
Person (auch: beratende, sprachkundige usw. Person), Mitglied, Hilfs-,
Arbeits-, Fachkraft (auch männliche, weibliche -kraft), Lehrkraft, Elternteil,
Eheleute, Schiedsleute, Obleute, schuldiger Teil, Mündel, Vormund, Gegen- und
Mitvormund, Abkömmling, Beistand.
- Gebrauch von substantivierten Adjektiven oder Partizipien im Plural (sog.
generischer Plural).
Beispiele:
die Vorsitzenden, die Beisitzenden, die Beschäftigten, die Antragstellenden,
die Beauftragten, die Kranken, die Vertragschließenden, die Eheschließenden,
die Anerkennenden, die Anwesenden, die Abwesenden, die Annehmenden, die
Schuldigen, die Angeklagten, die Minderjährigen, die Volljährigen, die Studierenden,
die Unterhaltspflichtigen, die Unterhaltsberechtigten, die Geschäftsunfähigen,
die Berufenden, die Beteiligten, die Verpflichteten, die Betreuten, die
Verschwägerten, die Verwandten, die Angestellten, die Erwerbslosen, die
Berufstätigen.
Beachte: Die Verwendung des Plurals darf keine Unklarheiten oder Sinnveränderungen
hervorrufen.
- Gebrauch von Ableitungen auf -ung (z.B. Leitung, Vertretung) oder -schaft
(z.B. Richterschaft, Ärzteschaft, Rechtsanwaltschaft).
9
Praktische Hinweise zum Gebrauch von Paarformeln:
- Es sollen voll ausgeschriebene Paarformeln, die mit „und" oder
„oder" verbunden werden, gebraucht werden.
- Paarformeln unter Verwendung von Schrägstrichen sollen in einem Fließtext
nicht verwendet werden. Sie können allerdings bei tabellenartigen Aufzählungen
und bei der Gestaltung von Vordrucken sinnvoll sein. Die Verwendung des großen
Binnen-I ist ausgeschlossen.
- Innerhalb eines Regelungswerkes ist zur Vermeidung von Unklarheiten ein
einheitlicher Umgang mit Personenbezeichnungen angezeigt.
- Die weibliche Personenbezeichnung soll der männlichen vorangestellt werden.
10
Ausnahmen:
- Soweit weibliche Personenbezeichnungen fehlen, kann die maskuline Form der
Personenbezeichnung beibehalten werden (z. B. Vormund, Mündel, Gast, Fahrgast,
Flüchtling, Prüfling).
- Zusammengesetzte Wörter (z.B. Schülervertretung, Rechtsanwaltskammer,
Ärztekammer) können vorerst in der bisherigen Form weiter verwendet werden,
solange sich keine geschlechtsneutralen Formulierungen finden lassen.
- Bezeichnungen, die einen hohen Grad an Abstraktheit und Funktionalität und
damit an Personenferne aufweisen, können bei der Formulierung von Vorschriften
in der bisher üblichen Form weiter verwendet werden, wenn eine
geschlechtsneutrale Formulierung (Beispiele: wer schuldet, wer mietet, wer besitzt
usw.) nicht zweckmäßig erscheint.
11
Änderung bestehender Vorschriften:
- Es ist stets das Regelungswerk im ganzen umzustellen.
- Eine Bekanntmachungsermächtigung mit der Auflage, gleichstellungsgerechte
Formulierungen einzuführen, ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.