Maßregelvollzugsgesetz - MRVG -
Vom 15. Juni 1999 (Fn 1)
Inhaltsübersicht
I. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Ziele
§ 2 Einrichtungen
§ 3 Qualitätssicherung, Sicherheitsstandard
§ 4 Beiräte
II. Abschnitt
Rechte der Patientinnen und Patienten
§ 5 Einschränkungen
§ 6 Aufnahme
§ 7 Persönlicher Gewahrsam, Durchsuchung
§ 8 Schriftwechsel, Pakete und Zeitungen
§ 9 Besuche, Telefongespräche, Telekommunikation
§ 10 Freizeitgestaltung
§ 11 Unterricht, berufliche Eingliederung
§ 12 Ergänzende Gesundheitshilfen
§ 13 Religionsausübung
§ 14 Arbeit, Einkommen
§ 15 Vollstreckungsplan, Einrichtungen
III. Abschnitt
Planung und Gestaltung der Unterbringung
§ 16 Therapie- und Eingliederungsplan
§ 17 Behandlung, Hygiene
§ 18 Maß des Freiheitsentzugs
§ 19 Hausordnung
§ 20 Allgemeine Sicherungsmaßnahmen, Festnahme
§ 21 Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 22 Unmittelbarer Zwang
§ 23 Sicherheitsfachkraft
§ 24 Anordnungen
§ 25 Aufwendungen
§ 26 Verarbeitung von Daten
§ 27 Umgang mit Akten von Patientinnen und Patienten
§ 28 Übermittlung von Daten
IV. Abschnitt
Zuständigkeiten, Kosten, Aufsicht
§ 29 Zuständigkeiten
§ 30 Kosten
§ 31 Aufsicht und Verantwortung
§ 32 Besuchskommissionen
§ 33 Durchführungsbestimmungen
§ 34 Grundrechte
V. Abschnitt
Aufgaben außerhalb des Maßregelvollzugs,
Übergangsvorschrift
§ 35 Unterbringung nach der Strafprozeßordnung und dem Jugendgerichtsgesetz
§ 36 Übergangsvorschrift
VI. Abschnitt
Inkrafttreten
§ 37 Inkrafttreten
§ 38 Berichtspflicht
I. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 (Fn 3)
Ziele
(1) Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt sollen die betroffenen Patientinnen und Patienten durch Behandlung und Betreuung (Therapie) befähigen, ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen. Die Sicherheit und der Schutz der Allgemeinheit und des Personals der Einrichtungen vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten sollen gewährleistet werden. Therapie und Unterbringung haben auch pädagogischen Erfordernissen Rechnung zu tragen und sollen unter größtmöglicher Annäherung an allgemeine Lebens- und Arbeitsverhältnisse Mitarbeit und Verantwortungsbewußtsein der Patientinnen und Patienten wecken und fördern.
(2) Zur Förderung von Therapie und Eingliederung sollen die Einrichtungen mit geeigneten Personen, Organisationen, Behörden und Einrichtungen von Wissenschaft und Forschung zusammenarbeiten.
(3) Therapie und Beratung sind mit Zustimmung der Patientinnen und Patienten auch nach der Entlassung im Benehmen insbesondere mit der Führungsaufsicht, gesetzlichen Betreuungen, der Bewährungshilfe, der Freien Wohlfahrtspflege, den Sozialbehörden, dem sozialpsychiatrischen Dienst der unteren Gesundheitsbehörde, den ärztlichen und nichtärztlichen Therapeutinnen und Therapeuten sowie den Kostenträgern fortzusetzen. Um die Kontinuität der Behandlung der Betroffenen sicherzustellen, werden Angebote der Nachsorge bereitgestellt. Die Einrichtungen sind verpflichtet, Nachsorgemaßnahmen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu vermitteln. Soweit keine anderen geeigneten Angebote zur Verfügung stehen, müssen Patientinnen und Patienten auf ihren Wunsch insbesondere in Krisenfällen kurzfristig aufgenommen werden. Die Kosten sind in der Rechtsverordnung nach § 30 zu berücksichtigen.
§ 2
Einrichtungen
(1) Die Einrichtungen sind so zu gestalten, dass eine sachgerechte Therapie der Patientinnen und Patienten gewährleistet ist. Räume für die Behandlung, den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit, für beschäftigungs-, arbeitstherapeutische und schulische Maßnahmen und andere angemessene Beschäftigungen sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind zweckentsprechend auszugestalten.
(2) Die Räume müssen für eine gesunde Lebensführung geeignet und ausreichend mit Heizung und Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sein.
§ 3 (Fn 3)
Qualitätssicherung, Sicherheitsstandard
(1) Die Qualität insbesondere der Behandlung, der Behandlungsergebnisse und der Versorgungsabläufe ist zu gewährleisten. Die Träger der Einrichtungen führen regelmäßig qualitätssichernde Maßnahmen durch.
(2) Absatz 1 Satz 2 gilt für Sicherheitsmaßnahmen entsprechend.
(3) Zur qualitativen Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs, insbesondere hinsichtlich der Personalausstattung, werden Vereinbarungen zwischen dem Land und den Trägern von Einrichtungen nach § 29 Abs. 2 bis 4 getroffen, soweit nicht die Rechtsverordnung nach § 30 abschließende Regelungen trifft.
§ 4
Beiräte
(1) Die Träger der Maßregelvollzugseinrichtungen berufen für jeden Standort einen Beirat.
(2) Aufgaben des Beirates sind die Beratung der Einrichtung in konzeptionellen und organisatorischen Fragen des Maßregelvollzugs, die Unterstützung der Leitung der Einrichtung, die Hilfe bei der Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten und die Förderung des Verständnisses und der Akzeptanz für die Aufgaben des Maßregelvollzugs in der Öffentlichkeit. Die Mitglieder der Beiräte nehmen ihre Aufgaben ehrenamtlich wahr.
(3) Den Beiräten sollen Personen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen angehören. Sie sollen überwiegend Einwohner der Gemeinde sein, in der die Einrichtung liegt. Höchstens die Hälfte der Mitglieder des Beirates kann vom Rat der Gemeinde nach Satz 2 bestimmt werden.
(4) Die Mitglieder des Beirates können sich über inhaltliche und organisatorische Fragen der Durchführung des Maßregelvollzugs unterrichten lassen sowie die Einrichtung besichtigen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. An Entscheidungen über einzelne Patientinnen und Patienten sind die Beiräte nicht beteiligt.
(5) Das Nähere regeln die Träger der Einrichtungen in einer Geschäftsordnung.
(6) Soweit Einrichtungen des Maßregelvollzugs von Religionsgemeinschaften oder diesen gleichgestellten oder ihnen zuzuordnenden Organisationen betrieben werden, treffen diese Regelungen in eigener Zuständigkeit, die den Zielen dieses Paragraphen entsprechen.
II. Abschnitt
Rechte der Patientinnen und Patienten
§ 5
Einschränkungen
Die Patientinnen und Patienten unterliegen den in diesem Gesetz und auf Grund dieses Gesetzes vorgesehenen Einschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Patientinnen und Patienten nur Einschränkungen auferlegt werden, die zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung des geordneten Zusammenlebens oder für die Sicherheit unerläßlich sind.
§ 6
Aufnahme
(1) Bei der Aufnahme werden die Patientinnen und Patienten über ihre Rechte und Pflichten mündlich und schriftlich unterrichtet. Eine Person ihres Vertrauens ist unverzüglich über die Aufnahme zu benachrichtigen. Satz 1 gilt für die Vertrauensperson entsprechend.
(2) Die Patientinnen und Patienten sind unverzüglich zu untersuchen. Sie sind spätestens am nächsten Werktag der ärztlichen oder psychotherapeutischen Leitung der Einrichtung, bei selbständigen Abteilungen der fachlich unabhängigen ärztlichen oder psychotherapeutischen Leitung der Abteilung (therapeutische Leitung) vorzustellen.
(3) Die Patientinnen und Patienten sind unverzüglich darin zu unterstützen, notwendige Maßnahmen für ihre Familien und hilfsbedürftigen Angehörigen sowie ihre Vermögensangelegenheiten zu veranlassen. Sind Patientinnen und Patienten nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, ist die Einrichtung einer Betreuung (gesetzliche Vertretung) beim Vormundschaftsgericht anzuregen.
§ 7
Persönlicher Gewahrsam, Durchsuchung
(1) Gegenstände der Patientinnen und Patienten, insbesondere Erinnerungsstücke von persönlichem Wert und Gegenstände für Fortbildung oder Freizeit, werden ihnen belassen, soweit der Zweck der Unterbringung und das geordnete Zusammenleben und die Sicherheit nicht gefährdet werden. Eine kennzeichnende Anstaltskleidung ist unzulässig.
(2) Andere mitgebrachte Gegenstände werden auf Kosten der Patientinnen und Patienten an von ihnen benannte Personen versandt oder aufbewahrt. Soweit dies nicht möglich oder zweckmäßig ist, kann die Einrichtung die Sachen für sie veräußern. Geringwertige oder gefährliche Gegenstände können auch vernichtet werden, soweit eine andere Verwertung ausscheidet.
(3) Die Patientinnen und Patienten können während ihres Aufenthaltes Gegenstände erwerben und einbringen. Soweit die Therapie, das geordnete Zusammenleben oder die Sicherheit es erfordern, können die Einbringung oder Benutzung von Gegenständen ausgeschlossen oder untersagt werden.
(4) Gegenstände, die in der Hand der Patientinnen und Patienten Sicherheitsbelange beeinträchtigen können, dürfen weggenommen oder unbrauchbar gemacht werden.
(5) Aus zwingenden Gründen der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit dürfen Räume, die Patientinnen und Patienten sowie ihre Sachen durchsucht werden. Die Patientinnen und Patienten dürfen nur in Gegenwart eines Dritten, ihre Sachen nur in ihrer oder in Gegenwart eines Dritten durchsucht werden. Für eine mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung gelten § 84 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie § 84 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StVollzG entsprechend.
§ 8
Schriftwechsel, Pakete, Zeitungen
(1) Die Patientinnen und Patienten haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Aus zwingenden Gründen der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit können der Schriftwechsel überwacht und Schreiben angehalten oder verwahrt werden. Absenderinnen und Absender sowie die Patientinnen und Patienten sind unverzüglich zu unterrichten. Schreiben können insbesondere angehalten werden, wenn
1. ihre Weitergabe in Kenntnis ihres Inhaltes einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
2. ihre Weitergabe die Eingliederung anderer Patientinnen und Patienten nach deren Entlassung gefährden würde,
3. sie in Geheimschrift oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind oder
4. durch ihre Weitergabe erhebliche Nachteile für die Patientinnen und Patienten oder Dritte zu befürchten sind.
(3) Der Schriftwechsel mit den gesetzlichen Vertretungen, den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, der Verteidigung, Notarinnen und Notaren, mit Volksvertretungen des Bundes und des für den Wohnsitz oder die Einrichtung zuständigen Landes, ihren Mitgliedern, den Trägern der Einrichtungen sowie ihrer Beschwerdestelle, den zuständigen Behörden, den Gerichten oder Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik Deutschland, den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Straßburg darf nicht unterbunden werden. Schreiben der Patientinnen und Patienten an die in Satz 1 genannten Personen und Einrichtungen sowie der Schriftwechsel mit der Verteidigung werden nicht überwacht.
(4) Die vorstehenden Bestimmungen werden auch auf Telegramme, Pakete, Päckchen, einzelne Zeitungen und Zeitschriften angewendet. Pakete und Päckchen sind in Gegenwart der Patientinnen und Patienten zu öffnen, es sei denn, zwingende Gründe sprechen dagegen. § 7 gilt entsprechend.
§ 9
Besuche, Telefongespräche, Telekommunikation
(1) Die Patientinnen und Patienten dürfen regelmäßig Besuche empfangen. Zeitpunkt und Dauer werden nach einheitlichen Grundsätzen durch Hausordnung geregelt.
(2) Aus zwingenden Gründen der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit dürfen Besuche überwacht, abgebrochen, eingeschränkt, untersagt oder von einer Durchsuchung der Besucherinnen und Besucher abhängig gemacht werden. Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, wenn dies im Einzelfall aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder der Ordnung in der Einrichtung unerläßlich ist. Besuche der Verteidigung dürfen weder überwacht noch untersagt werden.
(3) Besuche der gesetzlichen Vertretungen oder der in einer Angelegenheit der Patientinnen und Patienten tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare dürfen nicht untersagt werden. Schriftstücke und sonstige Unterlagen, die diese Personen sowie die Verteidigungen mit sich führen, werden inhaltlich nicht überprüft. Die Übergabe anderer Gegenstände bedarf der Prüfung und der Erlaubnis der Einrichtung.
(4) Patientinnen und Patienten dürfen auf ihre Kosten unter entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 Telefongespräche führen. Die Einrichtung kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 andere Telekommunikationsmittel zulassen. § 8 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.
§ 10
Freizeitgestaltung
(1) Den Patientinnen und Patienten soll bei der Gestaltung ihrer Freizeit durch Angebote zur Fortbildung, sportlicher und gesellschaftlicher Betätigung geholfen werden.
(2) Einschränkungen der Freizeitgestaltung sind aus zwingenden Gründen der Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit zulässig.
§ 11
Unterricht, berufliche Eingliederung
(1) Unter Berücksichtigung der Organisation der Unterbringungseinrichtung und der besonderen Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten sind ihnen insbesondere die Erlangung eines Schulabschlusses, berufsfördernde Maßnahmen, eine Berufsausbildung, Umschulung oder Berufsausübung zu ermöglichen.
(2) Zeugnis oder Teilnahmebescheinigung enthalten keine Hinweise auf die Unterbringung.
(3) Zur Eingliederung kann ein freies Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Einrichtung nach Maßgabe des § 18 gestattet werden.
§ 12
Ergänzende Gesundheitshilfen
(1) Die Patientinnen und Patienten, die nicht oder nicht in entsprechendem Umfang krankenversichert sind, haben gegenüber dem Träger der Einrichtung Anspruch auf Krankenbehandlung, Vorsorgeleistungen und sonstige Maßnahmen in entsprechender Anwendung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - mit Ausnahme der §§ 23, 24, 40, 41 und 76 SGB V. Bei der Krankenbehandlung nach § 39 SGB V bestimmt der Träger der Einrichtung das auch unter Sicherheitserfordernissen geeignete Krankenhaus.
(2) Während einer Beurlaubung haben die Patientinnen und Patienten mit Ausnahme einer Notfallbehandlung nur Anspruch auf ärztliche Behandlung und Pflege in der Einrichtung, die die Beurlaubung ausgesprochen hat, und auf Übernahme der Heilbehandlungskosten, die infolge einer Weisung im Rahmen der Lockerung der Unterbringung oder des Urlaubs entstehen, soweit nicht Ansprüche gegen einen Versicherungsträger vorgehen.
§ 13
Religionsausübung
(1) Den Patientinnen und Patienten darf seelsorgerische Betreuung, Teilnahme an Veranstaltungen in der Einrichtung und in angemessenem Umfang Besitz an grundlegenden Schriften und anderen kultischen Gegenständen im Rahmenihrer Religionsgemeinschaft oder ihres weltanschaulichen Bekenntnisses nicht versagt werden.
(2)Zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft oder eines anderen weltanschaulichen Bekenntnisses, die in der Einrichtung stattfinden, können die Patientinnen und Patienten zugelassen werden, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmen.
(3) Aus zwingenden Gründen ihrer Therapie, des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit dürfen die Patientinnen und Patienten von Veranstaltungen in der Einrichtung ausgeschlossen werden. Hiervon ist die Seelsorgerin oder der Seelsorger vorher in Kenntnis zu setzen. Der Besitz an kultischen Gegenständen und Schriften kann aus den in Satz 1 genannten Gründen eingeschränkt werden.
§ 14
Arbeit, Einkommen
(1) Die Patientinnen und Patienten sind entsprechend dem Fortschritt ihrer Behandlung und ihren Fähigkeiten zur Mitarbeit, zur eigenen Versorgung und zur Reinigung ihrer Unterkunfts- und Therapieräume anzuhalten. Für eine Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitstherapie erhalten die Patientinnen und Patienten eine Arbeitsbelohnung; sie ist vom Träger der Einrichtung unter Berücksichtigung des Arbeitsergebnisses und der Verwertbarkeit festzusetzen. Für eine Arbeit erhalten die Patientinnen und Patienten angemessenes Arbeitsentgelt. Die Höhe der Beträge ist ihnen schriftlich bekanntzugeben.
(2) Die Kostenbeteiligung der Patientinnen und Patienten erfolgt nach Maßgabe des § 10 der Justizverwaltungskostenordnung.
(3) Das Überbrückungsgeld soll nur bis zur Höhe des Betrages gebildet werden, der nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über den Einsatz des Vermögens bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vom Einsatz oder der Verwertung ausgenommen ist. Das Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt der Patientinnen und Patienten und ihrer Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach ihrer Entlassung sichern.
(4) Der Barbetrag zur persönlichen Verfügung (Taschengeld) wird wie für psychisch Kranke und seelisch oder geistig Behinderte gezahlt.
(5) Die Einrichtung hat das Überbrückungsgeld zu verzinsen. Die Höhe der Zinsen richtet sich mindestens nach dem Zinssatz für Sparguthaben mit gesetzlicher Kündigungsfrist.
§ 15
Vollstreckungsplan, Einrichtungen
(1) Das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium stellt im Einvernehmen mit dem für die Rechtspflege zuständigen Ministerium nach Anhörung des zuständigen Landtagsausschusses und der Träger der Einrichtungen durch Rechtsverordnung einen Vollstreckungsplan für den Maßregelvollzug auf. Darin wird die Zuständigkeit der Einrichtungen geregelt. Es sollen getrennte Gruppen gebildet werden insbesondere für Patientinnen und Patienten, die einer allgemein-psychiatrischen Behandlung bedürfen, die schwere Persönlichkeitsstörungen aufweisen, die einen Hang haben, übermäßig Alkohol oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, geistig Behinderte und Patientinnen und Patienten bis zum 24. Lebensjahr.
(2) In eine andere als die im Vollstreckungsplan vorgesehene Einrichtung können Patientinnen und Patienten auch auf ihren Antrag eingewiesen oder durch den Träger der Einrichtung verlegt werden, wenn dies ihrer Therapie, der Eingliederung, der Sicherheit dient oder aus wichtigen Gründen des Zusammenlebens erforderlich ist. Über die Einweisung entscheidet die Vollstreckungsbehörde. Vor einer Verlegung in eine Einrichtung eines anderen Trägers ist die Vollstreckungsbehörde zu hören, im übrigen ist sie zu unterrichten.
III. Abschnitt
Planung und Gestaltung der Unterbringung
§ 16 (Fn 6)
Therapie- und Eingliederungsplan
(1) Unverzüglich nach der Aufnahme ist für die Patientinnen und Patienten ein individueller vorläufiger Therapieplan zu erstellen. Spätestens sechs Wochen nach der Aufnahme muß ein individueller Therapie- und Eingliederungsplan vorliegen, der die Persönlichkeit, das Alter, den Entwicklungsstand und die Lebensverhältnisse berücksichtigt. Der Plan ist mit der Patientin oder dem Patienten und der gesetzlichen Vertretung zu erörtern.
(2) Die Therapie- und Eingliederungspläne erstrecken sich vornehmlich auf die Form der Unterbringung, die Zuweisung zu Behandlungsgruppen, medizinische, psychotherapeutische und heilpädagogische Behandlung, Pflege, Unterricht, Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Arbeit, Lockerung und die Eingliederung. Die Pläne sind mindestens alle sechs Monate zu überprüfen und dem therapeutischen Fortschritt der Patientinnen und Patienten anzupassen. Insbesondere ist nach einer längeren beanstandungsfreien offenen Unterbringung oder Beurlaubung der Patientinnen und Patienten zu prüfen, ob die Therapie ohne Beeinträchtigung der Sicherheitsbelange in Einrichtungen außerhalb des Maßregelvollzugs oder bei Gewährleistung der notwendigen Nachsorge nach einer Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung in Verbindung mit Auflagen und Weisungen fortgesetzt werden kann. In geeigneten Fällen soll die Leitung der Einrichtung unverzüglich die Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel oder die Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge bei der Vollstreckungsbehörde anregen. Bei der Vollstreckung von Maßregeln nach § 64 StGB hat die Leitung der Einrichtung die Vollstreckungsbehörde unverzüglich zu unterrichten, wenn für einzelne Patientinnen und Patienten eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht oder nicht mehr besteht.
(3) Spätestens nach Ablauf von jeweils drei Jahren ist zu überprüfen, ob eine Entlassung der Patientinnen und Patienten angeregt werden kann. Die Patientinnen und Patienten sind durch ärztliche oder nichtärztliche Sachverständige zu begutachten. Diese dürfen nicht für die Einrichtung arbeiten. Sie erhalten eine Vergütung unter entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes. Bei ärztlichen Erstgutachten sollen Zweitgutachten von nichtärztlichen Sachverständigen erstellt werden und umgekehrt. Die Einrichtung teilt das Ergebnis der Begutachtung ihrem Träger und der Vollstreckungsbehörde unverzüglich mit.
(4) Die zuständigen Heilberufskammern führen Listen über Sachverständige, die für die Aufgaben nach Absatz 3 geeignet sind. Sie legen nach Abstimmung mit den Trägern der Einrichtungen und der zuständigen Behörde Qualitätskriterien fest.
§ 17
Behandlung, Hygiene
(1) Die Patientinnen und Patienten erhalten die erforderliche ärztliche, sozial- und psychotherapeutische Behandlung. Die Behandlung ist ihnen zu erläutern. Sie haben die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen.
(2) Die Behandlung bedarf vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 3 bis 5 der Einwilligung der Patientinnen und Patienten. Können diese bei einer erforderlichen Einwilligung Grund, Bedeutung und Tragweite der Behandlung nicht einsehen oder sich nicht nach dieser Einsicht verhalten, ist die Einwilligung der gesetzlichen Vertretung erforderlich.
(3) Die Behandlung der Patientinnen und Patienten ist ohne ihre ausdrückliche Einwilligung oder die ihrer gesetzlichen Vertretung bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für ihre Gesundheit oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig. Aus zwingenden Behandlungsgründen darf eine Fesselung ärztlich angeordnet werden. Eine Fesselung, die länger als 72 Stunden dauert, bedarf jeweils der Erlaubnis des Trägers der Einrichtung.
(4) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer in den Fällen der Sätze 2 und 3 nur zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Eine zwangsweise Ernährung ist zulässig, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten erforderlich ist. Zur Durchführung einer zwangsweisen Ernährung ist das psychiatrische Krankenhaus oder die Entziehungsanstalt nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung der Patientinnen und Patienten ausgegangen werden kann.
(5) Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4, die ohne Einwilligung der Patientinnen und Patienten oder ihrer gesetzlichen Vertretung durchgeführt werden, dürfen nur durch die therapeutische Leitung, bei ihrer Verhinderung durch ihre Vertretung angeordnet und nur durch Ärztinnen oder Ärzte vorgenommen werden. Die Leistung Erster Hilfe ist auch ohne die Voraussetzungen des Satzes 1 zulässig, wenn eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.
§ 18 (Fn 3)
Maß des Freiheitsentzugs
(1) Dauer und Umfang des Freiheitsentzuges richten sich nach dem Erfolg der Therapie. Sie sind nach Maßgabe des Therapie- und Eingliederungsplans zu überprüfen und anzupassen. Gefährdungen, die von den Patientinnen und Patienten ausgehen können, sind zu berücksichtigen. Vollzugslockerungen dienen grundsätzlich der Erreichung des Behandlungszweckes. Für Patientinnen und Patienten, die aus Gründen des Behandlungszweckes keine Lockerung erhalten können, dürfen Ausführungen erlaubt werden, wenn wichtige Gründe vorliegen. Wichtige Gründe können insbesondere die Erledigung familiärer und geschäftlicher Angelegenheiten sowie die Teilnahme an Gerichtsterminen sein. Über Vollzugslockerungen und deren Aufhebung entscheidet, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist, die therapeutische Leitung.
(2) Lockerungen des Vollzugs umfassen insbesondere
1. Ausführung oder Ausgang innerhalb eines Tages,
2. die Beurlaubung,
3. eine regelmäßige Beschäftigung außerhalb der
Einrichtung mit und ohne Aufsicht
und
4. den offenen Vollzug.
(3) Lockerungsmaßnahmen können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden, insbesondere
1. sich der Aufsicht einer bestimmten Person zu unterstellen,
2. Anordnungen zum Aufenthaltsort und zu Verhaltensweisen außerhalb der Einrichtung zu befolgen und
3. sich an festgelegten Orten und zu festgelegten Zeiten persönlich zu melden.
(4) Vor der Bewilligung von Vollzugslockerungen nach Absatz 2 Nrn. 1 bis 4 ist die Vollstreckungsbehörde zu hören, soweit sie es im Aufnahmeersuchen angeordnet hat. Bei Patientinnen und Patienten, die hinsichtlich ihrer Anlaßtat, insbesonderebei Tötungs-, schweren Gewalt- und Sexualdelikten, ihrer Störung und ihres Behandlungsverlaufs besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung ihrer Gefährlichkeit bieten, ist vor ersten Vollzugslockerungen, bei denen eine Aufsicht durch Bedienstete der Einrichtung nicht gewährleistet ist, das Benehmen mit der Vollstreckungsbehörde herzustellen. Soweit erforderlich ist ein kurzes Sachverständigengutachten nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 einzuholen. Näheres zur Beteiligung der Vollstreckungsbehörde an Lockerungsentscheidungen kann das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für die Rechtspflege zuständigen Ministerium regeln.
(5) Vollzugslockerungen können aufgehoben werden, wenn
1. Umstände eintreten oder nachträglich bekannt werden, die eine Versagung gerechtfertigt hätten,
2. die Patientinnen und Patienten die Lockerung mißbrauchen oder
3. Auflagen und Weisungen nicht nachkommen.
(6) Die Beurlaubung aus Behandlungsgründen unterbricht die Vollstreckung nur, wenn Patientinnen und Patienten sie zu rechtswidrigen Taten mißbrauchen oder sich dem Vollzug entziehen. Bei einer Beurlaubung von insgesamt mehr als 21 Tagen im Kalenderjahr sind der Träger der Einrichtung und die Vollstreckungsbehörde zu unterrichten.
§ 19
Hausordnung
Der Träger der Einrichtung erläßt eine Hausordnung. Er kann diese Aufgabe ganz oder teilweise mit der Maßgabe auf die Einrichtung übertragen, daß diese die Hausordnung mit seiner Zustimmung erläßt. Die Hausordnung soll in leicht verständlicher Sprache nähere Bestimmungen über die persönliche Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Patientinnen und Patienten nach diesem Gesetz unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse der Einrichtung enthalten. Sie ist den Patientinnen und Patienten und ihren Vertrauenspersonen alsbald nach der Aufnahme auszuhändigen und bei Bedarf zu erläutern. Hausordnungen sind der zuständigen Behörde zur Kenntnis zu geben.
§ 20
Allgemeine Sicherungsmaßnahmen, Festnahme
(1) Eingriffe in die Rechte von Patientinnen und Patienten sind schriftlich festzuhalten und zu begründen. Diese Unterlagen können Patientinnen und Patienten, ihre gesetzlichen Vertretungen sowie ihre Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einsehen. Mit Zustimmung der Patientinnen und Patienten kann ihre Verteidigung alle Akten einsehen, die in der Einrichtung über sie geführt werden. Stellungnahmen der Verteidigung zum Akteninhalt sind den Akten beizufügen.
(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind auf der Grundlage polizei- oder
strafprozeßrechtlicher Vorschriften zu treffen. Dazugehörende Unterlagen sind
getrennt von Personal- und Krankenakten aufzubewahren und werden bei der
Entlassung vernichtet.
(3) Halten sich Patientinnen und Patienten ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung auf, kann diese sie zurückbringen oder festnehmen lassen.
(4) Die Einrichtung berichtet der zuständigen Behörde über Entweichungen, deren Begleitumstände und die veranlaßten Maßnahmen zur Wiederergreifung. Eine Entweichung liegt vor, wenn sich Patientinnen und Patienten ohne Erlaubnis aus der Einrichtung entfernt haben oder länger als erlaubt außerhalb der Einrichtung aufhalten.
§ 21
Besondere Sicherungsmaßnahmen
(1) Bei einer erheblichen Gefahr für das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung, insbesondere bei Selbstgefährdung und bei Fluchtgefahr, können Absonderung, Beobachtung bei Nacht, Entzug oder Vorenthaltung von Gegenständen, Entzug oder Beschränkung des Aufenthalts im Freien angeordnet werden, soweit und solange es erforderlich ist.
(2) Die in Absatz 1 genannten besonderen Sicherungsmaßnahmen bedürfen der ärztlichen Mitwirkung und der Überwachung. Jede Absonderung, die länger als eine Woche dauert, bedarf außerdem der Erlaubnis des Trägers.
(3) Maßnahmen nach Absatz 1 sind der Verteidigung, der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt oder der gesetzlichen Vertretung der Betroffenen unverzüglich mitzuteilen.
(4) Aus den in Absatz 1 genannten Gründen können auch zwingend erforderliche medizinische und psychotherapeutische Eingriffe vorgenommen werden. § 17 Abs. 5 gilt entsprechend.
§ 22
Unmittelbarer Zwang
(1) Das ärztliche, therapeutische, pflegerische und sonstige mit der Aufsicht betraute Personal der Einrichtung darf unmittelbaren Zwang anwenden, wenn dieser erforderlich ist, um die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung bei einer erheblichen Gefährdung aufrechtzuerhalten.
(2) Gegen andere Personen als Patientinnen und Patienten darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Patientinnen und Patienten zu befreien oder in den Bereich der Einrichtung widerrechtlich einzudringen oder wenn sie sich trotz Aufforderung zum Verlassen darin weiterhin unbefugt aufhalten.
(3) Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muß, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
(4) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Unmittelbarer Zwang hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
§ 23
Sicherheitsfachkraft
Zur Unterstützung der besonderen Belange der Sicherheit der Einrichtungen bestimmt das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des zuständigen Landtagsausschusses das Nähere insbesondere zur Qualifikation der Sicherheitsfachkräfte, ihrem Aufgaben- und Einsatzbereich sowie den Vorgaben zur Durchführung von Modellvorhaben.
§ 24
Anordnungen
(1) Eine Anordnung darf nicht erteilt oder befolgt werden, wenn dadurch Rechte der Patientinnen und Patienten verletzt oder Straftaten begangen würden. Erteilen oder befolgen Beschäftigte sie dennoch, sind sie hierfür verantwortlich, wenn sie die Rechtsverletzung erkennen oder aus den Umständen hätten folgern müssen.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Anordnungen sind den Anordnenden oder Vorgesetzten vorzutragen, soweit es nach den Umständen möglich ist.
§ 25
Aufwendungen
(1) Aufwendungen der Einrichtung, die die Patientinnen und Patienten durch unerlaubtes Entfernen, Selbstverletzung, Verletzung anderer Patientinnen und Patienten oder Beschäftigter oder durch Sachbeschädigung verursachen, haben sie zu ersetzen, soweit sie dies zu vertreten haben.
(2) Forderungen dürfen nur so durchgesetzt werden, daß Therapie und Eingliederung der Patientinnen und Patienten nicht behindert werden.
§ 26 (Fn 3)
Datenschutz
1) Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse der Patientinnen und Patienten (Daten) dürfen nur erhoben, gespeichert, genutzt oder übermittelt werden, soweit
a) dies zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben
nach diesem Gesetz erforderlich ist,
b) eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder
c) Patientinnen und Patienten eingewilligt haben.
(2) Die Übermittlung von Daten der Patientinnen und Patienten ist ferner zulässig, soweit dies erforderlich ist
a) zur Erfüllung einer anderen gesetzlichen
Pflicht,
b) zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer sonst
unmittelbar drohenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Abwehr
einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit oder
persönliche Freiheit der Patientinnen und Patienten oder Dritter
c) zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten
d) zur Abrechnung und Durchsetzung von Ansprüchen aufgrund von Maßnahmen nach
diesem Gesetz.
(3) Als Übermittlung gilt auch die Weitergabe von Daten der Patientinnen und Patienten an Personen in anderen Organisationseinheiten der Einrichtung oder öffentlichen Stellen, die nicht unmittelbar mit dem Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung befasst sind.
(4) Personen oder Stellen, denen Daten übermittelt werden, dürfen diese nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihnen zulässigerweise übermittelt worden sind. Im Übrigen haben sie die Daten unbeschadet sonstiger Datenschutzvorschriften in demselben Umfang geheim zu halten wie die übermittelnde Einrichtung oder öffentliche Stelle selbst.
(5) Krankenakten dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten sowie psychologischen Psychotherapeutinnen und psychologischen Psychotherapeuten eingesehen werden. Einer Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht bei der Übermittlung von und der Einsichtnahme in Krankenakten bedarf es nicht.
(6) § 203 Strafgesetzbuch findet Anwendung. Im Übrigen gelten § 2 Abs. 1 Satz 2, §§ 3, 4 und 6 bis 8 sowie § 11 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten im Gesundheitswesen vom 22. Februar 1994 (GV. NRW. S. 84) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.
§ 27 (Fn 4)
§ 28 (Fn 4)
IV. Abschnitt
Zuständigkeiten, Kosten, Aufsicht
§ 29
Zuständigkeiten
(1) Für Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt ist das Land zuständig.
(2) Die Durchführung dieser Aufgabe mit Ausnahme der Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen für den Maßregelvollzug kann auf Dritte, auf Private nur teilweise übertragen werden. Soweit das Land von der Übertragungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht und keine andere Behörde durch Rechtsverordnung nach § 33 bestimmt, ist der Direktor des Landschaftsverbandes als staatliche Verwaltungsbehörde zuständig. Im Falle des Satzes 2 haben die Landschaftsverbände die erforderlichen Dienstkräfte und bestehende Einrichtungen zur Verfügung zu stellen; die Kosten hierfür werden nach Maßgabe des § 30 und der darauf beruhenden Rechtsverordnung erstattet.
(3) Eine Übertragung nach Absatz 2 auf juristische Personen des öffentlichen Rechts erfolgt nach Anhörung des zuständigen Landtagsausschusses durch Rechtsverordnung der Landesregierung, die Art und Umfang der Behandlung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und Unterbringung regelt. Das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium ist berechtigt, Näheres durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Übernehmenden zu vereinbaren.
(4) Privaten Trägern können die zur Durchführung bestimmter Aufgaben im Einzelfall erforderlichen hoheitlichen Befugnisse verliehen werden.
(5) Die therapeutische Leitung trifft die Maßnahmen zum Vollzug der Maßregel, soweit in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmt ist.
(6) Soweit im Fall des Absatzes 2 Satz 2 bei der Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen von Einrichtungen oder Abteilungen des Maßregelvollzugs Selbstverwaltungsangelegenheiten der Landschaftsverbände berührt sind, sind die nach der Landschaftsverbandsordnung zuständigen Gremien anzuhören.
§ 30
Kosten
(1) Die notwendigen Kosten des Maßregelvollzugs nach diesem Gesetz trägt das Land, soweit nicht Sozialleistungsträger oder die Patientinnen und Patienten zur Erstattung der Kosten beizutragen haben.
(2) Für die Durchführung der Aufgaben nach § 29 Abs. 2 bis 4 erhalten die Träger der Einrichtungen ein jährliches Budget für Personal- und Sachkosten für jede von ihnen betriebene Einrichtung oder Abteilung. Soweit sich Patientinnen und Patienten entsprechend ihrem Therapiefortschritt in Einrichtungen befinden, die weder vollständig noch mit Abteilungen für den Maßregelvollzug zur Verfügung stehen, wird ein pauschaler Aufwendungsersatz pro Unterbringung geleistet.
(3) Das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium wird ermächtigt, nach Anhörung des zuständigen Landtagsausschusses im Einvernehmen mit dem für die Rechtspflege zuständigen Ministerium und dem Finanzministerium eine Rechtsverordnung zu erlassen über
1. die Ermittlung der Pflegesätze der psychiatrischen Krankenhäuser und Entziehungsanstalten des Maßregelvollzugs,
2. die Maßstäbe und Grundsätze des Personalbedarfs,
3. die Rechnungs- und Buchführungspflichten der Einrichtungen nach Absatz 2 Satz 1,
4. die Bemessungsgrundlage für den pauschalen Aufwendungsersatz nach Absatz 2 Satz 2 und
5. die Bemessung und Erhebung anteiliger Erstattungsleistungen für die Unterbringung von Patientinnen und Patienten aus anderen Ländern.
Die Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Absätze 1 bis 3 erläßt das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den in Satz 1 genannten Ministerien.
(4) Der Landesrechnungshof ist berechtigt, die Verwendung der Landesmittel bei den Trägern der Einrichtungen nach § 91 Landeshaushaltsordnung zu prüfen.
§ 31 (Fn 3)
Aufsicht und Verantwortung
(1) Die Aufsicht über den Maßregelvollzug führt die oder der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug. Oberste Aufsichtsbehörde ist das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium. Es führt die Dienst- und Fachaufsicht über die oder den Landesbeauftragten und das zugeordnete Personal. Das zuständige Ministerium kann seine Befugnisse allgemein auf die oder den Landesbeauftragten übertragen, es sei denn, eine Übertragung ist nach diesem Gesetz ausgeschlossen.
(2) Die Aufsichtsbehörden sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben insbesondere berechtigt,
- die psychiatrischen Einrichtungen, in denen forensische Patientinnen und Patienten untergebracht sind, zu den üblichen Behandlungs- und Betreuungszeiten, zur Verhütung drohender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch außerhalb dieser Zeiten, zu betreten und zu überprüfen;
- die in den Einrichtungen geführten Unterlagen vollständig einzusehen und jederzeit Auskünfte daraus zu verlangen; für die Überprüfung von Krankenakten findet § 26 Abs. 5 und 6 Anwendung.
(3) Soweit der Direktor des Landschaftsverbandes nach § 29 Abs. 2 Satz 2 die Aufgabendurchführung als staatliche Verwaltungsbehörde wahrnimmt, untersteht er der Dienst- und Fachaufsicht der oder des Landesbeauftragten. Er hat die Vorgaben der Landesregierung zu beachten und ihr über alle Vorgänge zu berichten, die für sie von Bedeutung sind.
§ 32
Besuchskommissionen
(1) Die Besuchskommissionen nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 2. Dezember 1969 (GV. NRW. S.872) in der jeweils geltenden Fassung sind auch für die Einrichtungen des Maßregelvollzugs zuständig
(2) Besuche der Besuchskommission und des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sind von den Trägern der Einrichtungen zu ermöglichen.
§ 33
Durchführungsbestimmungen
Das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium wird ermächtigt, nach Anhörung des zuständigen Landtagsausschusses und im Einvernehmen mit dem für Rechtspflege zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung
- die Anforderungen an die Ausstattung der Einrichtung nach § 2,
- die Unterrichtung der Patientinnen und Patienten nach § 6 Abs. 1,
- das Überwachen, Anhalten, Verwahren oder Untersagen von Schreiben, Telegrammen, Paketen, Päckchen, Zeitungen und Zeitschriften nach § 8 Abs. 2 bis 4,
- die Bestellung von Datenschutzbeauftragten insoweit im Benehmen mit dem für den Datenschutz zuständigen Ministerium,
- die Besuchsregelung, Telefongespräche und Telekommunikation nach § 9,
- den Ausschluß von religiösen Veranstaltungen nach § 13 Abs. 3,
- die Verwendung des Überbrückungsgeldes nach § 14 Abs. 3,
- Art und Umfang der Meldungen nach § 20 Abs. 4 und
- die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 21
zu regeln und die zuständigen Behörden zu bestimmen. Es erläßt die zur Ausführung dieses Gesetzes notwendigen Verwaltungsvorschriften. § 30 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.
§ 34 (Fn 3)
Grundrechte
Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person), aus Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post-und Fernmeldegeheimnis), aus Art.13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) und aus Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 (Eigentum) des Grundgesetzes eingeschränkt. Diese Grundrechte können auch auf Grund dieses Gesetzes eingeschränkt werden.
V. Abschnitt
Aufgaben außerhalb des Maßregelvollzugs,
Übergangsvorschrift
§ 35 (Fn 7)
Unterbringung nach der Strafprozeßordnung und dem Jugendgerichtsgesetz
(1) Unterbringungen nach § 81, § 126 a und § 453 c in Verbindung mit § 463 Abs. 1 der Strafprozeßordnung sowie nach §§ 7, 73 des Jugendgerichtsgesetzes erfolgen in geeigneten Einrichtungen. §§ 15, 29 und 30 gelten entsprechend.
(2) Für den Vollzug der in Absatz 1 genannten Unterbringungen nach § 126a und § 453c in Verbindung mit § 463 der Strafprozessordnung gelten die Vorschriften des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend, soweit diese mit einer einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt vereinbar sind.
§ 36
Übergangsvorschrift
Die Kostenregelungen nach § 22 a sowie der Organisationsplan nach § 13 und § 24 Nr. 2 nach dem Gesetz über den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (Maßregelvollzugsgesetz - MRVG) vom 18. Dezember 1984 (GV. NRW. S. 14), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Februar 1994 (GV. NRW. S. 84), gelten für die Landschaftsverbände bis zum Erlaß der Rechtsverordnungen nach § 15 Abs. 1 und § 30 Abs. 3 weiter; sie treten beim Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsverordnungen außer Kraft.
VI. Abschnitt
Inkrafttreten
§ 37
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft (Fn 2). Gleichzeitig tritt das Maßregelvollzugsgesetz vom 18. Dezember 1984 (GV. NRW. S. 14), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Februar 1994 (GV. NRW. S. 84), nach Maßgabe des vorstehenden § 36 außer Kraft.
§ 38 (Fn 5)
Berichtspflicht
Über die Erfahrungen mit diesem Gesetz ist dem Landtag bis zum 31. Dezember 2009 zu berichten.
Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen
Der Ministerpräsident
Der Finanzminister
Der Innenminister
Der Justizminister
Der Minister für Bauen und Wohnen
Die Ministerin für Frauen.
Jugend, Familie und Gesundheit
GV. NRW. S. 402, geändert durch Gesetz v. 11.6.2002 (GV. NRW. S. 237); Artikel 63 des Vierten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 332), in Kraft getreten am 30. April 2005; Art VI des Gesetzes v. 5.4.2005 (GV. NRW. S 408), in Kraft getreten am 5. Mai 2005; Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Oktober 2009 (GV. NRW. S. 540), in Kraft getreten am 1. März 2010. |
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GV. NRW. ausgegeben am 15. Juli 1999. |
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§§ 1, 3, 18, 26, 31 u. 34 geändert durch Gesetz v. 11.6.2002 (GV. NRW. S.237), in Kraft getreten am 29. Juni 2002. |
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§§ 27 u. 28 gestrichen durch Gesetz v. 11.6.2002(GV. NRW. S.237), mit Wirkung vom 29. Juni 2002. |
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§ 38 angefügt durch Artikel 63 des Vierten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 332);in Kraft getreten am 30. April 2005. |
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§ 16 Abs. 3 geändert durch Art VI des Gesetzes v. 5.4.2005 (GV. NRW. S 408); in Kraft getreten am 5. Mai 2005. |
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§ 35 geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Oktober 2009 (GV. NRW. S. 540), in Kraft getreten am 1. März 2010. |