Gesetz
über den Verfassungsgerichtshof
für das Land Nordrhein-Westfalen
(Verfassungsgerichtshofgesetz - VGHG NW -)

Vom 14. Dezember 1989 (Fn 1)

Inhaltsübersicht:

Erster Teil:

Sitz, Zusammensetzung und Zuständigkeit

§ 1 Stellung und Sitz des Gerichts

§ 2 Zusammensetzung

§ 3 Wahlmitglieder, Voraussetzung der Wählbarkeit

§ 4 Wahl

§ 5 Ernennung und Amtseid

§ 6 Vorsitz

§ 7 Verhinderung, Beschlußfähigkeit

§ 8 Ausscheiden, Entlassung und Entbindung

§ 9 Entschädigung

§ 10 Geschäftsordnung

§ 11 Geschäftseinrichtungen des Oberverwaltungsgerichts

§ 12 Zuständigkeiten

Zweiter Teil

Verfahrensvorschriften

Erstes Kapitel

Allgemeine Verfahrensvorschriften

§ 13 Ergänzende Verfahrensvorschriften

§ 14 Ausschluß vom Richteramt

§ 15 Befangenheit

§ 16 Rechts- und Amtshilfe

§ 17 Prozeßbevollmächtigte

§ 18 Antragstellung und Vorverfahren

§ 19 Verwerfung und Zurückweisung von Anträgen

§ 20 Mündliche Verhandlung

§ 21 Beweiserhebung

§ 22 Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen

§ 23 Niederschrift

§ 24 Entscheidung und Verkündung

§ 25 Abstimmung und Beratungsgeheimnis

§ 26 Wirkung der Entscheidungen

Zweites Kapitel

Eilverfahren, Aussetzung, Vollstreckung
und Wiederaufnahme

§ 27 Einstweilige Anordnung

§ 28 Aussetzung des Verfahrens

§ 29 Vollstreckung

§ 30 Wiederaufnahme

Dritter Teil

Besondere Verfahrensvorschriften

Erstes Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 32 der Verfassung

§ 31 Antrag gegen umstürzlerische Vereinigungen

§ 32 Vertretung

§ 33 Beschlagnahme und Durchsuchung

§ 34 Vorverfahren

§ 35 Stimmenmehrheit

§ 36 Veröffentlichung der Entscheidungen

Zweites Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 63 der Verfassung

§ 37 Ministeranklage

§ 38 Voruntersuchung

§ 39 Beendigung des Ministeramtes

§ 40 Rücknahme der Anklage

§ 41 Hauptverhandlung

§ 42 Gegenstand des Urteils

Drittes Kapitel

Entscheidungen über Verfassungsstreitigkeiten
gemäß Artikel 75 Nr. 2 der Verfassung

§ 43 Organstreitigkeiten

§ 44 Antragstellung, Zulässigkeit

§ 45 Beitritt zum Verfahren

§ 46 Inhalt der Entscheidung

Viertes Kapitel

Entscheidungen über Meinungsverschiedenheiten
nach Artikel 75 Nr. 3 der Verfassung

§ 47 Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung

§ 48 Beteiligung des Landtages und der Landesregierung

§ 49 Inhalt der Entscheidung

Fünftes Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 100 des Grundgesetzes
für die Bundesrepublik Deutschland

§ 50 Vorlagebeschluß

§ 51 Inhalt der Entscheidung

Sechstes Kapitel

Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden
der Gemeinden und Gemeindeverbände

§ 52 Selbstverwaltungsgarantie, Verfassungsbeschwerde

Siebtes Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 33
und 68 der Verfassung

§ 53 Verfahrensvorschriften

Vierter Teil

Kosten

§ 54 Kostenentscheidung

Fünfter Teil

Schlußvorschriften

§ 55 Inkrafttreten

Erster Teil

Sitz, Zusammensetzung und Zuständigkeit

§ 1
(Stellung und Sitz des Gerichts)

(1) Der Verfassungsgerichtshof ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber unabhängiger Gerichtshof des Landes.

(2) Der Verfassungsgerichtshof hat seinen Sitz in Münster.

§ 2
(Zusammensetzung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof setzt sich zusammen aus dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, den beiden lebensältesten Präsidenten der Oberlandesgerichte des Landes, vier vom Landtag auf die Dauer von sechs Jahren gewählten Mitgliedern, von denen die Hälfte die Befähigung zum Richteramt oder für die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes haben muß, und ihren Vertretern.

(2) Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts.

§ 3
(Wahlmitglieder, Voraussetzung der Wählbarkeit)

(1) Die vom Landtag zu wählenden Mitglieder (Wahlmitglieder) müssen das 35. Lebensjahr vollendet haben, zum Landtag wählbar sein und sich schriftlich bereit erklärt haben, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs zu werden.

(2) Die für die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes befähigten Mitglieder müssen diese Befähigung durch Ableisten des Vorbereitungsdienstes und Bestehen der vorgeschriebenen Laufbahnprüfung erworben haben.

(3) Beamte und sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes mit Ausnahme der Richter und der Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule sind nicht wählbar.

(4) Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung, des Bundesverfassungsgerichts, des Landtages, der Landesregierung oder eines Gesetzgebungsorgans eines anderen Landes können nicht Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sein.

§ 4
(Wahl)

(1) Die Wahlmitglieder und ihre Vertreter werden vom Landtag in geheimer Wahl ohne Aussprache gewählt; für jedes Wahlmitglied ist ein bestimmter Vertreter zu wählen.

(2) Einigen sich nicht mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Landtages auf einen gemeinsamen Vorschlag für die Wahl, so sind zunächst in jedem Wahlgang zwei Mitglieder zu wählen. Jeder Abgeordnete kann seine Stimme in diesem Fall in jedem Wahlgang nur für einen Kandidaten abgeben. Gewählt sind die beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten. Steht nur ein Wahlmitglied oder Vertreter zur Wahl, so ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhalten hat.

(3) Die Wahlmitglieder und ihre Vertreter sollen frühestens drei Monate und spätestens einen Monat vor Ablauf der Amtszeit ihrer Vorgänger oder, wenn der Landtag in dieser Zeit aufgelöst ist, innerhalb eines Monats nach seinem ersten Zusammentritt gewählt werden.

(4) Wiederwahl ist zulässig.

(5) Scheidet ein Wahlmitglied vorzeitig aus, so tritt dessen Vertreter an seine Stelle. Für den Vertreter soll die Nachwahl innerhalb eines Monats erfolgen.

(6) Absatz 5 Satz 2 gilt bei Ausscheiden eines Vertreters entsprechend.

§ 5
(Ernennung und Amtseid)

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs erhalten eine vom Ministerpräsidenten unterzeichnete Urkunde über Art und Dauer ihres Amtes. Sämtliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Vertreter leisten, bevor sie ihr Amt antreten, vor dem Landtag den folgenden Eid:

,,Ich schwöre, daß ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."

Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

§ 6
(Vorsitz)

(1) Der Präsident führt den Vorsitz und nimmt außerhalb der Sitzungen die Befugnisse des Verfassungsgerichtshofs wahr.

(2) Ständige Vertreter des Präsidenten sind die Vizepräsidenten. Erster und zweiter Vizepräsident sind die dem Verfassungsgerichtshof angehörenden Präsidenten der Oberlandesgerichte nach dem Lebensalter.

(3) Sind der Präsident und die Vizepräsidenten verhindert, nimmt das lebensälteste Mitglied des Verfassungsgerichtshofs die Befugnisse des Präsidenten wahr.

§ 7
(Verhinderung, Beschlußfähigkeit)

(1) Ist ein Mitglied kraft Amtes verhindert, seine richterlichen Befugnisse wahrzunehmen, tritt an dessen Stelle sein Vertreter im Amt. Ist auch dieser verhindert, tritt an seine Stelle der lebensälteste der anderen nicht verhinderten Vertreter kraft Amtes.

(2) Ist ein Wahlmitglied verhindert, seine richterlichen Befugnisse wahrzunehmen, tritt an dessen Stelle der gewählte Vertreter. Ist auch dieser verhindert, tritt an seine Stelle der Lebensälteste der anderen nicht verhinderten gewählten Vertreter.

(3) Hat ein geladenes Mitglied oder ein zur Mitwirkung geladener Vertreter seine Verhinderung angezeigt oder sind sie ohne Anzeige nicht erschienen, so ist der Verfassungsgerichtshof auch in einer Besetzung mit sechs Richtern beschlußfähig, wenn anders die Beschlußfähigkeit des Verfassungsgerichtshofs nicht rechtzeitig hergestellt werden kann.

§ 8 (Fn 6)
(Ausscheiden, Entlassung und Entbindung)

(1) Der Präsident, die Vizepräsidenten und ihre Stellvertreter scheiden als Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs aus, wenn sie aus ihrem Hauptamt ausscheiden.

(2) Die Wahlmitglieder scheiden aus, wenn sie die Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft des Verfassungsgerichtshofs verlieren, ihre Amtszeit abgelaufen ist oder mit Ablauf des Monats, in dem sie das 68. Lebensjahr vollendet haben. Satz 1 gilt für die Vertreter entsprechend.

(3) Die Wahlmitglieder können jederzeit ihre Entlassung beantragen. Die Entlassung hat der Ministerpräsident unverzüglich auszusprechen.

(4) Die Wahlmitglieder sind zu entlassen, wenn sie sich innerhalb oder außerhalb ihrer richterlichen Tätigkeit einer so groben Pflichtverletzung schuldig gemacht haben, daß ihr Verbleiben im Amt ausgeschlossen erscheint. Sie sind von ihrem Amt zu entbinden, wenn sie infolge körperlicher oder geistiger Behinderung zur Ausübung der richterlichen Tätigkeit dauernd unfähig sind. Über die Entlassung und die Entbindung vom Amte entscheidet auf Antrag des Verfassungsgerichtshofs der Landtag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln. Der Antrag nach Satz 3 bedarf der Zustimmung von mindestens fünf Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs.

(5) Für die Mitglieder kraft Amtes gelten die Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713) in der jeweils geltenden Fassung und des Landesrichter- und Staatsanwältegesetzes vom 8. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 812) in der jeweils geltenden Fassung auch für ihre Tätigkeit beim Verfassungsgerichtshof. Einleitungsbehörde für Disziplinarmaßnahmen gegen sie in ihrem Amte als Verfassungsrichter ist die Landesregierung. Sie wird nur auf Antrag des Verfassungsgerichtshofs tätig. Für den Antrag gilt § 8 Abs. 4 Satz 4 entsprechend.

§ 9 (Fn 7)
(Entschädigung)

Die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs erhalten je Sitzungstag ein Sitzungsgeld in Höhe von 30 Euro sowie Reisekostenvergütung nach Reisekostenstufe C für Landesbeamte; neben dem Sitzungsgeld wird Tagegeld nach dem Landesreisekostengesetz nicht gezahlt. Daneben erhalten die Wahlmitglieder und ihre Vertreter eine Vergütung in Höhe der Zulage nach § 56 Nummer 3 des Landesbesoldungsgesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) in der jeweils geltenden Fassung. Den Wahlmitgliedern und ihren Vertretern wird ferner Unfallfürsorge in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und der §§ 36 bis 41 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) in der jeweils geltenden Fassung gewährt.

§ 10
(Geschäftsordnung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof gibt sich eine Geschäftsordnung; er beschließt sie in der für die Entscheidung von Streitfällen vorgesehenen Besetzung.

(2) Die Geschäftsordnung ist im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen zu veröffentlichen.

§ 11
(Geschäftseinrichtungen des Oberverwaltungsgerichts)

Die Geschäftseinrichtungen des Oberverwaltungsgerichts stehen dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung.

§ 12
(Zuständigkeiten)

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet

1. über den Ausschluß von Vereinigungen und Personen von der Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen (Artikel 32 der Verfassung),

2. über Beschwerden im Wahlprüfungsverfahren (Artikel 33 der Verfassung),

3. über Anklagen gegen den Ministerpräsidenten oder gegen Minister (Artikel 63 der Verfassung),

4. über die Anrufung gegen die Entscheidung der Landesregierung über die Zulässigkeit eines Volksbegehrens (Artikel 68 Abs. 1 Satz 6 der Verfassung),

5. über die Auslegung der Verfassung aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung eines obersten Landesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind (Artikel 75 Nr. 2 der Verfassung),

6. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung auf Antrag der Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Landtags (Artikel 75 Nr. 3 der Verfassung),

7. in den nach Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland der Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte zugewiesenen Fällen,

8. über Verfassungsbeschwerden, die von den Gemeinden und Gemeindeverbänden mit der Behauptung erhoben werden, Landesrecht verletze die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der Selbstverwaltung (Artikel 75 Nr. 4 der Verfassung, § 52),

9. in sonstigen durch Gesetz zugewiesenen Fällen (Artikel 75 Nr. 4 der Verfassung).

Zweiter Teil

Verfahrensvorschriften

Erstes Kapitel

Allgemeine Vorschriften

§ 13
(Ergänzende Verfahrensvorschriften)

(1) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die für das Verfahren erster Instanz der Verwaltungsgerichte des Landes geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Zu ihrer Ergänzung sind die allgemeinen Regeln des deutschen Verfahrensrechts heranzuziehen, die in den Fällen des § 12 Nr. 1 und 3 insbesondere aus der Strafprozeßordnung zu entnehmen sind.

(2) Für die Zustellungen gilt das Landeszustellungsgesetz.

§ 14 (Fn 5)
(Ausschluß vom Richteramt)

(1) Ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs ist von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn es

a) an der Sache beteiligt oder mit einem Beteiligten verheiratet ist oder war oder mit einem Beteiligten in eingetragener Lebenspartnerschaft lebt oder lebte, in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist oder

b) in der selben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist.

(2) Beteiligt ist nicht, wer aufgrund seines Familienstandes, seines Berufes, seiner Abstammung, seiner Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder aus einem ähnlichen allgemeinen Gesichtspunkt am Ausgang des Verfahrens interessiert ist.

(3) Als Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b) gilt nicht

1. die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren,

2. die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer Rechtsfrage, die für das Verfahren bedeutsam sein kann.

§ 15
(Befangenheit)

(1) Ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs kann von den Verfahrensbeteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden; die Ablehnung kann jedoch nicht auf die in § 14 Abs. 2 aufgeführten Tatbestände gestützt werden.

(2) Die Ablehnung ist zu begründen. Der Abgelehnte hat sich dazu zu äußern. Ein Beteiligter kann ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn er sich, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen hat.

(3) Erklärt sich ein Richter, der nicht abgelehnt ist, selbst für befangen, so gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Über die Ablehnung entscheidet das Gericht unter Ausschluß des Abgelehnten. Sind mehrere Mitglieder abgelehnt worden, entscheidet das Gericht in der verbleibenden Besetzung. Sind mehr als drei Mitglieder abgelehnt worden, entscheidet das Gericht unter Heranziehung der Vertreter.

§ 16
(Rechts- und Amtshilfe)

(1) Alle Gerichte und Verwaltungsbehörden leisten dem Verfassungsgerichtshof Rechts- und Amtshilfe. Sie legen ihm Akten und Urkunden über ihre oberste Dienstbehörde vor.

(2) Die Beteiligten haben das Recht der Akteneinsicht.

§ 17
(Prozeßbevollmächtigte)

(1) Die Beteiligten können sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten lassen; in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof müssen sie sich in dieser Weise vertreten lassen. Die Bevollmächtigung ist nachzuweisen.

(2) Der Landtag oder Teile von diesem, die in der Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtages mit eigenen Rechten ausgestattet sind, können sich auch durch ihre Mitglieder vertreten lassen. Das Land und seine Verfassungsorgane sowie die Gemeinden und Gemeindeverbände können sich außerdem durch ihre Beamten vertreten lassen, soweit diese die Befähigung zum Richteramt oder für die Laufbahn des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes besitzen.

(3) Der Verfassungsgerichtshof kann auch eine andere Person als Beistand eines Beteiligten zulassen. Die Zulassung kann jederzeit widerrufen werden.

(4) Ist ein Bevollmächtigter bestellt, müssen alle Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, an den Bevollmächtigten erfolgen. Ist der Aufenthalt eines Bevollmächtigten unbekannt, erfolgt die Zustellung unmittelbar an den Beteiligten des Verfahrens.

§ 18
(Antragstellung und Vorverfahren)

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Verfassungsgerichtshof einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende des Verfassungsgerichtshofs stellt den Antrag den übrigen Beteiligten mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

§ 19
(Verwerfung und Zurückweisung von Anträgen)

Der Verfassungsgerichtshof kann durch einstimmigen Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, unzulässige Anträge verwerfen, offensichtlich unbegründete Anträge zurückweisen.

§ 20
(Mündliche Verhandlung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung, es sei denn, daß alle Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichten. Der Verfassungsgerichtshof hat den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Er ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht als Urteil, die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung als Beschluß.

(3) Teil- und Zwischenentscheidungen sind zulässig.

(4) Der Verfassungsgerichtshof kann den Beteiligten im Wege der prozessleitenden Verfügung Rechtsbedenken vorhalten.

§ 21
(Beweiserhebung)

Der Verfassungsgerichtshof erhebt den nach seinem Ermessen erforderlichen Beweis. Er kann damit außerhalb der mündlichen Verhandlung ein Mitglied des Gerichts beauftragen oder mit Begrenzung auf bestimmte Fragen und Personen ein anderes Gericht darum ersuchen.

§ 22
(Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen)

(1) Für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gelten in den Fällen des § 12 Nr. 1 und 3 die Vorschriften der Strafprozeßordnung, in den übrigen Fällen die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Soweit ein Zeuge oder Sachverständiger nur mit Genehmigung einer vorgesetzten Stelle vernommen werden darf, kann diese Genehmigung nur verweigert werden, wenn es das Wohl des Bundes oder eines Landes erfordert. Der Zeuge oder Sachverständige kann sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen, wenn der Verfassungsgerichtshof mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen die Verweigerung der Aussagegenehmigung für unbegründet erklärt.

§ 23
(Niederschrift)

Über die mündliche Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die von dem Vorsitzenden des Verfassungsgerichtshofs und dem Protokollführer zu unterzeichnen ist.

§ 24
(Entscheidung und Verkündung)

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet in geheimer Beratung nach seiner freien, aus dem Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme geschöpften Überzeugung. Die Entscheidung ist schriftlich abzufassen, zu begründen und von den Richtern, die mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Sie ist sodann, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in einem in der Verhandlung bekannt gegebenen oder nach Abschluß der Beratung festgelegten Termin, der den Beteiligten unverzüglich mitzuteilen ist, unter Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe öffentlich zu verkünden.

§ 25
(Abstimmung und Beratungsgeheimnis)

(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet unter Mitwirkung aller Mitglieder mit Stimmenmehrheit, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorschreibt. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.

(2) Die Mitglieder stimmen nach dem Lebensalter ab; der jüngere stimmt vor dem älteren. Wenn ein oder mehrere Berichterstatter ernannt sind, stimmen diese zuerst. Zuletzt stimmt der Vorsitzende. Stimmenthaltung ist unzulässig.

(3) Alle Mitglieder desVerfassungsgerichtshofs sind verpflichtet, über den Hergang der Beratung Stillschweigen gegen jedermann zu bewahren. Das gilt auch für die Abstimmung.

§ 26
(Wirkung der Entscheidungen)

(1) Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs binden die Verfassungsorgane des Landes sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) Entscheidungen nach § 12 Nr. 5, 6 und 8 haben Gesetzeskraft. Soweit ein Gesetz als mit der Landesverfassung vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch den Ministerpräsidenten im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen zu veröffentlichen.

Zweites Kapitel

Eilverfahren, Aussetzung, Vollstreckung
und Wiederaufnahme

§ 27
(Einstweilige Anordnung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof kann eine einstweilige Anordnung treffen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grunde zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

(2) Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Vor dem Erlaß der einstweiligen Anordnung soll den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

(3) Gegen die einstweilige Anordnung und ihre Ablehnung kann binnen eines Monats Widerspruch erhoben werden. Über den Widerspruch entscheidet der Verfassungsgerichtshof nach mündlicher Verhandlung, die spätestens zwei Wochen nach dem Eingang des Widerspruchs stattfindet.

(4) Der Widerspruch gegen die einstweilige Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Der Verfassungsgerichtshof kann die Vollziehung der einstweiligen Anordnung aussetzen.

§ 28
(Aussetzung des Verfahrens)

(1) Der Verfassungsgerichtshof kann sein Verfahren bis zur Erledigung eines bei einem anderen Gericht anhängigen Verfahrens aussetzen, wenn für seine Entscheidung die Feststellungen oder die Entscheidung dieses anderen Gerichts von Bedeutung sein können.

(2) Der Verfassungsgerichtshof kann seiner Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils zugrunde legen, das in einem Verfahren ergangen ist, in dem die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen ist.

§ 29
(Vollstreckung)

Die Vollstreckung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs obliegt der Landesregierung, soweit nicht der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung etwas anderes bestimmt.

§ 30 (Fn 5)
(Wiederaufnahme)

(1) Ein abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten wieder aufgenommen werden, wenn

a) der Verfassungsgerichtshof nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

b) ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht wurde,

c) bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war.

Dies gilt nicht für Verfahren, die mit einer Entscheidung im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 abgeschlossen worden sind.

(2) In den Fällen des § 12 Nr. 1 und 3 kann das Verfahren außerdem wieder aufgenommen werden, wenn

a) die Entscheidung auf einer als echt vorgebrachten Urkunde beruht, die unecht oder verfälscht war,

b) der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zu Ungunsten eines Prozeßbeteiligten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat,

c) bei einem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht von dem Verfahrensbeteiligten selbst veranlaßt ist,

d) wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die geeignet sind, allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung zu begründen.

Die Wiederaufnahme findet nur zu Gunsten des Antragsgegners oder des Verurteilten und nur auf seinen Antrag oder im Falle des § 12 Nr. 3 nach seinem Tode auf Antrag seines Ehegatten, ihrer eingetragenen Lebenspartnerin, seines eingetragenen Lebenspartners oder eines seiner Abkömmlinge statt.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Buchstaben a), b) und c) ist ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der auf die Behauptung einer Straftat gegründet werden soll, nur dann zulässig, wenn wegen dieser Tat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen kann.

(4) Über die Zulassung des Antrags auf Wiederaufnahme entscheidet der Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung.

Dritter Teil

Besondere Verfahrensvorschriften

Erstes Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 32 der Verfassung

§ 31
(Antrag gegen umstürzlerische Vereinigungen)

Der Antrag auf Entscheidung, ob Vereinigungen und Personen sich an Wahlen und Abstimmungen nicht beteiligen dürfen, weil sie es unternehmen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken oder gegen Volk, Land oder Verfassung Gewalt anzuwenden, kann von der Landesregierung oder von mindestens 50 Abgeordneten des Landtages gestellt werden.

§ 32
(Vertretung)

Die Vertretung der Vereinigung bestimmt sich nach den gesetzlichen Vorschriften, hilfsweise nach ihrer Satzung. Sind die Vertretungsberechtigten nicht feststellbar oder nicht vorhanden oder haben sie nach Eingang des Antrags beim Verfassungsgerichtshof gewechselt, so gelten als vertretungsberechtigt diejenigen Personen, die die Geschäfte der Vereinigung während der Tätigkeit, die den Antrag veranlaßt hat, zuletzt tatsächlich geführt haben.

§ 33
(Beschlagnahme und Durchsuchung)

Nach Eingang des Antrags kann der Verfassungsgerichtshof eine Beschlagnahme oder Durchsuchung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung anordnen.

§ 34
(Vorverfahren)

Der Verfassungsgerichtshof gibt den Vertretungsberechtigten Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist und beschließt dann ohne mündliche Verhandlung, ob der Antrag als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder ob die Verhandlung durchzuführen ist.

§ 35
(Stimmenmehrheit)

Die Beschlußfassung im Vorverfahren sowie die Entscheidung, daß die Voraussetzungen des Artikel 32 Abs. 1 der Landesverfassung vorliegen, bedarf einer Mehrheit von mindestens fünf Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs.

§ 36
(Veröffentlichung der Entscheidungen)

Die zur Sache ergangene Entscheidung ist im Gesetz- und Verordnungsblatt durch den Ministerpräsidenten zu veröffentlichen.

Zweites Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 63 der Verfassung

§ 37
(Ministeranklage)

(1) Der Beschluß auf Erhebung der Anklage gegen den Ministerpräsidenten oder einen Minister wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Verfassung oder eines anderen Gesetzes muß von mindestens zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Landtages gefaßt werden.

(2) Der vom Landtag mit der Vertretung der Anklage Beauftragte soll die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst besitzen.

§ 38
(Voruntersuchung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof kann eine Voruntersuchung anordnen. Er muß sie anordnen, wenn der Beauftragte des Landtages oder der Angeklagte sie beantragt.

(2) Die Durchführung der Voruntersuchung ist einem Mitglied des Verfassungsgerichtshofs zu übertragen.

§ 39
(Beendigung des Ministeramtes)

Erhebung und Weiterverfolgung der Anklage werden durch die Beendigung des Amtes des Anzuklagenden nicht berührt.

§ 40
(Rücknahme der Anklage)

(1) Die Anklage kann bis zur Verkündung des Urteils aufgrund eines Beschlusses des Landtages zurückgenommen werden. Der Beschluß bedarf der zur Anklageerhebung erforderlichen Mehrheit.

(2) Zur Rücknahme der Anklage ist die Zustimmung des Angeklagten erforderlich.

§ 41
(Hauptverhandlung)

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung. Zur Verhandlung ist der Angeklagte zu laden. Er ist dabei darauf hinzuweisen, daß ohne ihn verhandelt wird, wenn er unentschuldigt ausbleibt oder sich ohne ausreichenden Grund entfernt.

§ 42
(Gegenstand des Urteils)

(1) Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs stellt entweder fest, daß der Angeklagte einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Verfassung oder eines anderen Gesetzes schuldig ist, oder spricht ihn frei. Die Schuldfeststellung kann nur erfolgen, wenn mindestens fünf Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sie bejahen.

(2) Im Falle der Verurteilung kann das Gericht den Angeklagten seines Amtes für verlustig erklären und, auch im Falle des § 39, den Verlust oder die Kürzung seines Ruhegehaltes bestimmen. Mit der Verkündung des Urteils treten der Amtsverlust und der Verlust oder die Kürzung des Ruhegehaltes ein.

(3) Eine Ausfertigung der Entscheidung ist außer den Beteiligten dem Landtag und der Landesregierung zuzustellen.

Drittes Kapitel

Entscheidungen über Verfassungsstreitigkeiten
gemäß Artikel 75 Nr. 2 der Verfassung

§ 43
(Organstreitigkeiten)

Antragsteller und Antragsgegner können nur die obersten Landesorgane und die in der Verfassung oder in einer Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe sein.

§ 44
(Antragstellung, Zulässigkeit)

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

(2) Im Antrag ist die Maßnahme oder Unterlassung, durch die der Antragsgegner gegen die Verfassung verstoßen haben soll, näher darzulegen.

(3) Der Antrag muß innerhalb von sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.

§ 45
(Beitritt zum Verfahren)

(1) Dem Antragsteller oder Antragsgegner können in jeder Lage des Verfahrens andere nach § 43 genannte Antragsberechtigte beitreten, wenn die Entscheidung auch für die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten von Bedeutung ist.

(2) Der Verfassungsgerichtshof gibt von der Einleitung des Verfahrens dem Landtag und der Landesregierung Kenntnis.

§ 46
(Inhalt der Entscheidung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof stellt in seiner Entscheidung fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung der Verfassung verstößt. Die Bestimmung ist zu bezeichnen.

(2) Der Verfassungsgerichtshof kann in der Entscheidungsformel zugleich eine für die Auslegung der Bestimmung der Verfassung erhebliche Rechtsfrage entscheiden, von der die Feststellung gemäß Absatz 1 abhängt.

Viertes Kapitel

Entscheidungen über Meinungsverschiedenheiten
nach Artikel 75 Nr. 3 der Verfassung

§ 47
(Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung)

Der Antrag der Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Landtages ist nur zulässig, wenn

a) der Antragsteller eine Norm des Landesrechts wegen ihrer förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit der Verfassung für nichtig hält oder

b) ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Organ des Landes eine Norm des Landesrechts aus dem selben Grunde nicht angewendet hat.

§ 48
(Beteiligung des Landtages und
der Landesregierung)

Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag und der Landesregierung Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist zu geben. Landtag und Landesregierung können in jeder Lage des Verfahrens diesem beitreten.

§ 49
(Inhalt der Entscheidung)

Kommt der Verfassungsgerichtshof zu der Überzeugung, daß eine beanstandete Rechtsnorm mit der Landesverfassung unvereinbar ist, stellt er diese Unvereinbarkeit oder die Nichtigkeit der Rechtsnorm in seiner Entscheidung fest. Er kann die Entscheidung auf das Gesetz ausdehnen, in dem die nichtige oder mit der Landesverfassung unvereinbare Norm enthalten ist, wenn es aus denselben Gründen nichtig oder mit der Landesverfassung unvereinbar ist.

Fünftes Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 100 des Grundgesetzes
für die Bundesrepublik Deutschland

§ 50
(Vorlagebeschluß)

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für mit der Landesverfassung unvereinbar, so hat es das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs einzuholen.

(2) Das Gericht muß angeben, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit des Gesetzes abhängig ist und mit welcher Verfassungsnorm es unvereinbar erscheint. Die Akten sind beizufügen.

(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes durch einen Beteiligten des Ausgangsverfahrens.

§ 51
(Inhalt der Entscheidung)

(1) Der Verfassungsgerichtshof gibt auch den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Äußerung; er lädt sie zur mündlichen Verhandlung.

(2) Der Verfassungsgerichtshof kann oberste Landesgerichte um die Mitteilung ersuchen, wie und aufgrund welcher Erwägungen sie die Landesverfassung in der streitigen Frage bisher ausgelegt haben, ob und wie sie die in ihrer Gültigkeit streitige Rechtsvorschrift in ihrer Rechtsprechung angewandt haben und welche damit zusammenhängenden Rechtsfragen zur Entscheidung anstehen. Er kann sie ferner ersuchen, ihre Erwägungen zu einer für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage darzulegen. Der Verfassungsgerichtshof gibt den Beteiligten und Äußerungsberechtigten Kenntnis von der Stellungnahme.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nur die Rechtsfrage. Die §§ 48 und 49 gelten entsprechend.

Sechstes Kapitel

Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden
der Gemeinden und Gemeindeverbände

§ 52
(Selbstverwaltungsgarantie, Verfassungsbeschwerde)

(1) Gemeinden und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß Landesrecht die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der Selbstverwaltung verletze.

(2) Die Verfassungsbeschwerde kann nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der zur Überprüfung gestellten Rechtsvorschrift erhoben werden.

(3) Die §§ 48 und 49 finden entsprechende Anwendung.

(4) In Verfahren aufgrund der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz nach § 16 Abs. 3 Satz 1 der Gemeindeordnung oder § 14 Satz 1 der Kreisordnung gibt der Verfassungsgerichtshof denjenigen Gemeinden oder Kreisen Gelegenheit zur Äußerung, deren Gebietsstand durch eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde berührt werden kann. Er lädt sie zur mündlichen Verhandlung und erteilt den anwesenden Vertretern das Wort.

Siebtes Kapitel

Entscheidungen nach Artikel 33 und 68
der Verfassung

§ 53
(Verfahrensvorschriften)

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof in Verfahren gemäß § 12 Nr. 2 und 4 des Gesetzes richtet sich nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften, soweit nicht die gemäß Artikel 33 Abs. 4 und Artikel 68 Abs. 5 der Landesverfassung erlassenen Gesetze etwas anderes bestimmen.

Vierter Teil

Kosten

§ 54 (Fn 4)
(Kostenentscheidung)

(1) Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei.

(2) Erweist sich ein Antrag nach Artikel 32 oder eine Anklage nach Artikel 63 der Landesverfassung als unzulässig oder unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(3) Erweist sich ein Antrag nach Artikel 32 oder eine Anklage nach Artikel 63 der Landesverfassung als begründet, so kann dem Antragsgegner oder dem für schuldig Erklärten die Erstattung der notwendigen Auslagen der Gegenseite ganz oder teilweise auferlegt werden.

(4) In den übrigen Fällen kann der Verfassungsgerichtshof volle oder teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen anordnen.

(5) Wird ein Antrag als offensichtlich unzulässig verworfen oder als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, so kann der Verfassungsgerichtshof dem Antragsteller eine Gebühr von 10,- Euro bis 500,- Euro auferlegen, wenn die Stellung des Antrags einen Missbrauch darstellt.

Fünfter Teil

Schlußvorschriften

§ 55 (Fn 2)
(Inkrafttreten)

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft (Fn 3).

(2) Die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gewählten Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs bleiben bis zum Ablauf der Amtszeit, für die sie gewählt wurden, im Amt. Für bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängige Verfahren gelten die bisherigen Vorschriften fort.

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

 

Fn 1

GV. NW. 1989 S. 708, ber. 1993 S. 588, geändert durch Artikel 1 d. EuroAnpG NRW v. 25.9.2001 (GV. NRW. S. 708); Artikel 4 (Erster Teil) des Gesetzes v. 3.5.2005 (GV. NRW. S. 498), in Kraft getreten am 26. Mai 2005; Artikel 6 des Gesetzes vom 8. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 812), in Kraft getreten am 1. Januar 2016; Artikel 19 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310), in Kraft getreten am 1. Juli 2016.

Fn 2

§ 55 Satz 2 gegenstandslos; Aufhebungsvorschrift.

Fn 3

GV. NW. ausgegeben am 29. Dezember 1989.

Fn 4

§ 54 Abs. 5 geändert durch Artikel 1 d. Gesetzes v. 25.9.2001 (GV. NRW. S. 708), in Kraft getreten am 1. Januar 2002.

Fn 5

§ 14 Abs. 1 und § 30 Abs. 2 geändert durch Artikel 4 (Erster Teil) des Gesetzes v. 3.5.2005 (GV. NRW. S. 498), in Kraft getreten am 26. Mai 2005.

Fn 6

§ 8 Absatz 5 geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 8. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 812), in Kraft getreten am 1. Januar 2016.

Fn 7

§ 9: Satz 1 geändert durch Artikel 1 d. Gesetzes v. 25.9.2001 (GV. NRW. S. 708), in Kraft getreten am 1. Januar 2002; Sätze 2 und 3 geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310), in Kraft getreten am 1. Juli 2016.