Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen
(Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - JStVollzG NRW)

Vom 7. April 2017 (Fn 1)

 

(Artikel 1 des Gesetzes vom 7. April 2017 (GV. NRW. S. 511))

 

Inhaltsübersicht (Fn 2)

 

Abschnitt 1

Anwendungsbereich, Grundsätze des Vollzuges

§ 1 Anwendungsbereich

§ 2 Vollzugsziel

§ 3 Grundsätze der Vollzugsgestaltung

§ 4 Förderung und Erziehung, Mitwirkung und Motivierung

§ 5 Soziale Hilfe

§ 6 Einbeziehung Dritter

§ 7 Sicherheit

§ 8 Opferbezogene Gestaltung

 

Abschnitt 2

Aufnahme und Vollzugsplanung

§ 9 Erstgespräch

§ 10 Aufnahme

§ 11 Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs

§ 12 Vollzugsplan

§ 13 Verlegung, Überstellung, Ausantwortung

 

Abschnitt 3

Unterbringung

§ 14 Offener und geschlossener Vollzug, Vollzug in freien Formen

§ 15 Sozialtherapie

§ 16 Besondere Vorschriften für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung

§ 17 Unterbringung, Aufenthalt, Wohngruppenvollzug

§ 18 Unterbringung von Gefangenen mit Kindern

§ 19 Persönlicher Bereich

§ 20 Verpflegung

§ 21 Einkauf

 

Abschnitt 4

Außenkontakte

§ 22 Grundsatz

§ 23 Besuche

§ 24 Schriftwechsel

§ 25 Telekommunikation

§ 26 Pakete

§ 27 Kontaktverbote

§ 28 Kontakt mit Verteidigerinnen oder Verteidigern, Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes und bestimmten Personen und Institutionen

 

Abschnitt 5

Beschäftigung, Vergütung, Gelder der Gefangenen

§ 29 Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

§ 30 Vergütung

§ 31 Freistellung

§ 32 Anerkennung von Arbeit und Bildung, Ausgleichsentschädigung

§ 33 Gelder der Gefangenen, Haftkostenbeitrag

 

Abschnitt 6

Religionsausübung

§ 34 Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften

 

Abschnitt 7

Gesundheitsfürsorge

§ 35 Gesundheitsfürsorge, Aufenthalt im Freien

§ 36 Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung, Aufwendungsersatz

§ 37 Rechte der Personensorgeberechtigten, Benachrichtigung bei Erkrankung und Todesfall

 

Abschnitt 8

Sport, Freizeit

§ 38 Sport

§ 39 Freizeit, Förderung der Kreativität

§ 40 Hörfunk, Fernsehen

§ 41 Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung, Zeitungen, Zeitschriften

 

Abschnitt 9

Vollzugsöffnende Maßnahmen

§ 42 Vollzugsöffnende Maßnahmen

§ 43 Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Anlass

§ 44 Weisungen

 

Abschnitt 10

Entlassung und soziale Eingliederung

§ 45 Vorbereitung der Entlassung, soziale Eingliederung

§ 46 Vollzugsöffnende Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung

§ 47 Entlassung, Schlussbericht

§ 48 Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen, Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

 

Abschnitt 11

Sicherheit und Ordnung, unmittelbarer Zwang

§ 49 Grundsatz, Verhaltensvorschriften

§ 50 Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit

§ 51 Besondere Sicherungsmaßnahmen

§ 52 Unmittelbarer Zwang, Handeln auf Anordnung, Festnahmerecht

 

Abschnitt 12

Erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung, Disziplinarmaßnahmen

§ 53 Pflichtverstöße, erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung

§ 54 Disziplinarmaßnahmen

§ 55 Verfahren

§ 56 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen

 

Abschnitt 13

Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht

§ 57 Widerruf, Rücknahme

§ 58 Beschwerderecht

 

Abschnitt 14

Organisation

§ 59 Anstalten und Einrichtungen

§ 60 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung

§ 61 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

 

Abschnitt 15

Innerer Aufbau, Personal, Aufsicht

§ 62 Bedienstete

§ 63 Anstaltsleitung

§ 64 Seelsorge

§ 65 Medizinische Versorgung

§ 66 Konferenzen

§ 67 Gefangenenmitverantwortung

§ 68 Hausordnung

§ 69 Aufsichtsbehörde

§ 70 Vollstreckungsplan

 

Abschnitt 16

Beiräte

§ 71 Aufgaben und Befugnisse der Beiräte

 

Abschnitt 17

Kriminologischer Dienst, Schlussbestimmungen

§ 72 Kriminologischer Dienst

§ 73 Einschränkung von Grundrechten

§ 74 Verhältnis zum Bundesrecht

§ 75 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

 

Abschnitt 1

Anwendungsbereich, Grundsätze des Vollzuges

 

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe sowie der Freiheitsstrafe, soweit diese in Anstalten des Jugendstrafvollzuges nach § 59 vollzogen wird. Wird die Jugendstrafe in einer Einrichtung des Vollzuges in freien Formen außerhalb der Landesjustizverwaltung vollzogen, finden die nachfolgenden Vorschriften nur Anwendung, soweit Zweck und Eigenart des Vollzuges der Jugendstrafe in freien Formen und die Organisation der Einrichtung nicht entgegenstehen.

 

§ 2
Vollzugsziel

Der Vollzug der Jugendstrafe dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er trägt durch eine an den Entwicklungspotentialen der Gefangenen orientierte Förderung dazu bei, individuelle Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen.

 

§ 3
Grundsätze der Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug der Jugendstrafe ist erzieherisch nach anerkannten Grundsätzen der Jugendpädagogik zu gestalten. Zur Erreichung des Vollzugsziels ist die Bereitschaft der Gefangenen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer zu wecken und zu fördern. Sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten sollen ihre Gesundheit, ihre Selbstachtung sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten erhalten und stärken und ihnen helfen, sich als sozial verantwortungsvolle Mitglieder der Gesellschaft zu entwickeln.

 

(2) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Der Vollzug ist von Beginn an darauf auszurichten, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.

 

(3) Die Persönlichkeit und die Würde der Gefangenen sind zu achten. Bei der Ausgestaltung des Vollzuges werden die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Entwicklungsstand, Zuwanderungshintergrund, Religion, Behinderung und sexuelle Identität in angemessenem Umfang berücksichtigt.

 

(4) Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken mit, das Vollzugsziel zu erreichen.

 

(5) Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Einrichtungen des Jugendstrafvollzuges werden an dessen Zielsetzung und Aufgaben sowie den altersspezifischen besonderen Bedürfnissen der Gefangenen ausgerichtet.

 

(6) Gefangene unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, können ihnen Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich sind.

 

(7) Von mehreren gleich geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die Gefangenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.

 

§ 4
Förderung und Erziehung, Mitwirkung und Motivierung

(1) Grundlage der Förderung und Erziehung im Vollzug der Jugendstrafe sind alle Maßnahmen und Programme, welche die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels entwickeln und stärken.

 

(2) Durch differenzierte Angebote wird auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Förder- und Erziehungsbedarf der Gefangenen eingegangen.

 

(3) Förderung und Erziehung sind zukunftsorientiert auszugestalten und sind insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den Straftaten der Gefangenen und ihren Folgen, schulische Bildung, berufliche Qualifizierung und arbeitstherapeutische Angebote, soziale Rehabilitation und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte ausgerichtet.

 

(4) Die Gefangenen sollen an Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels und der Gestaltung des Vollzuges mitwirken. Die Bereitschaft der Gefangenen ist fortwährend durch eine auf Ermutigung zur aktiven Mitwirkung abstellende individuelle Förderplanung, motivierende Lerngelegenheiten und sonstige Angebote und Maßnahmen, die dem jeweiligen Entwicklungsstand der Gefangenen entsprechen, zu wecken und zu fördern.

 

§ 5
Soziale Hilfe

(1) Die Gefangenen sollen befähigt werden, ihre Angelegenheiten eigenständig zu ordnen und zu regeln. Sie werden bei der Bewältigung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten angeleitet und motiviert, angebotene Hilfe anzunehmen.

 

(2) Die Maßnahmen des Vollzuges sind den Gefangenen zu erläutern. Die Vorschriften und die innere Organisation der Anstalt, die Ziele und Methoden der angewandten Förder- und Erziehungsmaßnahmen, die Bedeutung freiwilliger Mitwirkung sowie die vorgeschriebenen Wege, Auskunft zu erhalten und Beschwerden vorzubringen, sind ihnen zu erklären, damit sie ihre Rechte und Pflichten während des Vollzuges in vollem Umfang wahrnehmen können.

 

(3) Die Gefangenen sind über die Auswirkungen der Inhaftierung auf die Sozialversicherung und die insoweit bestehenden Mitwirkungspflichten zu beraten. Die Beratung soll sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen erstrecken.

 

§ 6
Einbeziehung Dritter

(1) Die Anstalten arbeiten eng mit öffentlichen Stellen, freien Trägern sowie anderen Organisationen und Personen zusammen, die der Eingliederung der Gefangenen förderlich sein können. Die Anstalten wirken rechtzeitig auf einen Austausch der erforderlichen Informationen hin.

 

(2) Die Arbeit ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer wird unterstützt. Sie sind verpflichtet, außerhalb ihrer Tätigkeit über alle Angelegenheiten, die vertraulich sind, insbesondere über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit.

 

(3) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit möglich, in die Planung und Gestaltung des Vollzuges einzubeziehen.

 

(4) Zur Förderung der Eingliederung der Gefangenen wird die Bereitstellung von Angeboten und Leistungen Dritter in den Anstalten angestrebt. Die hierfür erforderlichen Netzwerke und Strukturen sind einzurichten und fortzuentwickeln.

 

§ 7
Sicherheit

(1) Der Vollzug der Jugendstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

 

(2) Die Sicherheit der Bevölkerung, der Bediensteten und der übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Gefangenen wird erreicht durch

1. baulich-technische Vorkehrungen,

2. organisatorische Regelungen und deren Umsetzung und

3. soziale und behandlungsfördernde Strukturen.

 

(3) Die Sicherheitsstandards haben sich an den jeweiligen Aufgaben der Anstalten und den zu bewältigenden Gefahren zu orientieren. Der innere Aufbau der Anstalten soll eine Binnendifferenzierung ermöglichen. Bei der Festlegung der Sicherheitsstandards sind insbesondere altersspezifische Belange, besondere Belange weiblicher Gefangener und Gefangener mit Behinderungen sowie die besonderen Anforderungen des Wohngruppenvollzuges einzubeziehen.

 

(4) Anstalten des offenen Vollzuges sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor.

 

(5) Die Sicherheit in den Anstalten soll ein gewaltfreies Klima fördern und die Gefangenen vor Übergriffen Mitgefangener schützen. Den Gefangenen sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, Einstellungen und Fertigkeiten für sozial angemessene Verhaltensweisen zu entwickeln. Ihre Fähigkeit zu gewaltfreier Konfliktlösung und einvernehmlicher Streitbeilegung sowie ihr Bewusstsein für Gefährdungen, die durch Fehlverhalten im Gewalt- oder Drogenbereich entstehen, sind zu entwickeln und zu stärken.

 

§ 8 (Fn 3)
Opferbezogene Gestaltung

(1) Die berechtigten Belange der Opfer sind bei der Gestaltung des Vollzuges, insbesondere bei vollzugsöffnenden Maßnahmen und bei der Erteilung von Weisungen sowie bei der Eingliederung und Entlassung der Gefangenen, zu berücksichtigen. Dem Schutzinteresse gefährdeter Dritter ist Rechnung zu tragen.

 

(2) Die Einsicht der Gefangenen in das Unrecht der Tat und deren Folgen für die Opfer soll geweckt oder vertieft werden. Dabei sollen das Einfühlungsvermögen der Gefangenen in die Situation der Opfer von Straftaten und ihre Selbstachtung in einer dem Entwicklungsstand der Gefangenen entsprechenden Weise gefördert werden. Durch geeignete Förder- und Erziehungsmaßnahmen sollen die Gefangenen auch dazu angehalten werden, Verantwortung für ihre Tat zu übernehmen. Sie sind dabei zu unterstützen, den verursachten materiellen und immateriellen Schaden auszugleichen.

 

(3) Maßnahmen des Opferschutzes und des Tatausgleichs sind mit dem Ziel der Eingliederung der Gefangenen in Einklang zu bringen.

 

(4) Für Fragen des Opferschutzes und des Tatausgleichs sollen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner in den Anstalten zur Verfügung stehen.

 

(5) Opfer, die sich an die Anstalten wenden, sind in geeigneter Form, auch durch die Ansprechpartnerin oder den Ansprechpartner, auf ihre Rechte nach diesem Gesetz hinzuweisen.

 

Abschnitt 2

Aufnahme und Vollzugsplanung

 

§ 9
Erstgespräch

(1) Unmittelbar nach dem Eintritt der Gefangenen in die Anstalt werden die Gefangenen vorläufig aufgenommen und es ist mit ihnen ein Erstgespräch zu führen, das insbesondere dazu dient, ihnen erste Informationen zu erteilen, einen Eindruck von ihrer aktuellen persönlichen Verfassung zu gewinnen sowie Selbstgefährdung und Selbsttötung abzuwenden.

 

(2) Bei dem Erstgespräch dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein. Ausnahmen bedürfen der Einwilligung der betroffenen Gefangenen.

 

(3) Die Gefangenen sollen dabei unterstützt werden, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige sowie sonstige dringend erforderliche Maßnahmen zu veranlassen.

 

§ 10
Aufnahme

(1) Mit neu aufgenommenen Gefangenen ist möglichst am Tag der Aufnahme ein Zugangsgespräch zu führen, in dem in einer ihnen verständlichen Sprache ihre aktuelle Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Ihnen ist die Hausordnung auszuhändigen und ein Exemplar dieses Gesetzes zugänglich zu machen. Gefangene werden alsbald ärztlich untersucht.

 

(2) Für die weitere Aufnahme, die ärztliche Untersuchung und das Zugangsgespräch gilt § 9 Absatz 2 entsprechend.

 

(3) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, das nach § 87b des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) in der jeweils geltenden Fassung für die Mitwirkung in dem Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427) in der jeweils geltenden Fassung örtlich zuständig war, werden von der Aufnahme unverzüglich unterrichtet.

 

§ 11
Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugsplanung die Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs an. Sie dient insbesondere der Feststellung der Entwicklungsmöglichkeiten der Gefangenen, die für eine planvolle und wirksame Förderung der Gefangenen im Vollzug und für ihre Eingliederung nach der Entlassung notwendig ist. Zur Förderung ihrer Mitwirkungsbereitschaft werden den Gefangenen das Vollzugsziel, die Bedeutung des Vollzugsplans, die vorhandenen schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildungsangebote, Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die weiteren Förder- und Erziehungsangebote erläutert. Der Förder- und Erziehungsbedarf der Gefangenen wird, soweit dies nicht bereits in der Untersuchungshaft im Rahmen des Auswahlverfahrens geschehen ist, regelmäßig innerhalb der ersten vier Wochen nach der Aufnahme ermittelt. Soweit erforderlich, sind die Fachdienste frühzeitig zu beteiligen.

 

(2) Die Feststellungen zum Förder- und Erziehungsbedarf erstrecken sich insbesondere auf die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse der Gefangenen, die Ursachen und Umstände der zu der Inhaftierung führenden Straftaten, die Lebenssituation bei der Entlassung und die Eignung für sozialtherapeutische Maßnahmen. Die Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten der Gefangenen sowie weitere Umstände, deren Stärkung zu einer Lebensführung ohne Straftaten beitragen kann, sollen ermittelt werden. Erkenntnisse aus dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen sowie Erkenntnisse Dritter, insbesondere des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz, der Jugendgerichtshilfe und der Jugendämter, sind nach Möglichkeit einzubeziehen.

 

(3) Die Ergebnisse der Feststellungen zum Förder- und Erziehungsbedarf werden mit den Gefangenen erörtert. Sinnvolle Anregungen und Vorschläge der Gefangenen werden aufgegriffen und bei der Vollzugsplanung angemessen berücksichtigt.

 

§ 12
Vollzugsplan

(1) Auf der Grundlage des festgestellten Förder- und Erziehungsbedarfs wird unverzüglich ein Vollzugsplan erstellt. Die zur Erreichung des Vollzugsziels geeigneten und erforderlichen Maßnahmen sind zu benennen und Perspektiven für die künftige Entwicklung der Gefangenen aufzuzeigen. Die für die Eingliederung und Entlassung zu treffenden Vorbereitungen sind frühzeitig in die Planung einzubeziehen.

 

(2) Der Vollzugsplan enthält je nach Stand des Vollzuges Angaben insbesondere zu folgenden Bereichen:

1. festgestellter Förder- und Erziehungsbedarf,

2. Vollzugsform,

3. Art der Unterbringung im Vollzug, insbesondere in Wohn- oder Behandlungsgruppen oder in einer sozialtherapeutischen Einrichtung,

4. Teilnahme an schulischer oder beruflicher Bildung, Zuweisung von Arbeit sowie arbeitstherapeutische Förderung,

5. Art und Umfang der Teilnahme an therapeutischer Behandlung oder anderen Förder- und Erziehungsmaßnahmen,

6. Art und Umfang der Teilnahme an Sport- und Freizeitangeboten,

7. vollzugsöffnende Maßnahmen,

8. Maßnahmen zur Pflege der familiären Kontakte und zur Gestaltung der Außenkontakte, insbesondere bei heimatferner Unterbringung,

9. ehrenamtliche Betreuung,

10. Opferbezogene Förder- und Erziehungsmaßnahmen sowie Maßnahmen und Angebote zum Ausgleich von Tatfolgen,

11. Maßnahmen zur Sicherung berechtigter Schutzinteressen von Opfern oder gefährdeten Dritten,

12. Schuldnerberatung und Schuldenregulierung,

13. Maßnahmen zur Haftverkürzung,

14. Suchtberatung und Maßnahmen der Gesundheitsförderung,

15. voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,

16. Maßnahmen zur arbeitsmarktorientierten Vorbereitung der Entlassung, insbesondere die Fortsetzung oder Aufnahme einer beruflichen oder schulischen Ausbildung oder einer beruflichen Tätigkeit nach der Entlassung, sowie weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Lebensführung und frühzeitige Vorlagefristen,

17. Empfehlungen zur Wahrnehmung von Angeboten und Leistungen Dritter zur Sicherung der Eingliederung nach der Entlassung,

18. Bestimmung der für die Koordination der Entlassungsplanung zuständigen Person und

19. Fristen zur Fortschreibung des Vollzugsplans.

 

(3) Der Vollzugsplan und seine Umsetzung sind regelmäßig zu überprüfen und der Entwicklung der Gefangenen anzupassen sowie mit weiteren für die Förderung und Erziehung bedeutsamen Erkenntnissen in Einklang zu halten. Zur Fortschreibung des Vollzugsplans sind angemessene Fristen vorzusehen. Diese dürfen einen Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten.

 

(4) Zur Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans werden Konferenzen mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durchgeführt. Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges, die an der Förderung und Erziehung, der Entlassungsvorbereitung sowie der Eingliederung der Gefangenen mitwirken, sollen in die Planung einbezogen werden. Mit Einwilligung der Gefangenen können sie auch an den Konferenzen beteiligt werden.

 

(5) Die Personensorgeberechtigten erhalten Gelegenheit, Anregungen und Vorschläge einzubringen. Diese sollen, soweit sie mit dem Vollzugsziel und der Gestaltung des Vollzuges vereinbar sind, berücksichtigt werden.

 

(6) Die Vollzugsplanung wird mit den Gefangenen erörtert. Sind verschiedene Maßnahmen der Förderung gleichermaßen geeignet, soll die Wahl im Einvernehmen mit den Gefangenen getroffen werden. Deren Anliegen und Vorschläge werden auch im Übrigen angemessen berücksichtigt. Betroffenen Gefangenen kann die Teilnahme an der Vollzugsplankonferenz ermöglicht werden. Eine Ausfertigung des Vollzugsplans und seiner Fortschreibungen ist ihnen auszuhändigen. Er ist den Vollstreckungsleitungen zu übermitteln und auf Verlangen der Personensorgeberechtigten diesen schriftlich bekannt zu geben.

 

§ 13
Verlegung, Überstellung, Ausantwortung

(1) Gefangene können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Anstalt verlegt werden, wenn

1. ihre Behandlung während des Vollzuges oder die Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird,

2. in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst das Verhalten der Gefangenen oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt und die aufnehmende Anstalt zur sicheren Unterbringung der Gefangenen besser geeignet ist

oder

3. Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe eine Verlegung erforderlich machen.

 

(2) Die Personensorgeberechtigten, das Jugendamt und die Vollstreckungsleitung werden von der Verlegung der Gefangenen unverzüglich unterrichtet.

 

(3) Im Einvernehmen mit der aufnehmenden Anstalt dürfen Gefangene aus wichtigem Grund, insbesondere zur Durchführung medizinischer Maßnahmen, zur Begutachtung oder Besuchszusammenführung, in eine andere Anstalt überstellt werden.

 

(4) Gefangene dürfen befristet dem Gewahrsam einer anderen Behörde überlassen werden, wenn diese Behörde ihrerseits befugt ist, die Gefangenen in amtlichem Gewahrsam zu halten (Ausantwortung).

 

(5) Vor Verlegungen und Überstellungen sind die Gefangenen anzuhören. Bei einer Gefährdung der Sicherheit kann dies auch nachgeholt werden.

 

Abschnitt 3

Unterbringung

 

§ 14
Offener und geschlossener Vollzug, Vollzug in freien Formen

(1) Gefangene werden im offenen oder geschlossenen Vollzug untergebracht. Sie werden in einer Anstalt oder einer Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht, wenn dies verantwortet werden kann, sie namentlich den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügen und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die besonderen Verhältnisse des offenen Vollzuges zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

 

(2) Zur Vorbereitung der Entlassung sollen Gefangene frühzeitig in den offenen Vollzug verlegt werden. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Missbrauchsgefahren sind insbesondere bei einer unmittelbar bevorstehenden Entlassung mit den Risiken einer unerprobten Entlassung abzuwägen.

 

(3) Kann eine Unterbringung im offenen Vollzug noch nicht verantwortet werden, sind die tragenden Gründe zu dokumentieren und den Gefangenen die noch zu erfüllenden Voraussetzungen in verständlicher Form zu vermitteln. Die Bereitschaft der Gefangenen zur Verlegung in den offenen Vollzug ist zu wecken und fortlaufend zu fördern.

 

(4) Gefangene, die sich für den offenen Vollzug nicht eignen, werden im geschlossenen Vollzug untergebracht. Für den offenen Vollzug geeignete Gefangene dürfen ausnahmsweise im geschlossenen Vollzug verbleiben, dorthin verlegt oder zurückverlegt werden, wenn dies für ihre Förderung oder Erziehung notwendig ist. Sie sind zu verlegen, wenn sie den Anforderungen nach Absatz 1 Satz 2 nicht entsprechen. § 13 Absatz 5 gilt entsprechend.

 

(5) Gefangene können mit ihrer Zustimmung im Vollzug in freien Formen untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen erzieherischen Anforderungen genügen.

 

(6) Die Gründe für eine Verlegung in den offenen Vollzug oder in den Vollzug in freien Formen sowie die Gründe für eine Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug sind ebenfalls zu dokumentieren.

 

§ 15
Sozialtherapie

(1) Gefangene, die wegen erheblicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt worden sind, werden in eine sozialtherapeutische Einrichtung des Jugendstrafvollzuges verlegt, wenn eine sozialtherapeutische Behandlung zur Eingliederung und Förderung der Gefangenen angezeigt und erfolgversprechend ist.

 

(2) Andere Gefangene sollen mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische Einrichtung des Jugendstrafvollzuges verlegt werden, wenn deren Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zu ihrer Eingliederung und zur Verringerung erheblicher Gefahren, die von den Gefangenen für die Allgemeinheit ausgehen, angezeigt und erfolgversprechend ist. Erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit bestehen insbesondere dann, wenn auf Grund einer Störung der sozialen und persönlichen Entwicklung der oder des Gefangenen weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind.

 

(3) Die Bereitschaft der Gefangenen zur Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Behandlung und zur Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung ist zu wecken und durch vorbereitende Maßnahmen zu fördern.

 

(4) Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht.

 

(5) Die Unterbringung der Gefangenen in der sozialtherapeutischen Einrichtung endet, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in ihrer Person liegen, nicht erreicht werden kann.

 

(6) Sozialtherapeutische Behandlung wird in besonderen Abteilungen der Jugendstrafvollzugsanstalten (sozialtherapeutische Einrichtungen) vollzogen. Der Vollzug erfolgt in überschaubaren Wohngruppen, deren Ausgestaltung an den Grundsätzen sozialtherapeutischer Behandlung auszurichten ist. Die Wohngruppen werden jeweils durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter des Sozialen Dienstes, eine Psychologin oder einen Psychologen und fest zugeordnete Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes betreut. Die Diagnostik soll durch Personen erfolgen, die nicht an der therapeutischen Betreuung der Gefangenen beteiligt sind.

 

(7) Gefangenen kann zur Vorbereitung der Entlassung aus einer sozialtherapeutischen Einrichtung Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, insbesondere wenn ihre Unterkunft gesichert, ein Arbeits- oder Weiterbildungsplatz vorhanden und das soziale Umfeld für ihre Eingliederung förderlich ist. § 42 Absatz 1 und 6 bis 9 dieses Gesetzes und § 56 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gelten entsprechend. Gefangenen sollen für den Langzeitausgang Weisungen (§ 44) erteilt werden. Sie sollen insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Einrichtung bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und für eine bestimmte Zeit in die sozialtherapeutische Einrichtung zurückzukehren. Der Langzeitausgang wird widerrufen, wenn dies aus Gründen der Behandlung der Gefangenen erforderlich ist. § 83 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über den Widerruf von Maßnahmen bleibt unberührt.

 

(8) Die sozialtherapeutischen Einrichtungen sollen nach Entlassung der Gefangenen die in der Einrichtung begonnene Betreuung und Behandlung auf Antrag der Gefangenen vorübergehend fortführen, wenn das Ziel der früheren Behandlung gefährdet ist und die Betreuung nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Die nachgehende Betreuung kann in sozialtherapeutischen Nachsorgeambulanzen in den sozialtherapeutischen Einrichtungen durchgeführt werden.

 

(9) Eine vorübergehende Aufnahme auf freiwilliger Grundlage nach der Entlassung der Gefangenen ist zulässig, wenn das Ziel der vorangegangenen Behandlung ansonsten gefährdet ist. § 48 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 bis 6 gilt entsprechend.

 

§ 16
Besondere Vorschriften für Gefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung

(1) Ist bei Gefangenen im Vollzug der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, gelten §§ 91 und 92 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.

 

(2) § 7 Absatz 3 und § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes bleiben unberührt.

 

§ 17
Unterbringung, Aufenthalt, Wohngruppenvollzug

(1) Gefangene werden in Einrichtungen des geschlossenen Vollzuges während der Ruhezeit in ihren Hafträumen allein untergebracht. Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig, wenn

1. eine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen besteht,

2. Gefangene hilfsbedürftig sind,

3. dies aus Gründen der Förderung oder Erziehung erforderlich ist,

4. dies im Einzelfall aus zwingenden Gründen der Anstaltsorganisation vorübergehend erforderlich ist oder

5. sich die Gefangenen im Justizvollzugskrankenhaus oder in Kranken- oder Pflegeabteilungen von Justizvollzugseinrichtungen befinden,

und eine schädliche Beeinflussung der Gefangenen nicht zu befürchten ist. Die Gefangenen müssen für die gemeinschaftliche Unterbringung geeignet sein, insbesondere dürfen weder körperliche Übergriffe noch die Ausübung psychischen Zwangs zu erwarten sein.

 

(2) Für den Aufenthalt während der Arbeit und Freizeit in Gemeinschaft gilt § 14 Absatz 2 und 3 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.

 

(3) Weibliche Gefangene werden getrennt von männlichen Gefangenen untergebracht. Gemeinsame Förderangebote, insbesondere eine gemeinsame Schul- und Berufsausbildung, sowie gemeinsame kulturelle oder religiöse Veranstaltungen sind zulässig. § 86 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

(4) Geeignete Gefangene werden in überschaubaren Wohngruppen untergebracht, die das Alter, die voraussichtliche Dauer der Inhaftierung und die Straftat der Gefangenen berücksichtigen. Der Wohngruppenvollzug dient insbesondere der Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und andere und ermöglicht den dort untergebrachten Gefangenen, ihren Vollzugsalltag weitgehend selbstständig zu regeln. Zu einer Wohngruppe gehören neben Hafträumen weitere Räume und Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung. Sie soll durch fest zugeordnete Bedienstete betreut werden.

 

§ 18
Unterbringung von Gefangenen mit Kindern

(1) Ist das Kind einer Gefangenen oder eines Gefangenen noch nicht schulpflichtig, kann es mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person in der Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Vor der Aufnahme ist das Jugendamt zu hören.

 

(2) Die Kosten der Unterbringung des Kindes einschließlich der Gesundheitsfürsorge trägt die oder der zum Unterhalt des Kindes Verpflichtete. Von der Erhebung der Kosten kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung der oder des Gefangenen mit dem Kind gefährdet würde.

 

(3) Ist das Kind in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen, kann gestattet werden, dass die oder der Gefangene das Kind begleitet, wenn dies erforderlich ist.

 

§ 19 (Fn 4)
Persönlicher Bereich

(1) Gefangene tragen Anstaltskleidung. Das Tragen eigener Kleidung innerhalb der Anstalt kann gestattet werden, soweit die Gefangenen für Reinigung und Instandhaltung auf eigene Kosten sorgen. Bei Ausführungen und Vorführungen ist ihnen zu gestatten, eigene Kleidung zu tragen, wenn zu erwarten ist, dass sie nicht entweichen.

 

(2) Gefangene dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Sie dürfen nur in Gewahrsam haben, was ihnen von der Anstalt oder mit deren Erlaubnis überlassen worden ist. Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Haftraums behindern, eine unverhältnismäßig aufwändige Überprüfung erfordern, sonst die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels gefährden können, dürfen sie nicht in Gewahrsam haben.

 

(3) Eingebrachte Sachen, die Gefangene nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für sie aufzubewahren. Lassen die Verhältnisse der Anstalt eine Aufbewahrung nicht zu und weigern sich Gefangene, die Sachen zu versenden, werden diese auf Kosten der Gefangenen vernichtet, verwertet oder aus der Anstalt entfernt.

 

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen einer Anstalt vermitteln, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

 

§ 20
Verpflegung

(1) Gefangene erhalten Anstaltsverpflegung. Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht. Ernährungsberatung ist Bestandteil der allgemeinen Angebote für Gefangene. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen oder sich vegetarisch zu ernähren.

 

(2) Im offenen Vollzug untergebrachten Gefangenen kann gestattet werden, sich auf eigene Kosten selbst zu verpflegen, soweit dies der Förderung und Erziehung dient und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen.

 

§ 21
Einkauf

(1) Gefangene dürfen von ihrem Hausgeld oder von ihrem Taschengeld aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen. Für ein Einkaufsangebot, das die Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen angemessen berücksichtigt, ist zu sorgen. Im offenen Vollzug untergebrachten Gefangenen kann der Einkauf auch ohne Vermittlung der Anstalt gestattet werden.

 

(2) Verfügen Gefangene ohne eigenes Verschulden nicht über Haus- oder Taschengeld, wird ihnen gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

 

(3) Im Einzelfall kann Gefangenen auf Antrag gestattet werden, andere als in Absatz 1 genannte Gegenstände über sichere Bezugsquellen zu erwerben.

 

(4) Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen.

 

Abschnitt 4

Außenkontakte

 

§ 22
Grundsatz

(1) Gefangene dürfen nach Maßgabe der Vorschriften dieses Abschnitts

1. regelmäßig Besuch empfangen,

2. Schreiben absenden und empfangen,

3. Einrichtungen der Telekommunikation nutzen und

4. Pakete versenden und empfangen.

 

(2) Der Kontakt zu Angehörigen und Personen, von denen ein günstiger Einfluss auf die Gefangenen zu erwarten ist, wird besonders gefördert.

 

(3) Die Kosten des Schrift- und Paketverkehrs sowie der Telekommunikation tragen die Gefangenen. Bei bedürftigen Gefangenen sollen die Kosten in angemessenem Umfang übernommen werden.

 

§ 23 (Fn 2)
Besuche

(1) Die Gesamtdauer der Besuche beträgt mindestens vier Stunden im Monat. Besuchsmöglichkeiten sind auch an mindestens zwei Wochenenden im Monat vorzusehen. Das Nähere regelt die Anstalt.

 

(2) Besuchskontakte zwischen Gefangenen und ihren Kindern werden besonders gefördert. Diese Besuche werden nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet. Ein familiengerechter Umgang zum Wohl der minderjährigen Kinder ist zu gestatten. Bei der Ausgestaltung der Besuchsmöglichkeiten, namentlich der Besuchszeiten und der Rahmenbedingungen der Besuche, sind die Bedürfnisse der minderjährigen Kinder der Gefangenen zu berücksichtigen.

 

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung der Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den Gefangenen nicht schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung der Gefangenen aufgeschoben werden können.

 

(4) Den Gefangenen können zudem mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) ermöglicht werden, wenn dies zur Förderung familiärer, partnerschaftlicher oder anderer gleichwertiger Kontakte der Gefangenen geboten erscheint und verantwortet werden kann.

 

(5) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Zulassung einer Person zum Besuch von ihrer Durchsuchung oder einer Sicherheitsanfrage nach § 21 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 555) abhängig gemacht werden.

 

(6) Die Anstalt kann die Anzahl der gleichzeitig zum Besuch zugelassenen Personen beschränken.

 

(7) Für die Überwachung von Besuchen gilt § 20 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.

 

§ 24
Schriftwechsel

Die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über den Schriftwechsel (§ 21), die Überwachung des Schriftwechsels (§ 22) und das Anhalten von Schreiben (§ 23) gelten entsprechend.

 

§ 25
Telekommunikation

Die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Telefongespräche (§ 24) und andere Formen der Telekommunikation (§ 27) gelten entsprechend.

 

§ 26
Pakete

§ 28 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

§ 27
Kontaktverbote

Kontakte können untersagt oder beschränkt werden, wenn im Einzelfall

1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,

2. zu befürchten ist, dass der Kontakt mit Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen hat oder ihre Eingliederung behindert,

3. die Gefangenen mit Opfern von Straftaten der Gefangenen in Verbindung treten wollen und durch den Kontakt nachteilige Auswirkungen auf die Opfer oder gefährdete Dritte zu befürchten sind oder diese einer Kontaktaufnahme widersprochen haben,

4. bei minderjährigen Gefangenen Personensorgeberechtigte aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit dem Kontakt einverstanden sind oder

5. zu befürchten ist, dass der Kontakt Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein Westfalen vom 20. Dezember 1994 (GV. NRW. 1995, S. 28) in der jeweils geltenden Fassung oder entsprechende Verhaltensweisen fördert.

 

§ 28
Kontakt mit Verteidigerinnen oder Verteidigern, Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes und bestimmten Personen und Institutionen

(1) Für die Kontakte der Gefangenen mit ihren Verteidigerinnen und Verteidigern, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren sowie mit bestimmten Personen und Institutionen gilt § 26 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.

 

(2) Betreuungspersonen, Erziehungsbeiständen, Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes und Personen, die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe wahrnehmen, ist der Kontakt mit Gefangenen in demselben Umfang zu gestatten, wie er einer Verteidigerin oder einem Verteidiger zu gestatten ist.

 

Abschnitt 5

Beschäftigung, Vergütung, Gelder der Gefangenen

 

§ 29
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

(1) Der Förder- und Erziehungsauftrag des Jugendstrafvollzuges wird insbesondere durch schulische und berufliche Bildung und eine zielgerichtet qualifizierende Beschäftigung der Gefangenen verwirklicht. Analphabeten sollen das Lesen und Schreiben erlernen können. Gefangenen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, sollen Deutschkurse angeboten werden. Die Gefangenen sind in dem Bemühen zu unterstützen, einen anerkannten Abschluss oder eine anschlussfähige, für den weiteren Bildungsweg oder den Arbeitsmarkt relevante Teilqualifikation zu erlangen.

 

(2) Die Gefangenen sind während der Arbeitszeit vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet, im Übrigen zur Arbeit oder arbeitstherapeutischen Beschäftigung, soweit sie dazu in der Lage sind. Die Gefangenen können im Vollstreckungsjahr bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit ihrer Zustimmung auch darüber hinaus. Bei der Zuweisung einer Beschäftigung sind die jeweiligen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen der Gefangenen zu berücksichtigen. Die gesetzlichen Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter sowie die Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965) in der jeweils geltenden Fassung finden Anwendung.

 

(3) Zeugnisse und Nachweise über schulische und berufliche Bildung enthalten keine Hinweise auf eine Inhaftierung.

 

(4) Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit oder beruflichen Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen oder sich selbst zu beschäftigen, wenn sie hierfür geeignet sind. § 42 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 4 gilt entsprechend. Die Anstalt kann verlangen, dass ihr das Entgelt zur Gutschrift für die Gefangenen überwiesen wird.

 

(5) § 29 Absatz 5 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

§ 30
Vergütung

(1) Gefangene, die eine zugewiesene Arbeit oder eine Hilfstätigkeit ausüben, erhalten ein Arbeitsentgelt, welches auf Grundlage von neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363) in der jeweils geltenden Fassung bemessen wird (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung.

 

(2) Gefangenen, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme oder einer sonstigen Maßnahme zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung teilnehmen, wird Ausbildungsbeihilfe gewährt, soweit ihnen keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die nicht inhaftierten Personen aus solchem Anlass gewährt werden. Für die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt Absatz 1 entsprechend.

 

(3) Gefangene, die an einer arbeitstherapeutischen Maßnahme teilnehmen, erhalten ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art ihrer Tätigkeit und ihrer Arbeitsleistung entspricht.

 

(4) § 32 Absatz 4 Satz 1 und 2 sowie Absatz 5 und 6 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend. Das Justizministerium wird ermächtigt, zur Umsetzung der Vorschriften über die Vergütung eine Rechtsverordnung über die Bemessung des Arbeitsentgeltes, die Ausbildungsbeihilfe, die anrechenbaren Arbeitszeiten, die Zeiteinheiten in Stunden oder Minuten, die Entgeltart als Zeit- oder Leistungsentgelt, die Vergütungsstufen und die Gewährung von Zulagen zu erlassen.

 

§ 31
Freistellung

(1) Gefangene, die ein Jahr lang an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen oder eine zugewiesene Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit ausgeübt haben, sind innerhalb des darauffolgenden Jahres auf Antrag 20 Arbeitstage von der Arbeit freizustellen. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes der Freistellung sind der Stand der Bildungsmaßnahmen sowie die betrieblichen Belange zu berücksichtigen.

 

(2) § 33 Absatz 2 bis 4 und 6 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

§ 32
Anerkennung von Bildung und Arbeit, Ausgleichsentschädigung

(1) Als zusätzliche Anerkennung neben der Vergütung nach § 30 und der Freistellung nach § 31 erhalten Gefangene auf Antrag für drei Monate zusammenhängender Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme oder Ausübung einer zugewiesenen Arbeit, arbeitstherapeutischen Beschäftigung oder einer Hilfstätigkeit unter Fortzahlung der Vergütung zwei Tage

1. Freistellung von der Arbeitspflicht oder

2. Langzeitausgang, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen.

Stellen Gefangene keinen Antrag oder kann Langzeitausgang nicht gewährt werden, wird der Entlassungszeitpunkt vorverlegt. Durch Zeiten, in denen Gefangene ohne ihr Verschulden an der Ausübung ihrer Beschäftigung nach § 29 gehindert sind, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von unter drei Monaten bleiben unberücksichtigt. Langzeitausgang nach Satz 1 Nummer 2 wird nicht auf die Höchstdauer des Langzeitausgangs nach § 42 Absatz 3 angerechnet.

 

(2) Eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes ist ausgeschlossen, wenn

1. bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Strafe zur Bewährung wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,

2. dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Strafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse der Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,

3. nach § 2 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit § 456a Absatz 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird oder

4. Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen werden.

 

(3) Soweit eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach Absatz 2 ausgeschlossen ist, erhalten Gefangene bei ihrer Entlassung zusätzlich eine Ausgleichsentschädigung von 15 Prozent der Bezüge, die sie für die geleistete Tätigkeit, die Grundlage für die Gewährung der Freistellungstage nach Absatz 1 gewesen ist, erhalten haben. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung. Vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich. § 57 Absatz 4 des Strafgesetzbuchs gilt entsprechend.

 

§ 33
Gelder der Gefangenen, Haftkostenbeitrag

Die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen zum Taschengeld (§ 35), Hausgeld (§ 36), Überbrückungsgeld (§ 37) sowie zum Eigengeld (§ 38) gelten entsprechend. Ein Haftkostenbeitrag wird nur erhoben, soweit dies mit der Förderung und Erziehung der Gefangenen zu vereinbaren ist. Im Übrigen gilt § 39 Absatz 1, 2, 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.

 

Abschnitt 6

Religionsausübung

 

§ 34
Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften

Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Seelsorge (§ 40), religiöse Veranstaltungen (§ 41) und Weltanschauungsgemeinschaften (§ 42) gelten entsprechend.

 

Abschnitt 7

Gesundheitsfürsorge

 

§ 35
Gesundheitsfürsorge, Aufenthalt im Freien

(1) Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen ist zu sorgen. Gefangene haben die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen.

 

(2) Die Bedeutung einer gesunden Lebensführung ist den Gefangenen in geeigneter Form zu vermitteln. Dabei wird die besondere Gefährdung durch Infektionen sowie legale und illegale Drogen berücksichtigt. Es werden speziell auf die Bedürfnisse der Altersgruppe zugeschnittene Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsangebote unterbreitet.

 

(3) Den Gefangenen wird täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dem nicht zwingend entgegensteht.

 

§ 36
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung, Aufwendungsersatz

(1) Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die suchtmedizinische Behandlung (§ 44), die medizinischen Leistungen und die Kostenbeteiligung (§ 45), die Überstellung und Verlegung aus medizinischen Gründen (§ 46), die Krankenbehandlung während vollzugsöffnender Maßnahmen (§ 47) und die medizinische Behandlung zur sozialen Eingliederung (§ 48) gelten entsprechend. Von einer Kostenbeteiligung minderjähriger Gefangener für medizinische Leistungen ist abzusehen.

 

(2) Gefangene sind verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung anderer Gefangener verursacht haben. Bei der Geltendmachung dieser Forderung kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 30 Absatz 1 dieses Gesetzes übersteigender Teil des Hausgeldes in Anspruch genommen werden. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Von der Geltendmachung und Vollstreckung der in Satz 1 und 3 genannten Forderungen ist abzusehen, soweit hierdurch die Förderung und Erziehung der Gefangenen behindert wird.

 

§ 37
Rechte der Personensorgeberechtigten, Benachrichtigung bei Erkrankung und Todesfall

(1) Vor ärztlichen Eingriffen bei minderjährigen Gefangenen sind die Rechte der Personensorgeberechtigten zu beachten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf deren Aufklärung und Einwilligung.

 

(2) Erkranken Gefangene schwer oder versterben sie, sind die Personensorgeberechtigten oder Angehörige unverzüglich zu unterrichten. Im Fall schwerer Erkrankung nicht unter Personensorge stehender Gefangener kann von der Benachrichtigung abgesehen werden, wenn dies ihrem ausdrücklich erklärten Willen entspricht.

 

(3) Dem Wunsch der Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll entsprochen werden, soweit nicht die Personensorgeberechtigten aus nachvollziehbaren Gründen der Benachrichtigung widersprechen.

 

Abschnitt 8

Sport, Freizeit

 

§ 38
Sport

Es sind ausreichende und freizeitpädagogisch sinnvolle Sportangebote vorzuhalten. Den Gefangenen ist mindestens drei Stunden wöchentlich eine Teilnahme, auch an Wochenenden und Feiertagen, zu ermöglichen. Die Gefangenen sollen insbesondere durch Mannschaftssport lernen, Gemeinschaftssinn zu entwickeln, Regeln einzuhalten und Rücksicht auf andere zu nehmen. Ihre Bereitschaft zur Teilnahme am Sport ist zu fördern.

 

§ 39
Freizeit, Förderung der Kreativität

(1) Gefangene erhalten Gelegenheit, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Es sind ausreichende Freizeitangebote vorzuhalten, auch an den Wochenenden und Feiertagen sowie in den frühen Abendstunden.

 

(2) Angebote zur Förderung der Kreativität im Rahmen kultureller Formen sind zu entwickeln. Hierfür können Freizeitgruppen in ästhetischen Bereichen, namentlich in denen der Literatur, des Theaters, der Musik und des Malens, eingerichtet werden.

 

(3) Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung, insbesondere auch an Gruppenveranstaltungen, anzuregen. Sie sollen auch Gelegenheit erhalten, den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen und auszuüben. Die Benutzung einer bedarfsgerecht ausgestatteten Bibliothek ist zu ermöglichen.

 

§ 40
Hörfunk, Fernsehen

(1) Der Zugang zum Hörfunk- und Fernsehempfang ist zu ermöglichen. Die Anstalt entscheidet über die Einspeisung einzelner Hörfunk- und Fernsehprogramme, soweit eine Empfangsanlage vorhanden ist. Die Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen sind angemessen zu berücksichtigen.

 

(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte der Gefangenen können unter den Voraussetzungen des § 19 Absatz 2 zugelassen werden. Gefangene können auf ein Haftraummediensystem verwiesen werden. Der Betrieb von Empfangsanlagen und Haftraummediensystemen sowie die Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten können auf Dritte übertragen werden. In diesen Fällen ist Gefangenen der Besitz eigener Geräte in der Regel nicht gestattet.

 

(3) Gefangene können an den Kosten für die Überlassung, die Überprüfung und den Betrieb von Hörfunkgeräten, Fernsehgeräten und Haftraummediensystemen sowie die Bereitstellung des Hörfunk- und Fernsehempfangs beteiligt werden.

 

§ 41 (Fn 2)
Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung, Zeitungen, Zeitschriften

(1) Gefangene dürfen nach Maßgabe der Anstalt in angemessenem Umfang sonstige Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik, Bücher sowie andere Gegenstände zur Aus- und Fortbildung oder Freizeitgestaltung besitzen. § 19 Absatz 2 und 4 gilt entsprechend.

 

(2) Gefangene dürfen Zeitungen und Zeitschriften durch Vermittlung der Anstalt in angemessenem Umfang auf eigene Kosten beziehen.

 

(3) Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder das Vollzugsziel erheblich gefährden würden.

 

(4) Für Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik gilt § 40 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und Absatz 3 entsprechend.

 

Abschnitt 9

Vollzugsöffnende Maßnahmen

 

§ 42 (Fn 2)
Vollzugsöffnende Maßnahmen

(1) Mit Zustimmung der Gefangenen können vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Strafe nicht entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden. Bei der Entscheidung über die Gewährung der Maßnahmen sind die Belange der Gefangenen mit den Schutzinteressen der Allgemeinheit abzuwägen, insbesondere sind die Persönlichkeit der Gefangenen, der individuelle und soziale Entwicklungsstand, ihre Mitwirkungsbereitschaft, ihr sonstiges Vollzugsverhalten, die Vollzugsdauer, die Art der Maßnahme sowie Aspekte der Förderung der Gefangenen zu berücksichtigen.

 

(2) Als vollzugsöffnende Maßnahmen kommen namentlich in Betracht:

1. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit unter der ständigen und unmittelbaren Aufsicht von Bediensteten (Ausführung),

2. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit in Begleitung einer von der Anstalt zugelassenen Person (Begleitausgang) oder ohne Begleitung (Ausgang),

3. das Verlassen der Anstalt für mehr als einen Tag (Langzeitausgang),

4. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt unter Aufsicht Bediensteter (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) und

5. der Aufenthalt außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht von Bediensteten zur Durchführung von Förder- und Erziehungsmaßnahmen (Bildungs- und Förderausgang).

 

(3) Langzeitausgang kann an bis zu 24 Kalendertagen in einem Vollstreckungsjahr gewährt werden. Tage, an denen die Gefangenen den Langzeitausgang antreten, werden nicht mitgerechnet. Bildungs- und Förderausgang wird nicht auf die Höchstdauer nach Satz 1 angerechnet. Durch Langzeitausgang wird die Strafvollstreckung nicht unterbrochen.

 

(4) Können vollzugsöffnende Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 2 bis 5 noch nicht verantwortet werden, sind insbesondere langjährig im Vollzug befindlichen Gefangenen Ausführungen zu gewähren, um schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges frühzeitig entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen. Die Ausführungen unterbleiben, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.

 

(5) Bei Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit kann den Gefangenen, um Entweichungen entgegenzuwirken, nach Maßgabe des § 27 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen aufgegeben werden, die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.

 

(6) Kommen vollzugsöffnende Maßnahmen nicht in Betracht, sind die tragenden Gründe zu dokumentieren und den Gefangenen die noch zu erfüllenden Voraussetzungen in verständlicher Form zu vermitteln.

 

(7) Bei der Ausgestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen ist den berechtigten Schutzinteressen der Opfer und gefährdeter Dritter Rechnung zu tragen.

 

(8) Gefangene tragen die Reisekosten, die Kosten für ihren Lebensunterhalt und andere Aufwendungen während ihres Aufenthalts außerhalb der Anstalt. Die Kosten von Ausführungen können den Gefangenen in angemessenem Umfang auferlegt werden, soweit dies die Förderung und Erziehung oder die Eingliederung nicht behindert. Bedürftigen Gefangenen kann die Anstalt zu ihren Aufwendungen eine Beihilfe in angemessenem Umfang gewähren.

 

(9) Vollzugsöffnende Maßnahmen werden nur zum Aufenthalt im Inland gewährt.

 

(10) § 56 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

§ 43
Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Anlass

(1) Vollzugsöffnende Maßnahmen nach § 42 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 können auch aus wichtigem Anlass gewährt werden. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Gefangenen sowie der Tod oder die lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger der Gefangenen. § 42 Absatz 1 und 3 Satz 4 gilt entsprechend.

 

(2) Bei Ausführungen aus wichtigem Anlass gilt § 42 Absatz 5 (elektronische Aufenthaltsüberwachung) entsprechend.

 

(3) Ausführungen aus wichtigem Anlass sind auch ohne Zustimmung der Gefangenen zulässig, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.

 

(4) Langzeitausgang aus wichtigem Anlass, der nicht zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen oder anlässlich des Todes oder der lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger gewährt wird, darf sieben Tage im Vollstreckungsjahr nicht übersteigen. Er wird nicht auf die Höchstdauer nach § 42 Absatz 3 Satz 1 angerechnet.

 

§ 44
Weisungen

Für vollzugsöffnende Maßnahmen können Weisungen erteilt werden. Soweit Freigang, Begleitausgang oder Bildungs- und Förderausgang von Dritten beaufsichtigt wird, kann die Weisung auch darin bestehen, dass von ihnen erteilte Anordnungen zu befolgen sind.

 

Abschnitt 10

Entlassung und soziale Eingliederung

 

§ 45
Vorbereitung der Entlassung, soziale Eingliederung

(1) Die Anstalten bereiten gemeinsam mit den Gefangenen deren Entlassung vor. Den Gefangenen sollen Kontakte zu außervollzuglichen Organisationen und Bildungsstätten sowie Stellen und Personen ermöglicht werden, die ihnen nach der Entlassung persönliche und soziale Hilfestellung leisten können. Die Personensorgeberechtigten und, soweit erforderlich, das Jugendamt sowie der ambulante Soziale Dienst der Justiz sind von der bevorstehenden Entlassung zu unterrichten und nach Möglichkeit in die Planungen einzubeziehen. § 5 Absatz 1 gilt entsprechend.

 

(2) Frühzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungstermin arbeiten die Anstalten mit öffentlichen Stellen, freien Trägern sowie anderen Organisationen und Personen zusammen, um insbesondere zu erreichen, dass die Gefangenen über eine geeignete Ausbildungsstätte oder Arbeit, eine angemessene Unterkunft und ein stabilisierendes soziales Umfeld verfügen. Zur Integration in den Arbeitsmarkt sollen durch vollzugsübergreifende Zusammenarbeit die Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven der Gefangenen verbessert werden.

 

(3) Die für die Vermittlung in Hilfs- und Bildungsangebote Dritter nach der Entlassung erforderlichen Strukturen und Netzwerke sind einzurichten und fortzuentwickeln (§ 6 Absatz 4 Satz 2). Für die Koordination der Entlassungsplanung stehen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner in den Anstalten zur Verfügung. Die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen umfasst Möglichkeiten einer nachgehenden Betreuung unter Mitwirkung von Bediensteten.

 

§ 46
Vollzugsöffnende Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, sollen vollzugsöffnende Maßnahmen (§ 42) gewährt werden.

 

(2) Zur Vorbereitung der Entlassung können die Gefangenen für die Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen über § 42 Absatz 3 hinaus bis zu zwei Wochen Langzeitausgang erhalten. Gefangenen, welche die Voraussetzungen des Freigangs erfüllen, kann innerhalb von neun Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung Langzeitausgang bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden. Vollzugsöffnende Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 können nicht nebeneinander gewährt werden.

 

(3) Die Missbrauchsgefahren sind insbesondere bei einer unmittelbar bevorstehenden Entlassung mit den Risiken einer unerprobten Entlassung abzuwägen. § 42 Absatz 1, 6 bis 9 sowie § 44 dieses Gesetzes und § 56 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gelten entsprechend.

 

§ 47
Entlassung, Schlussbericht

(1) Die Gefangenen sollen am Tag ihrer Entlassung möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.

 

(2) Fällt das Strafende auf einen Samstag oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 6. Januar, können Gefangene an dem diesen Tagen oder Zeiträumen vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.

 

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, dass Gefangene zu ihrer Eingliederung hierauf angewiesen sind.

 

(4) Die Anstalt erstellt zum Ende des Vollzuges einen an den Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten der Gefangenen ausgerichteten Schlussbericht. Dieser enthält in standardisierter Form Angaben über den fortbestehenden Förderbedarf, namentlich eine Darstellung der Art und der Ergebnisse der angebotenen und durchgeführten Maßnahmen sowie der Angebote und Leistungen Dritter (§ 12 Absatz 2 Nummer 17), soweit sie für die Förderung und Erziehung sowie Eingliederung der Gefangenen von Bedeutung sind.

 

(5) Eine Ausfertigung des Berichts ist den Gefangenen auszuhändigen und erforderlichenfalls dem Jugendamt sowie den Personensorgeberechtigten zu übersenden. Bei angeordneter Bewährungs- oder Führungsaufsicht ist eine Ausfertigung der zuständigen Leiterin oder dem zuständigen Leiter des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz zuzuleiten. Mit Einwilligung der Gefangenen oder der Personensorgeberechtigten soll eine Ausfertigung des Berichts auch anderen Beteiligten zugeleitet werden, die an der Eingliederung und Erziehung der Gefangenen mitwirken.

 

(6) Gefangene erhalten, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, von der Anstalt bei ihrer Entlassung einen Reisekostenzuschuss, für die Entlassung ausreichende Kleidung oder eine sonstige notwendige Unterstützung.

 

§ 48
Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen, Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Nach der Entlassung aus der Anstalt kann ehemaligen Gefangenen auf ihren Antrag vorübergehend bis zu drei Monaten gestattet werden, eine in der Anstalt begonnene schulische und berufliche Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme oder sonstige Förder- und Erziehungsmaßnahme abzuschließen. Der Antrag und die Gestattung sind jederzeit widerruflich.

 

(2) Frühere Gefangene können innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Entlassung zur Bewältigung einer Krisensituation auf ihren Antrag vorübergehend bis zu drei Monate wieder in die Anstalt aufgenommen werden, um die bislang erreichten Erfolge vollzuglicher Förder- und Erziehungsmaßnahmen nicht zu gefährden. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

 

(3) Gegen aufgenommene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.

 

(4) Auf ihren Antrag sind die aufgenommenen Personen unverzüglich zu entlassen.

 

(5) An den Kosten ihrer Unterbringung können die Aufgenommenen beteiligt werden, soweit dies mit ihrer Förderung und Erziehung zu vereinbaren ist. § 39 Absatz 4 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

(6) Bei minderjährigen Gefangenen erfolgt die Unterbringung mit Einwilligung der Personensorgeberechtigten.

 

Abschnitt 11

Sicherheit und Ordnung, unmittelbarer Zwang

 

§ 49
Grundsatz, Verhaltensvorschriften

(1) Sicherheit und Ordnung bilden die Grundlage eines gewalt- und konfliktfreien Zusammenlebens in der Anstalt. Die Anstalt trifft die erforderlichen Maßnahmen, um ein Entweichen der Gefangenen zu verhindern und die Sicherheit (§ 7) zu gewährleisten. Die Anstalt ist befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Identität aller Personen, die Zugang begehren, festzustellen.

 

(2) Die Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt zu richten. Sie sollen durch die Tageseinteilung auch an eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung herangeführt werden. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Bediensteten, anderen Gefangenen und Dritten das geordnete Miteinander in der Anstalt nicht stören. Das Verantwortungsbewusstsein der Gefangenen für ein entsprechendes Verhalten ist zu wecken und zu fördern.

 

(3) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

 

(4) Gefangene sind verpflichtet, ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Gegenstände in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

 

(5) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

 

§ 50 (Fn 3)
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit

Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Durchsuchung (§ 64), die Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum (§ 65) und die Maßnahmen zur Verhinderung unerlaubter Telekommunikation (§ 67) gelten entsprechend.

 

§ 51 (Fn 6)
Besondere Sicherungsmaßnahmen

Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die besonderen Sicherungsmaßnahmen (§ 69), die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen und das Verfahren (§ 70) sowie die medizinische und psychologische Überwachung (§ 71) gelten entsprechend. Gerichtliche Zuständigkeit und gerichtliches Verfahren bei Fixierungen, durch die die Bewegungsfreiheit der Gefangenen absehbar nicht nur kurzfristig aufgehoben wird, richten sich nach § 93 des Jugendgerichtsgesetzes.

 

§ 52
Unmittelbarer Zwang, Handeln auf Anordnung, Festnahmerecht

(1) Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Begriffsbestimmungen (§ 72), die allgemeinen Voraussetzungen (§ 73), den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74) und die Androhung (§ 75) von unmittelbarem Zwang gelten entsprechend.

 

(2) Zur Vereitelung einer Flucht oder zur Wiederergreifung von Gefangengen dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden. Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (§ 76) und die besonderen Vorschriften für den Schusswaffengebrauch (§ 77) des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend.

 

(3) Wird unmittelbarer Zwang von einer oder einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind Bedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden. Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Bedienstete die Anordnung trotzdem, trifft die Bediensteten eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

 

(4) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben Bedienstete der oder dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte sind nicht anzuwenden.

 

(5) Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und zurückgebracht werden.

 

(6) Für Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge gilt § 78 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend. Vor der Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach § 78 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen muss bei minderjährigen Gefangenen erfolglos versucht worden sein, die Einwilligung der Personensorgeberechtigten einzuholen. Kann diese nicht rechtzeitig eingeholt werden, sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden.

 

Abschnitt 12

Erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung, Disziplinarmaßnahmen

 

§ 53
Pflichtverstöße, erzieherisches Gespräch, Konfliktregelung

(1) Verstoßen Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, wird versucht, diese Pflichtverstöße zeitnah im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Verbleibende, schwerwiegende oder wiederholte Konflikte sollen im Wege der Konfliktregelung geschlichtet werden. Dabei können ausgleichende Maßnahmen, insbesondere eine Entschuldigung, Mediation, Schadensbeseitigung oder -wiedergutmachung, vereinbart werden. Zudem können erzieherische Maßnahmen angeordnet werden, die den Gefangenen das Fehlverhalten durch lernende Vorgaben unter Berücksichtigung des individuellen Förderbedarfs vor Augen führen.

 

(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

 

§ 54
Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn Maßnahmen nach § 53 nicht ausreichen, um den Gefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen.

 

(2) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

 

(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

1. die Beschränkung der Verfügung über das Hausgeld bis zu 75 Prozent des monatlich zur Verfügung stehenden Betrags bis zu einem Monat,

2. die Beschränkung oder der Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen bis zu sechs Wochen,

3. die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,

4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu vier Wochen,

5. die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- oder Fernsehempfangs bis zu sechs Wochen und

6. Arrest bis zu zwei Wochen.

 

(4) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

 

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

 

§ 55
Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die Gefangenen werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Äußerungen der Gefangenen und die Ergebnisse der Ermittlungen sind zu dokumentieren.

 

(2) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung Gefangener gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richtet. Bei einer Verfehlung der Gefangenen auf dem Weg in eine andere Anstalt ist die Anstaltsleitung der Bestimmungsanstalt zuständig.

 

(3) Die Anstaltsleitung soll sich bei schweren Verstößen vor der Entscheidung in einer Konferenz mit Personen besprechen, die maßgeblich an der Förderung und Erziehung der Gefangenen mitwirken.

 

(4) Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen Gefangene, die sich in medizinischer Behandlung befinden, oder gegen eine Schwangere oder eine Gefangene, die unlängst entbunden hat, ist der ärztliche Dienst zu hören.

 

(5) Disziplinarmaßnahmen sollen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung angeordnet werden. Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, sollen durch eine Entscheidung geahndet werden.

 

(6) Die tragenden Gründe der Entscheidung werden schriftlich abgefasst und den Gefangenen mündlich eröffnet. Auf Verlangen ist den Gefangenen die schriftliche Begründung auszuhändigen.

 

§ 56
Vollzug der Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Die Vollstreckung ist auszusetzen, soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

 

(2) Disziplinarmaßnahmen können ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Gefangenen erneut gegen Pflichten verstoßen.

 

(3) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.

 

(4) Bevor Arrest (§ 54 Absatz 3 Nummer 6) vollzogen wird, ist der ärztliche Dienst der Anstalt zu hören. Während des Arrestes stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Arrest unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.

 

(5) Für die Dauer des Arrestes werden die Gefangenen abgesondert. Die Gefangenen werden für die Dauer des Arrestes pädagogisch betreut. Die Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen zur Beschäftigung, zur Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen, zum Einkauf, zum Fernsehempfang, zur Ausstattung des Haftraums mit persönlichen Gegenständen und zum Besitz persönlicher Gegenstände. Der Zugang zu Büchern, Zeitungen und Zeitschriften ist zu ermöglichen. Die Rechte zur Teilnahme an unaufschiebbaren Förder- und Erziehungsmaßnahmen, zur Teilnahme am Gottesdienst und zum Aufenthalt im Freien nach § 35 Absatz 3 bleiben unberührt.

 

(6) Disziplinarmaßnahmen, die gegen Gefangene in einer anderen Anstalt oder während des Vollzuges von Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen der abgebenden Anstalt vollstreckt. Absatz 2 bleibt unberührt.

 

Abschnitt 13

Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht

 

§ 57
Widerruf, Rücknahme

§ 83 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

§ 58
Beschwerderecht

Die Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleitung oder die von ihr beauftragten Personen zu wenden. Die Möglichkeit, sich an die Justizvollzugsbeauftragte oder den Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen zu wenden, bleibt unberührt.

 

Abschnitt 14

Organisation

 

§ 59
Anstalten und Einrichtungen

(1) Die Jugendstrafe wird in hierfür bestimmten, selbstständigen Anstalten der Landesjustizverwaltung vollzogen, die entsprechend ihrem Zweck und den Erfordernissen des Jugendstrafvollzuges auszugestalten sind und eine auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen abgestimmte Behandlung gewährleisten. Sie kann auch in anderen geeigneten Einrichtungen außerhalb der Landesjustizverwaltung in freien Formen vollzogen werden.

 

(2) Weibliche Gefangene können in getrennten Abteilungen des Strafvollzuges für erwachsene Frauen untergebracht werden; einer Unterbringung in getrennten Abteilungen bedarf es nicht, wenn es sich um eine Einrichtung des offenen Frauenvollzuges handelt. In den Fällen des Satzes 1 erfolgt der Vollzug nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Wird Jugendstrafe in Einrichtungen des Erwachsenenstrafvollzuges vollzogen, bleiben die Vorschriften dieses Gesetzes anwendbar.

 

(3) Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen, insbesondere für therapeutische Maßnahmen, für Maßnahmen der Beschäftigung, Freizeit, Sport, Seelsorge und Besuche, vorzusehen. Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich und zweckentsprechend auszustatten.

 

(4) Die bauliche Gestaltung und das Außengelände der Vollzugseinrichtung müssen in Einklang mit dem Ziel der anstaltsinternen Förderung und Erziehung stehen. Hierzu sollen die Abteilungen in Wohngruppen gegliedert sein.

 

(5) Im Jugendstrafvollzug werden, soweit hierfür Bedarf besteht, sozialtherapeutische Einrichtungen vorgehalten. Die organisatorischen, personellen und baulichen Mindeststandards sind auf die jugendspezifischen Besonderheiten zugeschnitten.

 

§ 60
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung

(1) Ein bedarfsgerechtes Angebot an Arbeitsplätzen für zugewiesene Tätigkeiten, an Plätzen für Schul- und Berufsschulunterricht und an Plätzen für berufliche Ausbildung sowie für arbeitstherapeutische Maßnahmen wird vorgehalten.

 

(2) Die Betriebe und Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. Die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.

 

(3) Bildung und Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen privater Unternehmen erfolgen. In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden.

 

(4) Bei der schulischen und beruflichen Bildung sollen die Anstalten in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendberufshilfe, Schulen, Sonderschulen, Volkshochschulen, Einrichtungen der Jugendkulturarbeit und des Sports sowie mit Fachhochschulen und Universitäten ein differenziertes Lern- und Betätigungsangebot bereitstellen. Sie sollen ferner mit den örtlichen Arbeitgebern und Einrichtungen, die Gefangene beschäftigen, Beschäftigung vermitteln oder berufliche Eingliederung fördern können, eng zusammenarbeiten.

 

§ 61
Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit unter Berücksichtigung von § 17 Absatz 1 und § 59 Absatz 3 für jede Anstalt fest.

 

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden. Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend aus zwingenden Gründen zulässig, wenn dies wegen eines unvorhersehbaren Ereignisses erforderlich ist. Die Ausnahmen sind zu dokumentieren.

 

Abschnitt 15

Innerer Aufbau, Personal, Aufsicht

 

§ 62
Bedienstete

(1) Die Aufgaben der Anstalten werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Anstaltsbediensteten sowie nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

 

(2) Den Anstalten werden für die Erfüllung ihrer Aufgaben in dem erforderlichen Umfang geeignete Bedienstete zur Verfügung gestellt. Die Bediensteten sollen mit der Behandlung von jungen Gefangenen nur betraut werden, wenn sie für den Umgang mit jungen Menschen besonders geeignet sind und über pädagogische Kenntnisse für die Arbeit im Jugendstrafvollzug verfügen. Die Bediensteten werden fortgebildet und erhalten Praxisberatung und -begleitung sowie Gelegenheit zur Supervision. Die Zahl der Fachkräfte ist so zu bemessen, dass eine nachgehende Betreuung früherer Gefangener der sozialtherapeutischen Einrichtungen (§ 15) und früherer Gefangener mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung (§ 16) ermöglicht werden kann.

 

(3) Die Bediensteten sollen den einzelnen Abteilungen und den Arbeits- und Ausbildungsstätten fest zugeordnet werden. Sie sollen dort alle dem jeweiligen Aufgabenbereich obliegenden Vollzugsaufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen und ihre Diensteinteilung möglichst selbstständig regeln.

 

(4) Bei der Diensteinteilung im Übrigen hat die Anstalt auch darauf zu achten, dass eine Beeinträchtigung der Beschäftigung nach § 29 Absatz 1 und 2 durch zeitliche Überschneidungen mit anderen Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden wird.

 

§ 63
Anstaltsleitung

(1) Für jede Anstalt ist eine Beamtin oder ein Beamter zur hauptamtlichen Leiterin oder zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen, die oder der die Voraussetzungen der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, erfüllt. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einer Beamtin oder einem Beamten der Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt, geleitet werden.

 

(2) Die Anstaltsleitung vertritt die Anstalt nach außen und trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug. Im Innenverhältnis kann sie die Verantwortung für bestimmte Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen.

 

(3) Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 50 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 64 Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen, die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 51 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 69 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen und die Disziplinarmaßnahmen nach § 54 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden.

 

§ 64
Seelsorge

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

 

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

 

(3) Mit Zustimmung der Anstaltsleitung dürfen sich die Seelsorgerinnen und Seelsorger freier Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgerinnen oder Seelsorger von außen hinzuziehen.

 

§ 65
Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärztinnen oder Ärzte sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Ärztinnen oder Ärzten übertragen werden.

 

(2) Die Pflege erkrankter Gefangener soll von Krankenpflegekräften im Sinne des Krankenpflegegesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442) in der jeweils geltenden Fassung ausgeübt werden. Stehen solche Kräfte nicht zur Verfügung, können Bedienstete des Vollzuges oder sonstige Kräfte eingesetzt werden, soweit sie eine entsprechende Qualifikation besitzen.

 

§ 66
Konferenzen

Zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans sowie zur Vorbereitung anderer wichtiger Entscheidungen im Vollzug, insbesondere bei erstmaliger Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen, Verlegung in den offenen Vollzug oder bei Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung, führt die Anstaltsleitung Konferenzen mit an der Förderung und Erziehung maßgeblich Beteiligten durch. § 6 gilt entsprechend. Das Konferenzergebnis und die tragenden Gründe der jeweiligen Entscheidung sind zu dokumentieren.

 

§ 67
Gefangenenmitverantwortung

(1) Gefangenen wird ermöglicht, eine Vertretung zu wählen. Diese kann in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen, der Anstaltsleitung Vorschläge und Anregungen unterbreiten. Diese sollen mit der Vertretung erörtert werden.

 

(2) Die Gefangenen werden zur aktiven Mitwirkung angeregt. Die Anstalt fördert die Übernahme der Mitverantwortung in differenzierten und gestuften Formen der Mitwirkung, insbesondere bei der Gestaltung alltäglicher Abläufe.

 

§ 68
Hausordnung

Die Anstaltsleitung erlässt eine Hausordnung. Diese informiert in verständlicher Form namentlich über die Rechte und Pflichten der Gefangenen und enthält Erläuterungen zur Organisation des Besuchs, zur Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie Hinweise zu den Möglichkeiten, Anträge und Beschwerden anzubringen.

 

§ 69
Aufsichtsbehörde

(1) Das Justizministerium führt die Aufsicht über die Anstalten und sichert gemeinsam mit ihnen die Qualität des Vollzuges.

 

(2) An der Aufsicht über die Fachdienste sind eigene Fachkräfte zu beteiligen. Soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche Beratung sicherzustellen.

 

(3) Die Aufsicht über die Einrichtungen im Vollzug in freien Formen außerhalb der Landesjustizverwaltung wird im Einvernehmen mit der für die Jugendhilfe zuständigen obersten Aufsichtsbehörde geregelt.

 

§ 70
Vollstreckungsplan

(1) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten wird durch die Aufsichtsbehörde in einem Vollstreckungsplan nach allgemeinen Merkmalen geregelt.

 

(2) Der Vollstreckungsplan bestimmt insbesondere, welche Anstalten und Abteilungen sozialtherapeutische Einrichtungen oder solche des offenen Vollzuges sind. Ferner legt er fest, inwieweit Gefangene, die sich freiwillig zum Strafantritt stellen, zunächst bis zum Abschluss der Diagnostik in eine Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges aufzunehmen sind.

 

(3) Die für den Vollzug sachlich und örtlich zuständige Anstalt kann auch im Rahmen eines Auswahlverfahrens in der Untersuchungshaft bestimmt werden.

 

Abschnitt 16

Beiräte

 

§ 71
Aufgaben und Befugnisse der Beiräte

Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen über die Aufgaben der Beiräte (§ 105), die Befugnisse (§ 106) und die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 107) gelten entsprechend.

 

Abschnitt 17 (Fn 5)

Kriminologischer Dienst, Schlussbestimmungen

 

§ 72 (Fn 5)
Kriminologischer Dienst

(1) Im Interesse einer Erfolgskontrolle und wissenschaftlichen Fortentwicklung lassen die Vollzugsbehörden den Jugendstrafvollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, seine Behandlungsmethoden, die Umsetzung seiner Leitlinien und die Förder- und Erziehungsmaßnahmen für die Gefangenen sowie deren Wirkungen auf das Vollzugsziel regelmäßig unter Berücksichtigung empirisch messbarer Leistungsstandards und Ergebnisindikatoren durch den kriminologischen Dienst, durch Hochschulen oder durch andere Stellen wissenschaftlich begleiten, erforschen und bewerten.

 

(2) § 19 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt entsprechend.

 

§ 73 (Fn 5)
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person), Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 (Informationsfreiheit) und Artikel 10 Absatz 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

 

§ 74 (Fn 5)
Verhältnis zum Bundesrecht

Dieses Gesetz ersetzt nach Artikel 125a Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in seinem Geltungsbereich zugleich das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, mit Ausnahme der Vorschriften über

1. den Pfändungsschutz (§ 43 Absatz 11 Satz 2, § 50 Absatz 2 Satz 5, § 51 Absatz 4 und 5),

2. das gerichtliche Verfahren (§§ 92, 110 Absatz 1 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes) und

3. den Vollzug des Strafarrestes sowie von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 bis 175, 178 Absatz 2),

auch soweit sie über §§ 176 und 178 Absatz 1 des Strafvollzugsgesetzes Anwendung finden.

 

§ 75 (Fn 5)
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des vierten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Gleichzeitig tritt das Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2007 (GV. NRW. S. 539), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) geändert worden ist, außer Kraft.

 

 

Die Landesregierung

Nordrhein-Westfalen

 

Die Ministerpräsidentin

 

Die Ministerin

für Schule und Weiterbildung

 

Der Finanzminister

 

Der Minister

für Inneres und Kommunales

 

Der Minister

für Arbeit, Integration und Soziales

 

Der Justizminister

 

Die Ministerin

für Familie, Kinder, Jugend,

Kultur und Sport

 

Die Ministerin

für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

 

 

Fn 1

In Kraft getreten am 1. September 2017 (GV. NRW. S. 511); geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 555), in Kraft getreten am 25. Oktober 2018; Artikel 6 des Gesetzes vom 2. Juli 2019 (GV. NRW. S. 339), in Kraft getreten am 17. Juli 2019.

Fn 2

Inhaltsübersicht, § 23 Absatz 5, § 41 Absatz 1 und § 42 Absatz 5 geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 555), in Kraft getreten am 25. Oktober 2018.

Fn 3

§ 8 Absatz 5  und § 50 neu gefasst durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 555), in Kraft getreten am 25. Oktober 2018.

Fn 4

§ 19: Überschrift neu gefasst, Absätze 3 bis 5 (alt) aufgehoben und Absätze 6 und 7 (alt) umbenannt in Absätze 3 und 4 durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 555), in Kraft getreten am 25. Oktober 2018.

Fn 5

Abschnitt 17 (alt) aufgehoben, Abschnitt 18 (alt) umbenannt in Abschnitt 17, § 73 (alt) umbenannt in § 72 und geändert und §§ 74 bis 76 (alt) umbenannt in §§ 73 bis 75 durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. Oktober 2018 (GV. NRW. S. 555), in Kraft getreten am 25. Oktober 2018.

Fn 6

§ 51 geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 2. Juli 2019 (GV. NRW. S. 339), in Kraft getreten am 17. Juli 2019.