Verordnung
über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen
durch freie Arbeit
Vom 7. Dezember 2010 (Fn 1, 2)
(Artikel 1 der Verordnung vom 7. Dezember 2010 (GV. NRW. S. 663))
Auf Grund des Artikels 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I S. 507), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2288), wird verordnet:
§ 1
Allgemeines
(1) Die Strafvollstreckungsbehörde kann der verurteilten Person auf Antrag gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen.
(2) Freie Arbeit im Sinne dieser Verordnung ist gemeinnützige - oder vergleichbare (z.B. bei Berufsverbänden erfolgende) - unentgeltliche Tätigkeit. Geringfügige finanzielle Zuwendungen an die verurteilte Person zum Ausgleich von Auslagen im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung berühren die Unentgeltlichkeit nicht.
(3) Ein Arbeitsverhältnis wird durch die Leistung der freien Arbeit nicht begründet.
§ 2
Antragsverfahren
(1) Ist eine Geldstrafe uneinbringlich, so weist die Strafvollstreckungsbehörde die verurteilte Person in der Regel zugleich mit der Mitteilung über die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe darauf hin, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist einen Antrag nach § 1 Absatz 1 stellen kann. Sie gibt ihr Gelegenheit, eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Absatz 2 sowie eine geeignete Beschäftigungsstelle vorzuschlagen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die verurteilte Person sich nicht auf freiem Fuß befindet oder unbekannten Aufenthalts ist.
(2) Die Strafvollstreckungsbehörde soll der verurteilten Person bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses behilflich sein. Sie stimmt mit der Beschäftigungsstelle die näheren Umstände der zu leistenden Tätigkeit ab.
§ 3
Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde
(1) Gestattet die Strafvollstreckungsbehörde die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit, so bestimmt sie zugleich die Beschäftigungsstelle, den Inhalt der Tätigkeit, die voraussichtliche Arbeitszeit und den Anrechnungsmaßstab (§ 7 Absatz 1).
(2) Die Strafvollstreckungsbehörde lehnt den Antrag ab, wenn
1. Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die verurteilte Person freie Arbeit nicht leisten will oder dazu in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein wird,
2. ein Beschäftigungsverhältnis in angemessener Zeit nicht zustande kommt oder
3. die von der verurteilten Person vorgeschlagene Beschäftigungsstelle ungeeignet ist.
§ 4
Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe
Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, solange der verurteilten Person die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit gestattet ist oder über den Antrag der verurteilten Person nicht entschieden ist, es sei denn, dass der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
§ 5
Weisungen
Die verurteilte Person hat den Weisungen der Strafvollstreckungsbehörde und hinsichtlich der ihr obliegenden Pflichten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses den Anordnungen der Beschäftigungsstelle nachzukommen.
§ 6
Widerruf, Beendigung
(1) Die Strafvollstreckungsbehörde kann die Gestattung nach Anhörung der verurteilten Person widerrufen, wenn sie
1. ohne genügende Entschuldigung nicht zur Arbeit erscheint, die Arbeit abbricht oder arbeitsunfähig ist,
2. trotz Abmahnung der Beschäftigungsstelle mit ihrer Arbeitsleistung hinter den Anforderungen zurückbleibt, die billigerweise an sie gestellt werden können,
3. gröblich oder beharrlich gegen ihr erteilte Weisungen oder Anordnungen verstößt oder
4. durch sonstiges schuldhaftes Verhalten eine Weiterbeschäftigung für die Beschäftigungsstelle unzumutbar macht.
(2) Die Gestattung endet, wenn die verurteilte Person bei der bisherigen Beschäftigungsstelle nicht mehr weiter tätig sein kann und ein neues Beschäftigungsverhältnis in angemessener Zeit nicht zustande gekommen ist. Die Strafvollstreckungsbehörde teilt der verurteilten Person den Wegfall der Gestattung mit.
(3) Die Anhörung nach Absatz 1 und die Mitteilung nach Absatz 2 Satz 2 unterbleiben, wenn die verurteilte Person unbekannten Aufenthalts ist.
§ 7 (Fn 4)
Tilgung der Geldstrafe
(1) Zur Tilgung eines Tagessatzes der Geldstrafe sind fünf Stunden freie
Arbeit zu leisten. Ein Urlaubsanspruch besteht nicht.
(2) In Ausnahmefällen kann die Vollstreckungsbehörde den Anrechnungsmaßstab
insbesondere mit Rücksicht auf Inhalt und Umstände der Tätigkeit oder auf die
persönlichen Verhältnisse der verurteilten Person bis auf drei Stunden
herabsetzen. Dies gilt maßgeblich, aber nicht ausschließlich, in folgenden
Fällen:
1. gesundheitliche Einschränkungen, insbesondere, aber nicht nur, bei
geistiger oder körperlicher Schwerbehinderung, die eine reduzierte
Arbeitsfähigkeit begründen,
2. psychisch erheblich beeinträchtigte Personen, etwa bei suchtbegleitenden
Erkrankungen, Depressionen oder Angststörungen,
3. besonders hohe Stundenzahlen, insbesondere bei Mehrfachverurteilungen,
sofern die Motivation zur Ableistung anders nicht erreicht werden kann,
4. akute Abhängigkeitserkrankungen,
5. Personen mit altersbedingt eingeschränkter Leistungsfähigkeit,
6. Schwangerschaft,
7. Personen, die (pflegebedürftige) Angehörige oder minderjährige Kinder
betreuen, insbesondere, wenn diese alleinerziehend sind und eine Betreuung auf
andere Weise nicht gewährleistet werden kann, oder
8. Nacht- und Schichtarbeit, Sonn- und Feiertagsbeschäftigung sowie
gefährliche oder anderweitig besonders belastende Arbeiten im Rahmen der
Ableistung gemeinnütziger Arbeit.
(3) Bleibt die verurteilte Person der Arbeit fern, wird die versäumte
Arbeitszeit auch dann nicht auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet, wenn das
Fernbleiben entschuldigt ist.
(4) Hat die verurteilte Person die erforderliche Stundenzahl freier Arbeit
geleistet, ist die Geldstrafe getilgt. Die Strafvollstreckungsbehörde teilt der
verurteilten Person schriftlich oder elektronisch mit, dass die Zahlung der
Geldstrafe erledigt ist.
(5) Die verurteilte Person kann jederzeit noch nicht getilgte Geldstrafen zahlen.
§ 8
Beteiligung Dritter
Die Strafvollstreckungsbehörde soll sich in allen geeigneten und erfolgversprechenden Fällen bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses der Unterstützung des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz oder eines Freien Trägers bedienen. In diesen Fällen wirkt der ambulante Soziale Dienst der Justiz auf die Stellung eines Antrags nach § 2 Absatz 1 hin.
§ 9 (Fn 3)
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Die Verordnung tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Gleichzeitig treten die Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit vom 23. November 2005 (GV. NRW. S.925) und die Verordnung über die Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Artikel 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 8. Mai 1984 (GV. NRW. S.301) außer Kraft.
Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen
Die Ministerpräsidentin
Der Justizminister
GV. NRW. S. 663, in Kraft getreten am 1. Januar 2011; geändert durch Artikel 25 der Verordnung vom 24. September 2014 (GV. NRW. S. 647), in Kraft getreten am 16. Oktober 2014; Verordnung vom 25. November 2021 (GV. NRW. S. 1438), in Kraft getreten am 1. Januar 2022; Verordnung vom 18. Dezember 2023 (GV. NRW. 2024 S. 20), tritt am 1. Februar 2024 in Kraft. |
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Überschrift geändert durch Artikel 25 der Verordnung vom 24. September 2014 (GV. NRW. S. 647), in Kraft getreten am 16. Oktober 2014. |
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§ 9 (alt) aufgehoben und § 10 (alt) umbenannt in § 9 (neu) und geändert durch Artikel 25 der Verordnung vom 24. September 2014 (GV. NRW. S. 647), in Kraft getreten am 16. Oktober 2014. |
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§ 7 neu gefasst durch Verordnung vom 25. November 2021 (GV. NRW. S. 1438), in Kraft getreten am 1. Januar 2022. |