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Gesetz
über die Ausführung des Gesetzes
zu Artikel 10 Grundgesetz (AG G 10 NRW)
Vom 18. Dezember 2002 (Fn 1)
(Artikel 2 des Gesetzes zur Stärkung des Verfassungsschutzes und seiner Kontrollorgane vom 18.12.2002)
§ 1
Antragsberechtigte Stelle
(1) Oberste Landesbehörde im Sinne des § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) ist das Innenministerium. Die Anordnung ergeht durch den Innenminister oder seinen Stellvertreter.
(2) Antragsberechtigt gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 des Artikel 10-Gesetzes ist der Leiter der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums.
§ 2
Parlamentarische Kontrolle
Das Innenministerium unterrichtet das nach dem Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen bestellte Kontrollgremium in Abständen von höchstens sechs Monaten über die Durchführung des Artikel 10-Gesetzes, soweit sie von ihm zu verantworten ist.
§ 3
G 10-Kommission
(1) Zur Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen des Innenministeriums bestellt das in § 2 genannte Gremium nach Anhörung der Landesregierung für die Dauer der Wahlperiode des Landtags eine Kommission (G 10-Kommission). Die G 10-Kommission besteht aus dem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, und drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern, die an den Sitzungen mit Rede- und Fragerecht teilnehmen können. Die Mitglieder der G 10-Kommission sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Sie nehmen ein öffentliches Ehrenamt wahr und werden von dem in § 2 genannten Gremium unverzüglich nach Anhörung der Landesregierung für die Dauer der Wahlperiode des Landtags mit der Maßgabe bestellt, dass ihre Amtszeit erst mit der Neubestimmung der Mitglieder der G 10-Kommission nach Ablauf der Wahlperiode endet. Das in § 2 genannte Gremium bestellt aus den Mitgliedern der Kommission den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter. Für jedes Mitglied der G 10-Kommission wird ein Vertreter bestellt. Die G 10-Kommission tagt in Abständen von höchstens drei Monaten
(2) Die Beratungen der G 10-Kommmission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung aller Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Kommission.
(3) Der G 10-Kommission ist die für ihre Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen; sie ist im Einzelplan des Landtags gesondert auszuweisen. Der Kommission sind bei Bedarf Mitarbeiter mit technischem Sachverstand zur Verfügung zu stellen.
(4) Die G 10-Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des in § 2 genannten Gremiums bedarf. Vor der Zustimmung ist die Landesregierung zu hören.
(5) Die G 10-Kommission entscheidet von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Die Kontrollbefugnis der G 10-Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der durch die Beschränkungsmaßnahmen erlangten personenbezogenen Daten einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Der G 10-Kommission und ihren Mitarbeitern ist dabei insbesondere
1. Auskunft zu ihren Fragen zu erteilen,
2. Einsicht in alle Unterlagen, insbesondere in die gespeicherten Daten und in die Datenverarbeitungsprogramme, zu gewähren, die im Zusammenhang mit der Beschränkungsmaßnahme stehen, und
3. jederzeit Zutritt in alle Diensträume zu gewähren.
Die G 10-Kommission kann dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben. Auf § 24 Abs. 2 Satz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes wird verwiesen.
(6) Das Innenministerium unterrichtet die G 10-Kommission unverzüglich über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzuge kann es den Vollzug der Beschränkungsmaßnahmen auch bereits vor der Unterrichtung der G 10-Kommission anordnen. Anordnungen, die die G 10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat der Innenminister unverzüglich aufzuheben.
(7) Beschlüsse der G 10-Kommission bedürfen der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Kommission unterrichtet das nach § 2 Abs. 1 bestellte Gremium über die von ihr gefassten Beschlüsse.
(8) Die Mitglieder der G 10-Kommission erhalten eine Arbeitsaufwandsentschädigung, Sitzungstagegelder und Ersatz der Reisekosten nach Maßgabe einer von der Landesregierung zu erlassenden Rechtsverordnung.
§ 4
Prüf-, Kennzeichnungs- und Löschungspflichten,
Übermittlungen, Zweckbindung
(1) Die erhebende Stelle prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten im Rahmen ihrer Aufgaben allein oder zusammen mit bereits vorliegenden Daten für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes bestimmten Zwecke erforderlich sind. Soweit die Daten für diese Zwecke nicht erforderlich sind und nicht für eine Übermittlung an andere Stellen benötigt werden, sind sie unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen.
Die Löschung ist zu protokollieren. Sie unterbleibt, soweit die Daten für eine Mitteilung nach § 12 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes oder für eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahme von Bedeutung sein können. In diesem Fall sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur zu diesen Zwecken verwendet werden.
(2) Die verbleibenden Daten sind zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrecht zu erhalten. Die Daten dürfen nur zu den in Absatz 4 und § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Zwecken verwendet werden.
(3) Der Leiter der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums oder sein Stellvertreter kann anordnen, dass bei der Übermittlung auf die Kennzeichnung verzichtet wird, wenn dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungsmaßnahme nicht zu gefährden, und die G 10-Kommission zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzuge kann die Anordnung bereits vor der Zustimmung getroffen werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten.
(4) Die Daten dürfen übermittelt werden
1. zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten, wenn
a) tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand eine der in § 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant oder begeht,
b) bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine sonstige in § 7 Abs. 4 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes genannte Straftat plant oder begeht,
2. zur Verfolgung von Straftaten, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine in Nummer 1 bezeichnete Straftat begeht oder begangen hat, oder
3. zur Vorbereitung und Durchführung eines Verfahrens nach Artikel 21 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes oder einer Maßnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Vereinsgesetzes, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich sind.
(5) Sind mit personenbezogenen Daten, die übermittelt werden dürfen, weitere Daten Betroffener oder Dritter in den Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren.
(6) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für die Zwecke verwenden, zu deren Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Er prüft unverzüglich, und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die übermittelten Daten für diese Zwecke erforderlich sind. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Empfänger unterrichtet die übermittelnde Stelle unverzüglich über die erfolgte Löschung.
§ 5
Kontrolle der Mitteilung
an Betroffene durch die G 10-Kommission
(1) Beschränkungsmaßnahmen sind Betroffenen durch das Innenministerium nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn die G 10-Kommission einstimmig festgestellt hat, dass
1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist,
2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und
3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen.
(2) Das Innenministerium unterrichtet vierteljährlich die G10-Kommission über die von ihm vorgenommenen Mitteilungen an Betroffene gem. Absatz 1 oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Hält die G10-Kommission eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich vorzunehmen.
In-Kraft-Treten
(Artikel 3 des Gesetzes zur Stärkung des Verfassungsschutzes und seiner Kontrollorgane vom 18.12.2002)
(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft (Fn 2). Gleichzeitig tritt das Gesetz über die Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 11. März 1969 (GV. NRW S. 146), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. November 1986 (GV. NRW. S. 679), außer Kraft. Die §§ 5a, 7 Abs. 4 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen treten am 1. Januar 2007 außer Kraft. Die §§ 10 Abs. 3 und 16 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen gelten vom gleichen Tag an wieder in ihrer am 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
(2) Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Regelungen sind vor Ablauf der Befristung zu evaluieren.
Die Landesregierung
des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Innenminister
Fn 1 | GV. NRW. 2003 S. 2, in Kraft getreten am 16. Januar 2003. |
GV. NRW. ausgegeben am 15. Januar 2003. |