Geltende Gesetze und Verordnungen (SGV. NRW.)  mit Stand vom 13.11.2024


Verordnung über die Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen kommunaler Vertretungen (Digitalsitzungsverordnung – DigiSiVO)


Inhaltsverzeichnis:

Normüberschrift

Verordnung über die Durchführung digitaler und
hybrider Sitzungen kommunaler Vertretungen
(Digitalsitzungsverordnung – DigiSiVO)

Vom 27. April 2022 (Fn 1)

Auf Grund des § 133 Absatz 4 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 666), der durch Artikel 1 Nummer 21 des Gesetzes vom 13. April 2022 (GV. NRW S. 489) eingefügt worden ist, verordnet das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung im Benehmen mit dem für Kommunales zuständigen Ausschuss des Landtags und mit der oder dem Beauftragten der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für Informationstechnik:

§ 1
Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt gemäß § 47a Absatz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 666) in der jeweils geltenden Fassung für digitale und hybride Sitzungen der Vertretungen und Ausschüsse der Gemeinden, Kreise, Landschaftsverbände, des Regionalverbands Ruhr sowie der Zweckverbände nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1979 (GV. NRW. S. 621) in der jeweils geltenden Fassung.

§ 2
Durchführung digitaler und hybrider Sitzungen

(1) Digitale und hybride Sitzungen sind mit Unterstützung einer zugelassenen Anwendung zur Bild-Ton-Übertragung (Videokonferenzsystem) sowie einer zugelassenen Anwendung zur Durchführung digitaler Abstimmungen (Abstimmungssystem) durchzuführen. Videokonferenzsystem und Abstimmungssystem sollen aufeinander abgestimmt oder, soweit möglich, in einer Anwendung integriert sein.

(2) Die eingesetzten Anwendungen nach Absatz 1 müssen die Funktionalitäten bereitstellen, die zur Einhaltung der verbindlichen Verfahren und Vorgaben für die jeweilige Gremiensitzung erforderlich sind. Sie müssen es der Sitzungsleitung technisch ermöglichen, die Ordnung in den Sitzungen herzustellen und durchzusetzen.

(3) Für die Sitzungsleitung, die Gremienmitglieder und im Fall einer öffentlichen Sitzung auch für die Öffentlichkeit muss jederzeit durch Bildübertragung, namentliche Anzeige oder geeignete Darstellung nachvollziehbar sein, welche Gremienmitglieder aktuell zugeschaltet sind und an der Sitzung teilnehmen.

(4) Bei Wortbeiträgen müssen die Gremienmitglieder mit Bild und Ton, im Übrigen sollen sie im Rahmen der Darstellungsmöglichkeiten mit Bild für alle anderen Gremienmitglieder, die Sitzungsleitung und im Fall einer öffentlichen Sitzung auch für die Öffentlichkeit wahrnehmbar sein. Den teilnehmenden Gremienmitgliedern muss es jederzeit während der Sitzung technisch möglich sein, die Wahrnehmbarkeit mit Bild und Ton herzustellen.

(5) Die Übermittlung der Zugangsdaten, die den Gremienmitgliedern und den übrigen Teilnahmeberechtigten im gebotenen Umfang den Zugang zum Videokonferenzsystem und zum Abstimmungssystem ermöglichen, erfolgt elektronisch. Es ist sicherzustellen, dass nur Berechtigte Kenntnis von den Zugangsdaten erhalten.

§ 3
Öffentlichkeit in digitalen Sitzungen

(1) Die Öffentlichkeit erhält die Information über den Zugang zu digitalen Sitzungen in der durch Geschäftsordnung festzulegenden Form. Die Teilnahme erfolgt über einen geschützten Zugang, bei dem die Zugangsmöglichkeit nach vorheriger Anmeldung innerhalb einer in der Geschäftsordnung festzulegenden angemessenen Frist regelmäßig in Form eines Zugangslinks elektronisch mitgeteilt und eröffnet wird. Vor Eröffnung der digitalen Zugangsmöglichkeit ist darauf hinzuweisen, dass die Aufzeichnung und Weiterverbreitung der Sitzung oder Teilen davon untersagt ist. Personen, die nicht über einen eigenen Internetzugang verfügen, soll auf rechtzeitige Anfrage ein Angebot bereitgestellt werden, das diesen ein Verfolgen der Sitzung in geeigneten Räumlichkeiten ermöglicht.

(2) Die Durchführung von Einwohnerfragestunden in digitalen Sitzungen ist möglich, sofern der Öffentlichkeit ein geschützter Zugang mit Rederecht eingeräumt ist. Alternativ kann die Gelegenheit eingeräumt werden, Fragen zur Einwohnerfragestunde auf elektronischem Wege innerhalb einer zu bestimmenden Frist vor oder während der Fragestunde einzureichen. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

(3) Die Beratung von Gegenständen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist in digitaler Sitzung zulässig. Die eingesetzte Videokonferenzsoftware muss einen Ausschluss der Öffentlichkeit zuverlässig ermöglichen. Ist die Öffentlichkeit von der Beratung ausgeschlossen, haben die digital teilnehmenden Gremienmitglieder in ihrem Verantwortungsbereich den erforderlichen Datenschutz sicherzustellen und am Ort ihrer Sitzungsteilnahme zu verhindern, dass Dritte die Inhalte der nichtöffentlichen Beratung ganz oder teilweise wahrnehmen können. Diese Pflicht ist Bestandteil der Verschwiegenheitspflicht nach § 30 Absatz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen. Vor Beginn eines nichtöffentlichen Sitzungsteils hat die Sitzungsleitung die Gremienmitglieder auf ihre Pflichten hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Voraussetzungen herzustellen.

§ 4
Abstimmungen und Wahlen

(1) Das Abstimmungssystem muss das Stimmverhalten der Stimmberechtigten bei offenen oder namentlichen Abstimmungen für die Sitzungsleitung, die anderen Gremienmitglieder und die Öffentlichkeit erkennen und nachvollziehen lassen. Der Verzicht auf den Einsatz eines Abstimmungssystems ist abweichend von § 2 Absatz 1 Satz 1 zulässig, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 im Rahmen der digitalen und hybriden Sitzungsdurchführung auf andere geeignete Weise erfüllt werden.

(2) Die Durchführung geheimer Abstimmungen oder Wahlen ist in einer digitalen oder hybriden Sitzung nur zulässig, wenn durch das eingesetzte Abstimmungssystem technisch sichergestellt ist, dass die Anforderungen an das Verfahren eingehalten werden können, insbesondere die Vertraulichkeit der digitalen Stimmabgabe gewährleistet bleibt und die wesentlichen Schritte der Abstimmungs- beziehungsweise Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Wird geheim abgestimmt, darf nur das Abstimmungsergebnis erkennbar sein. Ist die Einhaltung der Anforderungen nach Satz 1 nicht sichergestellt, sind geheime Abstimmungen im Nachgang zur digitalen oder hybriden Sitzung durch Abgabe von Stimmzetteln per Briefwahl durchzuführen und das Ergebnis in die Niederschrift aufzunehmen. Neben den Gremienmitgliedern ist auch die Öffentlichkeit über das Stimmergebnis zu informieren, soweit nicht im Einzelfall etwas anderes beschlossen wird. Für die durch Bild-Ton-Übertragung teilnehmenden Gremienmitglieder gilt bei Beratungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit § 3 Absatz 3 entsprechend.

§ 5
Hybride Sitzungen

(1) Bei hybriden Sitzungen sind die Sitzungsleitung und die Öffentlichkeit sowie die nicht durch Bild-Ton-Übertragung teilnehmenden Gremienmitglieder im Sitzungssaal anwesend. Durch die geeignete Aufnahme- und Übertragungstechnik ist sicherzustellen, dass die Sitzungsleitung und Wortbeiträge der Gremienmitglieder für alle digital und vor Ort teilnehmenden Gremienmitglieder sowie für die Öffentlichkeit optisch und akustisch gleichwertig wahrnehmbar sind.

(2) Bei geheimen Abstimmungen und Wahlen in hybriden Sitzungen ist für die Stimmabgabe der vor Ort anwesenden und der digital teilnehmenden Gremienmitglieder dasselbe Abstimmungssystem zu verwenden.

§ 6
Befangene Gremienmitglieder

Die Sitzungsleitung hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass befangene Gremienmitglieder von der Mitwirkung an der Beratung und Abstimmung zu Tagesordnungspunkten im Videokonferenz- und Abstimmungssystem in dem gebotenen Umfang ausgeschlossen sind. Bei nichtöffentlichen Sitzungsteilen muss für die Sitzungsleitung und die übrigen Gremienmitglieder erkennbar sein, dass ein befangenes Gremienmitglied für die Dauer der Behandlung der Angelegenheit keinen Zugang zur digitalen oder hybriden Sitzung hat.

§ 7
Datenschutz

(1) Die eingesetzten Anwendungen müssen der Datenschutz-Grundverordnung vom 27. April 2016 (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2; L 74 vom 4.3.2021, S. 35) in der jeweils geltenden Fassung sowie den weiteren einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die Gemeinde oder der Gemeindeverband trägt Sorge für die Einhaltung der bei Durchführung digitaler Sitzungen zu beachtenden datenschutzrechtlichen Vorgaben. Einer Zustimmung der Gremienmitglieder sowie von Angehörigen der Verwaltung zu Bild-Ton-Übertragungen, die erforderlich sind, um die Voraussetzungen des § 47a Absatz 2 und 5 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen sicherzustellen, bedarf es nicht.

(2) Die Zulässigkeit von Video- und Tonaufnahmen von digitalen Sitzungen mit dem Zweck der Veröffentlichung richtet sich nach der Maßgabe der Hauptsatzung.

(3) Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern digitaler und hybrider Sitzungen sowie der Öffentlichkeit sind die wesentlichen sie betreffenden datenschutzrechtlichen Informationen und zu beachtenden Regularien vor Beginn der Sitzung in geeigneter Form zur Kenntnis zu bringen. Sofern Zustimmungen erforderlich sind, können diese elektronisch erteilt werden.

(4) Für im Rahmen von digitalen und hybriden Gremiensitzungen gespeicherten personenbezogene Daten sind Schutzanforderungen und Löschfristen festzulegen und zu überwachen.

§ 8
IT-Sicherheit

(1) Die eingesetzten Anwendungen müssen dem aktuellen Stand der IT-Sicherheitstechnik für Videokonferenz- und Abstimmungssysteme entsprechen. Für den Einsatz dieser Anwendungen hat die Kommune eigenverantwortlich ein Konzept zu erstellen, das den Anforderungen der IT-Sicherheit Rechnung trägt, oder ein vorhandenes IT-Sicherheitskonzept entsprechend zu erweitern.

(2) Um eine sichere Nutzung der Videokonferenz- und Abstimmungssysteme zu ermöglichen, ist ein Handbuch vorzuhalten, das die erforderlichen Anweisungen bezüglich Informationssicherheit sowie die zu beachtenden Richtlinien und Regularien umfasst. Dieses Handbuch muss allen Nutzerinnen und Nutzern der digitalen Sitzung zugänglich sein.

(3) Wird die Verwendung privater Endgeräte zugelassen, hat das Konzept nach Absatz 1 Satz 2 festzulegen, welche IT-sicherheitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Maßnahmen von den Gremienmitgliedern in eigener Verantwortung zu treffen sind.

§ 9
Verantwortung für die digitale Teilnahmemöglichkeit

(1) Vor und während der gesamten Dauer der Sitzung sind im Rahmen der Sitzungsorganisation die technischen und organisatorischen Voraussetzungen dafür sicherzustellen, dass den Gremienmitgliedern und in öffentlichen Sitzungen der Öffentlichkeit der Zugang und die digitale Teilnahme an der Sitzung dauerhaft möglich sind.

(2) Es sind vor der Sitzungsdurchführung Regelungen darüber zu treffen, welche Endgeräte die Gremienmitglieder für die digitale Sitzungsteilnahme zu verwenden haben und wer für die Wartung und Pflege der Endgeräte verantwortlich ist.

(3) Die Gremienmitglieder sind verantwortlich für die Herstellung der digitalen Verbindung zur Sitzung mit den dafür zur Verfügung gestellten oder zugelassenen Endgeräten.

(4) Der Umfang der Pflichten nach den Absätzen 1 bis 3 kann in der Geschäftsordnung näher bestimmt werden.

§ 10
Störungen der Bild-Ton-Übertragung

(1) Die Sitzung ist unverzüglich zu unterbrechen, wenn ein Gremienmitglied eine Störung der Bild-Ton-Übertragung, die es an einer ordnungsgemäßen Sitzungsteilnahme hindert, rügt oder wenn die Sitzungsleitung auf andere Weise Kenntnis von einer solchen Störung erhält. Die Sitzung darf vor Behebung der Störung nicht fortgesetzt werden. Das gilt nicht, wenn es sich um eine unbeachtliche Störung nach Absatz 4 handelt oder davon ausgegangen werden kann, dass die Störung in den Verantwortungsbereich des Gremienmitglieds fällt. Das ist insbesondere zu vermuten, wenn eine Behebung der Störung nicht gelingt und allen übrigen Gremienmitgliedern eine störungsfreie Bild-Ton-Übertragung möglich ist.

(2) Sind Verfahrensschritte durch eine Störung beeinträchtigt gewesen, die der Fortsetzung der Sitzung entgegengestanden hätte und die nicht nach Absatz 4 unbeachtlich ist, sind diese nach der Feststellung und Behebung der Störung in der Sitzung nachzuholen.

(3) Vor der Durchführung von digitalen oder hybriden Sitzungen sind Regelungen über die Meldung von Störungen zu treffen, insbesondere ist ein zweiter Meldeweg festzulegen, auf dem Störungen bei der Bild-Ton-Übertragung gemeldet werden können. Sitzungsleitung und Gremienmitglieder stellen sicher, dass die Gremienmitglieder unmittelbar vor und während der Sitzung die Möglichkeit haben, der Sitzungsleitung technische oder sonstige Störungen der Bild-Ton-Übertragung zu melden.

(4) Eine Störung ist insbesondere unbeachtlich, wenn
1. nach einem Abbruch der Bild-Ton-Übertragung eine Meldung der Störung innerhalb einer angemessenen Zeit unterbleibt, die in der Geschäftsordnung festgelegt werden kann oder
2. das betroffene Gremienmitglied nach Wiederherstellung der Übertragung ohne Rüge an Beratungen und Abstimmungen mitwirkt.

§ 11
Zulassungsverfahren

(1) Für die Zulassung von Anwendungen nach § 2 Absatz 1 ist die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen die gemäß § 47a Absatz 4 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen zuständige Stelle (Zulassungsstelle).

(2) Die Zulassung erfolgt auf Antrag. Bei Anwendungen, die von mehreren Gemeinden oder Gemeindeverbänden eingesetzt werden sollen, genügt eine Zulassung.

(3) Die Zulassungsstelle kann zum Nachweis der Erfüllung von Datenschutz- und IT-Sicherheits-Standards die Vorlage geeigneter Zertifikate von dritten Stellen verlangen. Sie kann sich für die Zulassungsprüfung oder Teile dieser Dritter bedienen.

(4) Die Gültigkeit der Zulassungen nach Absatz 1 ist längstens auf fünf Jahre zu befristen. Die Gültigkeit erlischt, wenn wesentliche Änderungen an den Anwendungen vorgenommen werden. Die Zulassung kann mit weiteren Nebenbestimmungen versehen werden, insbesondere mit Auflagen, mit denen die Einhaltung von in dieser Verordnung geregelten Anforderungen sichergestellt wird.

§ 12
Verwaltungsvorschriften

Das für Kommunales zuständige Ministerium erlässt im Benehmen mit der oder dem Beauftragten der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für Informationstechnik die erforderlichen Verwaltungsvorschriften zur näheren Festlegung der Anforderungen nach den §§ 2 bis 8 sowie der Verfahrensschritte, die im Rahmen des Zulassungsverfahrens nach § 11 zu berücksichtigen sind.

§ 13
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Die Ministerin
für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
des Landes Nordrhein-Westfalen

Fußnoten:

Fn 1

In Kraft getreten am 13. Mai 2022 (GV. NRW. S. 712).



Normverlauf ab 2000: