Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2017 Nr. 10 vom 3.3.2017 Seite 293 bis 314

Verordnung zur Durchführung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen (Verordnung Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – RVO TVgG NRW)
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zugehörige Anlagen :
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Anlage 2
 

Verordnung zur Durchführung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen (Verordnung Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – RVO TVgG NRW)

701

Verordnung
zur Durchführung des
Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen
(Verordnung Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen
– RVO TVgG NRW)

Vom 21. Februar 2017

Auf Grund des § 16 Absatz 4 Nummern 1 bis 4 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 2017 (GV. NRW. S. 273) verordnet die Landesregierung:

§ 1
Zweck der Verordnung

Zweck dieser Verordnung ist die Konkretisierung und Umsetzung der Vorgaben des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 2017 (GV. NRW. S. 273). Sie ergänzt dabei neben den Vorschriften für die einzelnen Regelungsbereiche die Grundsätze der Vergabe gemäß § 3 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen.

§ 2
Verpflichtungserklärungen Tariftreuepflicht und Mindestlohn

Die Verpflichtungserklärungen zu § 4 Absatz 1 bis 4 und § 5 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen müssen inhaltlich mindestens dem in dieser Verordnung als Anlage 1 beigefügten Formularvordruck entsprechen. Werden in dem Vergabeverfahren elektronische Mittel verwandt, sind die Vorgaben des § 9 Absatz 4 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen zu beachten.

§ 3
Berücksichtigung abfallrechtlicher Vorgaben,
Holz- und Papierprodukte

(1) Bei der Konzeption der Beschaffung nach § 6 Absatz 1 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen sind die abfallrechtlichen Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf Abfallvermeidung und Wiederverwendung, Recycling sowie sonstige Verwertung zu berücksichtigen. Die Anforderungen, die bei der Beschaffung von Arbeitsmaterialien, Ge- und Verbrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen zu berücksichtigen sind, ergeben sich insbesondere aus § 2 des Landesabfallgesetzes vom 21. Juni 1988 (GV. NRW. S. 250), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 25. Oktober 2016 (GV. NRW. S. 868) geändert worden ist. Bei der Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen sind die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der abfallrechtlichen Grundsätze der Autarkie und Nähe entsprechend zu berücksichtigen.

(2) Entsprechend der Vorgaben des Landesabfallgesetzes ist grundsätzlich nur Papier und Karton mit einem Altpapieranteil von 100 Prozent zu beschaffen. Ausnahmen im Sinne von § 2 des Landesabfallgesetzes, zum Beispiel für Papier, welches einen repräsentativen Charakter hat, sind entsprechend zu begründen. Das in Holzprodukten (einschließlich Papier und Karton) verarbeitete Rohholz muss nachweislich aus legaler und nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammen. Der Nachweis ist vom Bieter durch Vorlage eines Zertifikates des PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes), des FSC (Forest Stewardship Council) oder durch gleichwertige Siegel, Zertifikate oder Nachweise, wie technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen, zu erbringen.

§ 4
Umweltverträgliches und nachhaltiges Bauen

(1) Bei Bauvergaben kann der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Konzeption der Beschaffung in Erfüllung der sich aus § 6 Absatz 1 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen ergebenden Verpflichtungen Aspekte des Umweltschutzes und der Energieeffizienz hinsichtlich ökologischer und gesundheitsrelevanter Anforderungen an Bauwerk und Materialien berücksichtigen.

(2) Bei der Konzeption der Beschaffung können sich Aspekte des Umweltschutzes und der Energieeffizienz bei Dienstleistungen insbesondere auf die Art der Durchführung und auf die zu verwendenden Stoffe beziehen. Bei Bauaufträgen kann der öffentliche Auftraggeber Aspekte des nachhaltigen Bauens in die Bauplanungsphase einbeziehen. Hierbei sind insbesondere die Vorgaben des § 2 des Landesabfallgesetzes zu beachten. Bei Bauvorhaben soll demnach Erzeugnissen der Vorzug gegeben werden, die mit rohstoffschonenden und abfallarmen Produktionsverfahren oder aus Abfällen hergestellt sind, sofern diese für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sind und keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen. Ersatzbaustoffe wie zum Beispiel Recyclingbaustoffe und der Baustoff Holz sind, ihren jeweiligen technischen und ökologischen Eigenschaften entsprechend, gleichberechtigt in die Planungsüberlegungen einzubeziehen.

(3) Die Berücksichtigung von Aspekten des Umweltschutzes und der Energieeffizienz bei der Konzeption der Beschaffung kann die ökologische, gesundheitsrelevante, funktionale und technische Bauwerksqualität erhöhen. Die Umweltverträglichkeit der Baustoffe soll dabei ein wesentlicher Bestandteil der Konzeption sein. So können gewerkespezifische Vorgaben hinsichtlich der Dauerhaftigkeit, Instandhaltungsfreundlichkeit, Rückbaufähigkeit, Reinigungsfreundlichkeit, Gesundheits- und Umweltverträglichkeit von Bauprodukten unter Berücksichtigung der Bau-, Nutzungs- und Rückbauphase einbezogen werden.

(4) Die öffentlichen Auftraggeber können das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) für den Neubau von Büro- und Verwaltungsgebäuden sowie Außenanlagen oder ein gleichwertiges System zur Bewertung der Umsetzung der Aspekte des Umweltschutzes und der Energieeffizienz bei Bauvergaben vorgeben.

§ 5
Besondere Regelungen für die Vergaben unterhalb der Schwellenwerte
im Rahmen der Berücksichtigung von Aspekten des Umweltschutzes und der Energieeffizienz

(1) Bei der Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungen ist § 67 der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch, wenn die Lieferung von energieverbrauchsrelevanten Waren, technischen Geräten oder Ausrüstungen wesentlicher Bestandteil einer Bauleistung ist.

(2) Von einem „energieverbrauchsrelevanten Produkt“ gemäß § 67 Absatz 1 der Vergabeverordnung ist auszugehen, wenn ein Gegenstand, dessen Nutzung den Verbrauch an Energie beeinflusst und der in der Europäischen Union in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird, einschließlich Teilen, die zum Einbau in ein „energieverbrauchsrelevantes Produkt“ bestimmt sind, als Einzelteil für Endverbraucher in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen werden und getrennt auf seine Umweltverträglichkeit geprüft werden kann.

(3) Die Vorgabe des „höchsten Leistungsniveaus an Energieeffizienz“ bedeutet, dass bei der Auswahl des Leistungsgegenstandes die „höchste auf dem Markt verfügbare Energieeffizienz“ anzusetzen ist, das heißt die mit dem niedrigsten auf dem Markt verfügbaren Energieverbrauch im Verhältnis zur Leistung. Führt die Vorgabe des „höchsten Leistungsniveaus an Energieeffizienz“ und der höchsten Energieeffizienzklasse im Sinne der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung vom 30. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2616), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1622) geändert worden ist, zu unangemessenen Leistungseinschränkungen oder Mehrkosten, kann ausnahmsweise hiervon abgewichen werden. In diesem Fall ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die höchstmöglichen Anforderungen zu stellen. Die Ermessensentscheidung ist zu dokumentieren.

(4) Bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen ist § 68 der Vergabeverordnung entsprechend anzuwenden.

(5) Verweist der Auftraggeber hinsichtlich bestimmter Leistungs- und Funktionsanforderungen beziehungsweise hinsichtlich ihres Nachweises gemäß § 6 Absatz 2 Nummer 2 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen auf Umweltzeichen, gilt § 34 Absatz 5 der Vergabeverordnung entsprechend.

§ 6
Sensible Produkte im Rahmen der Beachtung von Mindestanforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation an die Arbeitsbedingungen

(1) Bieter und Bewerber haben zur Erfüllung der Vorgaben der vertraglichen Ausführungsbedingungen des § 7 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen die in § 7 dieser Verordnung aufgeführten Nachweise zu erbringen, sofern sensible Produkte aus bestimmten Herkunftsländern oder -gebieten beschafft werden.

(2) Als sensible Produkte gelten:

1. Bekleidung, insbesondere Arbeitsbekleidung und Uniformen sowie Stoffe und Textilwaren,

2. Naturkautschuk-Produkte (zum Beispiel Einmal- oder Arbeitshandschuhe, Reifen, Gummibänder),

3. Landwirtschaftliche Produkte (zum Beispiel Kaffee, Kakao, Orangensaft, Pflanzen, Tropenfrüchte wie Bananen und Ananas),

4. Büromaterialien, die die Rohstoffe Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk enthalten,

5. Holz,

6. Lederwaren, Gerbprodukte,

7. Natursteine,

8. Spielwaren,

9. Sportartikel (Bekleidung, Geräte),

10. Teppiche und

11. Informations- oder Kommunikationstechnik (Hardware).

(3) Die bestimmten Herkunftsländer oder -gebiete ergeben sich aus der für den Zeitpunkt der Angebotsabgabe maßgeblichen DAC-Liste der Entwicklungsländer und -gebiete. Die Liste wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als Liste des Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC) im Internet unter www.oecd.org bereitgestellt. Als Herkunftsland oder -gebiet gilt der Staat oder das Gebiet, in dem eine Ware im Sinne von Artikel 60 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nummer 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287 vom 29.10.2013, S. 90) vollständig gewonnen oder hergestellt worden ist oder im Sinne von Artikel 60 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist.

§ 7
Nachweiserbringung im Rahmen der Beachtung von Mindestanforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation an die Arbeitsbedingungen

(1) Der Nachweis, dass die Bieter beziehungsweise Bewerber dafür Sorge tragen, dass die im konkreten Auftrag beschafften Waren unter Beachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Kernarbeitsnormen) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind, kann wahlweise erbracht werden durch

1. Zertifikate gemäß Absatz 2,

2. Mitgliedschaften in einer Initiative, die sich für die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen einsetzt, gemäß Absatz 3 oder

3. gleichwertige Erklärungen Dritter gemäß Absatz 4.

Werden in dem Vergabeverfahren elektronische Mittel verwandt, sind die Vorgaben des § 9 Absatz 4 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen zu beachten.

(2) Zertifikate nach Absatz 1 Nummer 1 sind Gütezeichen nach § 34 Absatz 2 der Vergabeverordnung, die geeignet sind, die in § 7 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen geforderten Merkmale für Liefer- und Dienstleistungen nachzuweisen.

(3) Initiativen nach Absatz 1 Nummer 2 müssen folgenden Bedingungen genügen:

1. Sie müssen von ihren Mitgliedern die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen verlangen und ein effektives System zur Prüfung von deren Einhaltung aufgebaut haben,

2. ihre Anforderungen müssen sich auf objektiv nachprüfbare und nichtdiskriminierende Kriterien beziehen,

3. sie müssen offen und transparent arbeiten,

4. sie müssen vollständige und prüffähige Unterlagen zur Einhaltung dieser Bedingungen bereithalten und

5. sie müssen sich verpflichten, Mitglieder auszuschließen, die ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen nicht nachkommen.

(4) Eine Erklärung Dritter nach Absatz 1 Nummer 3 ist gleichwertig, wenn daraus deutlich wird,

1. dass und wie der Bieter beziehungsweise Bewerber dafür Sorge trägt, dass die im konkreten Auftrag beschafften Waren unter Beachtung der in den ILO-Kernarbeitsnormen festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind und

2. dass die oder der Erklärende von dem Unternehmen, dessen Zulieferern und dem Hersteller der Waren unabhängig sowie fachlich geeignet ist, die in § 7 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen geforderten Merkmale für Liefer- und Dienstleistungen zu bestätigen.

Sofern die Einordnung von eingereichten Unterlagen als Nachweis nach Absatz 2 oder nach Absatz 3 nicht abschließend möglich ist, können diese Unterlagen als gleichwertige Erklärung Dritter angesehen werden, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen.

(5) Auf die Forderung der Vorlage von Nachweisen nach Absatz 1 kann der öffentliche Auftraggeber ausnahmsweise verzichten, wenn die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Bestbieterprinzip nach § 9 Absatz 6 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen, ein Marktversagen in der relevanten Produktgruppe oder andere vergleichbare Ausnahmegründe vorliegen, die es aus objektiv belegbaren Gründen unmöglich machen, ein geeignetes Produkt mit Nachweisen nach Absatz 1 zu beschaffen. Ein Marktversagen liegt dann vor, wenn nach einer Markterkundung kein Anbieter erkundet werden kann, der die benötigten Produkte mit Nachweisen nach Absatz 1 anbietet, oder nur Anbieter erkundet werden können, deren Angebotspreise erheblich über dem Durchschnittspreis für Standardprodukte der jeweiligen Produktgruppe liegen. Der öffentliche Auftraggeber hat zu dokumentieren, dass nach seinen Markterkundungsmaßnahmen ein solches Marktversagen oder andere Ausnahmegründe vorliegen. Die Entscheidung über den Verzicht kann lediglich vor der Einleitung des Vergabeverfahrens getroffen werden.

§ 8
Vertragliche Ausgestaltung von Kontrollen und Sanktionen im Rahmen
der Beachtung von Mindestanforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation an die Arbeitsbedingungen

(1) Es ist zu vereinbaren, dass der Auftragnehmer vollständige und prüffähige Unterlagen zur Prüfung der Einhaltung der Vorgaben des § 7 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen bereitzuhalten und auf Verlangen dem öffentlichen Auftraggeber binnen einer vertraglich zu vereinbarenden angemessenen Frist vorzulegen und zu erläutern hat. Darüber hinaus kann auch ein Kontrollverfahren zwecks Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben des § 7 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen vertraglich vereinbart werden, sofern es sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergibt. Auftragnehmer sind vertraglich zu verpflichten, die Einhaltung dieser Pflichten durch beauftragte Nachunternehmer oder Lieferanten vertraglich sicherzustellen.

(2) Zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Auftragnehmer ist für jeden schuldhaften Verstoß gegen die Verpflichtungen nach § 7 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, deren Höhe ein Prozent, bei mehreren Verstößen bis zu 5 Prozent des Auftragswertes (netto) betragen soll. Hauptauftragnehmer müssen sich bei Beauftragung von Nachunternehmern die Vorlage von Nachweisen nach § 7 Absatz 1 dieser Verordnung vertraglich zusichern lassen. Bei Verstößen von Nachunternehmern oder Lieferanten ist eine Vertragsstrafe nicht zu erheben, wenn der Auftragnehmer den Verstoß bei Beauftragung des Nachunternehmers oder bei Berufung auf Nachweise eines Lieferanten nicht kannte und unter Beachtung der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns auch nicht kennen musste.

§ 9
Maßnahmenkatalog im Rahmen der Frauenförderung und Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Als ergänzende vertragliche Ausführungsbedingungen sollen Maßnahmen zur Frauenförderung oder Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Sinne des § 8 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen verlangt werden. Dies sind folgende Maßnahmen:

1. Maßnahmen zur Gewinnung von Mädchen und Frauen für ein betriebliches Praktikum, insbesondere in den männerdominierten Berufen,

2. Untersagung und Unterbindung eines Verhaltens verbaler und nicht-verbaler Art, welches bezweckt oder bewirkt, dass weibliche Beschäftigte lächerlich gemacht, eingeschüchtert, angefeindet oder in ihrer Würde verletzt werden,

3. explizite Ermutigung von Frauen sich zu bewerben, wenn im Betrieb Ausbildungs- und Arbeitsplätze in männerdominierten Berufsbereichen zu besetzen sind,

4. Berücksichtigung von weiblichen Auszubildenden bei der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zumindest entsprechend ihrem Anteil an den Auszubildenden,

5. Befragung von Beschäftigten zu ihren Arbeitszeitwünschen, Auswertung einschließlich Einleitung von Umsetzungsschritten,

6. Angebot von Teilzeitarbeit oder flexiblen Arbeitszeitmodellen als Maßnahme zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie,

7. Entwicklung und Umsetzung von Modellen vollzeitnaher Teilzeitarbeit für die Beschäftigen,

8. Einrichtung beziehungsweise Ausbau von Telearbeit für die Beschäftigen,

9. Einrichtung von Eltern-Kind-Zimmern für die Beschäftigen,

10. Bereitstellung von Beratungs- und Vermittlungsangeboten, zum Beispiel durch ein Familienservicebüro, insbesondere zur Unterstützung bei der Suche nach Kinderbetreuungs- und Pflegemöglichkeiten,

11. Angebot betriebseigener Kinderbetreuungsplätze (Betriebskindertageseinrichtungen in alleiniger oder kooperativer Trägerschaft),

12. Angebot betrieblich finanzierter beziehungsweise unterstützter Kinderbetreuungsplätze, insbesondere durch

a) den Erwerb von Belegplätzen in Kindertageseinrichtungen,

b) Kooperationen mit Tagespflegepersonen oder

c) die Übernahme der einem Einrichtungsträger entstandenen Mehrkosten für die Anpassung der Betriebsform der Einrichtung an die Bedürfnisse von berufstätigen Eltern

13. Angebot betrieblich organisierter beziehungsweise finanzierter Kontingente zur Notfallbetreuung,

14. Arbeitgeberleistungen zur Unterbringung und Betreuung von Kindern der Beschäftigten, soweit Angebote nach Nummer 11 bis 13 aus betrieblichen Gründen nicht möglich oder im Einzelfall nicht zielführend sind,

15. Angebot von Ferienprogrammen zur Überbrückung der Betreuungslücke für Kinder berufstätiger Eltern in Kindergarten- beziehungsweise Schulferien,

16. Unterstützung von Mitarbeitern mit pflegebedürftigen Angehörigen durch individuelle Betreuung und Hilfeleistung oder Abschluss einer Vereinbarung einer Familienpflegeteilzeit,

17. Kontakthalteangebote, Möglichkeit zur Teilnahme an betrieblicher Fortbildung, zu Vertretungseinsätzen und Rückkehrvereinbarungen für Beschäftigte in Elternzeit,

18. Bereitstellung von innerbetrieblichen Paten und Patinnen für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger,

19. Überprüfung der Entgeltgleichheit im Unternehmen mit Hilfe anerkannter und geeigneter Instrumente,

20. Analyse der Entwicklung der Leistungsvergütung in den letzten fünf Jahren nach Geschlecht oder

21. Angebot spezieller Personalentwicklungsprogramme oder Bildungsmaßnahmen für Frauen, die diese auf die Übernahme von höherwertigen und leitenden Positionen vorbereiten.

§ 10
Staffelung der Maßnahmen nach Unternehmensgröße im Rahmen
der Frauenförderung und Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

(1) Unternehmen mit regelmäßig mehr als 500 Beschäftigten haben vier der in § 9 dieser Verordnung genannten Maßnahmen auszuwählen sowie durchzuführen oder einzuleiten.

(2) Unternehmen mit regelmäßig mehr als 250, aber nicht mehr als 500 Beschäftigten haben drei der in § 9 dieser Verordnung genannten Maßnahmen auszuwählen sowie durchzuführen oder einzuleiten.

(3) Alle übrigen Unternehmen, die aufgrund ihrer Beschäftigtenzahl (mehr als 20 Beschäftigte, ohne Auszubildende) die Anwendungsschwelle des § 8 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen erreichen, haben zwei der in § 9 dieser Verordnung genannten Maßnahmen auszuwählen sowie durchzuführen oder einzuleiten.

(4) Die für die Staffelung der Maßnahmen nach Unternehmensgröße maßgebende Anzahl an Beschäftigten ist nach dem Arbeitnehmerbegriff des § 5 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist, zu bestimmen. Zur Festlegung der Unternehmensgröße ist die Definition der Betriebsstätte nach § 12 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Juli 2016 (BGBl. I S. 1824) geändert worden ist, zugrunde zu legen.

§ 11
Verpflichtungserklärung im Rahmen der Frauenförderung und Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

(1) Die Bieter sind verpflichtet, in einer Verpflichtungserklärung entsprechend § 8 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen zu erklären, welche und wie viele Maßnahmen sie aus dem Maßnahmenkatalog nach § 9 dieser Verordnung für den Fall der Beauftragung während der Durchführung des öffentlichen Auftrages durchführen oder einleiten werden. Hierzu wird die Mustererklärung (Anlage 2) zu dieser Verordnung zur Verfügung gestellt. Werden in dem Vergabeverfahren elektronische Mittel verwandt, sind die Vorgaben des § 9 Absatz 4 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen zu beachten.

(2) Sofern ein Bieter durch Zuschlag bereits zur Durchführung oder Einleitung von Maßnahmen der Frauenförderung oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gemäß § 9 verpflichtet wurde, kann er sich hierauf zwölf Monate lang nach dem Tag des Zuschlags berufen. Die Maßnahmen der Frauenförderung oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach § 9, zu deren Durchführung oder Einleitung sich das Unternehmen verpflichtet hat, müssen ordnungsgemäß umgesetzt worden sein. Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers hat der Bieter die Durchführung oder Einleitung der umgesetzten Maßnahmen zu belegen.

§ 12
Dokumentation im Rahmen der Frauenförderung und Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

(1) Die durchgeführten beziehungsweise eingeleiteten Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind zum Zwecke der Überprüfbarkeit vom Auftragnehmer zu dokumentieren.

(2) Diese Dokumentation muss mindestens enthalten:

1. die Bezeichnung der ausgewählten Maßnahmen,

2. Angaben zu Art und Umfang der geplanten Einleitung und Durchführung der jeweiligen Maßnahmen,

3. Angabe des Zeitpunktes der Einleitung sowie der Dauer der Durchführung der jeweiligen Maßnahmen und

4. Angaben zu den Auswirkungen und der Nachhaltigkeit der Wirkung der Maß-nahmen, insbesondere

a) zur Anzahl der von der jeweiligen Maßnahme betroffenen Beschäftigten in Relation zur Gesamtanzahl der im Unternehmen Beschäftigten und

b) ob die Maßnahme über die Dauer der Durchführung des öffentlichen Auftrags im Betrieb weiter angeboten beziehungsweise fortgeführt wird.

(3) Die Dokumentation der Maßnahmen im Sinne des § 8 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen ist mindestens ein Jahr aufzubewahren und im Unternehmen zu veröffentlichen. Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers ist diese in einem weiteren Vergabeverfahren vorzulegen.

§ 13
Weitere vertragliche Verpflichtung im Rahmen der Frauenförderung und Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Aufträge, die bezüglich Beschäftigtenzahl und Auftragswert dem § 8 Absatz 1 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen unterfallen, sind nur unter der weiteren Vertragsbedingung zu vergeben, dass der Auftragnehmer auf Verlangen der Vergabestelle, die Einhaltung der übernommenen vertraglichen Verpflichtung in geeigneter Form nachzuweisen und hierzu Informationen vorzulegen und Auskunft zu geben hat.

§ 14
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 1. April 2017 in Kraft.

(2) Diese Verordnung tritt im zehnten Jahr nach Inkrafttreten mit Ablauf des Monats außer Kraft, der kalendermäßig dem Monat, in dem es in Kraft getreten ist, vorangeht. Diese Verordnung gilt für alle Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Sinne des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen, die nach Inkrafttreten begonnen werden.

Düsseldorf, den 21. Februar 2017

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Die Ministerpräsidentin

Hannelore  K r a f t

Die Ministerin
für Schule und Weiterbildung

Sylvia  L ö h r m a n n

Der Finanzminister

Dr. Norbert  W a l t e r-B o r j a n s

Der Minister
für Wirtschaft, Energie, Industrie,
Mittelstand und Handwerk

Garrelt  D u i n

Der Justizminister

Thomas  K u t s c h a t y

Der Minister
für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz

Johannes  R e m m e l

Der Minister
für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien
und Chef der Staatskanzlei

Franz-Josef  L e r s c h-M e n s e

GV. NRW. 2017 S. 294