Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2000 Nr. 50 vom 14.11.2000 Seite 677 bis 686

Verordnung zum Erwerb der Zusatzqualifikation „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“
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zugehörige Anlagen :
Anlage2
Anlage3
 

Verordnung zum Erwerb der Zusatzqualifikation „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“

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Verordnung
zum Erwerb der Zusatzqualifikation
„Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“

Vom 29. September 2000

Aufgrund des § 22 des Gesetzes über die Ausbildung für Lehrämter an öffentlichen Schulen (Lehrerausbildungsgesetz - LABG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. September 1998 (GV. NRW. S. 564), geändert durch Gesetz vom 15. Juni 1999 (GV. NRW. S. 385), wird im Einvernehmen mit dem Innenministerium und dem Finanzministerium verordnet:

§ 1

(1) Wer die Erste Staatsprüfung zu einem schulstufen- oder schulformbezogenen Lehramt abgelegt hat, kann durch zusätzliche Studienleistungen und eine Prüfung die Zusatzqualifikation „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“ erwerben.

(2) Die Prüfung zum Erwerb der Zusatzqualifikation dient dem Nachweis, dass die Bewerberin oder der Bewerber die Kenntnisse und die Fähigkeiten besitzt, die erforderlich sind, um Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Muttersprache in Deutsch als Zweitsprache und im Sinne Interkultureller Pädagogik zu unterrichten. Dies erfordert insbesondere:

- die Fähigkeit, die sprachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Muttersprache auf dem Hintergrund ihrer spezifischen sprachlichen Sozialisation zu verstehen und angemessene Fördermaßnahmen durchzuführen;

- die Fähigkeit, durch andere Kulturen geprägtes Verhalten zu verstehen und in mehrsprachigen und multikulturellen Lerngruppen gemeinsames Lernen zu fördern;

- die Fähigkeit, aufgrund der Kenntnis von Ursachen und Folgen von Migration die Lebenslage von Kindern nicht deutscher Muttersprache zu verstehen;

- die Fähigkeit, die personale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Nationalitäten im Spannungsfeld von kulturellem Widerspruch und Integration zu verstehen und zu fördern.

§ 2

Innerhalb des durch die Prüfungsordnung vorgegebenen Rahmens sind die Hochschulen frei und aufgefordert, bei der Ausgestaltung des Zusatzstudiengangs „Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik“ standortspezifische Schwerpunkte und Profile zu bilden.

§ 3

(1) Zur Vorbereitung auf die Prüfung ist ein Studium im Umfang von etwa 40 Semesterwochenstunden in einem entsprechenden Studiengang an einer Universität gemäß § 1 Abs. 2 Hochschulgesetz (HG) erforderlich.

(2) Die Vorbereitung auf die Prüfung soll sich auf die nachfolgend genannten Bereiche und auf die ihnen zugeordneten Teilgebiete erstrecken:

Bereich

Teilgebiet

A Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit

1 Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit in Schule, Familie und Gesellschaft

2 Didaktik des Deutschen als Zweitsprache in mehrsprachigen und multikulturell zusammengesetzten Lerngruppen unter besonderer Berücksichtigung der Fach- und Berufssprachen

3 Deutsch und Sprachen/Literaturen der Migrantinnen und Migranten im Vergleich

4 Die deutsche Sprache und ihre Varietäten:
Formen - Strukturen - Funktionen

B Interkulturelle Pädagogik

1 Erziehung und Sozialisation in interkultureller Perspektive: institutionelle Bedingungen, pädagogische Konzepte

2 Erziehung und Unterricht in mehrsprachigen und multikulturell zusammengesetzten Lerngruppen; Konzepte gruppenspezifischer und individueller Förderung

3 Interkulturelle Didaktik: Fachspezifische und fächerübergreifende Konzepte

C Migration und gesellschaftliche Partizipation

1 Soziale, wirtschaftliche, kulturelle, rechtliche und politische Folgen von Migration

2 Theorie und Geschichte von Migration, Nation und Rassismus

3 Analyse der Lebenslage von Migrantinnen und Migranten; Fragen der Partizipation und der lebensweltlichen Ausdifferenzierung

D Sprachen der Migrantinnen und Migranten

Erwerb grundlegender Fertigkeiten und Kenntnisse in einer oder zwei Sprachen der Migrantinnen und Migranten, verbunden mit der Reflexion des eigenen Spracherwerbs, der Anwendung der Kenntnisse auf Lehr- und Lernprozesse und dem Transfer kontrastiv linguistischer Erkenntnisse auf andere Sprachen. Das Studium in einer oder zwei Sprachen richtet sich nach dem Angebot der jeweiligen Hochschule.

Der Leistungsnachweis für den Bereich D wird studienbegleitend zum Abschluss eines mindestens acht Semesterwochenstunden umfassenden Sprachstudiums durch eine zweistündige Klausur und eine mündliche Prüfung von mindestens 15 Minuten Dauer erworben.

(3) Der Studienumfang je Bereich beträgt in der Regel sechs bis acht Semesterwochenstunden. Weitere acht Semesterwochenstunden sind als Wahlpflichtveranstaltungen zur Vertiefung eines Bereichs zu studieren.

(4) Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung sind:

- je ein Leistungsnachweis oder qualifizierter Studiennachweis aus den Bereichen A, B, C und D;

- der Nachweis der Teilnahme in mindestens je zwei Teilgebieten aus den Bereichen A, B und C.

(5) Mindestens ein Leistungsnachweis oder ein Teilnahmenachweis aus den Bereichen A, B und C soll in einer Veranstaltung mit Praxiskontakt zur Schule erworben werden.

§ 4

Studien zur Vorbereitung auf die Prüfung werden in Studiengängen gemäß § 88 Abs. 1 HG oder durch Einrichtungen der Lehrerfortbildung durchgeführt. Bereits erbrachte gleichwertige Studienleistungen können angerechnet werden.

§ 5

Die Prüfung zum Erwerb der Zusatzqualifikation wird vor dem für den Studienort zuständigen Staatlichen Prüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen abgelegt. Im Falle der Vorbereitung durch Einrichtungen der Lehrerfortbildung bestimmt das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung das zuständige Prüfungsamt.

§ 6

(1) Die Bewerberin oder der Bewerber richtet den Antrag auf Zulassung zur Prüfung an das zuständige Staatliche Prüfungsamt.

(2) Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:

1. beglaubigte Kopie des Zeugnisses über die Erste Staatsprüfung für ein Lehramt;

2. Nachweis der ordnungsgemäßen Vorbereitung auf die Prüfung gemäß § 3.

(3) Bei Wahl des Prüfungsverfahrens gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe a hat die Bewerberin oder der Bewerber im Antrag anzugeben:

1. vier Teilgebiete, aus denen die Themen für die Arbeit unter Aufsicht und für die mündliche Prüfung entnommen werden;

2. welches Mitglied des Prüfungsamtes sie oder er als Themensteller für die Arbeit unter Aufsicht vorschlägt;

3. welches andere Mitglied des Prüfungsamtes sie oder er für die mündliche Prüfung vorschlägt.

(4) Die für die Prüfung anzugebenden vier Teilgebiete sind den Bereichen A, B und C zu entnehmen.

(5) Bei Wahl des Prüfungsverfahrens gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe b hat die Bewerberin oder der Bewerber je ein Mitglied des Prüfungsamtes für den Bereich A und B oder C vorzuschlagen.

§ 7

(1) Für die Prüfung kann zwischen zwei Prüfungsverfahren gewählt werden:

a) eine vierstündige schriftliche Arbeit unter Aufsicht und eine mündliche Prüfung von 40 Minuten Dauer oder

b) eine Fachdiskussion von einer Stunde Dauer zu einem projektbezogenen Thema.

(2) Für die Fachdiskussion nach Absatz 1 Buchstabe b gelten folgende Regeln:

1. Der Prüfling erhält eine praxisbezogene Aufgabenstellung, für deren Ausführung er maximal 14 Tage Zeit hat.

2. Der Prüfling präsentiert sein Projekt in einem 10- bis 15-minütigen Vortrag.

3. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses diskutieren mit dem Prüfling das Projekt.

4. Die Bewertung des vorbereiteten Projekts einschließlich des Vortrags sowie der in der Diskussion dokumentierten Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgt durch den Prüfungsausschuss mit einfacher Mehrheit.

(3) Die Prüfung für die angestrebte Zusatzqualifikation soll jeweils auf das erworbene Lehramt bezogen werden.

§ 8

(1) Die für die Durchführung der Prüfung geltenden Bestimmungen der Lehramtsprüfungsordnung (LPO) finden entsprechend Anwendung.

(2) Die Prüfung gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe a ist bestanden, wenn beide Prüfungsleistungen mit mindestens „ausreichend“ bewertet worden sind. Aus den gleich zu gewichtenden Einzelbewertungen wird eine Gesamtnote unter Berücksichtigung einer Dezimalstelle errechnet. Es wird auf- oder abgerundet.

(3) Die Prüfung gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe b ist bestanden, wenn die Projektbearbeitung und die Fachdiskussion mit mindestens „ausreichend“ bewertet worden ist.

§ 9

Über die bestandene Prüfung stellt das Prüfungsamt ein Zeugnis nach dem Muster der Anlage 1 aus. Über eine nicht bestandene Prüfung wird eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 2 ausgestellt.

§ 10

(1) Auf die Prüfung werden auf Antrag der Bewerberin oder des Bewerbers gleichwertige Prüfungsleistungen aus einer bestandenen Prüfung im Sinne von § 92 Abs. 1 HG oder einer Promotion angerechnet, sofern die Bewerberin oder der Bewerber die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 erfüllt und die Studien- und Prüfungsleistungen den Anforderungen des § 3 Abs. 2 bis 4 und des § 7 Abs. 1 entsprechen.

(2) Eine Prüfung gemäß § 92 Abs. 1 HG oder eine Promotion, die in Studium und Prüfung alle für die Prüfung erforderlichen Teile umfasst, kann als Prüfung anerkannt werden, sofern die Bewerberin oder der Bewerber die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 erfüllt.

(3) Die Entscheidung zu Absatz 1 und 2 trifft das Staatliche Prüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen der Hochschule, an der die Prüfung abgelegt wurde; es stellt eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 3 aus.

§ 11

(1) Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

(2) Die Verordnung über die Prüfung zum Erwerb der Zusatzqualifikation „Interkulturelle Pädagogik“ vom 29. Oktober 1991 (GV. NRW. S. 440) tritt am gleichen Tage außer Kraft. Studierende, die sich vor dem Inkrafttreten der neuen Rechtsverordnung in einem entsprechenden Studiengang an einer Universität befinden, legen die Prüfung nach der alten Rechtsverordnung ab.

Düsseldorf, den 29. September 2000

Die Ministerin
für Schule, Wissenschaft und Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen

Gabriele  B e h l e r

GV. NRW. 2000 S. 678