Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2003 Nr. 1 vom 15.1.2003 Seite 1 bis 12

Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen im Land Nordrhein-Westfalen (Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen - TariftG NRW)
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Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen im Land Nordrhein-Westfalen (Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen - TariftG NRW)

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Gesetz
zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen
im Land Nordrhein-Westfalen
(Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen - TariftG NRW)

Vom 17. Dezember 2002

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Gesetz
zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen
im Land Nordrhein-Westfalen
(Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen - TariftG NRW)

§ 1
Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für

1. das Land Nordrhein-Westfalen,

2. Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige der Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen unterstehende juristische Personen des öffentlichen Rechts und

3. Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, deren Anteile sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in der Hand des Landes Nordrhein-Westfalen oder juristischer Personen nach Nummer 2 befinden, soweit sie öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nummer 2 bis 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind,

soweit sie in Nordrhein-Westfalen

1. öffentliche Bauaufträge nach § 99 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vergeben oder

2. die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen, auf Dritte übertragen

und für die dadurch betroffenen Unternehmen.

(2) Dieses Gesetz gilt für Aufträge ab einem geschätzten Auftragswert von 10.000 Euro. Für die Schätzung gilt § 3 Vergabeverordnung in der Fassung vom 9. Januar 2001 (BGBl. I S. 110), geändert durch Gesetz vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876).

§ 2
Tariftreuepflicht

(1) Öffentliche Bauaufträge nach § 1 Abs. 1 2. Halbsatz Nr. 1 dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich schriftlich verpflichten, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Ausführung der Leistung mindestens nach dem am Ort der Leistungsausführung einschlägigen Lohn- und Gehaltstarif zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen sowie die tarifliche Arbeitszeit anzuwenden. Leistungen dürfen nur dann an Nachunternehmer weitergegeben werden, wenn sich diese ebenfalls gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber schriftlich verpflichten, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens nach dem am Ort der Leistungsausführung einschlägigen Lohn- und Gehaltstarif zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen sowie die tarifliche Arbeitszeit anzuwenden. Gleiches gilt für die Übertragung von Verkehrsleistungen nach § 1 Abs. 1 2. Halbsatz Nr. 2.

(2) Sind am Ort der Leistungsausführung mehrere Tarifverträge für dieselbe Leistung einschlägig, bestimmt der öffentliche Auftraggeber den anzuwendenden Tarifvertrag oder die anzuwendenden Tarifverträge unter Abwägung aller Umstände in Ausübung seines Ermessens. Bei der Abwägung sind maßgeblich solche Tarifverträge zu berücksichtigen, die mindestens 25% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfassen.

§ 3
Auswahl der Nachunternehmen

(1) Die Unternehmen haben ihre Nachunternehmen sorgfältig auszuwählen. Dies schließt die Pflicht ein, die Angebote der Nachunternehmen daraufhin zu überprüfen, ob sie auf der Basis der durch dieses Gesetz geforderten Lohn- und Gehaltstarife kalkuliert sein können.

(2) Die Bieter sind verpflichtet, bereits zum Zeitpunkt der Angebotsvorlage anzugeben, welche Teile des Auftrages an Nachunternehmen weiter vergeben werden sollen.

§ 4
Angabe der Tarife

(1) Der öffentliche Auftraggeber benennt die jeweils anzuwendenden Lohn- und Gehaltstarife in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen.

(2) Die für Arbeit zuständige oberste Landesbehörde teilt dem öffentlichen Auftraggeber die jeweils einschlägigen Lohn- und Gehaltstarife auf schriftliche oder elektronische Anfrage mit.

§ 5
Wertung unangemessen niedriger Angebote

Wenn bei Angeboten über 50.000 Euro ein Angebot, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, um mindestens 10 von Hundert vom nächst höheren Angebot abweicht, so hat die Vergabestelle die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung sind die Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. Kommen die Bieter dieser Verpflichtung nicht nach, so kann die Vergabestelle sie vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen.

§ 6
Nachweise und Kontrollen

Unternehmen und Nachunternehmen sind verpflichtet, dem öffentlichen Auftraggeber sowie dem jeweiligen Auftraggeber auf Verlangen nachzuweisen, dass sie die Tariftreuepflicht einhalten. Sie sind verpflichtet, dem öffentlichen Auftraggeber zu diesem Zweck Einsicht in Lohn- und Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen zu gewähren, aus denen Umfang, Art, Dauer und tatsächliche Entlohnung von Beschäftigungsverhältnissen hervorgehen oder abgeleitet werden können. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, Grundstücke und Geschäftsräume der Unternehmen und Nachunternehmen während der Geschäftszeit sowie den Ort der Leistungsausführung zu betreten.

§ 7
Sanktionen

(1) Zur Sicherung der Einhaltung der Verpflichtungen nach §§ 2 und 6 sind die Unternehmen und Nachunternehmen zu verpflichten, für jeden schuldhaften Verstoß eine Vertragsstrafe von 1 Prozent des jeweiligen Auftragwertes zu zahlen. Die Höhe der Vertragsstrafe darf bei mehreren Verstößen insgesamt nicht mehr als 10 Prozent des jeweiligen Auftragwertes betragen. Das jeweilige Unternehmen ist zur Zahlung der Vertragsstrafe auch für den Fall zu verpflichten, dass sein Nachunternehmen gegen die Tariftreuepflicht verstößt, wenn das Unternehmen dessen Verstoß kannte oder kennen musste.

(2) Der öffentliche Auftraggeber vereinbart mit dem Auftragnehmer, dass die mindestens grob fahrlässige und erhebliche Nichterfüllung der Verpflichtungen nach §§ 2,3 oder 6 durch den Auftragnehmer den öffentlichen Auftraggeber zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt.

(3) Verstößt ein Unternehmen mindestens grob fahrlässig und erheblich gegen die Verpflichtungen nach §§ 2 oder 6, so kann der öffentliche Auftraggeber das betreffende Unternehmen für die Dauer von bis zu drei Jahren von der öffentlichen Auftragsvergabe ausschließen. Dies gilt auch für Nachunternehmen.

§ 8
Übergangsregelung

Bis zum 28. Februar 2003 begonnene Vergabeverfahren werden nach dem Recht, das zum Zeitpunkt des Beginns des Verfahrens galt, beendet.

§ 9
In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am 1. März 2003 in Kraft und tritt am 29. Februar 2008 außer Kraft.

Düsseldorf, den 17. Dezember 2002

Die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident

Peer  S t e i n b r ü c k

(L. S.)

Der Innenminister
zugleich für den Finanzminister

Dr. Fritz  B e h r e n s

Der Minister
für Wirtschaft und Arbeit

Harald  S c h a r t a u

Der Minister
für Städtebau und Wohnen,
Kultur und Sport

Dr. Michael  V e s p e r

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