Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.)
Ausgabe 2005 Nr. 43 vom 16.12.2005 Seite 923 bis 934

Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit
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Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit

301

Verordnung
über die Tilgung uneinbringlicher
Geldstrafen durch freie Arbeit

Vom 23. November 2005

Auf Grund des Artikels 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1838), in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Artikel 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 8. Mai 1984 (GV. NRW. S. 301), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Oktober 2005 (GV. NRW. S. 835), wird verordnet:

§ 1
Allgemeines

(1) Die Strafvollstreckungsbehörde kann den verurteilten Personen auf Antrag gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen.

(2) Freie Arbeit im Sinne dieser Verordnung ist gemeinnützige, unentgeltliche Tätigkeit. Geringfügige finanzielle Zuwendungen an die Verurteilten zum Ausgleich von Auslagen im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung berühren die Unentgeltlichkeit nicht.

(3) Ein Arbeitsverhältnis wird durch die Leistung der freien Arbeit nicht begründet.

§ 2
Antragsverfahren

 (1) Ist eine Geldstrafe uneinbringlich, so weist die Strafvollstreckungsbehörde die Verurteilte oder den Verurteilten in der Regel zugleich mit der Mitteilung über die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe darauf hin, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist einen Antrag nach § 1 Abs. 1 stellen können. Sie gibt ihnen Gelegenheit, eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 sowie eine geeignete Beschäftigungsstelle vorzuschlagen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Verurteilten sich nicht auf freiem Fuß befinden oder unbekannten Aufenthalts sind.

(2) Die Strafvollstreckungsbehörde soll den Verurteilten bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses behilflich sein. Sie stimmt mit der Beschäftigungsstelle die näheren Umstände der zu leistenden Tätigkeit ab.

§ 3
Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde

(1) Gestattet die Strafvollstreckungsbehörde die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit, so bestimmt sie zugleich die Beschäftigungsstelle, den Inhalt der Tätigkeit, die voraussichtliche Arbeitszeit und den Anrechnungsmaßstab (§ 7 Abs. 1).

(2) Die Strafvollstreckungsbehörde lehnt den Antrag ab, wenn

a) Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Verurteilten freie Arbeit nicht leisten wollen oder dazu in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein werden,

b) Beschäftigungsverhältnisse in angemessener Zeit nicht zustande kommen oder

c) die von den Verurteilten vorgeschlagenen Beschäftigungsstellen ungeeignet sind und andere Beschäftigungsverhältnisse nicht vermittelt werden können.

§ 4
Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

Ersatzfreiheitsstrafen werden nicht vollstreckt, solange den Verurteilten die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit gestattet ist oder über den Antrag der Verurteilten nicht entschieden ist, es sei denn, dass der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

§ 5
Weisungen

Die Verurteilten haben den Weisungen der Strafvollstreckungsbehörde und hinsichtlich der ihnen obliegenden Pflichten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses den Anordnungen des Beschäftigungsgebers nachzukommen.

§ 6
Widerruf, Beendigung

(1) Die Strafvollstreckungsbehörde kann die Gestattung nach Anhörung der Verurteilten widerrufen, wenn sie

a) ohne genügende Entschuldigung nicht zur Arbeit erscheinen oder die Arbeit abbrechen,

b) trotz Abmahnung des Beschäftigungsgebers mit ihrer Arbeitsleistung hinter den Anforderungen zurückbleiben, die billigerweise an sie gestellt werden können,

c) gröblich oder beharrlich gegen ihnen erteilte Weisungen oder Anordnungen verstoßen oder

d) durch sonstiges schuldhaftes Verhalten eine Weiterbeschäftigung für den Beschäftigungsgeber unzumutbar machen.

(2) Die Gestattung endet, wenn die Verurteilten bei dem bisherigen Beschäftigungsgeber nicht mehr weiter tätig sein können und ein neues Beschäftigungsverhältnis in angemessener Zeit nicht zustande gekommen ist. Die Strafvollstreckungsbehörde teilt den Verurteilten den Wegfall der Gestattung mit.

§ 7
Tilgung der Geldstrafe

(1) Zur Tilgung eines Tagessatzes der Geldstrafe sind sechs Stunden freie Arbeit zu leisten. In Ausnahmefällen kann die Vollstreckungsbehörde den Anrechnungsmaßstab insbesondere mit Rücksicht auf Inhalt und Umstände der Tätigkeit oder auf die persönlichen Verhältnisse der Verurteilten bis auf drei Stunden herabsetzen.

(2) Bleiben die Verurteilten der Arbeit fern, wird die versäumte Arbeitszeit auch dann nicht auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet, wenn das Fernbleiben entschuldigt ist.

(3) Haben die Verurteilten die erforderliche Stundenzahl freier Arbeit geleistet, ist die Geldstrafe getilgt. Die Strafvollstreckungsbehörde teilt den Verurteilten schriftlich mit, dass die Zahlung der Geldstrafe erledigt ist.

(4) Verurteilte können jederzeit noch nicht getilgte Geldstrafen zahlen.

§ 8
Beteiligung von Kräften der Sozialarbeit

Die Strafvollstreckungsbehörde soll sich insbesondere bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses der Unterstützung der Gerichtshilfe oder, sofern für die verurteilte Person eine Kraft der Bewährungshilfe bestellt ist, dieser Kraft bedienen.

§ 9
In-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit vom 6. Juli 1984 (GV. NRW. S. 469), geändert durch Artikel 132 des Zweiten Befristungsgesetzes vom 5. April 2005 (GV. NRW. S. 274), außer Kraft.

Diese Verordnung tritt am 31. Dezember 2010 außer Kraft.

Die Justizministerin
des Landes Nordrhein-Westfalen

Roswitha  M ü l l e r-P i e p e n k ö t t e r

GV. NRW. 2005 S. 925