Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2004 Nr. 7 vom 17.2.2004 Seite 167 bis 186
Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V - 5 - 8827.5 - (V Nr. 1/04) - v. 15.1.2004
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Messung,
Beurteilung und Verminderung von
Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen
RdErl. d.
Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- V - 5 - 8827.5 - (V Nr. 1/04) -
v. 15.1.2004
1
Anwendungsbereich
Freizeitanlagen
sind Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nrn. 1 oder 3 BImSchG, die dazu
bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden.
Grundstücke gehören zu den Freizeitanlagen, wenn sie nicht nur gelegentlich zur
Freizeitgestaltung bereitgestellt werden. Dies können auch Grundstücke sein,
die sonst z.B. als Sportanlagen, der Sportausübung oder dem Flugbetrieb oder
dem Straßenverkehr dienen.
Zu den Freizeitanlagen gehören insbesondere:
- Grundstücke,
auf denen in Zelten oder im Freien Volksfeste, Musikdarbietungen, Zirkusveranstaltungen, regelmäßige Feuerwerke o.ä.
stattfinden,
- Freilichtbühnen,
- Autokinos,
- Freizeitparks,
- Vergnügungsparks,
- Abenteuer-Spielplätze (Robinson-Spielplätze, Aktiv-Spielplätze),
- Badeplätze außerhalb von Schwimmbadanlagen (z.B. Liegewiesen an natürlichen
Badegewässern),
- Erlebnisbäder, die zur Sportausübung (zum Schwimmen bzw. Schwimmenlernen)
wegen der Größe und Tiefe ihrer Badebecken weder geeignet noch bestimmt sind,
- Anlagen für Modellfahrzeuge und - flugzeuge,
Wasserflächen für Schiffsmodelle,
- Sommerrodelbahnen,
- Hundedressurplätze.
Dieser
Erlass ist nicht zur Beurteilung von
Geräuschbelastungen von Sportanlagen, die der
Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) unterliegen oder einer
Genehmigung nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bedürfen, und Gaststätten anzuwenden.
Zur Beurteilung der Lärmwirkungen von Freiluftgaststätten kann die TA Lärm vom
26. August 1998 als Erkenntnisquelle herangezogen werden. Bei der Beurteilung
von Freiluftgaststätten ist jedoch zu berücksichtigen, dass derartige
Gaststätten i.d.R. nicht ganzjährig betrieben werden können, für ihren Betrieb
ein besonderes soziales Bedürfnis bestehen kann und dass die von ihnen
ausgehenden Geräusche besondere Charakteristika aufweisen. Sollten die
Regelungen der TA Lärm im Einzelfall nicht angemessen sein, kann auch auf
einzelne Regelungen dieses Erlasses zurückgegriffen werden. Es sind bei der
Frage der Beurteilung der Lärmwirkungen von Freiluftgaststätten die
spezifischen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Er gilt auch nicht für Kinderspielplätze, die die
Wohnnutzung in dem betroffenen Gebiet ergänzen; die mit ihrer Nutzung
unvermeidbar verbundenen Geräusche sind sozialadäquat und müssen deshalb von
den Nachbarn hingenommen werden.
Die
Benutzung von Lautsprechern und Musikinstrumenten auf öffentlichen
Verkehrsflächen sowie auf solchen Anlagen, Verkehrsräumen und Verkehrsmitteln,
die der allgemeinen Benutzung dienen (z.B. bei Rockmusikkonzerten im Freien,
Platzkonzerten oder Musikdarbietungen in innerstädtischen Fußgängerzonen),
fallen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Schutz vor Luftverunreinigungen,
Geräuschen und ähnlichen Umwelteinwirkungen des Landes NRW - Landes-Immissionsschutzgesetz
(LImschG) vom 18.3.1975.
Nach
§ 10 des LImschG (Benutzung von Tongeräten) dürfen u.a. Musikinstrumente und
Lautsprecher nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte
Personen nicht erheblich belästigt werden. Auf öffentlichen Verkehrsflächen ist
der Gebrauch derartiger Geräte verboten, wenn andere hierdurch belästigt werden
können. Von diesem Verbot kann das örtliche Ordnungsamt jedoch bei einem
öffentlichen oder überwiegend privatem Interesse Ausnahmen - ggf. mit
entsprechenden Auflagen zum Schutz der Bewohner - zulassen. Bei der
Ausnahmeerteilung sind die öffentlichen Interessen und die privaten Interessen
(Ruhebedürfnis der betroffenen Personen) gegeneinander abzuwägen. Zur Klärung
der Frage, ob Geräusche als erhebliche Belästigungen anzusehen sind, ist dieser
Erlass heranzuziehen; er regelt jedoch nicht, wann Ausnahmen vom Verbot der
Benutzung von Lautsprechern und Musikinstrumenten erteilt werden können.
Bei
Musikveranstaltungen, die abends nach 22.00 Uhr fortgesetzt werden, ist § 9 des
LImschG (Schutz der Nachtruhe) ebenfalls zu beachten. Auch von den
Anforderungen des § 9 können jedoch generelle oder einzelfallbezogene Ausnahmen
unter Abwägung der verschiedenen Interessen zugelassen werden.
Durch
menschliches Verhalten hervorgerufene, dem Anlagenbetrieb nicht zurechenbare
Geräuschereignisse (Freizeitbetätigungen im Wohnbereich und in der freien
Natur, z.B. Partys, Musikspielen) sind nicht nach diesem Erlass, sondern nach
dem LImschG und den verhaltensbezogenen Lärmbekämpfungsvorschriften der
Gemeinden zu beurteilen. Außerdem ist § 117 OWiG zu beachten; danach handelt
ordnungswidrig, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder
nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm verursacht, der geeignet ist, die
Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die
Gesundheit eines anderen zu schädigen.
2
Immissionsschutzrechtliche Grundsätze
Für
Freizeitanlagen (nicht genehmigungsbedürftige Anlagen) gilt die allgemeine
Grundpflicht aus § 22 Abs. 1 BImSchG; danach sind schädliche Umwelteinwirkungen
zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich
ist; unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu
beschränken. Die Beachtung dieser Pflicht kann in Baugenehmigungsverfahren und
durch Anordnungen nach § 24 BImSchG durchgesetzt werden.
Schädliche
Umwelteinwirkungen liegen dann vor, wenn die Nachbarschaft oder die
Allgemeinheit erheblich belästigt werden. Die Erheblichkeit einer
Lärmbelästigung hängt nicht nur von der Lautstärke der Geräusche ab, sondern
auch wesentlich von der Nutzung des Gebietes, auf das sie einwirken, von der
Art der Geräusche und der Geräuschquellen sowie dem Zeitpunkt (Tageszeit) oder
der Zeitdauer der Einwirkungen. Auch die Einstellung der Betroffenen zu der
Geräuschquelle kann für den Grad der Belästigung von Bedeutung sein. Bei der
Beurteilung ist nicht auf eine mehr oder weniger empfindliche individuelle
Person, sondern auf die Einstellung eines verständigen, durchschnittlich
empfindlichen Mitbürgers abzustellen.
Soweit
die Einhaltung der Grundpflicht nach § 22 Abs. 1 BImSchG nicht durch
Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung sichergestellt ist, kann sie durch
Anordnungen nach § 24 BImSchG durchgesetzt werden. Als Gegenstand von
Anordnungen kommen technische Schutzmaßnahmen (vgl. Nr. 4) sowie zeitliche Beschränkungen des Betriebs in Betracht.
Technische Schutzmaßnahmen und zeitliche Beschränkungen können ganz oder
teilweise entbehrlich sein, wenn der Betreiber der Anlage verpflichtet ist, den
Benutzern ein geräuscharmes Verhalten vorzuschreiben, und wenn er in der Lage
ist, die Einhaltung seiner Vorschriften zu überwachen und Verstöße abzustellen.
Eine
Stilllegung von Anlagen kommt nach § 25 Abs. 1 und 2 BImSchG nur in Betracht,
wenn der Betreiber einer vollziehbaren Anordnung nach § 24 BImSchG nicht
nachkommt oder ihr Betrieb zu Gefahren für Leben, Gesundheit oder bedeutende
Sachwerte führt. Diese Voraussetzung dürfte bei Freizeitanlagen in der Regel
nicht gegeben sein.
Neben
dem Immissionsschutzrecht hat vor allem das Planungsrecht die Aufgabe,
Konflikte, die durch Emissionen von Freizeitanlagen entstehen können, zu
vermeiden. Vor einer Genehmigung von Freizeitanlagen (auch von
Nutzungserweiterungen oder -änderungen bestehender Anlagen) ist deshalb zu
prüfen, ob sie nach dem Bauplanungsrecht an einem bestimmten Standort zulässig
sind. Von der auf immissionsschutzrechtliche Bestimmungen gestützten Forderung
kostspieliger technischer Schutzmaßnahmen ist abzusehen, wenn die
Genehmigungsfähigkeit nach dem Bauplanungsrecht nicht herbeigeführt werden
kann.
3
Ermittlung des Beurteilungspegels der von Freizeitanlagen ausgehenden Geräusche
und seine immissionsschutzrechtliche Bewertung
Die
von Freizeitanlagen verursachten Geräuschimmissionen werden grundsätzlich nach
der TA Lärm vom 26.08.1998 bewertet.
Die TA Lärm ist auf Anlagen zugeschnitten, die überwiegend dem
Arbeitsleben zuzurechnen sind. Konflikte aufgrund von Geräuschen durch
Freizeitanlagen treten in der Regel dann auf, wenn ein Teil der Bevölkerung in
der Freizeit (in den Abendstunden, an Wochenenden und Sonn- und Feiertagen)
Entspannung durch Ruhe sucht, ein anderer sich dagegen durch Aktivitäten in
Freizeitanlagen erholen will. Die neuesten Erkenntnisse hinsichtlich der
akustischen Grundlagen sind in der TA Lärm festgehalten. Daher ist es
sachgerecht, die von Freizeitanlagen ausgehenden Geräuschimmissionen unter
Berücksichtigung folgender Ausnahmen, die den vorstehenden
Besonderheiten Rechnung tragen, nach der TA Lärm vom 26.8.1998 zu
messen, zu prognostizieren und im Hinblick auf das Vorliegen erheblicher
Belästigungen i.S. des BImSchG zu beurteilen:
3.1
Immissionsrichtwerte
Die
Immissionsrichtwerte betragen für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden
a)
in Industriegebieten
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten: 70 dB(A),
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen: 70
dB(A),
nachts: 70 dB(A),
b)
in Gewerbegebieten
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten: 65 dB(A),
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen: 60
dB(A),
nachts: 50 dB(A),
c)
in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten: 60 dB(A),
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen: 55
dB(A),
nachts: 45 dB(A),
d)
in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten: 55 dB(A),
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen: 50
dB(A),
nachts: 40 dB(A),
e)
in reinen Wohngebieten
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten: 50 dB(A),
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen: 45
dB(A),
nachts: 35 dB(A),
f)
in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten: 45 dB(A),
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen: 45
dB(A),
nachts: 35 dB(A).
3.2
Immissionsrichtwerte für seltene Ereignisse
Verursacht eine Anlage trotz Einhaltung des Standes der
Lärmminderungstechnik nur in seltenen Fällen oder über eine begrenzte
Zeitdauer, aber an nicht mehr als 10 Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres
und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als 2 aufeinanderfolgenden Wochenenden
einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr.
3.1 Buchstaben b bis f, soll erreicht werden, dass
a) die Geräuschimmissionen außerhalb von Gebäuden die
Immissionsrichtwerte nach Nr. 3.1 Buchstaben b bis f um nicht mehr als 10
dB(A), keinesfalls aber die folgenden Höchstwerte überschreiten:
tags außerhalb der Ruhezeiten: 70 dB(A),
tags innerhalb der Ruhezeiten: 65 dB(A),
nachts: 55 dB(A),
b) einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die nach Buchstabe a) für
seltene Ereignisse geltenden Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 20
dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten,
c) im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die die Geräuschbelastung unzumutbar
erscheinen lassen; in der Regel sind jedoch unzumutbare Geräuschbelästigungen
anzunehmen, wenn auch durch seltene Ereignisse bei anderen Anlagen
Überschreitungen der Immissionsrichtwerte nach Nr. 3.1 Buchstaben b bis f
verursacht werden können und am selben Einwirkungsort Überschreitungen an
insgesamt mehr als 14 Kalendertagen eines Jahres auftreten.
Geräuschspitzen sollen die vorgenannten Werte tagsüber um nicht
mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
3.3
Beurteilungszeiten
An Werktagen gilt für
Geräuscheinwirkungen
- tags außerhalb der Ruhezeiten (8 bis 20 Uhr) eine Beurteilungszeit von 12 Stunden,
- tags während der Ruhezeiten (6 bis 8 Uhr und 20 bis 22 Uhr) jeweils eine
Beurteilungszeit von 2 Stunden
- nachts (22 bis 6 Uhr) eine Beurteilungszeit von 1 Stunde (ungünstigste volle
Stunde).
An Sonn- und Feiertagen gilt für
Geräuscheinwirkungen
- tags von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 20 Uhr eine Beurteilungszeit von 9 Stunden,
- tags von 7 bis 9 Uhr, 13 bis 15 Uhr und 20 bis 22 Uhr jeweils eine
Beurteilungszeit von 2 Stunden,
- nachts (0 bis
7 Uhr und 22 bis 24 Uhr) eine Beurteilungszeit von 1 Stunde (ungünstigste volle
Stunde).
4
Maßnahmen
Lautsprecher u.ä. Einrichtungen können in ihrer Lautstärke begrenzt werden.
Hierzu sind geeignete Begrenzer vorzuschreiben, die die Einhaltung der entsprechenden
Immissionsrichtwerte "Außen" ermöglichen. Durch mehrere Lautsprecher
kleinerer Leistung können unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber einem
Lautsprecher großer Leistung die Immissionen vermindert werden, in dem Flächen
(z.B. Spielflächen und Zuschauerränge) gezielt beschallt werden. Zur
Gewährleistung der Einhaltung der entsprechenden Immissionsrichtwerte sollten
während der Veranstaltung Schallpegelmessungen durchgeführt werden.
Sollen
mehrere geräuschintensive Anlagen anlässlich einer Veranstaltung auf einem
Freizeitgelände (z.B. Volksfest) betrieben werden,
kann die Einhaltung der Immissionsrichtwerte auch dadurch sichergestellt
werden, dass die lauteste Anlage von der Wohnbebauung am entferntesten
aufgestellt wird. Auch die Richtwirkung von Schallquellen ist zu
berücksichtigen. Gegebenenfalls sollte ein Gutachten eines Sachverständigen
eingeholt werden.
An-
und Abfahrtswege sowie Parkplätze sind durch betriebliche und organisatorische
Maßnahmen des Betreibers so zu gestalten, dass schädliche Umwelteinwirkungen
durch Geräusche auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Dabei ist auch zu prüfen,
ob ein "Park-and-Ride-System" mit dem ÖPNV-Träger unter Benutzung
eines von der Wohnbebauung entfernt liegenden Parkplatzes die zu erwartende
Lärmbelastung vermindern kann.
Dieser
Erlass ergeht im Einvernehmen mit dem Innenministerium, dem Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport und dem
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit.
Der RdErl. v. 11.10.1997 (MBl. NRW. S. 1352, SMBl. NRW. 7129) wird
aufgehoben.
- MBl. NRW. 2004 S. 176