Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2007 Nr. 25 vom 18.9.2007 Seite 567 bis 588

Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 42 - 62.19.02 -,d. Justizministeriums - 4210 - III. 94 -, d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales - III A 4 - 0390.5.2. -, d. Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration - 313 - 6004.1.9 - u. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung - 622. 6.08.08.04 - 50724 - v. 31.8.2007 Inhaltsübersicht
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Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 42 - 62.19.02 -,d. Justizministeriums - 4210 - III. 94 -, d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales - III A 4 - 0390.5.2. -, d. Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration - 313 - 6004.1.9 - u. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung - 622. 6.08.08.04 - 50724 - v. 31.8.2007 Inhaltsübersicht

2051

Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung
der Jugendkriminalität

Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 42 - 62.19.02 -,d. Justizministeriums - 4210 - III. 94 -, d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales - III A 4 - 0390.5.2. -, d. Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration - 313 - 6004.1.9 - u. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung - 622. 6.08.08.04 - 50724 -
v. 31.8.2007

Inhaltsübersicht

1 Allgemeines

2 Zuständigkeiten und Aufgaben

2.1 Jugendämter

2.2 Schulen

2.3 Polizeibehörden

2.4 Justizbehörden

2.5 Gesundheitsbehörden

2.6 Ordnungsbehörden

3 Netzwerke der Primärprävention

4 Wesentliche Erlasse

5 Geltungsdauer

6 Aufhebung von Vorschriften

1
Allgemeines

Eine wesentliche Voraussetzung wirksamer Präventions- und Repressionskonzepte zur Reduzierung von Kinder- und Jugendkriminalität ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Verantwortungsträger. Deshalb muss das Zusammenwirken aller mit Jugendproblemen befassten Behörden sowie staatlichen und nicht staatlichen Stellen gestärkt und gefördert werden. Neben Maßnahmen der Prävention kommen aus erzieherischen Gründen einer schnellen und gründlichen Aufklärung von Straftaten sowie einer zeitnahen Reaktion auf Delinquenz  eine besondere Bedeutung zu.

Die folgenden Hinweise zur Zusammenarbeit enthalten selbst keine Rechtsgrundlagen zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten der Jugendlichen sowie ihrer Personensorgeberechtigten bzw. Eltern. Insoweit bleiben die zur Zusammenarbeit angehaltenen Stellen verpflichtet, vor einer Datenübermittlung an eine andere Stelle im Einzelfall zu prüfen, ob die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage vorhanden ist (Gesetzesvorbehalt bei Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung).

2
Zuständigkeiten und Aufgaben

2.1
Jugendämter

Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. In diesem Kontext ist es u. a. Aufgabe der Jugendämter, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu fördern, ihnen und ihren Familien Beratung und erforderliche Hilfen anzubieten und zu gewähren, Familien zu unterstützen und von den Kindern und Jugendlichen Gefährdungen abzuwenden. Hierbei wirken die Jugendämter in den Feldern des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bei der Prävention mit. Sie arbeiten zudem mit anderen Stellen, die der Erziehung, Bildung, Beratung und der Hilfe dienen, sowie der Polizei zusammen. Die Jugendgerichtshilfe ist Teil des Jugendamtes. Die Träger der freien Jugendhilfe (Wohlfahrtsverbände, Jugendeinrichtungen, Jugendorganisationen etc.) und die Kirchen nehmen bei der Präventionsarbeit und bei den Hilfen eine besondere Rolle ein. Sie sind wichtige Partner bei der Förderung junger Menschen.

Darüber hinaus haben Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenslagen einen Anspruch auf rechtzeitige und verlässliche Hilfe durch die Jugendämter. Hierzu müssen in sozial belasteten Regionen und für Familien mit besonderen Risikofaktoren niedrigschwellige Angebote bereitgestellt werden.

Zur Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen, insbesondere des Jugendschutzgesetzes, arbeiten die Jugendämter mit den örtlichen Polizei- und Ordnungsbehörden zusammen.

2.2
Schule

Erziehung und Bildung in der Schule zielen auf die Entwicklung einer selbst- und sozialverantwortlichen Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen. Dazu bedarf es der breiten und kontinuierlichen Unterstützung aller, die an der Erziehung beteiligt sind. So kann gemeinsam präventiv gearbeitet werden.

Themen der Kriminalprävention, insbesondere zur Vermeidung von Gewalt und Drogenkonsum bzw. Erläuterungen des Betäubungsmittelrechts, sollen verstärkt im Unterricht behandelt werden. Dazu können von der Polizei oder dem Jugendamt durchgeführte Multiplikatorenveranstaltungen besucht werden. Lehramtsanwärterinnen und -anwärter sollten Gelegenheit erhalten, die Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Jugendamt kennen zu lernen. Vertrauensbildend sind regelmäßige anlassunabhängige Besuche oder Sprechstunden der Polizei und des Jugendamts in den Schulen.

Zur Sicherung des Kontakts mit der Polizei und dem Jugendamt bestellt jede Schulleitung eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner. Die Ansprechpartnerinnen und -partner bewerten zusammen mit den von der Polizei und dem Jugendamt benannten Personen regelmäßig, mindestens einmal im Schulhalbjahr, ihre Zusammenarbeit.

Besteht gegen Schülerinnen oder Schüler der Verdacht einer strafbaren Handlung, hat die Schulleitung zu prüfen, ob pädagogische Maßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat eine Anzeige an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgen muss.

Eine Strafanzeige ist insbesondere zu erstatten, wenn der Schulleitung Tatsachen bekannt werden, die Anhaltspunkte dafür sein können, dass folgende Straftaten an der Schule oder im unmittelbaren Umfeld davon begangen wurden oder bevorstehen: Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte, Raubdelikte (wie das "Abziehen" von Sachen unter Gewaltanwendung), schwere und gefährliche Körperverletzung, besonders schwere Fälle von Bedrohung, Sachbeschädigung oder Nötigung; darüber hinaus bei politisch motivierten Straftaten, Verstößen gegen das Waffengesetz, Einbruchsdiebstählen, gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr und dem Besitz, dem Handel oder der sonstigen Weitergabe von Betäubungsmitteln. Die Lehrkräfte sind verpflichtet, die Schulleitungen zu unterrichten, wenn sie Kenntnis von solchen oder vergleichbaren Straftaten erhalten. Die Erziehungsberechtigten sind zu benachrichtigen.

Sind Schülerinnen oder Schüler an einer strafbaren Handlung beteiligt, so darf die Schule nicht Aufgaben der Strafverfolgung übernehmen. Auf die Bedeutung der Mitwirkung der Schulleitung nach Einleitung eines Jugendstrafverfahrens wird hingewiesen. Gemäß Jugendgerichtsgesetz soll die Schule bei den Ermittlungen im Rahmen des Vorverfahrens, soweit möglich, gehört werden. Strafbare Handlungen, die von Schülerinnen oder Schülern außerhalb der Schule begangen wurden, können nur dann zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach dem Schulgesetz führen, wenn ein schulischer Bezug erkennbar ist (z. B. Mitschülerinnen oder Mitschüler gefährdet sind).

Besteht hinreichender Verdacht, dass eine Schülerin oder ein Schüler vernachlässigt oder misshandelt wurde oder wird, informiert die Schulleitung das zuständige Jugendamt. Hierzu übermittelt die Schulleitung den Sachverhalt in der Regel zunächst pseudonymisiert an das Jugendamt. Dieses prüft, ob ein Einschreiten des Jugendamtes erforderlich ist. Wird dies bejaht, so fordert es die persönlichen Angaben zu den betroffenen Schülerinnen und Schülern sowie Personensorgeberechtigten bei der Schule an. In anderen Fällen unterbleibt die Weitergabe dieser Daten. Lehrkräfte, die einen derartigen Verdacht haben, informieren die Schulleitung.

2.3
Polizeibehörden

Polizeiliche Konzepte zur Reduzierung der Kinder- und Jugendkriminalität umfassen Strafverfolgung, Prävention, Opferschutz und die Vermittlung von Opferhilfe. Ziel ist es vor allem, kriminelle Karrieren frühzeitig zu erkennen und ihre Verfestigung zu verhindern. Von besonderer Bedeutung sind daher Intensivtäterprojekte und die schnelle Aufklärung von Straftaten. Hierzu arbeitet die Polizei insbesondere mit Schulen, Jugendämtern, freien Trägern der Jugendhilfe, Ordnungsbehörden und Justizbehörden eng zusammen.

Der Kontakt zu den Jugendämtern sollte besonders eng sein. Sie werden über jugendgefährdende Orte sowie über gefährdete Kinder und Jugendliche unterrichtet. Das Jugendamt ist unverzüglich zu verständigen, wenn erzieherische Maßnahmen schon während der polizeilichen Ermittlungen notwendig erscheinen. Die Bewährungshilfe sollte bereits dann informiert werden, wenn aufgrund polizeilicher Feststellungen zu befürchten ist, dass von ihr Betreute wieder in die Kriminalität abzugleiten drohen.

Die Polizei unterstützt die Ordnungs- und Jugendbehörden bei der Überwachung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes, um Gefährdungen zu verhindern, die das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen bedrohen.

Bei Gefährdungen für Kinder und Jugendliche trifft die Polizei die unaufschiebbar notwendigen Maßnahmen im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Sie wirkt auf intervenierende Maßnahmen originär zuständiger Behörden hin.

In allen Kreispolizeibehörden beobachten speziell geschulte Beamtinnen und Beamte zum Zwecke des Jugendschutzes die örtlichen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität und schlagen Verbesserungen vor. Zu diesem Zweck halten sie Verbindung zu den Dienststellen ihrer Behörde, bei denen Sachverhalte bearbeitet werden, an denen Kinder und Jugendliche als Tatverdächtige, Opfer oder Gefährdete beteiligt sind.

Gerade der erste Kontakt der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen mit den Strafverfolgungsorganen des Staates kann wesentlichen Einfluss auf ihre zukünftige Entwicklung haben. Die Bearbeitung von Jugendsachen erfolgt daher durch besonders geschulte und mit der Problematik der Jugendkriminalität vertraute Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte (Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeiter).

Die Polizei bietet allen Schulen aktive Kooperationsformen, bilateral oder im Rahmen von Ordnungspartnerschaften, zur Verbesserung des Schutzes vor allem von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern vor Straftaten an. In diesem Rahmen prüft sie regelmäßig auch ihre Beteiligung an Schulprojekten der Kriminalprävention. Die Zusammenarbeit von Polizei und Schulen bedingt eine Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Gesprächsbereitschaft. Erfordert die Sicherheitslage an einer Schule polizeiliches Einschreiten, sind auch mit der Schulleitung abgestimmte Repressionsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Anregungen der Schulleitung oder Elternvertretung sowie Strafanzeigen können Anlass für eine Prüfung der erforderlichen Maßnahmen sein.

Die Strafverfolgungspflicht der Polizei bleibt unberührt.

Für die Zusammenarbeit mit den Schulen benennen die Kreispolizeibehörden feste Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner. Für diese Aufgabe kommen insbesondere Beamtinnen und Beamte des Bezirksdienstes in Betracht. Sie bewerten zusammen mit den von der Schule und dem Jugendamt benannten Personen regelmäßig, mindestens einmal im Schulhalbjahr, ihre Zusammenarbeit.

Die Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeiter der Polizei übermitteln der betreffenden Schulleitung den Sachverhalt bei Tatverdacht gegen einen Schüler oder eine Schülerin, wenn auf Grund der Art der Straftat oder sonstiger Anhaltspunkte die Gefahr besteht, dass der oder die Tatverdächtige in der Schule oder außerhalb der Schule zum Nachteil von Mitschülerinnen oder Mitschülern, Lehrerinnen oder Lehrern, sonstigen in der Schule beschäftigten Personen oder Personen der Elternvertretung zukünftig eine Straftat begehen wird, und sofern die Kenntnis der Schulleitung zur ihr obliegenden Abwehr einer Gefahr für ein Rechtsgut oder einer Beeinträchtigung der Rechte einer Person erforderlich ist.

Spätestens bei Abschluss der polizeilichen Ermittlungen überprüft die Polizei, ob der Tatverdacht und die Gefahrenprognose fortbestehen. Änderungen sind der Schulleitung mitzuteilen.

Die Schulleitungen dürfen die übermittelten Daten ausschließlich zu Zwecken der ihr obliegenden Gefahrenabwehr verwenden. Eine Weitergabe an Personen ist nur innerhalb des Lehrerkollegiums oder an Aufsichtsstellen statthaft, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

Ermittlungsverfahren gegen jugendliche und heranwachsende Tatverdächtige, bei denen aufgrund ihrer persönlichen Entwicklung sowie der Art, Schwere und Anzahl der ihnen zur Last gelegten Taten eine umgehende strafrechtliche Reaktion geboten ist, sind vorrangig durchzuführen (Vorrangiges Jugendverfahren). Die hierzu notwendigen Verfahrensabläufe stimmen die Kreispolizeibehörden mit den zuständigen Staatsanwaltschaften ab. Ziel ist es, dass die Anklageerhebung spätestens einen Monat nach der ersten verantwortlichen Vernehmung erfolgen kann.

2.4
Justizbehörden

Die Justizbehörden – Staatsanwaltschaften, Gerichte und Vollzugsbehörden – werden Kraft ihres gesetzlichen Auftrags erst tätig, wenn eine Straftat begangen worden ist oder zumindest ein entsprechender Verdacht besteht. Ihre Maßnahmen und Reaktionen orientieren sich dabei vor allem an dem Erziehungsgedanken auf der Grundlage der besonderen Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes. Im gesamten Verfahren ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen.

In Jugendverfahren sollen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter tätig sein, die erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sind. Der Erziehungsgedanke spiegelt sich insbesondere auch in den vielfältigen abgestuften Reaktionsmöglichkeiten wider. Durch zeitnahe und erzieherische Maßnahmen, etwa die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs oder eines sozialen Trainingskurses (z. B. in Form eines Anti-Gewalt-Trainings), leisten die Justizbehörden gleichzeitig einen Beitrag zur Verhütung weiterer Straftaten.

Die Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälte halten im Ermittlungsverfahren engen Kontakt zu allen weiteren beteiligten Behörden und Personen, insbesondere zu den Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeitern der Polizei und zu den Jugendämtern.

Nach Durchführung der Ermittlungen obliegt ihnen die Entscheidung, ob ein Tatnachweis zu führen ist und ob unter den Voraussetzungen des § 45 Jugendgerichtsgesetz (JGG) von der Verfolgung abgesehen werden kann. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Anregung erzieherischer Maßnahmen gemäß § 45 Abs. 2 JGG zu richten. Vornehmlich ist die Durchführung dieser Maßnahmen im Rahmen der Projekte „Gelbe Karte“ (vormals Diversionstage) in Betracht zu ziehen. Kommt ein Absehen von der Verfolgung aus erzieherischen Gründen nicht in Betracht, wird zeitnah Anklage erhoben oder Antrag auf Entscheidung im Vereinfachten Jugendverfahren gestellt. Das Vereinfachte Jugendverfahren bietet Möglichkeiten für eine zeitnahe Reaktion und sollte daher vermehrt als Verfahrensalternative angestrebt werden.

Die Staatsanwaltschaften stimmen mit den Kreispolizeibehörden die notwendigen Verfahrensabläufe der Vorrangigen Jugendverfahren ab.

Sind in einem Ermittlungsverfahren gegen einen Jugendlichen die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gegeben, prüft die Jugendstaatsanwältin oder der Jugendstaatsanwalt regelmäßig, ob der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht oder zur Haftvermeidung vorrangig die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe angeordnet werden kann. Über die betreffenden Einrichtungen der Jugendhilfe wird die Justiz regelmäßig informiert.

Die Jugendgerichte führen die Jugendverfahren mit Blick auf den Erziehungsgedanken unter Beachtung des Beschleunigungsgebots und der besonderen Bestimmungen des JGG durch. Sie ordnen - falls eine Einstellung nach § 47 JGG nicht in Betracht kommt - Erziehungsmaßregeln und dort insbesondere Weisungen an. Wenn diese nicht ausreichen, wird die Straftat mit Zuchtmitteln (z. B. Arbeitsauflage oder Jugendarrest) oder mit Jugendstrafe geahndet. Es gilt der Grundsatz der Subsidiarität in dem gestaffelten Sanktionssystem des JGG.

Für die zeitnahe Vollstreckung der erkannten Maßnahme ist Sorge zu tragen. Bei einer Jugendstrafe mit Bewährung sieht das JGG obligatorisch die Unterstellung unter eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer vor. Dadurch ist sichergestellt, dass die Jugendrichterin oder der Jugendrichter regelmäßig über den Verlauf der Bewährungszeit unterrichtet ist und auf mögliches Fehlverhalten umgehend reagieren kann.

Der Vollzug des Jugendarrestes und der Jugendstrafe wird erzieherisch gestaltet. Der Jugendstrafvollzug geht deshalb durch differenzierte Angebote auf den individuellen Förderbedarf der Gefangenen ein. Die Förderung richtet sich in besonderem Maße auf die Bereiche schulische Bildung und berufliche Qualifizierung. Zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt wird mit den Arbeitsagenturen und sonstigen Einrichtungen eng zusammengearbeitet. Die Entlassung wird individuell vorbereitet.

Bei der Vollstreckung von Jugendstrafe an Schultagen soll die Vollstreckungsleitung regelmäßig zugleich mit der Ladung die Schulleitung davon unterrichten, wo und in welcher Zeit die Vollstreckung erfolgt. Dem Jugendlichen oder Heranwachsenden kann auch aufgegeben werden, die Ladung der Schulleitung vorzulegen und die Kenntnisnahme bescheinigen zu lassen. Entsprechendes gilt für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen gegen Heranwachsende.

Für die Staatsanwaltschaft benennt die Behördenleitung mindestens eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner für die Schulen und die Polizei.

Verantwortung für die Verhütung von Jugendkriminalität trifft im Übrigen nicht nur die Strafgerichte. Jugendkriminalität kann Ausdruck von Verwahrlosungszuständen in elterlicher Mitverantwortung sein. Gemäß § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch haben die Familiengerichte eine Gefährdung des Kindeswohls durch erforderliche Maßnahmen abzuwenden, wenn die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.

2.5
Untere Gesundheitsbehörden

Bei Verdacht einer psychischen Störung oder einer schweren Verhaltensstörung empfiehlt es sich, die speziellen Dienste - wie den jugendpsychiatrischen und/oder den jugend- und schulärztlichen Dienst - der unteren Gesundheitsbehörden einzuschalten.

Suchtgefährdete oder suchtkranke Jugendliche sollten auf Hilfemöglichkeiten der Suchtberatungsstellen hingewiesen werden. 

2.6
Ordnungsbehörden

Auf dem Gebiet der Verhütung der Jugendkriminalität werden die Ordnungsbehörden insbesondere bei der Überwachung jugendgefährdender Orte unter den Gesichtspunkten des Jugendschutzes sowie der Einhaltung gaststätten- und gewerberechtlicher Vorschriften tätig.

3
Netzwerke der Primärprävention

Anhaltende frühkindliche Verhaltensstörungen (z.B. aggressives Verhalten, soziales Rückzugsverhalten) zählen zu den Indikatoren für eine spätere Suchtentwicklung, Delinquenz und gewalttätiges Verhalten. Daher sollten Präventionsmaßnahmen früh, möglichst bereits im Vorschulalter, durchgeführt werden, um einem negativen Entwicklungsverlauf effektiv vorzubeugen.

Vor Ort arbeiten bereits eine Vielzahl von Institutionen wie Jugendhilfe, Sucht- und Drogenhilfe, Schule, Kindergärten, Polizei, Kirchen, Vereine und andere Organisationen zusammen, um Kindern und Jugendlichen in Risiko- und Gefährdungslagen geeignete Hilfen anzubieten. Es sollte angestrebt werden, dass diese Verantwortungsträger in Städten und Gemeinden kleinräumig und mit dem Ziel „mehr Sicherheit“ noch intensiver zusammen arbeiten.

Die Jugendämter sollten dabei eine koordinierende Rolle übernehmen. Sie sollen die anderen Institutionen bei der Netzwerkarbeit beraten und unterstützen sowie auf die Vereinbarung von Zielen und Leitlinien der Netzwerkpartner hinwirken. 

4
Wesentliche Erlasse 

Für die Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität bestehen über diesen Erlass hinaus zahlreiche spezifische Regelungen, darunter:

- „Polizeiliche Kriminalprävention“
(RdErl. d. Innenministeriums - 42- 62-02.01 - v. 28.9.2006)

- „Kriminalitätsvorbeugung“
(Gem. RdErl. d. Innenministeriums - 42.1 - 2750 -, d. Justizministeriums - 4201 - III A.10 -, d. Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie - 324 - 4370.8.1 -, d. Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung  - III B 4 -, d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport  - I A 3 - 4291 - u. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit  - IV 2 - 6304.4.1 -  v. 5.11.2002 - SMBl. NRW. 2051)

- „Bearbeitung von Jugendsachen“
((PDV 382) RdErl. d. Innenministeriums v. 7.12.1995 (n. v.) - IV C 2 - 1591 - SMB1. NRW. 2054)

- „Haftentscheidungshilfe im Jugendstrafverfahren“
(Gem. RdErl. d. Justizministeriums - 4210 - III A. 87 -, d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales - IV B 2 6150 - u. d. Innenministeriums - IV D 2 - 6591/2.7 - vom 3.5. 1995 - JMBl. NRW. S. 133)

- „Diversionsrichtlinien“
(Gem. RdErl. d. Justizministeriums - 4210 - III 79 - , d. Innenministeriums - 42 - 6591/2.4 -, d. Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder - 322 - 6.08.08.04 - 7863 - u. d. Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie - III - 2 -1122 - v. 13.7.2004)

- „Täter-Opfer-Ausgleich im Jugendstrafverfahren“
(Gem. RdErl. d. Justizministeriums, d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales u. d. Innenministeriums v. 14. 3. 1995 - SMB1. NRW. 451)

- „Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz (Jugendschutzzuständigkeitsverordnung – JuSchGZVO)“
vom 16. Dezember 2003 (GV. NRW. S. 820)

- „Netzwerke gegen Gewalt an Schulen und im schulischen Umfeld; Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften bei den Kreisen und kreisfreien Städten"
(Gem. RdErl. des Kultusministeriums u. d. Innenministeriums v. 16.2.1994, - Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften NRW (BASS) 12-21 Nr. 9)

5
Geltungsdauer

Dieser Erlass tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft.

6
Aufhebung von Vorschriften

Den Gem. RdErl. „Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ d. Innenministeriums - 42 - 6591 -, d. Justizministeriums - 4201 - III 94 -, d. Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie - III 3 - 0312.1 - u. d. Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder - 322 -6.08.08.04 Nr. 9914/04 - v. 2. 11. 2004 (SMBl. NRW. 2051) hebe ich auf.

- MBl. NRW. 2007 S. 582