Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2007 Nr. 27 vom 28.9.2007 Seite 615 bis 630

Neufassung der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 30. Mai 2007
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Neufassung der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 30. Mai 2007

21210

Neufassung
der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker
der Apothekerkammer Westfalen-Lippe
vom 30. Mai 2007

Die Kammerversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe hat in ihrer Sitzung am 30. Mai 2007 aufgrund des § 23 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 403), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. März 2005 (GV. NRW. S. 148), die folgende Neufassung der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 30. Mai 2007 beschlossen, die durch Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. Juli 2007 – III C2 – 0810.93 – genehmigt worden ist.

Artikel I

Die Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 6. Dezember 1995 (MBl. NRW. 1996 S. 407), zuletzt geändert am 21. Mai 1997 (MBl. NRW. S. 1015) wird wie folgt neugefasst:

Präambel

Die Apothekerin und der Apotheker haben die öffentliche Aufgabe, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Dieser Auftrag umfasst neben der Abgabe von Arzneimitteln pharmazeutische Leistungen und die Beratung der Verbraucher und anderer Beteiligter im Gesundheitswesen. Die Apothekerin und der Apotheker handeln eigenverantwortlich und fachlich unabhängig. Sie üben ihren Beruf in verschiedenen Tätigkeitsbereichen aus, insbesondere in der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, in der pharmazeutischen Industrie, in Prüfinstitutionen, in der Bundeswehr, in Behörden und Körperschaften, an der Universität und an Lehranstalten und Berufsschulen. Die Apothekerin und der Apotheker üben einen seiner Natur nach freien Beruf aus.

I.
Allgemeine Grundsätze der Berufsausübung

§ 1
Berufsausübung

(1) Die Apothekerin und der Apotheker haben ihren Beruf gewissenhaft auszuüben. Sie haben dem Vertrauen zu entsprechen, das den Angehörigen ihres Berufes entgegengebracht wird.

(2) Die Apothekerin und der Apotheker haben sich über die für ihre Berufsausübung geltenden Gesetze, Verordnungen und das Satzungsrecht der Kammer zu informieren. Sie sind verpflichtet, diese Bestimmungen zu beachten und darauf gegründete Anordnungen und Richtlinien zu befolgen.

§ 2
Kollegialität

(1) Die Apothekerin und der Apotheker sind verpflichtet, sich gegenüber den Angehörigen ihres Berufes und anderer Gesundheitsberufe kollegial zu verhalten.

(2) Die Apothekerin und der Apotheker haben das Ansehen des Berufsstandes und des Betriebes zu wahren, in dem sie tätig sind.

§ 3
Eigenverantwortlichkeit

Die Apothekerin und der Apotheker entscheiden in pharmazeutischen Fragen frei und eigenverantwortlich. Vereinbarungen, die diese Unabhängigkeit beeinträchtigen, sind unzulässig.

§ 4
Fortbildung

(1) Die Apothekerin und der Apotheker, die ihren Beruf ausüben, haben die Pflicht, die erforderlichen Fachkenntnisse durch regelmäßige Fortbildung zu erhalten und weiterzuentwickeln.

(2) Geeignete Mittel der Fortbildung sind insbesondere:

a)      Teilnahme an allgemeinen oder besonderen Fortbildungsveranstaltungen,

b)      praktische Übungen im Rahmen von Seminarveranstaltungen,

c)      Studium von Fachliteratur,

d)      Inanspruchnahme audiovisueller Lehrmittel.

(3) Die Apothekerin und der Apotheker müssen gegenüber der Apothekerkammer eine den Abs. 1 und 2 entsprechende Fortbildung in geeigneter Form nachweisen können.

§ 5
Qualitätssicherung

(1) Die Apothekerin und der Apotheker haben geeignete, nachweisbare Maßnahmen zu ergreifen, die der Sicherung der Qualität pharmazeutischer Tätigkeiten dienen.

(2) Die Apothekerin und der Apotheker, die die Ausübung pharmazeutischer Tätigkeiten durch nicht ausreichend qualifiziertes Personal anordnen oder dulden, verstoßen gegen die Berufsordnung.

§ 6
Pharmakovigilanz

Die Apothekerin und der Apotheker wirken bei der Ermittlung, Erkennung, Erfassung und Weitergabe von Arzneimittelrisiken mit. Sie haben ihre Feststellungen oder Beobachtungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker unverzüglich mitzuteilen. Die Meldepflicht gegenüber der zuständigen Behörde nach § 21 Apothekenbetriebsordnung bleibt unberührt.

II.
Apothekerliche Dienstleistungen

§ 7
Belieferung von Verschreibungen

Die Apothekerin und der Apotheker haben ärztliche, zahnärztliche und tierärztliche Verschreibungen in einer den Verschreibungen angemessenen Zeit zu beliefern. Für die zeitnahe Anfertigung von Rezepturen, die mit von der Apothekenbetriebsordnung vorgeschriebenen Geräten hergestellt werden können, ist Sorge zu tragen.

§ 8
Beratung

(1) Patienten und Ärzte sind über Arzneimittel herstellerunabhängig zu beraten und zu informieren, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit oder einer sinnvollen Therapiebegleitung erforderlich ist. Die Apothekerin und der Apotheker haben beim Patienten gewissenhaft zu ermitteln, inwieweit eine Beratung, insbesondere zur bestimmungsgemäßen Anwendung der Arzneimittel erforderlich ist, um Risiken beim Umgang mit Arzneimitteln zu vermeiden. Durch die Information und Beratung des Verbrauchers darf die ärztliche Therapie nicht beeinträchtigt werden.

(2) In der Apotheke muss die Vertraulichkeit der Beratung bei der Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel gewahrt sein.

§ 9
Abgabe an Kinder und Jugendliche

Sofern Arzneimittel an Kinder und Jugendliche abgegeben werden, tragen die Apothekerin und der Apotheker besondere Verantwortung, einem Arzneimittelmissbrauch vorzubeugen.

§ 10
Notdienst

Die Leiterin und der Leiter einer öffentlichen Apotheke haben die ordnungsgemäße Teilnahme ihres Betriebes am Notdienst im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der Anordnungen der Apothekerkammer sicherzustellen. Hierfür haben sie insbesondere Arzneimittel in einer Art und Menge zu bevorraten, die im Notdienst erfahrungsgemäß benötigt werden. Kann die notdienstbereite Apotheke das erforderliche Arzneimittel nicht liefern, hat sie die notwendige Hilfestellung zur Erlangung des Arzneimittels zu gewähren.

§ 11
Zustellung von Arzneimitteln durch Boten und Versand
apothekenpflichtiger Arzneimittel

(1) Die Zustellung von Arzneimitteln durch Boten der Apotheke ist im Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a Apothekengesetz zulässig. Dabei sind die Bestimmungen des § 17 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung zu beachten.

(2) Apotheken, die eine Versandhandelserlaubnis gem. § 11a Apothekengesetz besitzen, haben die Leitlinien der Bundesapothekerkammer zum Versand von Arzneimitteln aus der Apotheke zu beachten und zu erfüllen.

III.
Pflichten gegenüber Patienten und Dritten

§ 12
Verbot der Heilkunde

Die Ausübung der Heilkunde verstößt gegen die Berufspflichten. Hiervon unberührt bleiben Beratungen, soweit diese zur Ausübung des Apothekerberufes erforderlich sind. Die Mitteilung von Mess- und Referenzwerten sowie eine daraus resultierende Empfehlung, einen Arzt aufzusuchen, stellt keine Ausübung der Heilkunde dar, sofern kein konkreter Krankheitsbezug hergestellt wird.

§ 13
Kooperationsgebot

Die Apothekerin und der Apotheker sind verpflichtet, in Ausübung ihres Berufes mit den Personen und Institutionen des Gesundheitswesens zusammenzuarbeiten, soweit nicht ihre Berufspflicht gem. §§ 14 und 15 berührt wird.

§ 14
Freie Apothekenwahl / Unabhängigkeit der Arzneimittelauswahl

Vereinbarungen, Absprachen und schlüssige Handlungen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Abgabe von Arzneimitteln ohne vollständige Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben oder zur Folge haben können, sind unzulässig.

§ 15
Verschwiegenheit und Datenschutz

(1) Der Apothekerin und dem Apotheker ist es untersagt, unbefugt ein fremdes Geheimnis im Sinne des § 203 Strafgesetzbuch, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, zu offenbaren, das ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Sie haben alle unter ihrer Leitung tätigen Personen, die nicht der Berufsordnung unterliegen, über die gesetzliche Pflicht zur Verschwiegenheit zu belehren und sich dies schriftlich bestätigen zu lassen.

(2) Die Speicherung und Nutzung patientenbezogener Daten bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, sofern sie nicht nach § 28 Abs. 1 und 2 Bundesdatenschutzgesetz oder anderen Ermächtigungsgrundlagen zulässig sind oder von gesetzlichen Bestimmungen gefordert werden.

§ 16
Soziale Verantwortung

(1) Die Apothekerin und der Apotheker haben im Rahmen ihrer persönlichen und betrieblichen Möglichkeiten an der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzuwirken.

(2) Die Apothekenleiterin und der Apothekenleiter haben nach dem vereinbarten Beginn des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich in einer Art  niederzulegen, die den Anforderungen des Nachweisgesetzes und des Berufsbildungsgesetzes entsprechen.

(3) Sofern die Apothekenleiterin und der Apothekenleiter Auszubildende ausbilden, haben sie unverzüglich nach dem Abschluss des Berufsausbildungsvertrags, spätestens vor Beginn der Berufsausbildung, den wesentlichen Inhalt des Vertrages schriftlich niederzulegen. Die Niederschrift muss von der Apothekenleiterin und dem Apothekenleiter, dem Auszubildenden und gegebenenfalls dessen gesetzlichen Vertreter unterzeichnet werden. Je eine Ausfertigung ist dem Auszubildenden und seinem gesetzlichen Vertreter auszuhändigen.

§ 17
Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung

Die Leiterin und der Leiter einer öffentlichen Apotheke haben eine ausreichende Haftpflichtversicherung zur Abdeckung von Haftungsansprüchen aus ihrer beruflichen Tätigkeit abzuschließen und während der Berufstätigkeit aufrecht zu erhalten.

IV.
Wettbewerb und Werbung

§ 18
Allgemeine Grundsätze

(1) Wettbewerb ist verboten, wenn er unlauter ist. Nicht erlaubt ist eine Werbung, die irreführend oder nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirkt, sowie eine Werbung, die einen Mehrverbrauch oder Fehlgebrauch von Arzneimitteln begünstigt. Die Werbung der Apothekerin und des Apothekers darf ihrem beruflichen Auftrag nicht widersprechen, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Die Bevölkerung soll darauf vertrauen dürfen, dass die Apothekerin und der Apotheker – obwohl auch Gewerbetreibende – sich nicht von Gewinnstreben beherrschen lassen, sondern ihre Verantwortung im Rahmen der Gesundheitsberufe wahrnehmen. In diesem Sinne sollen die Werbeverbote dem Arzneimittelfehlgebrauch entgegenwirken und die ordnungsgemäße Berufsausübung stärken. Insbesondere soll das Vertrauen der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apothekerin und des Apothekers erhalten und gefördert werden.

(2) Bei der Werbung haben die Apothekerin und der Apotheker folgende Grundsätze zu beachten:

a)      Die Werbung muss der besonderen Stellung der Apothekerin und des Apothekers als Angehörige eines Heilberufs gerecht werden.

b)      Werbung für apothekenübliche Waren und freiverkäufliche Arzneimittel muss sich im Rahmen der Werbung anderer seriöser Anbieter gleichartiger Waren halten.

c)      Bei Werbung für Arzneimittel müssen die Apothekerin und der Apotheker der besonderen Verantwortung für die Verhinderung von Arzneimittelfehlgebrauch und Arzneimittelmehrverbrauch in besonderem Maße Rechnung tragen.

d)      Bei allgemeiner Preiswerbung muss auf die Einheitlichkeit des Abgabepreises für Arzneimittel hingewiesen werden, die der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen.

e)      Die Werbung für apothekerliche Dienstleistungen muss den Geboten einer wahren und sachlichen Information entsprechen.

§ 19
Einzelne Verbote

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze sind insbesondere nicht erlaubt:

1.      Die kostenlose Abgabe von Arzneimitteln und Arzneimittelproben sowie die kostenlose Durchführung von Blutdruckmessungen und physiologisch-chemischen Untersuchungen;

2.      der teilweise oder gänzliche Verzicht auf Zuzahlungen und Mehrkosten nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) in der jeweils geltenden Fassung sowie die Werbung hierfür;

3.      das Abgehen von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreis, insbesondere das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen sowie die Werbung hierfür;

4.      das Vortäuschen einer bevorzugten oder besonderen Stellung der eigenen Apotheke, der eigenen Person oder des Apothekenpersonals wie z. B. durch das unberechtigte Führen von Aus- und Weiterbildungsbezeichnungen, von Fortbildungsnachweisen, einer Zertifizierung für Qualitätssicherung;

5.      Verträge, Absprachen und Maßnahmen, die bezwecken oder zur Folge haben können, andere Apotheken von der Belieferung oder Abgabe von Arzneimitteln ganz oder teilweise auszuschließen;

6.      das Überlassen von Ausstellungsflächen der Apotheke gegen Entgelt oder sonstige Leistungen;

7.      das Überschreiten der sich aus dem allgemeinen Wettbewerbsrecht sowie Heilmittelwerbegesetz ergebenden Grenzen beim Gewähren von Zugaben, Warenproben, Zuwendungen und sonstigen Werbegaben;

8.      Zuwendungen und Geschenke an Kunden, Angehörige anderer Heilberufe oder nicht-ärztliche Heilberufe, Kostenträger, Kurheime, Altenheime, Krankenanstalten oder ähnliche Einrichtungen sowie deren Leiterinnen/ Leiter und Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter, soweit damit der Wettbewerb beeinflusst werden kann;

9.      das Anbieten und Erbringen von Dienstleistungen, die nicht vom Versorgungsauftrag gedeckt sind, nicht im Zusammenhang mit apothekenüblichen Waren stehen oder nicht ihre Grundlage in der Ausbildung der Apothekerin und des Apothekers finden (nicht-apothekenübliche Dienstleistungen).

§ 20
Berufsgerichtsbarkeit / Berufsaufsicht

Verstöße gegen die Berufsordnung werden nach den Bestimmungen des Heilberufsgesetzes berufsrechtlich geahndet.

Artikel II

Diese Berufsordnung tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft.

Gleichzeitig tritt die Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 6. Dezember 1995 (MBl. NRW. 1996 S. 406), zuletzt geändert am 21. Mai 1997 (MBl. NRW. S. 1015) außer Kraft.

Genehmigt :

Düsseldorf, den 30. Juli 2007

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen

Im Auftrag
G o d r y

Ausgefertigt :

Münster, den 25. Juni 2007

Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Hans-Günter Friese
Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

- MBl. NRW. 2007 S. 617