Ministerialblatt (MBl. NRW.)
Ausgabe 2012 Nr. 1 vom 9.1.2012 Seite 1 bis 20

G r u ß w o r t an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen zum Jahreswechsel 2011 / 2012
Normkopf
Norm
Normfuß
 

G r u ß w o r t an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen zum Jahreswechsel 2011 / 2012

G r u ß w o r t
an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen
zum Jahreswechsel 2011 / 2012

Woran werden wir uns in zwei, in fünf oder in zehn Jahren erinnern, wenn wir an das Jahr 2011 zurückdenken? Für mich war es das erste volle Jahr als Minister dieses Landes. Vieles erschien mir ungewohnt und ungewöhnlich, vieles auch einfach nur neu.  Doch schon nach kurzer Zeit gewöhnt man sich an das Neue. In der Erinnerung bleibt das Außergewöhnliche.

Die Eurokrise ist ein Thema, das uns das ganze Jahr hindurch begleitet hat und das uns wohl weiterhin erhalten bleiben wird. Es zeigt uns, wie eng mittlerweile Banken und öffentliche Haushalte, Staaten und Staatengemeinschaften miteinander verbunden und aufeinander angewiesen sind. Was international gilt, setzt sich auch national fort: Bund, Länder und Kommunen sind die tragenden Säulen unserer Staatsordnung. Jeder ist aufgerufen, auf seiner Ebene die Verantwortung für das Funktionieren dieses Systems zu tragen.

Nirgendwo wird Politik so unmittelbar wahrgenommen wie in unseren Städten und Gemeinden. Dort wird unser Alltag geprägt. Dort wird auch deutlich, wie sehr die politische Handlungsfähigkeit von den finanziellen Möglichkeiten abhängt. Gesicherte Finanzen sind eine unabdingbare Voraussetzung. Um diesem Ziel näher zu kommen, hat die Landesregierung bislang rund eine Milliarde Euro im Haushalt zu Gunsten der Kommunen umgeschichtet. In intensiven Gesprächen und Abstimmungen haben wir den Stärkungspakt Stadtfinanzen geschmiedet. Mit ihm sollen die Gemeinden, die überschuldet sind oder kurz vor der Überschuldung stehen, ihre Haushalte sanieren. Der Weg aus den Schulden wird nicht leicht, aber er ist jede Anstrengung wert.

Neben der materiellen Sicherheit ist die persönliche Sicherheit ein hohes Gut in unserer Gesellschaft. In einem solidarischen, menschlichen Nordrhein-Westfalen sollen die Menschen gern leben und sich sicher fühlen.

Im Jahr 2011 mussten wir erfahren, dass mitten unter uns über Jahre hinweg eine Reihe von Anschlägen verübt werden konnten, die wir heute eindeutig als „Rechtsterrorismus“ qualifizieren müssen. Auch bei uns fielen Bürgerinnen und Bürger diesen Morden und Mordversuchen zum Opfer. Die Terrorserie ist ein Anschlag auf unsere gemeinsame Freiheit und unsere gemeinsame Demokratie - sie richtet sich gegen unser Land.

Künftig müssen wir alles daran setzen derartige Straftaten zu verhindern und Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen. Hier gilt es, die positiven Erfahrungen bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus auf die Bekämpfung des Rechtsterrorismus zu übertragen.

Mit präventiven Ansätzen in der Politik wollen wir Fehlentwicklungen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen frühzeitig erkennen und vermeiden, damit später nicht umso höhere Reparaturkosten anfallen.

So haben wir im Jahr 2011 neue Wege bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität in Nordrhein-Westfalen eingeschlagen. Mit dem Programm „Kurve kriegen“ setzen wir auf frühzeitige Hilfe für gefährdete Kinder und Jugendliche, die bereits als Mehrfachstraftäter bekannt sind. Die Erfahrung zeigt, dass sich offensichtlich nur in jungen Jahren Entwicklungen mit guter Aussicht auf Erfolg korrigieren lassen. Je eher der Hebel ansetzt, desto größer sind die Chancen. Jedes Kind, das mit dieser Hilfe die Kurve kriegt, ist ein Gewinn: ein Gewinn für den persönlichen Lebensweg und ein Gewinn für die Gesellschaft.

Ein Gewinn für die Gesellschaft sind auch Bürgerinnen und Bürger, die sich für das Gemeinwesen interessieren und engagieren. Oft jedoch fühlen sie sich bei politischen Entscheidungen nur als Zaungäste. Möglichkeiten der direkten Demokratie waren bisher beschränkt oder wenig erfolgversprechend. Eine lebendige Demokratie lebt aber von aktiven Mitwirkungsmöglichkeiten. Aus Betroffenen Beteiligte machen, ist eine der zentralen Zielrichtungen der Landesregierung. Wir haben deshalb die formalen Hürden für Bürger- und Volksbegehren gesenkt. Die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt eine gute Chance, ihre Anliegen durchzusetzen.

Diesen Weg werden wir im Jahr 2012 fortsetzen. Wir starten eine Open-Government-Initiative. Ihr Ziel soll sein, öffentliche Daten und Informationen noch breiter bereit zu stellen und neue und erweiterte digitale Beteiligungsmöglichkeiten an öffentlichen Entscheidungsprozessen zu schaffen. Wir wünschen uns ein vertrauensvolles Miteinander im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. Offenheit und Transparenz gehören untrennbar dazu.

Voraussetzungen für ein vertrauensvolles Miteinander in den Behörden des Landes und der Kommunen haben wir mit dem neuen Personalvertretungsrecht geschaffen. Für 600.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst gibt es seit 2011 moderne und zukunftsweisende Regelungen, die bundesweit einmalig sind. Personalräte und Dienststellen können auf gleicher Augenhöhe zusammenarbeiten. Nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander finden wir den richtigen Weg zur Lösung der vor uns liegenden Herausforderungen.

Eine zentrale Erfahrung der zurückliegenden 12 Monate lautet für mich: Auch als Minderheitsregierung hat die Landesregierung ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. In wichtigen zentralen Anliegen haben wir Mehrheiten für unsere Projekte gewonnen und neue Wege beschritten. Wir sind mit den politischen Vorhaben, die wir uns mit der Koalitionsvereinbarung vorgenommen haben, ein gewaltiges Stück vorangekommen. An diesen Erfolgen haben Sie alle maßgeblichen Anteil.

Sie haben sich den vielen Herausforderungen des Jahres mit hohem persönlichem Engagement gestellt. Es ist mir nicht entgangen, dass das Arbeitspensum mitunter immens und oft auch nur unter Zurückstellung privater Belange zu bewältigen war. Für Ihre Mitarbeit und Ihren Einsatz danke ich Ihnen sehr herzlich.  

Ihnen und Ihren Angehörigen wünsche ich für das Jahr 2012 alles Gute,  persönliche Zufriedenheit und Gesundheit.

Ralf Jäger

Minister für Inneres und Kommunales
des Landes Nordrhein-Westfalen

- MBl. NRW. 2012 S. 1